Titel: Ueber die Corrosion von Bleiröhren, welche im Mauerwerk oder in der Erde liegen.
Autor: W. Leybold
Fundstelle: Band 266, Jahrgang 1887, S. 221
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Ueber die Corrosion von Bleiröhren, welche im Mauerwerk oder in der Erde liegen. Ueber die Corrosion von Bleiröhren. Bekanntlich findet man öfters bleierne Gas- und Wasserröhren zerfressen und durchlöchert und zwar meist an der Stelle, wo dieselben in das Mauerwerk der Häuser eintreten. G. v. Knorre hat nun Versuche darüber angestellt, welchen Einfluſs Luft, Wasser, Kalkwasser, Mörtel, Erde und Cement auf die Corrosion von Bleiröhren haben. An feuchter Luft läuft eine frische, glänzende Bleioberfläche rasch an, bedeckt sich mit einem dünnen Oxydhäutchen, das fest aufliegt und so das darunterliegende Metall vor weiterem Angriff schützt; deshalb hat dichtes metallisches Blei an der Luft eine fast unbegrenzte Haltbarkeit. In trockener Luft verändert Blei seinen Glanz nicht; zur Oxydation bei gewöhnlicher Temperatur ist demnach die Gegenwart von Sauerstoff, d.h. Luft und Feuchtigkeit erforderlich. Fein zertheiltes Blei, Bleischwamm, geht unter diesen Bedingungen vollständig in Suboxyd über. Ausgekochtes, also sauerstofffreies Wasser löst ohne Luftzutritt kein Blei auf; mit Luft geschütteltes Wasser greift dasselbe rasch an und enthält Bleihydroxyd in Lösung, das sich in Folge gleichzeitiger Anwesenheit von Kohlensäure als basisches Bleicarbonat absetzt. Schon angegriffenes Blei wird stärker als solches mit metallischer Oberfläche zerfressen; die Wirkung ist schneller, wenn das Blei abwechselnd mit Luft und Wasser in Berührung kommt. Nicht alle in der Natur vorkommenden Wasser nehmen Blei auf; es hängt dies wesentlich von den in Lösung befindlichen Bestandtheilen ab. Kleine Mengen Kohlensäure und auch Bicarbonate verhindern die Aufnahme von Blei; Chloride, Nitrate und in Zersetzung befindliche organische Substanzen erhöhen die Löslichkeit, noch mehr aber der Sauerstoff der Luft. Der Einfluſs der Luft ergibt sich am deutlichsten aus den Versuchen von Pattison Muir (1877 223 649), welcher verschiedene Salzlösungen auf Blei einwirken lieſs. Bleiplatten von 25qc Oberfläche wurden in Salzlösungen gebracht (0g,2 Salz im Liter) und zwar bei der Versuchsreihe A in verkorkten Flaschen, bei B in mit Filtrirpapier bedeckten Bechergläsern von 11cm,5 Durchmesser, bei C in mit Filtrirpapier bedeckten Schalen von 14cm,5 oberem Durchmesser. Das Blei war fast rein, enthielt nur Spuren von Mangan, Zink, Eisen. Folgende Tabelle zeigt die Versuchsergebnisse: Salz mg Blei gelöst in 14 bis 21 Tagen A B C Ammoniumnitrat 1,8 bis 1,8 2,0 bis 4,0 8,0 bis 16,0 Kaliumnitrat 1,2  „   1,6 0,5  „   0,5 2,8  „     6,0 Calciumchlorid 1,9  „   3,0 1,6  „   2,8 3,2  „     5,5 Ammoniumsulfat 0,7  „   0,7 1,1  „   1,3 9,2  „   16,0 Kaliumcarbonat 0,3  „   0,3 0,3  „   0,3 0,7  „     0,7 Bei Versuchsreihe C, der die gröſste Oberfläche, also auch der gröſste Luftzutritt entsprach, ging am meisten Blei in Lösung. Beim Stehen an der Luft scheidet sich aus den Flüssigkeiten basisches Bleicarbonat aus. Kalkwasser greift Bleispäne bei Luftabschluſs nicht an, dagegen sehr kräftig bei Luftzutritt. Auf einer Bleiröhre, in Kalkbrei, Kalkmilch oder Kalkmörtel gelegt, zeigten sich schon nach einem Tag angefressene Stellen und ein leichter gelber Oxydbeschlag. Dabei ist die Einwirkung auf das Blei stets dann am stärksten, wenn dieses an der Oberfläche des Kalkwassers, des Mörtels, der Kalkmilch liegt, weil hier die Sauerstoffaufnahme am leichtesten erfolgen kann. Der chemische Vorgang ist der, daſs sich unter dem Einfluſs von Sauerstoff und Feuchtigkeit gebildetes Bleioxyd in Kalkwasser löst und wieder zum Theil als wasserfreies gelbes Oxyd auf dem Blei niederschlägt. Ein solcher gelber Niederschlag kann sich mithin auch auf Bleiröhren bilden, welche mit Calciumhydroxyd enthaltendem Mörtel oder Cement bei Gegenwart von Luft und Feuchtigkeit in Berührung kommen. Auf diese Art entstand z.B. an einem Bleirohr, aus dem Bassin eines Springbrunnens in Hannover stammend, eine starke rothgelbe Oxydkruste. Es war in Cement gebettet gewesen und Feuchtigkeit wie Luft, letztere zumal bei leerem Bassin, konnten genügend hinzutreten. Die Analyse der bei 110° getrockneten Oxydkruste ergab einen Gehalt von 99,05 Proc. Bleioxyd neben wenig Kieselsäure, Eisenoxyd, Kalk und Kohlensäure. Dieselbe bestand wesentlich aus Bleioxyd. Ein zweites Rohr, aus dem Generalstabsgebäude in Berlin stammend, war, soweit es in Sandstein gebettet lag, unverletzt; wo dasselbe aber durch das aus Kalkbruchsteinen, Ziegelstücken und Kalkmörtel bestehende Mauerwerk gelegt war, erwies es sich gänzlich zerfressen und in gelbes Oxyd verwandelt. Die Analyse ergab in der Oxydkruste 99,69 Proc. Bleioxyd, neben wenig Kohlensäure und Wasser. Der das Bleirohr umgebende Mörtel reagirte stark alkalisch, enthielt also noch Calciumhydroxyd. Die Analyse des Mörtels ergab: Sand 78,41 Proc. Kohlensaurer Kalk   7,45 Kalk   4,15 Wasser   9,99 Bei Luftzutritt waren hier die Bedingungen zur Oxydbildung an der Bleiröhre gegeben. In manchen Fällen ist die Oxydschichte roth, von der Farbe der käuflichen Bleiglätte. So z.B. untersuchte M. Bamberger (1882 245 35) eine solche rothe Kruste von einem Bleirohr, das in einem Verputz von Portlandcement gelegen hatte. Dieselbe bestand aus Bleioxyd neben wenig Wasser und Kohlensäure, mechanisch etwas metallisches Blei beigemischt. Ist Calciumhydroxyd bei der Oxydation des Bleies nicht vorhanden, so bleibt die Kruste weiſs; sie besteht zuerst aus Bleihydroxyd, dann durch Aufnahme von Kohlensäure der Luft aus basisch kohlensaurem Bleioxyd. Vorhandener Kalk bindet die Kohlensäure und dann entsteht gelbes oder rothes Oxyd; letzteres bildet sich deshalb nur bei in Kalkmörtel oder Cement eingebetteten Bleiröhren. Weiſse Krusten fanden sich z.B. an drei Röhren der Berliner Wasserleitung; dieselben waren nur stellenweise angegriffen und hatten an diesen Stellen ein pockenartiges Aussehen. Die einzelnen angegriffenen Stellen waren oft nur 2qmm groſs, erstreckten sich aber tief ins Metall hinein. Die Krusten sind sehr porös und saugen begierig Wasser auf. Die Analyse der drei Krusten ergab: Röhre I II III Sand     0,2   0,5   1,5 Bleioxyd   74,3 82,7 78,4 Kohlensäure     8,8   8,8 11,1 Schwefelsäure   1,5   1,3 Salpetersäure     5,1   2,0   0,3 Bleichlorid   10,6   2,6   5,8 Wasser     1,0   1,7   1,3 ––––– –––– –––– 100,0 99,8 99,7 Der Fundort von Nr. I war nicht zu ermitteln; Nr. II zeigte die schadhafte Stelle im Fundament eines Hauses; das Rohr lag in einer durchgestemmten Oeffnung des Mauerwerkes unten auf, oben frei. Das Mauerwerk besteht aus Kalksteinen und Kalkmörtel, mit Cement verputzt. Das stark zerfressene Rohr Nr. III ist aus der Straſse in 1m,5 Tiefe herausgenommen worden; der Boden war stark mit basisch kohlensaurem Bleioxyd mit wechselnden Mengen Bleinitrat, Bleisulfat, Bleichlorid und organischen Stoffen untermischt, welch letztere Bestandtheile die Corrosion des Metalles sehr befördern. In unreinem Boden wird ein Angreifen der Bleirohre wahrscheinlich häufig dadurch verhindert, daſs der Sauerstoff der Grundluft für die Zersetzung organischer Stoffe vollständig in Anspruch genommen wird, wobei Kohlensäure entsteht. Die Abnahme des Sauerstoffgehaltes ergibt sich auch aus der Veränderung im Gasgehalt des den Boden durchsickernden Wassers; der Sauerstoff wird zu Oxydationszwecken vom Boden aufgenommen, dafür Kohlensäure an das Wasser abgegeben. Ein experimenteller Nachweis dieses Austausches wurde von Reichardt gegeben; er mischte Regenwasser mit Torf und bestimmte von Zeit zu Zeit den Gasgehalt des Wassers; er fand in 1l Wasser: Bestandtheile Im Anfang Nach5 Stunden Nach48 Stunden Gasmenge ccm 22,4 31,3 30,2 Sauerstoff Proc. 22,0   5,9 Spur Stickstoff 64,8 79,6 50,0 Kohlensäure 13,2 14,5 50,0 Vortrag im Berliner Bezirksverein Deutscher Ingenieure nach Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure 1887 Bd. 31 S. 114. W. Leybold.