Titel: Ueber Thon als Entfärbungsmittel für Paraffin; von Dr. Vehrigs.
Autor: Vehrigs
Fundstelle: Band 270, Jahrgang 1888, S. 182
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Ueber Thon als Entfärbungsmittel für Paraffin; von Dr. Vehrigs. Vehrigs, über Thon als Entfärbungsmittel für Paraffin. Angeregt durch die in diesem Journal 1887 265 20. 72 und 117 veröffentlichte Arbeit des Herrn Zaloziecki: „Ueber Entfärbungsmittel und ihre Anwendung zur Entfärbung des Ozokerites“, habe ich mich vor ungefähr Jahresfrist mit Versuchen über die entfärbende Wirkung einiger für den Groſsbetrieb leicht zugänglicher Aluminiumsilicate beschäftigt, die zu einer dauernden Verwendung des von mir als am meisten zweckmäſsig erkannten Entfärbungsmateriales im Fabrikbetriebe geführt haben. Bei den einzelnen Versuchen habe ich zum Vergleiche der Wirkung der von mir geprüften Entfärbungsmittel abgeblasenes Paraffin von ein und derselben Partie mit den verschiedenen Entfärbungsmitteln und in verschiedenen Procentsätzen behandelt und nach dem Filtriren Tafeln von gleicher Gröſse und Dicke gegossen. Durch eine recht groſse Zahl von Parallelversuchen habe ich dann annähernd objective Verhältniſszahlen zwischen den einzelnen Wirkungen in der Weise zu ermitteln gesucht, daſs ich immer mehrere geübte Personen die Wirkungen bei den einzelnen Versuchen beurtheilen lieſs und aus der Summe der Urtheile und Versuche das Mittel gezogen habe. Zuerst wurde von mir als Entfärbungsmittel für Ziegeleizwecke pulverisirtes Chamottemehl angewandt, welches weder im schwach noch stark erhitzten Zustande eine über die des gewöhnlichen Filtrirpapieres hinausgehende entfärbende Wirkung zeigte, so daſs wohl richtiger der hier beobachtete geringe Entfärbungseffect erst der jeder Behandlung mit Chamottemehl folgenden Filtration durch Papierfilter zugeschrieben werden muſs. Die später beobachtete stark entfärbende Wirkung des Thones scheint sonach durch den Schmelzprozeſs beim Brennen der Chamottesteine vollständig aufgehoben zu werden. Weit wirksamer zeigte sich schon der hierauf von mir angewandte gewöhnliche braune Ziegellehm. In einer Reihe von Controlversuchen wurde für den von mir verwendeten gepulverten, nicht gesiebten und auf 300° erhitzten Lehm eine entfärbende Wirkung auf Paraffin ermittelt, die sich zu der des in der Paraffinindustrie seither als Entfärbungsmittel allgemein angewandten Entfärbungspulvers verhielt wie 9:2, d.h. neun Gewichtstheile Lehmpulver wirkten ungefähr gleichwerthig zwei Gewichtstheilen Entfärbungspulver auf 100 Gewichtstheile Paraffin. Schlieſslich wurde fetter weiſser oder bläulichweiſser Thon, wie er im unteren und oberen Oligocän fast überall vorkommt, als Entfärbungsmittel angewandt und für diesen unter genau denselben Bedingungen, wie vorher beim Lehmpulver, das Wirkungsverhältniſs zum Entfärbungspulver von 8 : 2 festgestellt. Bei einer viermal schwächeren Wirkung des einzelnen Gewichtsprocentes konnte der Thon noch nicht erfolgreich mit den Blutlaugensalzrückständen concurriren, wenn auch die gut abgetropften Entfärbungspulverrückstände etwa dreimal so viel Paraffin zurückhielten, als die ebenfalls nur gut abgetropften Thonrückstände, aus welch letzteren sich das Paraffin übrigens leichter als aus Entfärbungspulverrückständen wiedergewinnen läſst. In Erwägung der Ursachen der Eigenthümlichkeit gewisser fester Körper, gefärbten Flüssigkeiten den entsprechenden Farbstoff zu entziehen, kam ich zu dem natürlichen Schlusse, daſs nicht nur der spezifische, den Farbstoff festhaltende Körper zum rationellen Entfärben einer Flüssigkeit erforderlich sein werde, sondern vor Allem auch die gröſstmögliche Berührung des betreffenden Körpers mit dem in der Flüssigkeit befindlichen Farbstoffe. Bei festen Entfärbungsmitteln erschien eine innigere Berührung mit dem in Lösung befindlichen Farbstoffe bei gleich gründlichem Mischen in erster Linie nur durch Vergröſserung der Oberfläche des festen undurchdringlichen Entfärbungskörpers erreichbar, welche Oberflächenvergröſserung einfach durch gröſsere Feinheit der Zertheilung des festen Körpers zu bewirken war. Der Thon hatte sich bei meinen bis dahin angestellten Entfärbungsversuchen unter Berücksichtigung seines höheren Volumengewichtes, welches ja schon eine gröſsere Undurchdringlichkeit erwarten lieſs, als relativ kräftigstes Entfärbungsmittel für Paraffin erwiesen und stand zu hoffen, daſs durch eine Vergröſserung der Oberfläche dieses Entfärbungsmittels auch die absolute entfärbende Wirkung höher als die aller concurrirenden Entfärbungsmittel werden würde. Die folgenden Versuche haben nun bestätigt, daſs die entfärbende Wirkung des Thones auf Paraffin mit der zunehmenden Feinheit der Zertheilung des Thones bis zu einem Grade der Vollkommenheit steigt, der von keinem bisher angewendeten Entfärbungsmittel erreicht wird, vorausgesetzt, daſs die Farbstoff bindende, durch feine Zertheilung vergröſserte Oberfläche des Thonmehles in ihrer entfärbenden Wirkung nicht durch die Gegenwart von Wasser behindert wird. Hauptsächlich wohl aus diesem Grunde muſs das feine Thonmehl mit einer Eigentemperatur von 800° bis 400° C., bei welcher Temperatur dasselbe erst völlig wasserfrei wird, dem im Doppelkessel geschmolzenen wasser freien Paraffine zugesetzt werden. Zur genaueren Bezeichnung der bei den folgenden Versuchen zur Verwendung gekommenen Feinheitsgrade des Thones will ich mich des Volumengewichtes bedienen. Das Volumengewicht wird unter sonst gleichen Verhältnissen mit dem zunehmenden Feinheitsgrade bekanntlich in fortlaufender Reihenfolge geringer, so daſs sich durch das Gewicht bequem der jedesmalige Feinheitsgrad des Thones charakterisiren läſst. Für die vorliegenden Versuche wurde als Gewichtseinheit das Gewicht des graugrünen Karlsruher Entfärbungspulvers, dessen Wirkung mit der des Thones hier verglichen worden ist, bei einer Eigentemperatur von 200 bis 250° angenommen, weil nur so warmes Pulver, ohne geglüht zu haben, wasserfrei ist. Bei weiterem Abkühlen zieht dasselbe wieder Feuchtigkeit an und wirkt in Folge dessen auch weniger entfärbend. Das ursprünglich von mir verwendete ungesiebte Thonpulver hatte in ebenso wasserfreiem Zustande, wie das Entfärbungspulver, aber weil dasselbe noch stärker hygroskopisch ist, mit einer Eigentemperatur zwischen 300 und 400° und in demselben Meſsgefäſse gewogen, 2,035 Entfärbungspulver-Volumengewicht und zeigte, wie bereits erwähnt, eine viermal schwächere Wirkung als das Entfärbungspulver. Ein wesentlich feiner gesiebtes Thonmehl vom Entfärbungspulver-Volumengewichte 1,789 hatte im Durchschnitte schon die gleiche Wirkung auf das zu entfärbende Paraffin, wie die gleichen Gewichtsprocente unseres besten Entfärbungspulvers, sofern nicht über drei Gewichtsprocente vom einen oder anderen Entfärbungsmittel zur Verwendung kamen. Ueber drei Gewichtstheile hinaus steigt nach meinen Beobachtungen die entfärbende Wirkung des Entfärbungspulvers im Allgemeinen für unsere fertigen Paraffine nicht mehr, während die Wirkung des Thonmehles, wenn auch mit der zunehmenden Reinheit des Paraffines oder was im Effecte dasselbe ist, mit der zunehmenden Procentzahl des zum Entfärben verwendeten Thonmehles im abnehmenden Verhältnisse doch fortlaufend steigt, so daſs auch schon mit gröberem Thonmehle eine vollkommenere Entfärbung des Paraffines erzielt werden kann, als mit Entfärbungspulver, falls man genügende Mengen davon anwendet. Ein noch feineres gebeuteltes Thonmehl vom Entfärbungspulver-Volumengewichte 1,439 hatte die drei- bis sechsfache entfärbende Wirkung des Entfärbungspulvers, d.h. die beste Entfärbungspulverwirkung, die, wie schon oben bemerkt, durchschnittlich bei drei Gewichtsprocenten lag, wurde bei einer langen Reihe von Versuchen mit 1 und sogar schon mit ½ Proc. dieses feinsten Thonmehles erreicht, während jeder höhere Procentsatz des Thones ein dem mit Entfärbungspulver behandelten Paraffine an Farbe und Glanz weit überlegenes Product lieferte. Da unter dem Mikroskope bei den verschiedenen Feinheitsgraden des gesiebten und gebeutelten Thonmehles keine veränderte procentische Zusammensetzung der Trümmerbestandtheile des Thones festgestellt werden konnte, dürfte wohl die mit dem zunehmenden Feinheitsgrade erhöhte entfärbende Wirkung des Thones lediglich der vergröſserten Oberfläche zuzuschreiben sein. Für die Technik ist es nun von besonderer Wichtigkeit, daſs man mit Thon in der geeigneten feinmehligen Form und bei einer Eigentemperatur von über 300° C. nicht nur stets eine höhere Wirkung als mit Entfärbungspulver erzielt, sondern auch, daſs man bei den kleineren Gewichtsprocenten, die von feinerem Thonmehle nur erforderlich sind, um dieselbe oder eine gröſsere Wirkung als mit Entfärbungspulver zu erreichen und bei dem immer noch kleineren Volumen auch des allerfeinsten Thonmehles wesentlich weniger Verluste durch Aufsaugen des zu entfärbenden Materiales hat, was sich mittlerweile im Fabrikbetriebe von ganz erheblichem Vortheile erwiesen hat. Auch der Vortheil ist nicht zu unterschätzen, daſs sich das mit Thonmehl behandelte Paraffin schneller und besser filtriren läſst, als das mit Entfärbungspulver behandelte, was seinen Grund in dem schnelleren und vollkommeneren Absetzen des specifisch schwereren Thonmehles im geschmolzenen Paraffine zu haben scheint. Endlich ist die Wiedergewinnung des Paraffines aus den Thonrückständen, wie schon oben erwähnt, eine leichtere, als die aus den Entfärbungspulverrückständen. Gut mit Wasser ausgekochte Entfärbungspulverrückstände enthalten stets noch über 10 Proc. Paraffin, während gut mit Wasser ausgekochte Thonrückstände deren nur noch etwa fünf enthalten, die sich dann ebenfalls noch durch Extraction oder Destillation wiedergewinnen lassen. Auch die Haltbarkeit in der Farbe scheint bei Paraffin, das mit Thonmehl behandelt ist, etwas günstiger, als bei dem mit Entfärbungspulver behandelten zu sein. Zwei Fabriken wenden seit einem halben Jahre das Entfärbungsverfahren mit Thonmehl im regulären Betriebe an und erscheint es deshalb am Platze, die Fabrikation des dort zur Verwendung kommenden Materiales kurz zu schildern. Von Fabrik Aue wird der weiſse Thon zur Zeit aus den Granaer Thongruben 60 bis 75 Centner für 6 M. bezogen. Das Material wird auf Dampfleitungen u.s.w. gut getrocknet, in einem Stampfwerke, das bisher als Chamottestampfe benutzt wurde und dessen Zerkleinerungsgefäſs durch Vermauern des Rostes in einen geschlossenen Mörser verwandelt wurde, möglichst fein zerstampft. Alsdann wird das Material mittels eines Elevators in einen mit Messingdrahtgaze Nr. 70 überzogenen Siebcylinder transportirt und dort gesiebt. Das durch den Zylinder gesiebte Thonmehl hat durchschnittlich ein Entfärbungspulver-Volumengewicht von 1,598 bis 1,600 und eine diesem Feinheitsgrade entsprechende höhere Wirkung als Entfärbungspulver. Viel feineres Messinggewebe konnte bei der vorhandenen Einrichtung nicht mit Vortheil angewandt werden, weil durch dieses Gewebe in der Zeiteinheit zu wenig Thonmehl durchfiel und dadurch das Material unverhältniſsmäſsig theuer geworden wäre. Bei dem jetzigen Betriebe kosten in Aue 100k feines Thonmehl etwa 2 M. 70 Pf. gegen 12 bis 14 M. für 100k des geringer wirkenden Entfärbungspulvers. Die Verwendung des Thonmehles geschieht im Betriebe in der Weise, daſs das Thonmehl ungefähr eine halbe Stunde vor dem Gebrauche in einem emaillirten guſseisernen Kessel stark erhitzt wird, so daſs es am Ende dieser halben Stunde eine Temperatur von etwa 400° hat. Das ursprünglich schwere, Wasserhaltige Thonmehl läſst sich während dieser Operation eine Zeitlang ganz leicht und dünnflüssig im Kessel umrühren- dann wird es, wenn beim Umrühren keine Wasserdämpfe mehr ausgestoſsen werden, wenigstens noch 300° heiſs mit dem zu entfärbenden Paraffine vermischt. Für Ceresin wird sich der in oben beschriebener Weise vorbereitete Thon ebenfalls als das überlegenste Entfärbungsmittel erweisen, während die Wirkung auf Stearin keine so kräftige zu sein scheint.