Titel: E. Berliner's Gramophon und Edison's neuer Phonograph.
Fundstelle: Band 269, Jahrgang 1888, S. 115
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E. Berliner's Gramophon und Edison's neuer Phonograph. Mit Abbildungen. Berliner's Gramophon und Edison's neuer Phonograph. Seit einigen Jahren schon beschäftigt sich Emil Berliner in Washington mit der Wiedergabe der menschlichen Rede; vor Kurzem hat er als Ergebniſs seiner Forschungen ein Instrument bekannt gegeben, das er Gramophon nennt.Eine ausführliche Beschreibung desselben nach dem amerikanischen Patente Nr. 372786 vom 8. November 1887 hat Prof. E. J. Houston im Journal of the Franklin Institute, 1888 Bd. 125 * S. 44, veröffentlicht. Bei den gewöhnlichen Instrumenten wird die Rede dadurch aufgezeichnet, daſs die Schallwellen eine Scheibe (Diaphragma) in Schwingungen versetzen und ein an der Scheibe sitzender Stift in ein an ihm vorübergeführtes Blatt Zinnfolie o. dgl. zahnförmige Vertiefungen eingräbt auf eine Tiefe, welche der Schwingungsweite der Schallwellen entspricht. Berliner weist darauf hin, daſs dies unvollkommen sein muſs, weil die Platte nicht nur mit geringer Kraft schwingt, sondern auch weil ihre Schwingungen bei Ueberwindung des Widerstandes der Zinnfolie noch weiter geschwächt und zugleich verändert werden. Zahl und Aufeinanderfolge der Eindrücke im Stanniol sind zwar dieselben wie im Schall, aber ihr Charakter ist geändert. Der Widerstand des Stanniols wächst rascher als die Tiefe des Eindruckes. Daher werden laute Töne weniger genau wiedergegeben als schwache, und die persönliche Stimme eines laut sprechenden Redners ist bei der Wiedergabe nicht wieder zu erkennen. Dies bleibt, selbst wenn man den Stift meiſselförmig gestaltet und arbeiten läſst- ja, wenn man diese Miſsstände dadurch zu beseitigen sucht, daſs man den Stift in seiner Ruhestellung nur leicht die Zeichenfläche berühren läſst, so tritt noch eine andere, die Zeichen verzerrende Ursache hinzu, nämlich daſs ein Theil jeder Schwingung gar nicht verzeichnet wird, weil der Stift sich von der Fläche entfernt. Berliner sucht daher die Schwingungen bei möglichst geringer und besonders bei sich gleich bleibender Reibung aufzuzeichnen- die so erlangte Zeichnung wird dann in einem festen, widerstehenden Material abgeformt und diese Nachformung erst wird bei der Wiedererzeugung der aufgezeichneten Töne benutzt. Anstatt den Stift rechtwinkelig zur Zeichenfläche zu bewegen, ertheilt er ihm eine Bewegung parallel zur Fläche, die mit einer Schicht von einem Material, wie Lampenrufs, überzogen ist, das der Fortschiebung durch den sich leicht gegen die Fläche anlegenden Stift nur wenig Widerstand entgegenstellt. Es ist dies wesentlich dasselbe Verfahren, das Leon Scott schon vor 30 Jahren in seinem PhonautographenDer Phonautograph von L. Scott ist nach Ganot's Physik in der Electrical World vom 12 November 1887, Bd. 10 * S. 257, beschrieben. Derselbe soll nicht nur die Schwingungen wiedergeben, die von starren Körpern hervorgebracht worden sind, sondern auch die von Blasinstrumenten, beim Singen u.s.w. hervorgebrachten. Er besteht aus einem elliptischen Faſs von 0m,46 Länge und 0m,30 gröſstem Durchmesser aus Gyps. Das eine Ende ist durch einen starren Körper geschlossen, in dessen Mitte eine im Winkel gebogene Messingröhre befestigt ist; die Röhre endet in einem Ringe, an welchem mittels eines zweiten Ringes ein biegsames Häutchen fest gehalten und gespannt wird. Nahe der Mitte des Häutchens ist mit Siegellack eine Schweinsborste befestigt, welche die Schwingungen mitmacht und auf einem Messingcylinder aufzeichnet, auf welchen ein Blatt Papier mit einer Schicht Lampenrufs aufgezogen ist. Der Cylinder wird durch eine Kurbel in Umdrehung versetzt und schraubt sich dabei auf seiner Achse fort; während nicht gesprochen wird, beschreibt die Borste eine ununterbrochene glatte Schraubenlinie in der Ruſsschicht, während des Sprechens eine gewellte. Ein am Ringe angebrachtes verstellbares Stück, das das Häutchen an verschiedenen Stellen berühren kann, verhütet, daſs an der Befestigungsstelle der Borste etwa ein Schwingungsknoten liegt. angewendet hat. Der Widerstand, den der Stift in den leicht angehäuften Ruſstheilchen findet, ist stets derselbe und nicht von der Schwingungsweite abhängig; er verändert daher die Schwingungen der Scheibe nicht. Die auf diese Weise erlangte Aufzeichnung im Ruſs wird mit einer rasch trocknenden, dünnen Firniſslösung überzogen und dadurch dauerhaft und unveränderlich gemacht. Ist die Ruſsschicht dick genug, so bildet die Aufzeichnung eine Furche von gleichmäſsiger Tiefe. Für das Abformen derselben zieht Berliner das Photograviren vor, weil dasselbe die genaueste Nachbildung in Kupfer, Nickel oder einem anderen Metall liefert, die dann in irgend einem anderen plastischen Stoff und in beliebiger Zahl wiedergegeben werden kann, ohne daſs die ursprüngliche Aufzeichnung dabei leidet. Bei der Wiedererzeugung der Töne wird der Stift an dem in tönende Schwingungen zu versetzenden Körper durch die Wellen der Furche von der Mitte aus nach beiden Richtungen bewegt und ebenso der Körper zum Schwingen nach beiden Seiten von der Mittellage aus angeregt, während bei den älteren ähnlichen Instrumenten die Bewegung nach der zweiten Richtung bloſs Folge der Elasticität des schwingenden Körpers war. Fig. 1., Bd. 269, S. 117Wie Berliner sein Gramophon jetzt ausführen läſst, zeigt Fig. 1. Nach der Electrical World vom 12. November 1887, Bd. 10 * S. 255 besteht dasselbe wesentlich aus einem Laufwerk, das eine kreisrunde Glasplatte von 4mm,7 Dicke und 279mm Durchmesser in Umdrehung versetzt und zugleich den Mittelpunkt derselben in gerader Linie fortbewegt. Als Triebgewicht dient ein Kasten, der mit Bleistücken und Rehposten gefüllt ist; ein Windflügel macht die Bewegung gleichförmig; durch Nachfüllen oder Herausnehmen von Rehposten wird die Laufgeschwindigkeit so regulirt, daſs der Kasten gerade bis zum Boden herabsinkt, während der Stift die ganze Spirallinie beschreibt. Dabei liegt die berufste Fläche der Platte nach unten, damit der vom Stifte herausgekratzte Ruſs herabfällt und die Wellenlinie nicht undeutlich macht. Nach Vollendung der Spirallinie wird das Laufwerk ausgerückt, die Glasscheibe aber wird noch ein Stück seitwärts geschoben und dann mit der Hand einmal herumgedreht, damit der Stift noch einen vollen Kreis beschreibt, der später den Mittelpunkt wieder aufzufinden gestattet. Bei der Wiedererzeugung der TöneIn den Phonographen von Irish und von Hunter werden die Töne nicht unmittelbar mechanisch wiedererzeugt, sondern unter Mitbenutzung eines Mikrophons (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1888 * S. 58). wird die Glasplatte durch eine Scheibe aus Metall, Siegellack, Kautschuk oder einem sonst geeigneten Stoffe ersetzt. Zur Erzeugung eines Negativs wird zuerst die Glasplatte auf einen Richttisch gelegt und mit einer gleichmäſsig dicken Schicht Druckerschwärze von passender Dichte mittels einer gewöhnlichen Schwärzrolle überzogen; dann wird sie mit der überzogenen Fläche nach unten auf einen Drehtisch gelegt, in ihrer Mitte unterstützt und mit der Hand langsam umgedreht, während eine ruſsende Oelflamme darunter gehalten wird, welche Ruſs auf die Druckerschwärze absetzt und mit dieser einen halbflüssigen, in seinen Theilen leicht verschiebbaren Ueberzug bildet. So kommt die Platte in das Gramophon; an der schwingenden Scheibe desselben ist eine flache Feder aus Phosphorbronze oder Messing angebracht, welche den Schwingungen der Scheibe genau folgt. Die nach oben gebogene Spitze der Feder drückt leicht gegen die beruſste Fläche. An das Gehäuse der Scheibe schlieſst sich eine Gummiröhre an, welche am freien Ende mit einem Mundstück aus Hartgummi versehen ist, in welches Nase und Mund des Sprechenden bequem hineingesteckt werden können, so daſs die Schallwirkung völlig der Scheibe zugeführt wird. Ist die Platte voll mit der Wellenlinie beschrieben, so wird sie abgenommen und in ihren nicht benutzten mittleren Theil der Name des Sprechenden und das Datum u.s.w. mit einer gewöhnlichen Feder eingeschrieben. Dann wird sie mit schnell trocknendem Photographen„firniſs“ übergössen und sieht nun, gegen das Licht gehalten, wie ein photographisches Negativ aus. Sie wird nun mit der gefirniſsten Fläche auf eine empfindlich gemachte Chromgelatinfläche gelegt, den Lichtstrahlen ausgesetzt, dann in Wasser aufgequellt und in Gyps, Wachs u.s.w. gegossen, wie es beim Photograviren üblich ist. Bei Wiedererzeugung der Töne wird die Nachbildung mit der Zeichnung nach oben auf das Gramophon aufgebracht und centrirt; der Stift wird jetzt von oben in die gewellte Furche eingelegt. Auf verschiedene Weise kann man dabei eine Verstärkung des Tones anstreben. Ein dazu bestimmtes Mundstück mit schwingender Scheibe ist in Fig. 1 mit abgebildet. Die Platte von 279mm reicht für 6 bis 8 Minuten, für 1500 bis 2000 Worte aus. A. a. O. bemerkt Berliner zum Schluſs noch, daſs er 3 Monate nach Einreichung seines Patentgesuches in Erfahrung gebracht habe, daſs Charles Cros am 30. April 1877 der französischen Akademie ein versiegeltes Schreiben übergeben habe, welches noch in demselben Jahre eröffnet worden sei und einen Vorschlag zur Herstellung von Nachformungen von solchen Tonaufzeichnungen durch Photogravirung enthalten habe; praktisch ausgeführt aber habe Cros seinen Gedanken nicht. Edison's Phonograph aber stamme erst aus dem späteren Theile des Septembers 1877. Der Phonograph von Edison (vgl. 1878 227 409 229 * 264) in seiner neueren Form ist im Scientific American vom 31. December 1887, Bd. 57 S. 415 beschrieben bezieh. 1888 Supplement Nr. 632 * S. 10096; Andeutungen über denselben waren schon früher bekannt geworden (vgl. Electrical World, 1887 Bd. 10 S. 257). Während der ältere Phonograph darauf berechnet war, daſs die von einem Mundstücke wiedererzeugten Töne unmittelbar von einer gröſseren Zahl von Hörern vernommen werden könnten, wobei die Deutlichkeit zu Gunsten einer gröſseren Lautwirkung geopfert wurde, werden in dem neuen Phonograph jedem Hörer die Töne durch ein besonderes Hörrohr zugeführt, und es ist nicht auf eine laute, sondern auf eine genaue Wiedergabe abgesehen. Dieser Phonograph hat, wie der allerälteste, zwei Mundstücke, eines fürs Sprechen und eines fürs Hören. Seine Anordnung zeigt Fig. 2. Er hat einige Aehnlichkeit mit einer kleinen Drehbank. Die Hauptspindel ist zwischen ihren Lagern mit einem Schraubengewinde versehen; sie ist an dem einen Ende verlängert und trägt da eine Walze aus hartem Wachs, worauf die Aufzeichnung erfolgt. Auf einem neben der Spindel angebrachten Stabe gleitet ein Rohr, das an dem einen Ende einen die Mutter zur Schraubenspindel bildenden Arm trägt; am anderen Ende sitzt ein zweiter Arm mit den beiden schwingenden Platten, welche leicht und rasch abwechselnd unter das Mundstück gebracht werden können. An der beim Sprechen zu benutzenden Platte ist die Nadel, welche bei ihren Schwingungen normal zur Oberfläche der Walze die Eindrücke im Wachs zu machen hat, in der Mitte der Platte befestigt und stützt sich auf einen federnden Arm, der seitwärts am Gehäuse angebracht ist. Der zur Wiedererzeugung der Töne dienende Theil enthält eine feine Goldschlägerhaut, an deren Mitte ein kleiner gebogener Stahldraht festgehalten wird, der mit dem einen Ende im Gehäuse befestigt ist. Die Spindel wird durch einen kleinen Elektromotor in gleichmäſsige Umdrehung versetzt, für den ein oder zwei galvanische Elemente den Strom liefern; der Motor hat einen sehr empfindlichen Regulator; die Bewegung wird durch kegelförmige Reibungsräder auf die Spindel übertragen. Fig. 2., Bd. 269, S. 120Ein Drehstahl am Plattenträger glättet das Wachs, bevor die Töne in ihm aufgezeichnet werden. Nachdem dies geschehen, wird der Träger in die Anfangsstellung zurückgeführt, der Stahl beseitigt und die empfangende Platte an ihre Stelle gebracht. Ist die Aufzeichnung beendet, so wird der Träger abermals in die Anfangsstelle zurückgebracht, nun aber die sprechende Platte an die Stelle der empfangenden gesetzt und das Wiedererzeugen des Gesprochenen kann beginnen. Der neue Phonograph soll Dictate aufnehmen, Zeugen verhöre in Gerichtsverhandlungen, Reden in Versammlungen, Musikweisen, er soll in Sprechstunden, als Briefschreiber u.s.w. benutzt werden. Die Wachswalzen haben eine starre Füllung. Die kleinsten sind 25mm lang und reichen für 200 Worte aus. Die Walzen sind sehr leicht und zu ihnen ist eine Kapsel hergestellt worden, so daſs sie sich ebenso leicht versenden lassen wie Briefe. Edison hat eine groſse Werkstatt zur Anfertigung solcher Phonographen angelegt.