Titel: Ueber Vanadintinte; von Carl Appelbaum.
Autor: Carl Appelbaum
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 423
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Ueber Vanadintinte; von Carl Appelbaum. Appelbaum, über Vanadintinte. Berzelius hat das von Seſström im J. 1830 entdeckte Metall Vanadium näher untersucht und bei dieser Gelegenheit eine Schreibtinte empfohlen, welche alle Eigenschaften der vorzüglichsten Schreibtinte besitzen soll. Nach seiner Angabe hat man einfach einer Galläpfel-Abkochung eine sehr geringe Menge vanadinsaures Ammoniak zuzusetzen und die Tinte ist fertig (Berzelius 1835 56 237). Diese Tinte soll sich durch keines der bekannten Mittel zerstören lassen, und sich auſserdem durch ihre auſserordentliche Dünnflüssigkeit vortheilhaft auszeichnen u.s.w. Die meisten technischen Handbücher bringen diese Notiz ziemlich wörtlich übereinstimmend, und abgesehen von kleineren Werken, wie z.B. im Hartleben'schen Verlag in der Chemisch-technischen Bibliothek, Bd. 17, hat auch besonders Muspratt in seinem hervorragenden Werke nicht unterlassen, diese Vanadintinte zu erwähnen (vgl. auch 1861 160 465). Wie es möglich war, daſs Berzelius sich geirrt hat, bleibe dahingestellt; mindestens dürfte es wahrscheinlich sein, daſs er selbst niemals die betreffenden Versuche angestellt hat, und vielleicht von irgend einer Seite falsch berichtet wurde, der er Glaubwürdigkeit beimaſs. Bringt man eine sorgfältig colirte Abkochung von Galläpfeln mit vanadinsaurem Ammoniak zusammen, so entsteht niemals eine Tinte, sondern nur ein Gerinnsel, welches sich kaum mit dem Pinsel behandeln läſst, geschweige denn als Tinte Verwendung finden kann. Ich habe diesem Gegenstande seit einer Reihe von Jahren die eingehendste Aufmerksamkeit geschenkt, und nur in einem Falle Uebereinstimmung mit meinen Resultaten gefunden. Herr Eugen Dietrich sagt in seinem neuen pharmaceutischen Manual Berlin 1887 auf S. 285 wörtlich: "Gleich an dieser Stelle möchte ich die von Berzelius und nach ihm in allen Handbüchern empfohlene Vanadintinte als völlig unbrauchbar bezeichnen; frisch bereitet ist sie dünnflüssig, schreibt grauschwarz, auf dem Papiere grünlich-schwarz werdend, aber nach 24 Stunden zersetzt sie sich zu einem Micken Coagulum, das allem Anderen, nur nicht einer Tinte ähnlich sieht." Eine Galläpfelabkochung ist also unter allen Umständen nicht zu gebrauchen, und so habe ich bei weiteren Versuchen nur gefunden, daſs eine für gewisse Fälle brauchbare Vanadintinte auf folgende Weise hergestellt werden kann: 10g Tannin werden in 100g destillirtem Wasser gelöst. 0g,4 vanadinsaures Ammoniak werden besonders in 10g destillirtem Wasser gelöst, beide Lösungen zusammengegossen und mäſsig stark geschüttelt.Der Vorschlag, Tannin bei der Herstellung von Vanadintinte zu benutzen, ist nicht neu. R. v. Wagner hat im J. 1877 mitgetheilt, daſs durch Vermischen der Lösung von Tannin (10g) und vanadinsaurem Ammoniak (0g,2) eine Tinte erhalten werde, welche dem Ansehen nach von gewöhnlicher Gallus tinte kaum zu unterscheiden sei (1877 223 633).K. Diese Vanadintinte flieſst sofort tiefschwarz aus der Feder, ohne zu verlaufen oder durch das Papier zu schlagen, trotzdem ihr kein Gummi zugesetzt ist, sie hat einen angenehmen Glanz, ist absolut nicht copirfähig, trocknet schnell, und selbst sehr dicke Schriftzüge gleich nach dem Trocknen in Wasser gelegt, und 24 Stunden darin belassen, verlöschen nicht, sondern bleiben unverändert tief schwarz. Zum Schreiben von Brief-Adressen, Correspondenzkarten u. dgl. ist diese Tinte, frisch bereitet, sehr brauchbar. Verdünnte Säuren bewirken keine Veränderung der Schriftzüge, aber mit Eau de Javelle werden sie vollständig gebleicht. Nach einigen Wochen beginnt die Tinte sich zu verändern, die Schriftzüge zeigen eine hellere Färbung und gehen immer mehr ins Gelbe über; endlich, nach etwa 3 Monaten, scheint der Zersetzungsprozeſs beendet zu sein. Die Farbe bleibt nun ein fuchsiges Gelb; aber trotzdem sind die Schriftzüge ganz gut zu lesen, lassen sich auch weder durch Wasser verwischen, noch mit Säuren von dem Papiere entfernen. Ueberhaupt erscheint die Schrift gerade so, wie man sie bei sehr alten Schriftstücken zu finden gewohnt ist. Ebenso wie die Zersetzung des Farbstoffes auf dem Papiere stattfindet, vollzieht sich dieselbe auch bei der Tinte im Glase, und eine Tinte, welche ich im J. 1881 bereitete, zeigt heute genau dieselben Eigenschaften. Der hohe Preis des vanadinsauren Ammoniaks dürfte kaum in Betracht kommen, aber die Qualität muſs selbstverständlich auſser Zweifel stehen. Das vanadinsaure Ammoniak, welches ich zu meinen Versuchen angewandt habe, erhielt ich im J. 1881 bei Gehe und Comp. in Dresden, 1g zu 55 Pf. Nach diesen Ausführungen muſs ich nochmals die Ueberzeugung aussprechen, daſs Berzelius niemals selbst eine Vanadintinte hergestellt hat. Selbst wenn er statt der Galläpfelabkochung Tannin verwendet hätte, würde er diese Tinte niemals besonders haben empfehlen können. Königsberg i. Pr., Januar 1889.