Titel: Verwendung von Kohlenwasserstoffen zur Speisung von Dampfkesseln.
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 588
Download: XML
Verwendung von Kohlenwasserstoffen zur Speisung von Dampfkesseln. Kohlenwasserstoff zur Speisung für Dampfkessel. Die seit langer Zeit bekannten Versuche zum Ersatze des Wassers in Dampfkesseln durch eine leichter verdampf bare Flüssigkeit scheinen nunmehr zu einem wenigstens nicht ungünstigen Ergebnisse geführt zu haben. Wenigstens berichten namentlich englische Fachblätter von Erfolgen., welche der bekannte Torpedobootsbauer A. F. Yarrow in London mit seinem Boote Zephir in Folge der Verwendung leichter Kohlenwasserstoffe zur Speiseflüssigkeit erreicht haben soll, vgl. Industries, 1888 S. 597, Engineer, 1888 S. 427 und 490, Le génie civil, 1888 S. 173. Eine Beschreibung der zur Verwendung gelangten, anscheinend ziemlich umständlichen Ausrüstungen für Kessel und Maschinen findet sich nur in Le génie civil, 1888 * S. 218, doch ist aus dieser Veröffentlichung kein auch nur annähernd genaues Bild von der Construction zu erlangen. Es sei deshalb nur das Prinzip der bezüglichen Neuerung nach einem Vortrage, welchen Yarrow in der Institution of naval architects hielt, nach der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1888, kurz wiedergegeben. Die Kohlenwasserstoffe werden in dem Kessel in gleicher Weise wie Wasser verdampft, und die entwickelten Dämpfe sodann in einer Maschine zur Expansion gebracht, um dann sorgfältig condensirt und dem Kessel wieder zugeführt zu werden. Das aus Stahl auf der Werft von Yarrow und Co. in Poplar hergestellte Versuchsboot hat eine Länge von 10m,97 und eine Breite von 1m,83; der Bootskörper wiegt 711k, die Maschine und Treibvorrichtung 305k, so daſs das Gesammtgewicht 1016k, etwas mehr als 1t, beträgt. Die im Hintertheile des Bootes aufgestellte Maschine hat einen Cylinder von 108mm Durchmesser in Hammerstellung und besitzt die sonst übliche Ausrüstung. Unmittelbar daran ist der Dampferzeuger angeschlossen; er besteht aus einem von zwei eisernen Gehäusen umgebenen kupfernen Schlangenrohre; der Raum zwischen den Gehäusen ist mit Asbest ausgefüllt. Unter dem Schlangenrohre befindet sich ein ringförmiges durchlochtes Rohr, einem Bunsen-Brenner ähnlich, welches dazu dient, ein hineingepreſstes Gemisch von Kohlenwasserstoff und Luft beim Austritte aus den Löchern zur Heizung der Schlange und Bildung der Dämpfe zu entzünden. Die Verdampfungsschlange wird durch die Maschinenpumpen aus einem im Vordertheile des Bootes angeordneten gut gedichteten Vorrathsbehälter für flüssigen leichten Kohlenwasserstoff von 180k Inhalt gespeist, welcher mit den Pumpen durch ein auſserhalb liegendes, am Kiel entlang geführtes Rohr in Verbindung steht und vor dem ersten wasserdichten Querschott so aufgestellt ist, daſs bei etwaigem Undichtwerden der Kohlenwasserstoff nicht das ganze Boot durchflieſst. Der von den Speisepumpendruckrohren in die Verdampfungsschlange geleitete Kohlenwasserstoff wird dort verdampft und, nachdem er in der Maschine Arbeit geleistet hat, durch zwei gleichfalls auf beiden Seiten des Kieles liegende Rohre, welche als Oberflächencondensatoren wirken, verdichtet in den Behälter zurückgeleitet, um von Neuem zur Speisung zu dienen. Ferner sind zwei Handpumpen angeordnet; die erstere, backbord befindliche, dient beim Dampfaufmachen zur Speisung der Verdampferschlange aus der Vorrathskiste durch das Druckrohr der Maschinenspeisepumpe, während das andere, steuerbord liegende, zum Aufpumpen von Luft in den Oberraum des Vorrathstanks bestimmt ist; es geschieht das zum Zwecke, Dämpfe für Verbrennung in einem kleinen unter dem Schlangenrohre befindlichen Hilfsbrenner zu erzeugen, welcher durch ein längs der Bootshaut geführtes Rohr angeschlossen ist. Die Ingangsetzung der Maschine wird in der Weise bewirkt, daſs mittels der letztgenannten Handpumpe in den Vorrathsbehälter Luft gepumpt und die hierdurch hervorgerufenen Dämpfe im Hilfsbrenner entzündet werden, um die Verdampfungsschlange anzuwärmen, was ein etwa 2 bis 6 Minuten währendes Bedienen der Luftpumpe erfordert. Hierauf drückt man mit der Backbordhandpumpe durch einige rasch auf einander folgende Hübe Kohlenwasserstoff aus der Kiste in die Schlange, welcher sofort verdampft und, wie das Manometer anzeigt, unter Spannung kommt. Durch ein Ventil läſst man nun in geringen Mengen verdampften Kohlenwasserstoff in den Hauptbrenner strömen, welcher gemischt mit mitgerissener Luft beim Austritte aus den Brennerlöchern sich sofort entzündet und den Verdampfer weiter heizt. Die Hand pumpen und der Nebenbrenner werden nun abgestellt; die Vorrichtung arbeitet ununterbrochen selbst weiter, wobei die Maschinenpumpen die Speisung übernehmen, während die Maschine läuft. So lange die erzielte Spannung im Verdampfer erhalten werden kann brennt der Hauptbrenner ohne Ueberwachung fort. Das Maſs der Verdampfung bezieh. die Spannung regelt man durch Einstellung des Ventiles am Hauptbrenner; eine weitere Wartung oder Aufmerksamkeit erheischt die Maschine nach Inbetriebsetzung nicht. Die beständig erhältliche Dampfspannung beträgt 5at Ueberdruck. Der Abdampf wird in den Auſsenrohren verdichtet und tropfbar flüssig in den Vorrathstank zurückgeschafft, so daſs nur der geringe Verlust an Kohlenwasserstoff durch Verbrennung im Hauptbrenner für Heizzwecke auftritt. Das Anlassen des Bootes mit Vollkraft dauert vom Augenblicke des Anzündens an nur durchschnittlich fünf Minuten; um das Boot anzuhalten, braucht man nur ohne weitere Vorrichtung den Dampf von der Maschine abzustellen. Das Boot soll bei wiederholten Proben 7 bis 8 Knoten stündlich anstandslos mehrere Stunden gelaufen sein, ohne daſs sich eine andere Bedienung während der Fahrt als das Schmieren von Lagern erforderlich machte. Die ganze Maschinen- und Treibvorrichtung nimmt einen sehr geringen Raum ein und läuft nur wenig ins Gewicht. Damit ist die Möglichkeit geringer Abmessung aller Bootstheile verbunden, wie denn auch das Versuchsboot, wie schon erwähnt, bei einer Länge von 11m sammt Maschine nur etwas über 1t wiegt. Die Anlagekosten kommen den für ein Dampfboot gleicher Gröſse zwar näherungsweise gleich; jedoch kann letzteres wegen der Gröſse von Maschinen und Kesseln nur etwa die Hälfte der Personen befördern. Die Betriebskosten sind verhältniſsmäſsig geringe; sie beliefen sich bei der Versuchsmaschine auf etwas mehr als 5l,5 Kohlenwasserstoffverbrauch bei einer Fahrgeschwindigkeit von 7 bis 8 Knoten. Der benutzte leichte flüssige Kohlenwasserstoff ist ein Nebenerzeugniſs der Erdöldestillation vom spec. Gew. 0,725 bis 0,730; er ist Handelswaare in den Vereinigten Staaten und kostet dort etwa 9 Pf. für 1l (in England etwa 12 Pf.). Er ist sehr leicht zu verdampfen; bei der Versuchsmaschine brauchte der Brenner nur für geringe Verbrennung eingestellt zu werden, so daſs man dem zu Folge bei voller Fahrt die Hand an den Schlot legen konnte. Der eigentliche Verbrauch erfolgt eben nur im Brenner, während die arbeitenden Dämpfe immer wieder durch Condensation für die Speisung verdichtet werden und in den Vorrathsbehälter flieſsen. Versuche von Johnson und Sons sollen ergeben haben, daſs der leichte flüssige Kohlenwasserstoff für seine Verdampfung eine bedeutend geringere Wärmemenge als Wasser erfordert. Vielleicht empfiehlt es sich mehr, für die Verdampfung eine billigere Flüssigkeit im Brenner zu verwenden. Wenngleich die Erfindung noch nicht lange genug erprobt ist und noch keine genügenden praktischen Erfahrungen damit gesammelt werden konnten, so ist doch anzunehmen, daſs der Dampferzeuger unter gewissen Bedingungen, weil die Verdampfungstemperatur des Kohlenwasserstoffes sehr niedrig ist und die Dämpfe keinerlei Art von Niederschlag in der Maschine und den Rohrleitungen absetzen, (?) den Dampfkesseln überlegen sein wird (?). Inzwischen sollen schon mehrere Boote dieser Art von derselben Werft mit Vervollkommnungen der ersten Einrichtung gebaut worden sein. Für die Heizung der Verdampferschlange ist ein Brenner gewählt, welcher nicht durch Kohlenwasserstoff aus dem Verdampfer bezieh. aus dem Vorrathsbehälter, sondern besonders durch Paraffinöl oder Erdöl, also allerorts billig käufliche Brennstoffe, gespeist wird. Hiermit sind bedeutende Ersparnisse verbunden, indem nur noch Verluste an flüchtigem Kohlenwasserstoffe in Folge von Undichtheit auftreten; es ist ferner die mit dem Einschiffen gröſserer Mengen leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffes verbundene Gefahr vermieden. Die Vorrichtung für das Heizen mit Paraffinöl u.s.w. ist folgendermaſsen getroffen: An passender Stelle im Boote ist ein Behälter für das Paraffinöl aufgestellt. Um den Brenner anzuzünden, wird mittels einer Handpumpe Luft in den abgedichteten Paraffinölbehälter bis zu etwa ⅓at Spannung aufgepumpt. Hierdurch wird das Oel in den Brenner gedrückt, um dort entzündet zu werden. Die Flamme des Brenners bewirkt nun selbst weiter ein Vergasen des zu verbrennenden Oeles, so daſs ein beständiger Gasstrom in den Brenner tritt. Das Gas wird mit mitgerissener Luft gemischt und verbrennt wie bei einem Bunsen-Brenner mit nicht leuchtender Flamme in wirksamer Weise. Der Kreislauf des zur Verdampfung dienenden Kohlenwasserstoffes vollzieht sich ähnlich wie bei der Versuchsmaschine. Für kleinere Anlagen ist es nicht nöthig, den Druck in dem Brennstoffbehälter durch eine selbsthätig wirkende Luftpumpe aufrecht zu erhalten; es genügt vielmehr, in Pausen eine Handdruckpumpe dafür zu bedienen. Der Betrieb der Boote ist ein sehr reinlicher. Es wurden bei 7 bis 8 Knoten Fahrgeschwindigkeit unter Entwickelung von 4 stündlich etwa 6½l Erdöl verbrannt. Yarrow verwandte für die Heizung namentlich das Kerosin, ein durchaus ungefährliches Nebenerzeugniſs der Erdölgewinnung, welches im Handel geführt wird; die Kosten stellten sich dabei für 1 Stunde und Pferd auf etwa 20 Pf. Es ist zu erwarten, daſs die noch keineswegs genügend ausgebildeten Einrichtungen so vervollkommnet werden, daſs ihre Anwendung allgemein mit wirthschaftlichen Vortheilen verbunden ist; gegenwärtig ist ja der Brennstoffaufwand noch ein einigermaſsen beträchtlicher, kostspieliger. Zu bemerken ist, daſs das Bestreben, Dämpfe für den Betrieb von Motoren zu verwenden, welche leichter als Wasserdampf zu erzeugen, also aus flüchtigeren Stoffen zu gewinnen sind, fast so alt wie der Gedanke der Nutzbarmachung des Wasserdampfes ist. Die schon 1797 von Cartwright gebaute Maschine mit Betrieb durch Alkoholdämpfe zeigte die Möglichkeit des Gelingens; die Maschine lief auch, aber die damals unzulänglichen Mittel verhinderten die weitere Ausbildung der Erfindung und stellten sie dem Dampfe gegenüber in den Schatten; sie konnte keinen wirthschaftlichen Erfolg erzielen. Später sind wiederholt Aether und Schwefelkohlenstoff versucht worden, und an ähnlichen Vorschlägen hat es nicht gefehlt.