Titel: Bestimmung des Glyceringehaltes von Rohglycerinen.
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 91
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Bestimmung des Glyceringehaltes von Rohglycerinen. Bestimmung des Glyceringehaltes von Rohglycerinen. In den Monatsheften für Chemie, 1888 Bd. 9 S. 521 schlagen R. Benedikt und M. Cantor das „Acetin-Verfahren“ zur Bestimmung des Glyceringehaltes in Rohglycerinen vor. Demselben liegt folgendes Prinzip zu Grunde: Glycerin geht beim Kochen mit Essigsäureanhydrid quantitativ in Triacetin über. Löst man sodann in Wasser und neutralisirt die freie Essigsäure genau mit Natronlauge, so läſst sich hierauf die Menge des in Lösung befindlichen Triacetins leicht durch Verseifen mit Natronlauge und Zurücktitriren des Ueberschusses bestimmen. Zur Ausführung des Versuches bereitet man: 1) ½- bis 1/1-Normalsalzsäure, deren Titer auf das Genaueste gestellt sein muſs. 2) Verdünnte, nicht titrirte Natronlauge mit nicht mehr als 20g Natronhydrat im Liter. Des bequemeren Arbeitens halber verbindet man das Gefäſs, in welchem sie aufbewahrt wird, mit einer Nachfluſsbürette. 3) Concentrirte, etwa 10procentige Natronlauge. In die 1 bis 1½l fassende Flasche setzt man mittels Kautschukpfropfens eine 25cc Pipette ein, deren oberes Ende mit einem Stückchen Kautschukschlauch und Quetschhahn verschlossen ist. Man wägt 1 bis 1½g der Probe in einem weithalsigen Kölbchen mit kugelförmigem Boden von etwa 100cc Inhalt ab, fügt 7 bis 8g Essigsäureanhydrid und etwa 3g entwässertes Natriumacetat hinzu und kocht 1 bis 1½ Stunden am Rückfluſskühler. Man läſst etwas abkühlen, verdünnt mit 50cc Wasser und erwärmt bis zum beginnenden Sieden. Dies muſs ebenfalls am Rückfluſskühler geschehen, da das Triacetin, wie wir durch den Versuch festgestellt haben, mit Wasserdämpfen ziemlich leicht und unzersetzt flüchtig ist. Hat sich das am Boden befindliche Oel gelöst, so filtrirt man in einen weithalsigen Kolben von 400 bis 600cc Inhalt ab, wodurch die Flüssigkeit von einem meist weiſsen und flockigen Niederschlage getrennt wird, welcher bei Rohglycerinen ziemlich reichlich sein kann, und den gröſsten Theil der organischen Verunreinigungen enthält. Man wäscht das Filter gut nach, läſst das Filtrat vollständig erkalten, fügt Phenolphtaleïn hinzu und neutralisirt genau mit der verdünnten Natronlauge. Der Uebergang ist bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu erkennen, die Neutralisation ist erreicht, wenn sich die schwach gelbliche Farbe der Flüssigkeit in Röthlichgelb verwandelt. Eine eigentliche Rothfärbung tritt erst bei einem zu vermeidenden Ueberschusse der Lauge ein. Die Neutralisation muſs in der Kälte und mit verdünnter Lauge (nicht stärker als halbnormal) erfolgen, da das Triacetin sonst schon zum Theile verseift wird. Man füllt nun die in die 10procentige Lauge eingesetzte Pipette und läſst sie in die Flüssigkeit ablaufen. Die Pipette muſs bei jedem Versuche in genau gleicher Weise entleert werden, was am leichtesten erreicht wird, wenn man nach dem Ausflieſsen des Flüssigkeitsstrahles immer dieselbe Anzahl von Tropfen (z.B. drei) nachlaufen läſst. Man kocht eine Viertelstunde und titrirt den Ueberschuſs der Lauge mit Salzsäure zurück. Hierauf ermittelt man den Natrongehalt von 25cc Lauge, welche man in der angegebenen Weise abmiſst, durch Titration mit Salzsäure. Beispiel: 1g,324 Glycerin. 25cc Lauge neutralisiren 60cc,5 1/1-Normalsalzsäure Zum Zurücktitriren verbraucht 21cc,5          „           „ –––––––––––––––––––––– Zur Zerlegung des Triacetins verbraucht 39cc,0 1/1-Normalsalzsäure. 1cc Normalsalzsäure entspricht 0,092 : 3 = 0g,03067 Glycerin. Somit enthielt die Probe: 0,03067 × 39 = 1g,1960 Glycerin oder 90,3 Proc. Das Verfahren wurde zunächst mit destillirtem Glycerin geprüft und z.B. gefunden: Mit Abbe'sRefractometer Acetin-Methode I. II. Proc. Glycerin 89 88,9 89,2 93–94 93,5 94,1 Zwei Rohglycerine lieſsen bei der Untersuchung finden: I. II. Rohglycerin A 77,6 Proc. 77,2 Proc. Glycerin B 77,0 77,5 Diese Zahlen stimmen mit den im Fabriksbetriebe erhaltenen Ausbeuten gut überein. Es ist somit zu hoffen, daſs das Acetinverfahren die in den Fabriken meist noch geübte umständliche und zeitraubende Probedestillation wird ersetzen können. Erwähnt sei auch, daſs in einem Glycerinpeche noch 45 Proc. Glycerin gefunden wurden. Untersuchung von Fetten auf einen Gehalt an Diglyceriden. Aus der Leichtigkeit, mit welcher sich Glycerin in Triacetin verwandeln läſst, kann geschlossen werden, daſs auch die Mono- und Diglyceride der höheren Fettsäuren beim Kochen mit Essigsäureanhydrid in Triglyceride übergeführt werden können. Damit ist ein neues Hilfsmittel zur Untersuchung der Fette gegeben, indem sich nunmehr ein Gehalt an Mono- oder Diglyceriden direkt bestimmen läſst. Sei M das Molekulargewicht des Diglycerides, a die Verseifungszahl des Fettes vor und b nach der Acetylirung, so ist, da 56,1 das Molekulargewicht des Kalihydrates, 42 das Aequivalent des Restes C2H2O ist, der Procentgehalt des Fettes an dem Diglycerid: D=\frac{100\,M\,(b-a)}{5600-42\,b} Man habe z.B. Rübölstearin auf seinen Gehalt an Dierucin C3H5(OC22H41)2OH zu prüfen, welches Will und ReimerBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 19. 3320. darin aufgefunden haben. Man bestimmt die Verseifungszahl, acetylirt 20 bis 50g Fett nach der Vorschrift von Benedikt und UlzerMonatshefte für Chemie, 8. 41. und ermittelt neuerdings die Verseifungszahl. Dieselbe ist für reines Dierucin = 153,3, für acetylirtes Dierucin = 217,4. Das Molekulargewicht des Dierucins ist = 732. Man habe gefunden a = 46,0, b = 67,8, somit ist: D=\frac{100\,\times\,732\,\times\,21,8}{5600-42\,\times\,67,8}\ \mbox{Proc. Dierucin.} Wenn der Gehalt an Diglyceriden sehr gering ist, dürfte es sich empfehlen, die gebundene Essigsäure nicht durch Verseifung, sondern nach der Reichert'schen Methode, vielleicht in der von Goldmann vorgeschlagenen Modifikation anzuwenden. Die Rechnung gestaltet sich etwas complicirter, wenn das Fett Glyceride von Oxyfettsäuren enthält, da dieselben ebenfalls eine Acetytzahl ergeben. Man stellt sodann aus etwa 50g der Probe die freien Fettsäuren dar und bestimmt deren Acetytzahl. Reimer und WillBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 20. 2385. geben nun speciell für Rüböl an, daſs die darin enthaltene flüssige Säure nicht Oelsäure, sondern eine der Ricinusölsäure isomere Oxyölsäure (Rapinsäure) sei. Dies steht jedoch mit der niedrigen Acetytzahl der Rübölsäuren in Widerspruch, welche von Benedikt und Ulzer zu 6,3 gefunden wurde, entsprechend einem Gehalte von nur 3,8 Proc. an Oxyölsäuren. Demnach kann die „Rapinsäure“ das dritte Sauerstoffatom nicht in Form einer Hydroxylgruppe enthalten. Daſs die Untersuchung der Rübölsäuren durch die verdienstvollen Arbeiten von Reimer und Will noch nicht abgeschlossen ist, geht auch daraus hervor, daſs Rüböl aus der Hübl'schen Lösung 100 Proc. Jod aufnimmt und die von Reimer und Will im Rüböle gefundenen Säuren weit niedrigere Jodzahlen haben, nämlich: Jodzahl Erucasäure 75,2 Behensäure   0,0 Rapinsäure 85,2. Es muſs somit mindestens noch Eine Säure aus der Linol- oder Linolensäurereihe, und zwar in groſsen Quantitäten, vorhanden sein. Das Dierucin ist das einzige Diglycerid, welches bisher aus natürlichen Fetten isolirt wurde, und es muſs noch dahingestellt bleiben, ob dasselbe auch schon in frisch gepreſstem Rüböle enthalten ist. Allen hat neuerdings die Vermuthung ausgesprochen, daſs das Japanwachs Dipalmitin enthalte. Die direkte Prüfung in der angegebenen Weise gab ein negatives Resultat. Die Verseifungszahlen des acetylirten und des ursprünglichen Wachses wurden genau gleich, nämlich zu 222 gefunden. Bell erhielt bei der Verseifung des Kuhbutterfettes mit unzureichender alkoholischer Kalilauge ein bei 4,4° schmelzendes Oel, welches er für ein Diglycerid hielt. Bei Wiederholung des Versuches wurde in der That ein dünnflüssiges, stark nach Buttersäureäther riechendes Oel erhalten, welches jedoch bei der Verseifung keine nachweisbare Glycerinmenge lieferte und zum gröſsten Theile aus Fettsäureäthylestern bestand.