Titel: Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Fundstelle: Band 273, Jahrgang 1889, S. 513
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Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. Patentklasse 89. Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. Bekanntlich hatte N. Rillieux im J. 1878 am 20. Februar ein Reichspatent (Nr. 3852) auf einen Vacuumverdampfapparat unter Anwendung von mehr als drei Körpern für Zuckersäfte und anderen Flüssigkeiten“, sowie (vom 14. Januar ab) im J. 1881 das Reichspatent Nr. 15569 (abgedruckt mit den 11 Patentansprüchen in Stammer's Lehrbuch der Zuckerfabrikation, 2. Aufl. S. 825 ff.) auf „Neuerungen an Vacuumkochapparaten für Zuckersäfte und andere Flüssigkeiten“ erhalten. In Folge der vielfachen Belästigungen, welche den Zuckerfabrikanten hierdurch erwuchsen, erhob F. Walkhoff in Magdeburg die Nichtigkeitsklage in Betreff der wesentlichsten obiger Patentansprüche, und das kaiserl. Patentamt hat durch Entscheidung vom 29. November 1888 das latent Nr. 3852 eingeschränkt, sowie das Patent Nr. 15569 in Bezug auf die Ansprüche 2 und 3 vernichtet. N. Rillieux hat gegen dieses Urtheil beim Reichsgericht Berufung Angelegt, und zwar in Bezug auf die Einschränkung des Patentes Nr. 3852 und auf die Vernichtung des Anspruches 2 des Patentes Nr. 15569. In der Sitzung vom 1. Juni 1889 hat jedoch das Reichsgericht, erster Civilsenat, die Entscheidung des Patentamtes vom W. November 1888 bestätigt und die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungskläger auferlegt. Hierdurch ist, auch nach dem Zugeständnisse Rillieux', endgültig entschieden, daſs dessen Patentansprüche auf die Verwendung gespannter Dämpfe, sowie auf die alternirende Brüdenentnahme zu Verkochzwecken nicht als patentfähig im Sinne der deutschen Patentgesetzgebung zu erachten sind. Indem hier auf die Besprechung des sogen. Rillieux-Verfahrens in Stammer's oben genannten Lehrbuch S. 776, 825 und 834 verwiesen wird, mag noch mitgetheilt werden, daſs F. Walkhoff in einem Rundschreiben vom Juli 1889 den Wortlaut der Entscheidung des Reichsgerichtes mit der Begründung veröffentlicht und genau angegeben hat, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Patente auf die einzelnen Formen der Mehrverdampfkörper bezieh. die mehrfache Benützung der Wärme ertheilt worden sind. Es wird nun endgültig die Zuckerindustrie nicht weiter durch Ausnutzung von zu Unrecht ertheilten Patenten beunruhigt werden, und es können nun nicht mehr, wie in den letzten Jahren, die Verdienste anderer Erfinder herabgewürdigt und die Urheberschaft für Verdampfeinrichtungen unrechtmäſsiger Weise in Anspruch genommen werden. J. Hyros in Böhm.-Brod berichtete über den neuen Kasalovsky'schen Vacuumverkochapparat für continuirlichen Betrieb (Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie, Bd. 18 Heft 2 * S. 203). Dieser Apparat besteht aus zwei oder mehreren Abtheilungen, selbständigen Vacuums, und ist zu dem Zwecke abgetheilt, um bei Brüdendampf-Beheizung eine continuirliche Verkochung bezieh. eine ununterbrochene Entnahme der Dämpfe aus den Verdampfapparaten zu bewirken, also eine höhere Wirkung der letzteren zu erzielen. Gleichzeitig gewährt die ununterbrochene Verkochung auch den Vortheil einer rationellen Ausnützung der Heizfläche des Vacuumapparates. Wie allgemein bekannt ist, muſs man im gewöhnlichen Vacuum zuerst auf Kornbildung verkochen, was in der Weise geschieht, daſs man den unteren Theil des Vacuums mit Dicksaft füllt und so lange mit dem untersten Theile der Heizfläche kocht, bis sich das nöthige Korn gebildet hat. Dabei wird, wie begreiflich, der gröſste Theil der Heizfläche durch längere Zeit gänzlich auſser Betrieb gelassen. Beim Kasalovsky'schen Vacuum ist dies nicht der Fall, da sich stets in einer der Abtheilungen ein mit Korn durchsetzter Saft vorfindet, so daſs ein bestimmtes Quantum von diesem in den unteren Theil der eben entleerten Abtheilungen abgelassen werden kann, und es auf diese Weise möglich ist, beide Heizkammern bezieh. die ganze Heizfläche der betreffenden Abtheilung sofort in Thätigkeit zu setzen, wenn man zuvor noch frischen Dicksaft nachgezogen hat. Es ist klar, daſs man mit einem solchen Vacuum unter sonst gleichen Umständen eine gröſsere Leistung zu erreichen vermag, bezieh. daſs man bei derselben Leistung mit Dampf niedrigerer Temperatur, welcher billiger zu beschaffen ist als der einer höheren Temperatur, sein Auskommen findet. Das Kasalovsky'sche Vacuum mit continuirlichem Betriebe gewährt in Hinsicht auf die Art der Verkochung bezieh. der Kornbildung wenigstens dieselben Vortheile wie andere groſse Vacuums, die ebenfalls, wie dieses, darauf berechnet sind, den Sud weit längere Zeit hindurch andauern zu lassen, als es bei den alten Apparaten der Fall ist, wo mangels Heizfläche und Raum der Sud in einigen Stunden bei Anwendung von hochgespanntem Dampfe beendigt sein muſs. Dieses Vacuum bietet nach dem Berichterstatter folgende Vorzüge: 1) Eine continuirliche Verwerthung der von den Verdampfapparaten kommenden Brüdendämpfe zur Beheizung des Verkochapparates durch die ununterbrochene Verkochung, daher eine günstigere Wirkung und eine gleichmäſsigere Arbeit der Verdampfanlage; 2) eine ökonomische Ausnützung der Brüdendämpfe mittels des Strahlapparates, da Dämpfe niedriger Ordnung vorwiegend Verwendung finden; 3) eine rationellere Benützung der Heizfläche und eine leichtere Wartung der Kocharbeit durch das Ueberziehen des mit Korn durchsetzten Saftes aus einer Abtheilung in die andere; 4) die leicht mögliche Vergröſserung des Vacuums durch Zustellung einer oder mehrerer Abtheilungen zu den vorhandenen zu dem Zwecke, um entweder von Retourdämpfen auf Brüdendämpfe zu übergehen oder um die Leistung zu erhöhen; 5) die kurze, daher sichere Lagerung der Heizrohre, die kleinen Dampfkammern (gegen Bruch), die Versteifung des ganzen Körpers durch die Scheidewände, als auch die rasche Entleerung des Sudes; 6) wegen abtheilungsweisen Ablassens kleinerer Raum- bezieh. Pfannenbedarf für die entleerte Füllmasse, oder die Möglichkeit, mit einem kleinen Kühler auszureichen. Ein anderes Vacuum ist von Samuel Morris Lillie in Philadelphia construirt worden (* D. R. P. Nr. 46377). Diese Erfindung betrifft eine Vereinigung mehrerer, eine besondere Construction besitzender Verdampfer zu einem Mehrkörpersysteme, ferner eine Reihe von Oberflächenheizern, welche in Verbindung mit dem Mehrkörpersysteme angeordnet sind und in der Weise arbeiten, daſs ein Theil der von den verschiedenen Verdampfern ausgehenden Dämpfe zum Heizen entweder einer einzigen, von dem kältesten zu dem wärmsten Heizer übergehenden Flüssigkeit oder mehrerer in den verschiedenen Heizern untergebrachten Flüssigkeiten dient. Die Patentansprüche lauten: Ein Verdampfapparat, bei welchem nachstehende Einrichtungen gleichzeitig vorhanden sind: a) Zwei oder mehr Verdampfer 1, 2..., von welchen jeder eine Sammelkammer P an seinem Boden, eine mit Rohren und einer für diese Rohre dienenden Zuführungsvorrichtung G und Dampfabführungsrohren ausgestattete Heizkammer und ein die Verdampfer verbindendes Dampfrohr erhalten hat, um ein Mehrkörpersystem zu bilden; b) die Anordnung von Rohren, welche die Kammer P des einen Verdampfers mit der Zuführungsvorrichtung G desselben und des nächsten Verdampfers verbinden, zu dem Zwecke, durch eine Pumpe oder gleichwerthige Mittel die Flüssigkeit entweder nach demselben oder nach dem nächsten Verdampfer überzuführen; c) Oberflächenheizer, von welchen einer zu jedem Verdampfer gehört, und welche mit einander durch Flüssigkeitsrohre verbunden sind und mit Dampf von den verschiedenen Verdampfern versehen werden, in Combination mit einem Zuführungsrohre an dem ersten und einem Enleerungsrohre an dem letzten Heizer. Das neue Seyferth'sche Reinigungsverfahren für Rohzucker, das sogen. Paraffinerieverfahren, beruht (v. Lippmann, Chemiker-Zeitung, Bd. 13 Nr. 61 S. 995) nach einer Beschreibung, die Dr. Cunze, der Direktor der Zuckerfabrik Waghäusel, gelegentlich der Prüfung desselben gab, auf der Anwendung von Paraffinöl (vom Siedepunkte 220 bis 250°). Rohzuckerfüllmasse wird in der Centrifuge nach dem Abschleudern des Syrups direkt mit einem breiten Strahle Paraffinöl ausgedeckt, welches den den Krystallen noch anhaftenden Syrup so vollständig verdrängt, daſs eine Nachdecke mit Wasser (Sprühregen unter Druck) entweder ganz unnöthig ist oder sich auf ein Minimum beschränken läſst. Syrup und Oel laufen gemeinsam in einen Behälter, in welchem das specifisch viel leichtere Oel rasch nach oben steigt, von dem schweren und darin ganz unlöslichen Syrupe abgezogen wird und sofort wieder zu neuer Verwendung bereit ist. Den Zucker erhält man binnen 20 bis 30 Minuten in Gestalt fast weiſser und trockener Waare, und zwar entspricht sein Gewicht fast quantitativ jenem des in der ursprünglichen Füllmasse enthaltenen Krystallzuckers. Die Füllmasse wird also nicht in mehr oder minder syruphaltigen Rohzucker und in Syrup zerlegt, sondern direkt in Syrup und fast reinen Krystallzucker. Diesem haftet jedoch etwas Paraffinöl an, dessen übler Geruch die sämmtlichen Rohproducte des Verfahrens zum direkten Consum ungeeignet macht. Durch Auflösen und Kochen des Zuckers, also beim Raffinationsprozesse, verliert sich aber dieser Geruch vollständig. Nach genauen Versuchen mit entsprechenden Füllmassen und laut Berechnung, gemäſs den in Waghäusel herrschenden Verhältnissen, würde die neue Methode für 100k Rohzuckerfüllmasse etwa 2,48 M., oder für 100k Rübe etwa 40 bis 50 Pf. Mehrertrag geben, wenn man in beiden Fällen bestimmte, zu einer gewissen Zeit gültig gewesene Preise zu Grunde legt. Der zur Raffination bestimmte Rohzucker kann ebenfalls, trocken oder gemaischt (eventuell mit durch Auflösen festen Paraffines verdicktem Oele), in Centrifugen gefüllt und mit Paraffinöl ausgewaschen werden, wobei gleichfalls ein hoher Prozentsatz fast reinen Krystallzuckers gewonnen wird, der als Einwurf für die Verfeinerungsarbeit dient; der nöthige Deckzucker kann auf dem nämlichen Wege hergestellt werden. Die Analyse zeigte, daſs von den Aschenbestandtheilen vorzugsweise die Alkalisalze entfernt werden, indem z.B. das Verhältniſs derselben zu den Kalksalzen von 100 : 5,6 auf 100 : 39,1 stieg. Dies ist jedoch deshalb unbedenklich, weil die Knochenkohle gerade für die Kalksalze ein hohes Absorptionsvermögen besitzt, und daher schlieſslich trotzdem aschenarme Füllmassen gewonnen werden. Laut Versuch und genauer Berechnung liefern in Waghäusel 100 MC. Rohzucker von 95,8 Proc. Pol. bisher 65,24 Proc. weiſser Waare, 28 Proc. Nachproducte und 6 Proc. Melasse, während die neue Methode 86,22 Proc., 4,85 Proc. und 8,25 Proc. der nämlichen Producte ergibt, so daſs statt 25 Proc. nur mehr 4 Proc. des Einwurfes wieder in den Arbeitskreislauf zurückgehen. Der reine Nutzen für 100k Rohzucker berechnet sich hiernach auf 1,26 M. bis 1,70 M. Hiernach und durch den günstigen Ausfall gröſserer Versuche (mit einigen 100 Centner Zucker) bewogen, hat die Zuckerfabrik Waghäusel die sofortige Einführung des Seyferth'schen Verfahrens im Groſsen beschlossen. Bei den dortigen Verhältnissen wird dies für die Rohzuckerfabrik etwa 5 bis 6000 M., für die Raffinerie 100000 M. kosten. Die Befürchtungen, daſs der Paraffingeruch des Zuckers nicht zu vertreiben sei, daſs das flüchtige Paraffinöl groſse Verluste durch Verdunstung bedingen und feuergefährlich sein werde, sowie daſs sich das Verfahren für geringere Rohzucker und Nachproducte überhaupt nicht eigne, sollen nach den bisherigen Versuchen unbegründet sein; doch bedürfen diese Momente jedenfalls noch der genaueren Prüfung im Groſsbetriebe. Das Steffen'sche Auslaugeverfahren dagegen (vgl. 1888 269 377) zerlegt Rohzucker oder Füllmassen gleichfalls durch Auswaschen in weiſse Waare und Syrup, bedient sich jedoch hierzu bloſs wässeriger Zuckerlösungen verschiedener Reinheit unter Anwendung des Gegenstromprinzipes. In Rübenzuckerfabriken wird direkt die Füllmasse ausgewaschen, in Raffinerien aber auſserdem noch der Rohzucker vorgereinigt und dann entweder dem üblichen Verfeinerungsprozesse zugeführt, oder in Form von Füllmasse nochmals dem Waschverfahren unterworfen. Zur Ausführung dieses letzteren dienen sogen. Wannen, welche 8 bis 10 Centner fassen, den beim Strontianitverfahren gebräuchlichen Nutschen nachgebildet und einzeln oder zusammen mit Luftpumpen verbunden sind. Die Füllmassen bezieh. die Rohzucker (letztere eventuell eingemischt) werden in dünner Schicht in die Wanne gebracht und dann systematisch mit 16 bis 32 einzelnen Antheilen Syrup von immer steigender Reinheit ausgewaschen, indem man jede derselben für sich aufbringt, sie mit Hilfe der Luftleere die Masse durchdringen läſst und dann wieder für sich auffängt. Bei vollem Betriebe wäre der Idealzustand erreicht, wenn die ersten Lösungen als Melasse abflössen, die folgenden, von langsam steigender Reinheit, bei der nächsten Arbeit als Vordecken Verwendung finden könnten, und die letzten Lösungen aus reiner, neu in Betrieb genommener Deckkläre beständen, so daſs schlieſslich weiſser, mit reiner Deckkläre durchtränkter Krystallzucker zurückbliebe. In der Praxis kann dies natürlich nicht erreicht werden. Weder besteht der ausgewaschene Zucker (das sogen. Waschgut) bloſs aus feuchtem Zucker, noch findet die Trennung vom Syrupe so quantitativ statt, daſs als anderes Endproduct wirkliche Melasse erzielt wird. Man erhält vielmehr Syrupe von 70 und mehr Quotient, aus denen noch 1 bis 2 Nachproducte gekocht werden können, und Waschgut von sehr hoher, aber nicht absoluter Reinheit. Die Dauer des Waschprozesses beträgt 12 bis 16 Stunden und mehr, wobei jedoch sehr viel auf die Güte und gleichförmige Beschaffenheit des Rohmaterials ankommt. Was die Verarbeitung von Rübenfüllmassen anbelangt, so hat das Verfahren noch die Feuerprobe zu bestehen, insbesondere liegen über das Verhalten geringer Füllmassen (ohne Einwurf hergestellt) keine genügenden Erfahrungen vor. Für den Betrieb hat es sich indessen als sehr wichtig herausgestellt, möglichst gleichmäſsig zusammengesetzte und in gleichbleibender Korngröſse gekochte Füllmassen anzuwenden, da das Auswaschen, das sonst leicht und ohne besondere Schwierigkeit erfolgt, anderenfalls unangenehmen Störungen ausgesetzt ist. Für den Raffineriebetrieb gilt dasselbe bezüglich der Rohzucker; je gleichmäſsiger deren Korn und deren Zusammensetzung ist, desto glatter geht das Auswaschen von statten, während die Behandlung ungleichförmiger Mischungen schwierig, zuweilen selbst unmöglich, oder mindestens unrationell ist. Bis zu gewissem Grade kann man sich indessen durch vorheriges Einmaischen der Rohzucker, sowie durch Sieben oder Sortiren helfen. Das Auswaschverfahren ist bereits in einer Anzahl von Raffinerien eingeführt, war jedoch in der eben zu Ende gehenden Campagne meist nur kurze Zeit in Betrieb, theils technischer Gründe wiegen, theils weil die Arbeit in Folge der Marktverhältnisse frühzeitig eingestellt wurde. Man wird daher über dieses, sowie auch über Seyferth's Verfahren jedenfalls erst im Laufe der kommenden Campagne genauere Aufklärung erhalten können und Klarheit darüber gewinnen, in welchem Umfange der Groſsbetrieb die gehegten ganz auſserordentlichen Erwartungen bestätigt und die hohen Patent- und Anlage-Kosten gerechtfertigt erscheinen läſst. Die Bestimmung der Raffinose in Rohzuckern (vgl. 1888 270 227) wird nach Th. Breyer (New York) in Amerika folgendermaſsen (Chemiker-Zeitung, Bd. 13 Nr. 35 S. 499) auf etwas abgekürztem Wege ausgeführt: Die Zuckerlösung wird nach vollendeter Inversion durch Einstellen in kaltes Wasser rasch abgekühlt und dann in dem Raume, wo sie polarisirt werden soll, für einige Stunden sich selbst überlassen. Nach genauem Auffüllen bis zur Marke und vielleicht nothwendigem Entfärben mittels 0g,2 bis 0g,5 mit Salzsäure ausgezogener und getrockneter Knochenkohle wird durch ein gut bedeckt zu haltendes Filter in einen bedeckten Cylinder filtrirt. Die Lösung wird zum Polarisiren in ein Glasrohr gefüllt, das ein weites Ansatzrohr für das Thermometer hat. Aus der Polarisation vor und nach der Inversion und der Thermometerablesung wird der scheinbare Rohrzuckergehalt nach Clerget's Formel berechnet. Ergibt sich eine Differenz von 0,5 oder darüber, so ist die Anwesenheit von optisch activen Substanzen neben Rohrzucker als erwiesen zu erachten. Ist der nach Clerget's Formel gefundene Rohrzuckergehalt geringer als die direkte Polarisation, und sind keine Fehling'sche Lösung reducirenden Substanzen vorhanden, so wird der wahre Rohrzuckergehalt nach folgender Formel, die eine Combination von Clerget's und Creydt's Formeln ist, berechnet. Die Differenz aus der so gefundenen Rohrzuckerzahl und der direkten Polarisation wird als von einem Gehalte an Raffinose herrührend angesehen und demgemäſs berechnet. Rohrzucker Raffinose A. Direkte Polarisation + 100 + 100 B. Pol. nach der Inversion bei -\left(44-\frac{t}{2}\right) + 50,7 C. Differenz für je 1° Ursprung-          licher Polarisation \frac{100+44-\frac{t}{2}}{100} 0,493 Z Proc. Rohrzucker R Proc. Raffinose 1)\ A=Z+1,85\,R. 2)\ C=\frac{100+44-\frac{t}{2}}{100}\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493. 3)\ 0,493\,A=0,493\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493. (2-3)\,C-0,493\,A=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}\,Z-0,493\,Z. Z=\frac{C-0,493\,A}{\frac{100-\frac{t}{t}}{100}-0,493}=\frac{C-0,493\,A}{F_t} R=\frac{A-Z}{1,85} Ft wird aus nachstehender Tabelle entnommen. Tabelle für F_t=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}-0,493. t Ft t Ft t Ft t Ft 15,0 0,8720 20,0 0,8470 25,0 0,8220 30,0 0,7970 15,5 0,8695 20,5 0,8445 25,5 0,8195 30,5 0,7945 16,0 0,8670 21,0 0,8420 26,0 0,8170 31,0 0,7920 16,5 0,8645 21,5 0,8395 26,5 0,8145 31,5 0,7895 17,0 0,8620 22,0 0,8370 27,0 0,8120 32,0 0,7870 17,5 0,8595 22,5 0,8345 27,5 0,8095 32,5 0,7845 18,0 0,8570 23,0 0,8320 28,0 0,8070 33,0 0,7820 18,5 0,8545 23,5 0,8295 28,5 0,8045 33,5 0,7795 19,0 0,8520 24,0 0,8270 29,0 0,8020 34,0 0,7770 19,5 0,8495 24,5 0,8245 29,5 0,7995 34,5 0,7745 35,0 0,7720 Gegen diese Art der Berechnung würde nun einzuwenden sem, daſs dabei die von Creydt für die Temperatur 20° C. und die Concentration 16,575 festgestellte Drehungsconstante der invertirten Raffinoselösung bei anderen Temperaturen und Concentrationen als gültig angenommen wird. Dem ist das Folgende zu entgegnen. Die Producte der Inversion der Raffinose sind Lävulose, Galaetose und vielleicht Dextrose. Der Einfluſs der Concentration wird auch in Creydt's Formel vernachlässigt. Derselbe wird aber, wie aus Meissl's Formel für die spec. Drehung der Galactose hervorgeht, nur ein geringer sein können. Da nach der Inversion noch eine bedeutende Rechtsdrehung bestehen bleibt, und da die Galactose für mittlere Temperaturen nur wenig stärker nach rechts als die Lävulose nach links dreht, so muſs mehr Galactose als Lävulose vorhanden sein. Die Rechtsdrehung der Galactose und die Linksdrehung der Lävulose werden durch Temperaturerhöhung erniedrigt. Die Drehungsänderungen heben sich also theilweise auf. Der Einfluſs der Temperatur auf das Drehungsvermögen der Galactose ist geringer als auf das der Lävulose, andererseits ist aber mehr Galactose als Lävulose vorhanden. Aus diesem Grunde wird man nicht sehr fehl gehen, wenn man annimmt, daſs sich die durch Temperaturänderungen hervorgebrachten Drehungsänderungen nahezu aufheben. Der direkte Versuch bestätigt die vorstehende Annahme. Die Drehung einer invertirten Raffinoselösung ist bei niederer Temperatur geringer als bei höherer, ist aber bei Weitem nicht in dem Maſse, wie die Drehung einer invertirten Rohrzuckerlösung, von der Temperatur abhängig. Da die Rohrzucker verhältniſsmäſsig wenig Raffinose enthalten, so kann die für die Temperatur nöthige Correctur innerhalb gewisser Grenzen vernachlässigt werden. Die vorstehende Abänderung des Creydt'schen Verfahrens war für New Yorker Verhältnisse darum angezeigt, weil bei der dort im Sommer oft sehr hohen Temperatur und dem dabei sehr hohen Feuchtigkeitsgehalte der Luft die Polarisation bei 20° C. nur mit groſsen Schwierigkeiten in Folge des Beschlagens der Deckgläser auszuführen ist. Auſserdem erlaubt diese Abänderung selbstverständlich ein rascheres Arbeiten. T. L. Phipson berichtete (Chemical News, Bd. 59 S. 255) über die Gegenwart von Zinn in gewissen Zuckern (über Zusatz von Zinnsalze bei der Zuckerfabrikation vgl. 1886 259 322), den Einfluſs des Zinnes auf die Gesundheit und ein Mittel zu seiner Entdeckung. Eine Dame, die den sogen. Demerara-Zucker in ihrem Haushalte verwandte, hatte heftige kolikartige Diarrhöe bei dessen Genuſs bekommen, die sofort ausblieb, als der Gebrauch dieses Zuckers ausgesetzt wurde. Auch die Dienerschaft der Dame hatte sich gegen den Genuſs des Zuckers gesträubt, wiewohl er von sehr angenehmem aromatischen Geruch und sehr süſsem Geschmack ist; die Farbe ist goldgelb. Bei der Untersuchung auf Metalle, die vorgenommen wurde, indem eine gröſsere Menge des Zuckers in Wasser gelöst, ohne Filtration mit Salzsäure und Schwefelwasserstoff versetzt und dann mindestens 48 Stunden im verschlossenen Gefäſs stehen gelassen wurde, ergab sich ein ziemlich reichlicher Niederschlag von Schwefelzinn, der einer Menge von 0,04 Proc. Zinnoxyd entsprach. Auſser dem Zinn war von fremden Substanzen nur noch etwas Glycose und 2,7 Proc. einer aus Kalk, Eisenoxyd und Kalkphosphat bestehenden Asche in dem Zucker vorhanden. Verfasser hatte selbst früher angegeben, daſs ein sehr kleiner Zusatz von Zinnchlorid, der vielfach angewandt wird, um dem Zucker eine goldgelbe Farbe zu geben, nicht schädlich sei, kann aber diese Ansicht nicht mehr für die, wie es scheint, jetzt ausgiebigere Verwendung von Zinnchlorid aufrecht erhalten, zumal nach den Untersuchungen von Ungar und Bodländer bewiesen ist, daſs durch die Aufnahme von Zinn in den Organismen nicht nur akute, sondern bei fortgesetzter Einführung kleiner Mengen chronische Vergiftungen, die selbst zum Tode führen, bewirkt werden. Bei der groſsen Verwendung des Zuckers ist die Gefahr vorhanden, daſs durch Aufspeicherung auch kleiner, täglich mit demselben aufgenommener Mengen Zinn eine ernstliche Gesundheitsstörung bewirkt werde, und Verfasser hält es deshalb für rathsam, bei Zuckeruntersuchungen, die im hygienischen Interesse vorgenommen werden, auf die Gegenwart von Zinn besonders zu prüfen. Die Verwendung des „flüssigen Fruchtzuckers“, d.h. des jetzt fabrikmäſsig dargestellten Invertzuckers an Stelle des Rohrzuckers, soll für Haushaltungen bei Zubereitung von eingemachten Früchten, Fruchtsuppe, Crême, Compot, süſse Speisen, Bowle, Limonade u.s.w. nach Fühling's landwirthschaflliche Zeitung, Bd. 38 Heft 15 vom 1. August 1889 8. 548, folgende Vortheile gewähren: 1) Fällt das lästige, zeitraubende und verlustgebende Lösen und Läutern weg und es ist die Verwendung des Fruchtzuckers eine sehr bequeme, indem ll Fruchtzuekersyrup lk Fruchtzucker von 100 Procent enthält, somit 1l einem Kilo geläuterten, reinsten Zucker gleichzuachten ist; da jedoch der Fruchtzucker eine sehr starke versüſsende Wirkung übt, so hat die Erfahrung einen sparsameren Verbrauch des Fruchtzuckers ergeben. 2) Versüſst man Früchte mit derselben Zuckerart von mildem Geschmack, die sie bei der Reife natürlich enthalten, während Raffinade (Hutzucker) eine ganz andere Zuckerart ist. 3) Krystallisirt der Fruchtzucker nicht aus den damit versüſsten Producten aus, wie es bei Raffinade häufig der Fall unter Erzeugung ungleichmäſsiger Süſse, wie z.B. in körnig gewordenem Gelée. 4) Tritt das natürliche Aroma der Früchte, Speisen, Getränke u.s.w. beim Gebrauch des Fruchtzuckers weit mehr hervor als es bei Anwendung von Raffinade der Fall sein kann. 5) Indem man den flüssigen Fruchtzucker den einzumachenden Früchten hinzugefügt und allmählich und gleichmäſsig bei gelindem Feuer (besser noch im Wasserbade) erwärmt, wird die Form und Struktur der Früchte geschont und ein Weichwerden und Aufplatzen verhindert, wie es sehr leicht stattfindet beim Zusammenbringen heiſser Raffinadelösung mit kalten Früchten. In gut verschlossenen, sauberen Gefäſsen, vor Licht und Kälte geschützt, kann der Fruchtzucker unverändert bewahrt werden.