Titel: Ueber die Synthese von Rosanilinen aus Amidobenzophenonen und aromatischen Aminen unter Mitwirkung Halogen tragender Substanzen; von Dr. Otto Mühlhäuser.
Fundstelle: Band 271, Jahrgang 1889, S. 592
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Ueber die Synthese von Rosanilinen aus Amidobenzophenonen und aromatischen Aminen unter Mitwirkung Halogen tragender Substanzen; von Dr. Otto Mühlhäuser. Mühlhäuser, über die Synthese von Rosanilin. Die Verbindungen, welche aus der Wechselwirkung zwischen amidirten Benzophenonen und reactionsfähigen Halogen trägem hervorgehen, verhalten sich im Allgemeinen wie Ketonhalogenüre vom Typus des Dioxybenzophenonchlorids. Je nach der Natur des Halogen tragenden Vehikels wird aus einem Amidoketon ein einfaches Ketonhalogenür, oder aber ein Additionsproduct der Wechselproducte entstehen. Ersteres wird sich bilden, wenn sich die Ingredienzien umsetzen, letzteres wenn sie sich addiren. Da die der Einwirkung entstammenden Substanzen Farbstoffnatur besitzen, sich aber gleichwohl wie Ketonhalogenüre bezieh. deren Abkömmlinge verhalten, so ist die Annahme gerechtfertigt, daſs dem beispielsweise aus Tetramethyl Diamidobenzophenon und PCl3 bezieh. POCl3 bereitbaren Farbstoffe die Formel: Textabbildung Bd. 271, S. 592 zukommt. Umsetzungs- oder Additionsproducte verwandter Art werden entstehen, wenn Amidoketone der Einwirkung folgender Halogenträger preisgegeben werden: 1) PCl3, PBr3, PJ3 2) PCl3, PBr5 3) POCl3, POBr3, PSCl3 4) und Homologe 5) Al2Cl6, Fe2Cl6. Jene reactionsfähigen, ephemeren Farbstoffe wirken mit tertiären aromatischen Aminen derart zusammen, daſs der an C gebundene saure Rest unter Bildung von Halogenwasserstoff bezieh. einer Oxysäure austritt und ein Rosanilin entsteht. Oft ist es nöthig, dem aus gleichen Molekülen Keton- und Halogenträger hervorgehenden Reaktionsproducte weitere Mengen von letzterem zuzufügen, um die Reaction im Sinne der Friedel-Craft'schen Synthesen durchzuführen. So reagirt der aus Dimethylamidobenzophenon und PCl3 entstehende Farbstoff nach Wegnahme begleitender Substanzen ohne alles Weitere mit Dimethylanilin unter Bildung von Malachitgrün, während die aus Tetramethyldiamidobenzophenon und PCl3 hervorgehende Farbsubstanz nach ihrer Isolirung mit Methylanilin allein nicht reagirt und mit letzterem erst dann in Wechselwirkung tritt, wenn ein Condensationsmittel z.B. PCl3, Al2Cl6 u.s.w. der Mischung einverleibt wird. Geschichtliches. Im Jahre 1878 gelang H. Caro und C. GräbeBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1878 Bd. 11 S. 1350. aus Phenol und einem Chlorid, dessen Konstitution durch seine Darstellung aus Benzophenon und PCl3 gegeben schien, die Synthese des Aurins. Damit war die Schablone für den Aufbau amidirter und hydroxylirter Triphenylkarbinole gegeben und es war zu erwarten, daſs mit der Entdeckung jener die Synthese dieser Hand in Hand gehe. 1876 hat bekanntlich Wilhelm MichlerW. Michler, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1876 Bd. 9 S. 716, Michler und Dupertuis, daselbst 1876 Bd. 9 S. 1899, und Michler und Gradmann, daselbst 1876 Bd. 9 S. 1912. die ersten amidirten Benzophenone, speciell diamidirte, entdeckt und aus Dimethylanilin und Diäthylanilin und Chlorkohlenoxyd das Tetramethyl und Tetraäthyldiamidobenzophenon bereitet. Die damals kostbaren Laboratoriumspräparate konnten indessen auch dann nicht zur Synthese von substituirten Rosanilinen reizen, als das entschleierte Bild der Atomgruppirung im Rosanilin zur Verwendung dieser Ketone sowohl im Sinne der Hemilian'schen wie der Caro-Gräbe'schen Reaction aufforderte. Nachdem aber A. Kern im J. 1883 das giftige und bis dahin kostbare und schwer zu handhabende Chlorkohlenoxyd zu meistern und der Industrie dienstbar zu machen verstand, und glatt und unschwer die Michler'schen Ketone bereiten lehrte, war auch vom technischen Gesichtspunkte aus an die Verallgemeinerung der Dioxybenzophenonchloridreaction zu denken, und in der That sieht man binnen Kurzem der fabrikatorischen Bereitung der Ketone die fabrikmäſsige Darstellung von Rosanilinen auf Grund der Reaction von Caro und Gräbe folgen. Die Erweiterung dieser Reaction ist Caro zu verdanken, welcher mit Kern die gemeinschaftliche Durcharbeitung des nun technisch zugänglich gewordenen Gebietes unternahm. Indem Caro und Kern auf tetramethylirtes bezieh. tetraäthylirtes Diamidobenzophenon PCl3 und auf die so erhaltenen reactionsfähigen Zwischenproducte tertiäre aromatische Amine wirken lieſsen, gelang ihnen der Erhalt einer Reihe von neuen Amidoketon Amin Halogen-träger Farbstoff Literatur Tetramethyldia-midobenzophenon Dimethylanilin PCl3 Hexamethylpararos-anilin D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883. POCl3 COCl3 Dibenzylanilin POCl3 Tetramethyldiben-zylpararosanilin dto. u. Am. Pat.    Nr. 297415. Phenylanilin POCl3 Tetramethylphenyl-pararosanilin D. R. P. Nr. 27789     v. 18. Dec. 1883. Methylphenyl-anilin POCl3 Pentamethylphenyl-pararosanilin Dimethyl-o-anisidin POCl3 Hexamethyldiphe-nylmethoxyphenyl-pararosanilin Phenyl-α-naph-tylanilin POCl3 Tetramethyl-α-naph-tylpararosanilin dto. u. Am. Pat.    Nr. 297414. α Naphtylme-thylanilin POCl3 Pentamethyl-α-naph-thylpararosanilin D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883    u. Am. Patent    Nr. 308748. Benzylphenyl-anilin Tetramethylbenzyl-phenylpararosanilin D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883    u. Am. Patent    Nr. 346022. Tetraäthyldiami-dobenzophenon Diäthylanilin PCl3 Hexaäthylpararos-anilin D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883. Diäthylanilin POCl3 Tetraäthyldiamyl-pararosanilin Phenyl-α-naph-tylamin Tetraäthyl-α-naph-tylpararosanilin dto., Amer. Pat.    Nr. 297413. Dibenzylanilin Tetraäthyldibenzyl-pararosanilin dto., Amer. Pat.    Nr. 297416. Methyldiphe-nylamin Tetraäthylmethyl-phenylpararosanilin dto., Amer. Pat.    Nr. 353264. Benzylphenyl-anilin Tetraäthylbenzyl-phenylpararosanilin dto., Amer. Pat.    Nr. 353262. Dimethylamido-benzophenon Dimethylanilin PCl3 Tetramethyldiami-dotriphenylkarbinol D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883. Tetramethyldiami-dobenzophenon Dimethylanilin Hexamethylpararos-anilin D. R. P. Nr. 29962    v. 1. Juni 1884,    Zusatz  zu 27989. Thiodiphenyl-amin POCl3 Tetramethylthio-phenylpararosanilin D. R. P. Nr. 36818    v. 29. Dec. 1885. Methylthiodi-phenylamin POCl3 Pentamethylthio-phenylpararosanilin Dimethyl-α-naphtylamin POCl3 Hexa-methyl Triamodo-diphenyl-α- D. R. P. Nr. 27789    v. 18. Dec. 1883. α-Naphtylamin POCl3 Tetra-methyl naphtyl-karbinol p-Tolyl-α-naphtylamin Tetramethylphenyl-triamido-α-naphtyl-diphenylkarbinol Farbstoffen. Daſs andere aromatische Amidoketone sich ähnlich verhalten, und daſs PCl3 durch jeden anderen reactionsfähigen Halogenträger ersetzbar ist, constatirten die Entdecker des neuen Verfahrens ebenfalls. Nebenstehende Tabelle gibt ein Bild der wichtigsten Resultate der Versuche von Caro und Kern und deren Mitarbeiter. Sie zeigt, welche Amidoketone, Halogen träger und tertiäre Amine in erster Linie auf ihren Gebrauchswerth geprüft worden sind und welche substituirten Pararosaniline laut Patenten der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Betracht gezogen wurden. Nach einer Mittheilung von G. Schultz und P. JuliusTabellarische Uebersicht der künstl. org. Farbstoffe vom G. Schultz und P. Julius. 1888 S. 54. hat Caro schon im Jahre 1883 auf die Halogenderivate der amidirten Benzophenone Phenole einwirken lassen. Er erhielt hierbei aus Tetramethyldiamidobenzophenonchlorid und Resorcin das violettfärbende Tetramethyldiamidodioxytriphenylkarbinol (Resorcinviolett). Analoge Farbsubstanzen wurden 1884 in den Laboratorien von Ewer und PickD. R. P. Nr. 31321 vom 21. August 1884. – Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1886 Bd. 19 S. 758. bereitet. Nach den Angaben der Genannten kann z.B. Tetraäthyldiamidooxytriphenylkarbinol aus Phenol und Tetraäthyldiamidobenzophenonchlorid und Tetraäthyldioxytriphenylkarbinol aus Resorcin, und Tetraäthyldiamidobenzophenonchlorid im Beisein von Chlorzink dargestellt werden. Auf Grund der Caro Gräbe'schen Reaction wurden von der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen und von der Actiengesellschaft für Chemische Industrie in Basel vorzugsweise: Tetramethyldibenzyl-, Tetraäthyldibenzyl-, Pentamethylalphanaphthyl- und Tetraäthylalphanaphthyl-Pararosanilin fabrikmäſsig gewonnen und unter dem Namen Benzylviolett B, Benzylviolett 2B, Victoriablau 4R, Victoriablau BB auf den Markt gebracht. Technisches. Behufs Darstellung von Farbstoffen mischt man gleiche Moleküle Amidobenzophenon, Am in und Halogen träger. In vielen Fällen beginnt und vollendet sich dann die Reaction unter freiwillig eintretender, mäſsiger Erwärmung von selbst. Oft ist es aber nöthig, durch äuſsere Kühlung oder durch Zusatz indifferenter Lösungs- und Vertheilungsmittel wie Benzol, Toluol, Xylol, Schwefelkohlenstoff, Chloroform u.s.w. die Einwirkung zu mäſsigen, da sonst die Reactionswärme sich leicht bis zur theilweisen oder völligen Zerstörung des entstandenen Productes sich steigern kann. Manchmal ist es andererseits erforderlich, die Reaction durch Erhitzen auf 100° und darüber zu unterstützen. Stets ist es aber von Vortheil, einen Ueberschuſs des aromatischen Amins anzuwenden, um die Mischung möglichst neutral und flüſsig zu halten, was auch durch Zusatz der indifferenten Lösungs- und Vertheilungsmittel bewerkstelligt werden kann.