Titel: Das Weldon-Pechiney-Verfahren zur Herstellung von Chlor.
Autor: P. Naef
Fundstelle: Band 269, Jahrgang 1888, S. 28
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Das Weldon-Pechiney-Verfahren zur Herstellung von Chlor. Mit Abbildungen auf Tafel 2 und 3. Verfahren zur Herstellung von Chlor. J. Dewar macht im Journal of the Society of Chemical Industry, 1887 Bd. 6 S. 775 höchst wichtige Mittheilungen über das Weldon und Pechiney patentirte Verfahren zur Herstellung von Chlor aus Magnesiumoxychlorid und Luft bei höherer Temperatur. Seit dem Tode Weldon's ist das Verfahren hauptsächlich von Pechiney und seinem Ingenieur Boulouvard so weit vervollkommnet worden, daſs in der Fabrik von Pechiney und Comp. in Salindres nun bereits seit mehr als 5 Monaten eine Einrichtung zur Herstellung von täglich 1t Chlor in regelmäſsigem Betriebe ist. Die während dieser Zeit mit dem Verfahren gemachten Erfahrungen sind so günstige, daſs Pechiney sofort mit dem Bau einer Einrichtung zur Production von 6t Chlor im Tag zu beginnen gedenkt. Das Weldon-Pechiney-Verfahren, bei welchem in Salindres bis jetzt Salzsäure als Rohmaterial benutzt wird, zerfällt in folgende fünf Operationen: 1) Auflösung von Magnesia in Salzsäure, 2) Herstellung von Magnesiumoxychlorid, 3) Zerkleinerung und Sortirung von Oxychlorid, 4) Trocknen von Oxychlorid, 5) Zersetzung von Oxychlorid. 1) Die Auflösung von Magnesia in der als Ausgangsmaterial dienenden Salzsäure wird in einem mit Rührwerk versehenen Steintroge vorgenommen. Da dieselbe mit bedeutender Wärmeentwickelung verbunden ist, darf die Magnesia nur langsam zugesetzt werden und bei allfällig eintretendem Kochen muſs mit dem Zusatz einige Zeit gewartet werden. Zur Fällung von Eisen und Thonerde fügt man zuletzt einen geringen Ueberschuſs von Magnesia zu. Das durch den Schwefelsäuregehalt der Salzsäure entstandene Magnesiumsulfat zersetzt man durch etwas Chlorcalcium und pumpt hierauf die Magnesiumchloridlösung in Absitzgefäſse. Die Salzsäure, welche bei dieser ersten Operation benutzt wird, wird gröſstentheils durch Zersetzung von Kochsalz erzeugt. Ein Theil aber wird, wie auch die zum Neutralisiren benutzte Magnesia, bei der fünften Operation, der Zersetzung des Oxychlorides, erhalten. 2) Herstellung von Magnesiumoxychlorid. Die klare Magnesiumchloridlösung wird in Kesseln eingedampft, bis sie 6 Aeq. Wasser auf 1 Aeq. MgCl2 enthält, und hierauf wird aus derselben durch Zusatz von Magnesia in dem in Fig. 29 und 30 Taf. 2 abgebildeten Apparate Oxychlorid hergestellt. Der Apparat besteht aus einer runden Eisenpfanne A, welche auf Rollen a, a beweglich ist. Das Treibrad B setzt durch das Zahnrad c die Pfanne in langsame drehende Bewegung. An dem Rahmen M sind 3 Rührer G, D, E befestigt, welche ebenfalls vom Treibrad B aus in Bewegung gesetzt werden. Die Magnesia wird durch ein Becherwerk in die die Magnesiumchloridlösung enthaltende Pfanne entleert. Nach etwa 20 Minuten ist das Oxychlorid unter Wärmeentwickelung zu einer harten, durch die Rührer in Stücke vertheilten Masse erstarrt. Man entleert dasselbe in kleine Wagen, welche durch einen Aufzug auf ein höheres Stockwerk gehoben werden, wo dann die Reaction sich vollendet. In Salindres werden zur Herstellung des Oxychlorides 1,3 Aeq. Magnesia auf 1 Aeq. Chlormagnesium benutzt. Das erzeugte Oxychlorid zeigt folgende Zusammensetzung: MgCl2   35,00 Proc. = 26,16 Proc. Chlor MgO   19,84 = 1,316 Aq. MgO : 1 Aeq. MgCl2 Wasser   41,16 Unreinigkeiten     4,00 –––––– 100,00 3) Zerkleinern und Sortiren des Magnesiumoxychlorides. Das Oxychlorid wird, nachdem es einige Zeit in den Wagen gestanden hat, in einer besonders construirten Walzenmühle zu wallnuſsgroſsen Stücken zerkleinert und nachher durch ein Drehsieb mit 5mm Drahtgeflecht gesiebt. Das Oxychloridpulver kann bei der ersten Operation wieder in Salzsäure gelöst werden oder man kann dasselbe auch bei der Herstellung des Oxychlorides wieder verwenden. In Salindres hat man die Zerkleinerung so weit vervollkommnet, daſs bloſs 20 Proc. des Gesammtgewichtes als Pulver abfällt. 4) Trocknen des Magnesiumoxychlorides. Das Oxychlorid muſs vor der Zersetzung getrocknet werden, da sonst bedeutend weniger Chlor, aber mehr Salzsäure erhalten würde. Während Chlormagnesium ohne bedeutenden Salzsäureverlust gar nicht getrocknet werden kann, läſst sich aus dem Oxychlorid, wenn die Temperatur nicht über 260 bis 300° steigt, sehr viel Wasser bei geringem Salzsäureverlust abtreiben. Da die Bildung von Pulver möglichst vermieden werden muſs, trocknet man in Salindres das Oxychlorid in Schalen, welche über einander auf kleinen Wagen angebracht sind. Diese Wagen werden in einer Reihe langsam durch einen Heizkanal gefahren. Fig. 1 Taf. 3 zeigt einen Querschnitt durch den Heizkanal und durch einen Wagen mit den darauf befindlichen Schalen, in Fig. 2 dagegen ist ein Längsschnitt durch den Heizkanal abgebildet. Um das Ein- und Austreten der Wagen aus dem geheizten Raume ohne Luftzutritt von auſsen zu ermöglichen, sind an beiden Enden Verschluſsvorrichtungen, wie sie in Fig. 2 ersichtlich sind, angebracht. Beim Eintritt eines Wagens öffnet man die Thür a, schiebt den Wagen in die Kammer A und schlieſst die Thür a wieder zu. Hierauf hebt man die Schieber c und d und treibt die ganze Wagenreihe durch die Vorrichtung G im Kanal vorwärts, so daſs der erste Wagen in die Kammer B theilweise eintritt und durch den Haken D ganz in dieselbe gezogen werden kann. Von dort kann er nach Senken der Thüre d und Oeffnen von b entfernt werden. Die 300° heiſsen Gase treten bei M ein und verlassen den Kanal durch die Röhre N. Die Ausbreitung des Oxychlorides auf den einzelnen Schalen verursachte ziemliche Schwierigkeiten. Durch Benutzung der in Fig. 3 Taf. 3 abgebildeten Einrichtung läſst sich aber die Füllung sehr schnell ausführen. Der oberste Theil dieses Apparates, der Meſsapparat A, ist in 7 den auf den Wagen befindlichen Schalen entsprechende Abtheilungen getheilt. Jede Abtheilung ist unten durch eine Thür a verschlieſsbar. Durch Drehung des Rades C lassen sich alle diese Thüren zu gleicher Zeit öffnen oder schlieſsen. Unter dem Meſsapparat befindet sich ein auf Rädern beweglicher Trichterapparat D, welcher ebenfalls in 7 nach unten verjüngte Abtheilungen getheilt ist. Darunter auf dem Niveau des Trockenkanales ist ein drehbarer Rahmen E zur Aufnahme eines leeren Wagens angebracht. In Fig. 3 sind Rahmen und Wagen in gedrehter Lage zur Füllung bereit abgebildet. Bevor aber der Wagen in diese Stellung gebracht wird, schiebt man zwischen je zwei Schalen zwei aus Eisenblech gefertigte Scheidewände d ein, welche die Dicke der Oxychloridschicht bestimmen. Die Scheidewände werden durch Schrauben n befestigt, deren Köpfe gegen die Querschienen o, welche einen Theil der Scheidewände bilden, pressen. An dem drehbaren Rahmen sind unten 2 Schienen R angebracht, auf welche der Wagen auffährt. Die Schienen sind an den Hebeln f befestigt, so daſs sich der Wagen durch Drehung der mit dem groſsen Hebel G in Verbindung stehenden Schraube M gegen die Decke des Rahmens heben läſst. Wenn die Scheidewände eingesetzt sind, wird der Rahmen durch ein Zahnrad mit Kurbel, welche in Fig. 3 nur mit punktirten Linien angedeutet sind, gedreht; der Trichter wird darüber gefahren, der Meſsapparat gefüllt und nachher der Inhalt durch Drehen des Rades C in die Abtheilungen des Wagens entleert. Dann wird der Rahmen gedreht, die Scheidewände werden entfernt und der Wagen in den Trockenofen gefahren. Beim Trocknen verliert das Oxychlorid 60 bis 65 Proc. des vorhandenen Wassers und 5 bis 8 Proc. seines Chlorgehaltes als Salzsäure. 100 Th. feuchtes Oxychlorid mit 26,16 Th. Chlor liefern nach dem Trocknen nur 73,36 Th., enthaltend 24,43 Th. Chlor. Vom Gesammtchlor, welches in Arbeit genommen wird, gehen daher bei dieser Operation 6,6 Proc. verloren. Das trockene Oxychlorid zeigt folgende Zusammensetzung: Magnesiumchlorid 44,45 Proc. = 33,30 Proc. Chlor Magnesia 28,36 Wasser 21,62 Unreinigkeiten 5,47 5) Zersetzung von Magnesiumoxychlorid. Zur Zersetzung wird der in Fig. 4 bis 6 Taf. 3 abgebildete Ofen verwendet. Fig. 4 zeigt einen Vertikalschnitt durch den Zersetzungsofen A und durch den auf Rädern beweglichen Regeneratorbrenner D. Der obere Theil von Fig. 5 gibt einen Querschnitt nach der Linie CD (Fig. 4), der untere Theil einen solchen nach EF (Fig. 4). Sowohl in Fig. 4 als in Fig. 5 ist der bewegliche Regeneratorbrenner in der Stellung gezeichnet, welche er beim Heizen des Zersetzungsofens A einnimmt. Fig. 6 stellt einen Vertikalschnitt durch den Zersetzungsofen A dar, welcher rechtwinklig auf den in Fig. 4 abgebildeten geführt ist. A (Fig. 6) sind 4 enge Zersetzungskammern mit sehr dicken Wandungen. Oben münden alle Kammern in die Verbrennungskammer B; unten dagegen sind sie durch wagerechte Kanäle a, a, a, a mit dem Regeneratorbrenner in Verbindung. Der Regeneratorbrenner D (Fig. 4) besteht aus gusſeisernen Röhren von viereckigem Querschnitt, welche auſsen mit Mauerwerk und einem Eisenmantel umgeben sind. Durch zwei senkrechte Theilwände ist jede Eisenröhre in 3 Abtheilungen i, o, u getheilt. Das Brenngas strömt aus den mit der Hauptleitung verbundenen Röhren V und C (Fig. 5) in den Kanal c (Fig. 4) und tritt von da durch Oeffnungen unten in die inneren Kanäle o ein. Die Verbrennungsluft tritt unten in die Kanäle i und u ein und gelangt oben durch die flache Röhre T (Fig. 4) in die Verbrennungskammer B, wo sie das aus den engen Röhren d, d, d (Fig. 4 und 5) ausströmende Gas verbrennt. Die Röhre V (Fig. 5) ist an der Hauptleitung, die Röhre C dagegen am Brenner befestigt. Die Verbindung von C und V bei U muſs leicht hergestellt und wieder unterbrochen werden können. Die heiſsen Verbrennungsgase streichen von der Verbrennungskammer B durch die 4 Zersetzungskammern A, verlassen dieselben unten und kehren durch die wagerechten Kanäle a zum Brenner zurück. In demselben cirkuliren sie, wie in Fig. 4 durch Pfeile angedeutet ist, zuerst durch die Kanäle Z (Fig. 4 und 5) nach oben, dann zur Vorwärmung von Gas und Luft um die eisernen Röhren nach unten. Sie verlassen den Brenner durch die Röhre P (Fig. 4) und treten in den Kanal G, welcher sie zum Trockenofen für das Oxychlorid leitet, Die Verbindung der Röhren Q und P wird durch Senken des unteren Theiles von Q mit dem Hebel S hergestellt. Der bewegliche Regeneratorbrenner D steht, wie aus Fig. 4 und 5 ersichtlich ist, auf Schienen, welche auf einem ebenfalls auf Rädern beweglichen niederen Wagen angebracht sind. Dieser Wagen kann sammt dem darauf befindlichen Brenner eine Strecke vom Ofen weggezogen und hierauf der Brenner auf den parallel mit der Ofenfront laufenden Schienen r zu einem anderen Ofen gefahren werden. Während also Oxychlorid in einem Ofen mit Luft zersetzt wird, kann ein anderer Ofen wieder geheizt werden. Wenn die 4 Kammern einen genügenden Hitzegrad erreicht haben, wird zuerst der Hahn N (Fig. 5) geschlossen, die Verbindung der Röhren C und V, wie auch die der Röhren P und Q wird geöffnet, so daſs der Brenner entfernt werden kann. Dann schlieſst man die Oeffnungen, durch welche die Verbrennungsgase ein und aus traten, durch die Thüren E und F (Fig. 4). Hierauf werden die Kammern A von oben durch einen über der Oeffnung H angebrachten Trichter aus einem Wagen mit Oxychlorid beschickt. Sobald die Kammern gefüllt sind, wird die Thür bei H verschlossen und mittels eines Aspirators Luft durch die in der Thür E befindliche Oeffnungen eingesogen. Das Oxychlorid wird durch die glühenden Kammerwandungen sehr schnell erhitzt, so daſs unten durch die Kanäle a und von da durch den Kanal l in die Röhre m (Fig. 5 und 6) ein Gasgemisch von Chlor und Salzsäure entweicht. Die Röhre m führt das Gas zu Apparaten, in denen die Salzsäure entfernt wird und das Chlor wird weiter in mit Kalkmilch gefüllte Absorptionsgefäſse geleitet und zur Herstellung von Kaliumchlorat benutzt. Sobald das Oxychlorid genügend zersetzt ist, wird der Luftzutritt unterbrochen und die Magnesia durch die horizontalen Kanäle a aus dem Ofen entleert. Nachher wird der Brenner D wieder in die in den Fig. 4, 5 und 6 ersichtliche Stellung gebracht und die Zersetzungskammern werden von Neuem geheizt. Schon Davy fand, daſs bei Behandlung von Magnesia mit Chlor Sauerstoff und Chlormagnesium gebildet wird, und umgekehrt erwähnt Graham, daſs Chlormagnesium, mit Sauerstoff behandelt, Magnesia und Chlor liefert. In der That hat auch Dewar durch den Versuch gefunden, daſs die Reaction, auf welcher das Weldon-Pechiney-Verfahren beruht, eine umkehrbare ist. Magnesiumoxychlorid liefert bei Behandlung mit Sauerstoff Chlor, beim Ueberleiten von Chlor dagegen wird Sauerstoff ausgetrieben. Dewar erklärt sich die Zersetzung, welche im Ofen vor sich geht so, daſs zuerst durch starke Dampfentwickelung Chlormagnesium unter Freiwerden von Salzsäure zersetzt wird und daſs nachher durch Wirkung von Sauerstoff auf das trockene Gemisch von Magnesiumoxyd- und Chlorid Chlor frei wird. Die den Zersetzungsofen verlassenden Gase gehen zur völligen Abscheidung der Salzsäure zuerst durch einen Glasröhrenkühler, dann durch mehrere Sandsteingefäſse und durch einen Koksthurm. Hierauf treten die Gase in einen Aspirator ein, durch welchen sie dann weiter in mit Kalkmilch beschickte Gefäſse gepumpt werden. Nach Grüneberg's Bericht (S. 37) ist wohl irrthümlich erwähnt, daſs der Aspirator erst hinter der Anlage für Kaliumchlorat angebracht ist. Da der ganze Apparat mit Aspiration arbeitet, ist nach Grüneberg an keiner Stelle Chlorgeruch wahrzunehmen. Um die Gase möglichst regelmäſsig aus dem Ofen abzusaugen, benutzt man in Salindres einen Aspirator, welcher aus zwei sich abwechselnd auf und ab bewegenden, in Chlorcalciumlösung tauchenden Gasometern besteht. Der Glasröhrenkühler, welcher in Fig. 7 und 8 abgebildet ist, besteht aus einem Steinthurm, in welchen in schwach geneigter Lage etwa 180 Kühlröhren aus Glas eingesetzt sind. Das tiefer stehende Ende jeder Röhre ist durch einen Kautschukschlauch mit der Wasserleitung in Verbindung. Das Kühlwasser tritt auf der entgegengesetzten Seite des Thurmes aus den Glasröhren aus und entleert sich in Rinnen. Nach Grüneberg sind an den Röhren Ablaufventile angebracht, welche sich beim Springen der Röhren selbstthätig schlieſsen und so das Eindringen von Luft in den Thurm verhindern. Wie der Betriebsleiter Grüneberg versicherte, soll ein Springen der Röhren selten eintreten. Da die an den Röhren condensirte Salzsäure denselben entlang flieſst, muſs die Eindichtung der Röhren in die Steinplatten besonders auf der Seite des Thurmes, auf welcher das Wasser einflieſst, sehr sorgfältig mit Kautschukflanschen geschehen. Auf der anderen Seite des Thurmes ist Dichtung mit Cement genügend. Das zu kühlende Gas läſst man am besten oben ein- und unten austreten. Die Salzsäure, welche aus den Gasen abgeschieden wird, hat durchschnittlich eine Stärke von 12° B. Da aber zuerst fast nur Wasser und erst nach einiger Zeit viel Salzsäure entwickelt wird, lieſse sich leicht Säure von gröſserer Concentration erzeugen. Das erzeugte Chlorgas enthält durchschnittlich etwa 4 Proc. Chlor, der höchste Chlorgehalt dagegen beträgt 7 bis 8 Proc. Bis jetzt wird in Salindres alles mit dem neuen Verfahren erzeugte Chlor zur Herstellung von Kaliumchlorat benutzt. Da aber das Chlorgas, wenn auch verdünnt, doch ohne irgend welche schädlichen Beimengungen ist, wird auch die Fabrikation von Chlorkalk keine groſsen Schwierigkeiten bieten. Für je 100 Th. Chlor im Oxychlorid erhält man bei der Zersetzung: 45,23 Th. freies Chlor 39,77 Chlor als Salzsäure 15,00 Chlor im Zersetzungsrückstand. ––––– 100,00 Da beim Trocknen des Oxychlorides 6,6 Proc. Chlor verloren gehen, erhält man aus 100 Th. ursprünglich in Arbeit genommenem Chlor: 42,25 Th. freies Chlor 37,15 Chlor als Salzsäure 14,00 Chlor im Rückstand 6,60 Chlorverlust beim Trocknen. –––––– 100,00 Wenn man weiter einen Verlust von 5 Proc. Chlor bei der Ausführung des Verfahrens annimmt, so hat man folgende Vertheilung von 100 Th. in Arbeit genommenem Chlor: Ausbeute von Chlor im freien Zustande   40,14 Th. Chlor, welches wieder in den Prozeſs zurückgeht     a) im Zersetzungsrückstand 13,30 Th.     b) als Salzsäure condensirt 35,29   „   48,59   „ Chlorverlust     a) beim Trocknen   6,27   „     b) bei den anderen Operationen   5,00   „   11,27   „ ––––––––––––––––––– 100,00   „ Zur Erzeugung von 40,14 Th. freiem Chlor braucht man also 100 – 48,59 = 51,41 Th. Chlor im Rohmaterial, d.h. es werden 78 Proc. des in Arbeit genommenen Chlores im freien Zustande erhalten. Eine Verbesserung dieses Resultates lieſse sich durch Verminderung des Chlorverlustes, durch Erhöhung der Bildung von Chlor im Verhältniſs zur Salzsäure und durch Verminderung des Chlorgehaltes des Zersetzungsrückstandes erzielen. In allen diesen Punkten läſst sich jedenfalls allein schon durch Anwendung höherer Temperatur in den Zersetzungskammern eine Verbesserung erreichen. Bei den jetzigen Einrichtungen steigt die Hitze in den Kammern bis auf etwa 1000°. Die Temperatur muſs aber wo möglich noch bedeutend gesteigert werden. Die aus dem Ofen entleerte Magnesia muſs in einer mit Rührwerk versehenen Eisenpfanne, welche sich in einem anderen mit Wasser gefüllten Gefäſse befindet, gekühlt werden. Dann wird dieselbe durch ein Drehsieb gesiebt und man erhält dadurch etwa 85 Proc. fast aus reiner Magnesia bestehendes Pulver mit nur 4 Proc. Chlor und 15 Proc. beinahe unzersetztes Oxychlorid in Stücken mit bis 40 Proc. Chlor, welches wieder in den Ofen gebracht wird. Die gegenwärtige Anlage in Salindres besteht aus 2 Zersetzungsöfen mit je 9 Zersetzungskammern von 3m Höhe, 1m Länge und 0,08m Breite. Diese 2 Oefen mit einem Regeneratorbrenner sind zur Herstellung von 1000k Chlor in 24 Stunden (je 3 Operationen in 24 Stunden) construirt und lassen sich deshalb zusammen als Einheit betrachten. Wegen mangelhafter Erhitzung der Zersetzungskammern können bis jetzt nur 2 Operationen, von denen jede 180 bis 190k Chlor liefert, in einem Ofen gemacht werden, und es werden daher bis jetzt in 24 Stunden nur 720 bis 760k freies Chlor erzeugt. Durch Anwendung einer höheren Zersetzungstemperatur wird aber nicht nur die Production bedeutend erhöht werden, sondern auch der Verlust geringer und das Verhältniſs von Chlor und Salzsäure günstiger. Dabei werden sich die Kosten für Kohle und Arbeit nicht im Verhältniſs zur Mehrproduction steigern. Die Herstellungskosten von täglich 720k Chlor (d.h. die Ausgaben für die Umwandlung der entsprechenden Menge Salzsäure in Chlor) sind bei der jetzigen Einrichtung nach Pechiney's Angaben folgende: Kohle für Trocken- und Zersetzungsöfen 3300k Kohle für mechanische Arbeit   500 Kohle zum Eindampfen der Chlormagnesium-    lösung   500 ––––– 4300k zu 12 Fr. 51,60 Fr. Arbeit 74,00 Reparaturen 20,00 Magnesiaverlust (?) 5,00 –––––––––– 150,60 Fr. Für 1000k Chlor sind also die Herstellungskosten höchstens 209,20 Fr. Wenn es durch Benutzung höherer Temperatur gelingt, im gleichen Apparat 1000k statt bloſs 720 bis 760k Chlor herzustellen, so ist die Berechnung folgende: Kohle 6000k zu 12 Fr.   72,00 Fr. Arbeit   74,00 Reparaturen   20,00 Magnesiaverlust     7,00 (?) Fr. ––––––––––– Herstellungskosten für 1000k Chlor 173,00 Fr. Nach den bisherigen Erfahrungen ist es höchst wahrscheinlich, daſs nach Anbringung einiger Verbesserungen am Erhitzungsapparat, bei einer Einrichtung für täglich 6000k Chlor die 1000k Chlor entsprechende Menge Salzsäure zu folgenden Kosten in Chlor umgewandelt werden kann: Kohle 4000k zu 12 Fr.   48,00 Fr. Arbeit   45,00 Reparaturen   20,00 Magnesiaverlust     5,00 ––––––––––– Herstellungskosten für 1000k Chlor 118,00 Fr. Wie aus den Zusammenstellungen ersichtlich ist, müssen bei der Fabrikation die Hauptausgaben für Brennmaterial gemacht werden. Der Hauptvortheil des neuen Prozesses gegenüber dem jetzt gebräuchlichen Weldon'schen Verfahren besteht darin, daſs statt bloſs 33 Proc. mindestens 78 bis 80 Proc. der Salzsäure als freies Chlor erhalten werden. Wie schon Weldon hervorgehoben hat, soll der Werth der Salzsäure für den Leblanc-Sodafabrikanten nicht nach dem Verkaufspreis, sondern aus der Differenz der Gestehungskosten von Soda nach dem Leblanc- und dem Ammoniakverfahren berechnet werden. Auf 1t Soda mit 58 Proc. Na2O erhält man etwa 2t,3 28procentige Salzsäure. Der Unterschied in den Gestehungskosten von 1t Soda nach dem Ammoniak und Leblanc-Verfahren ist jedenfalls fast 50 M., so daſs 1t Salzsäure von 28 Proc. einen Werth von ungefähr 20 M. haben würde. Wenn jedoch angenommen wird, daſs 1t Salzsäure von 28 Proc. HCl nur auf 16 M. zu stehen kommt, so ist der Werth von 1t gasförmiger Salzsäure für den englischen Leblanc-Sodafabrikanten 56 M. Die Herstellungskosten von 1000k Chlor nach dem Pechiney-Weldon-Verfahren sind, wie erwähnt, in Salindres: Kohle 4000k zu 12 Fr. 48,00 Fr. Arbeit 45,00   „ Reparaturen u.s.w. 20,00   „ Magnesiaverlust (?) 5,00   „ ––––––––––– 118,00 Fr. Da aber in England 1t Kohle bloſs 6 statt 12 Fr. kostet, so sind folgendes die Herstellungskosten von 1000k Chlor in England: Kohle 4000k zu 6 Fr. 24,00 Fr. Arbeit 45,00   „ Reparaturen u.s.w. 20,00   „ Magnesiaverlust (?)   5,00   „ –––––––––– 94,00 Fr. Die Kosten für Umwandlung von Salzsäure in Chlor werden also in England nach dem neuen Verfahren etwa gleich zu stehen kommen wie nach dem jetzigen Weldon'schen Verfahren, bei welchem sie auch etwa 94 Fr. für 1000k Chlor betragen. Die Gestehungspreise von 1t Chlor bei Benutzung des alten und neuen Verfahrens vergleichen sich bei dem Werth von 56 M. für 1t Salzsäure folgendermaſsen. 1) Altes Weldon-Verfahren. Herstellungskosten von 1t Chlor 94 Fr. =   75 M. Werth von 3t,3 Salzsäure zu 56 M. = 186  „ ––––––––– Selbstkostenpreis von 1t Chlor. 261 M. 2) Weldon-Pechiney-Verfahren. Herstellungskosten von 1t Chlor 94 Fr. =   75 M. Werth von 1⅓t Salzsäuregas zu 56 M. =   74  „ ––––––––– Selbstkostenpreis von 1t Chlor 149 M. Bei dem neuen Verfahren beträgt also die Ersparniſs 261 – 149 = 112 M. für 1t Chlor. Die Anlagekosten für eine Einrichtung zur Herstellung von 1t Chlor im Tag betragen nach Pechiney's Angaben etwa 120000 Fr. und sind also etwa doppelt so hoch wie diejenigen der alten Weldon-Einrichtungen. Wenn sich die Ammoniaksodafabrikanten entschlieſsen sollten, zu ihren jetzt schon sehr kostspieligen Einrichtungen auch noch diese theuren Apparate einzuführen, so kann das Verfahren auch im Zusammenhang mit dem Ammoniaksodaverfahren benutzt werden. Pechiney hat zu diesem Zwecke ein Verfahren und einen Apparat zur Zersetzung von Chlorammonium mit Magnesia patentirt. Die gröſste Gefahr für die englischen Chlorkalkfabriken scheint aber die zu sein, daſs das neue Verfahren in Staſsfurt, wo jährlich etwa 70000t Chlormagnesium (MgCl2) als Lösung verloren gehen, eingeführt wird. Die Lösung, welche in Staſsfurt in den Fluſs flieſst, ist nicht viel verdünnter als die, welche in Salindres hergestellt wird. Wenn man aber annimmt, daſs die Verdampfung in Staſsfurt doch 2,50 Fr. für 1t MgCl2, 6H2O oder also 10 Fr. für 1t Chlor mehr kostet, so ist der Selbstkostenpreis von 1t Chlor in Staſsfurt 118 + 10 – 5 = 123 Fr., oder rund nur 100 M. Chlorkalk könnte also in Staſsfurt bedeutend billiger als in England hergestellt werden. Für den Export ist Staſsfurt allerdings nicht sehr günstig gelegen, aber die Fracht bis Hamburg beträgt doch nur 9 M. per Bahn und 6 M. per Schiff für 1t. Wenn das Weldon-Pechiney-Verfahren in Staſsfurt angewendet werden kann, wird in England wahrscheinlich ein Rückgang der Leblanc-Sodafabrikation eintreten müssen. An der dem Vortrage folgenden Besprechung nahmen mehrere bedeutende Fabrikanten und Fachmänner, von denen einige das Verfahren in Ausführung gesehen haben, theil. Die meisten sprachen ihre volle Bewunderung über die geniale Weise, mit welcher Pechiney und Boulouvard die zahlreichen technischen Schwierigkeiten des Verfahrens überwunden haben, aus. Von Interesse ist die Erfahrung von D. B. Hewitt, nach welcher in Deacon-Kammern selbst mit Chlorgas, welches nur 3 bis 4 Volumprocente Chlor enthält, mit Leichtigkeit Chlorkalk hergestellt werden kann. Auch nach Hurter's Mittheilungen verursachte bei der Ausarbeitung des Deacon-Prozesses weniger die Verdünnung des Chlorgases als die Verunreinigung mit Kohlensäure Schwierigkeiten. Er hält daher die Benutzung eines auf dem Prinzip des Backofens beruhenden Zersetzungsofens, bei welchem eine Verunreinigung des Chlorgases mit Rauchgas völlig ausgeschlossen ist, für eine sehr glückliche Idee. Auch nach Hurter's vielseitigen Erfahrungen wird die Herstellung von Chlorkalk aus 4procentigem Chlorgas keine besonders groſsen Schwierigkeiten bieten. Das Weldon-Pechiney-Verfahren hat auch auf der Generalversammlung der Rheinischen Lokalabtheilung des Vereins zur Wahrung der chemischen Industrie Deutschlands (Chemische Industrie, 1888 S. 97) eingehende Besprechung durch H. Grüneberg gefunden. Derselbe gibt nach Besichtigung des Verfahrens in Salindres einen Bericht, welcher bis auf einige bei Dewar's Arbeit erwähnten Einzelheiten völlig mit dem von Dewar übereinstimmt. Um ein Bild von den Kosten zu bekommen, hat Grüneberg den Kostenpreis von 1000k Chlor, wenn nach dem alten und neuen Verfahren in verschiedenen Gegenden hergestellt, berechnet und gelangt dabei zu sehr günstigen Zahlen. Nach Grüneberg's Ansicht scheint es fraglich, ob die bei dem neuen Verfahren gewonnene Magnesia Chlorammonium schnell und glatt zersetzt. Auch Grüneberg glaubt, daſs das Weldon-Pechiney-Verfahren für die chemische Industrie und namentlich für diejenige Staſsfurt's von durchgreifender Bedeutung werden könne. Hasenclever ist der Ansicht, daſs im Falle die Verbindung des neuen Verfahrens mit der Ammoniaksodafabrikation gelingen sollte, das Leblanc'sche Verfahren, selbst bei Einführung der Schwefelregeneration, kaum länger concurrenzfähig bleiben könnte. Dem neuen von Pechiney construirten Glaskühler kann Hasenclever keine besonders groſse Bewunderung zollen, denn er glaubt, daſs die Abkühlung des Gases ganz gut, wie z.B. beim Hargreave's-Verfahren, durch Anwendung langer Leitungen hätte erzielt werden können. Er ist auch der Ansicht, daſs die Herstellung von starkem Chlorkalk aus so verdünnten Gasen doch bedeutende Schwierigkeiten verursachen möchte. P. Naef.