Titel: Das Schwefeln von elastischem Gummi mit besonderer Berücksichtigung des Gebrauchs von Chlorschwefel.
Autor: W. Meyer
Fundstelle: Band 275, Jahrgang 1890, S. 331
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Das Schwefeln von elastischem Gummi mit besonderer Berücksichtigung des Gebrauchs von Chlorschwefel. Nach einer Mittheilung von Charles A. Fawsitt in The Journal of the Society of Chemical Industry, 1889 Bd. 8 S. 368. Das Schwefeln von elastischem Gummi. Fawsitt führt einige Beispiele an, wo geschwefelte Gummiwaaren bei einem Alter von 20 Jahren noch ebenso elastisch und haltbar waren, als ob sie eben angefertigt wären, so daſs man wohl annehmen kann, daſs die Klagen über geringe Haltbarkeit von Gummiwaaren durch schlechte Fabrikation hervorgerufen sind. Für gewöhnlich wird das Schwefeln des Gummi mit Schwefelblumen oder aber mit Schwefelantimon vorgenommen, welche beide Operationen nur bei gröſserer Hitze vorgenommen werden können, nachdem eben die Gummimasse flüssig geworden ist; dagegen ist die Behandlung des Gummi mit Chlorschwefel nicht sehr beliebt unter den Fabrikanten, obgleich dieselbe in der Kälte vorgenommen wird. Diese Methode wird hauptsächlich angewendet, um wasserdichte Stoffe zu bereiten, da dieselben nach den anderen Verfahren nicht leicht zu erhalten sind. Das Verfahren ist hierbei folgendes: Der Gummi wird mit Naphta weich gemacht und in einer Maschine zu einer teigigen Masse zerknetet. Dieselbe wird in einer dünnen Lage auf den Stoff ausgebreitet, die lösende Naphta durch Hitze verjagt und der so mit Gummi überzogene Stoff zwischen zwei sich drehende Rollen durchgezogen, deren eine in eine Lösung von Chlorschwefel in Schwefelkohlenstoff oder irgend einem anderen Lösungsmittel eintaucht und so die Oberfläche beim Durchgehen zwischen den Rollen mit dem Lösungsmittel in Berührung bringt. Der Stoff wird dann erwärmt, um den Schwefelkohlenstoff auszutreiben und die Einwirkung zwischen dem Chlorschwefel und dem Gummi zu beenden, welche darin besteht, daſs im Gummi an Stelle von Wasserstoff Schwefel eintritt, während gleichzeitig Salzsäure gebildet wird. Um die vollständige Zersetzung des Chlorschwefels hervorzurufen und gleichzeitig die gebildete Salzsäure zu entfernen, folgt dann gewöhnlich noch ein Bad in Ammoniak. Da der Chlorschwefel sehr schnell einwirkt, ist groſse Sorgfalt nöthig. Vor Allem muſs man, um gute Resultate zu erzielen, sich von der guten Beschaffenheit der gebrauchten Chemikalien überzeugen. Der beste Chlorschwefel ist der, dessen Zusammensetzung ungefähr der Formel S2Cl2 entspricht; derselbe kann in viel stärkerer Lösung angewendet werden, als ein Chlorschwefel von der Formel SCl2, und wirkt nicht so heftig auf den Gummi ein. Daneben enthält er mehr Schwefel, der doch der wirksame Bestandtheil ist. Der angewendete Schwefelkohlenstoff darf keinen freien Schwefel enthalten; ebenso wenig fettige oder theerige Substanzen, da dieselben aus der fertigen Waare nicht mehr zu entfernen sind. Sodann machte Fawsitt Versuche, um festzustellen, in welchen Mengen der Schwefel bei diesem Verfahren aufgenommen wird, welche Stärke der Lösungen man anwenden, welche besondere Behandlung man einhalten muſs und wie die auf verschiedene Art erhaltenen Proben sich unter einander und im Vergleiche zu den anders dargestellten Proben verhielten. Alle Proben wurden längere Zeit bei – 10° C. aufbewahrt und nachgesehen, ob sie brüchig geworden, dann geprüft, ob sie starke Dehnung aushalten konnten. Die Lösungen des Chlorschwefels in Schwefelkohlenstoff wurden angewendet in den Stärken von 1 : 60, 1 : 30 und 1 : 15. Zuerst wurden Versuche mit dünnen Bogen aus Gummi angestellt, deren Dicke Nr. 1 = 0,4, Nr. 2 = 0,65 und Nr. 3 = 1,1mm war. Es nahmen die Bogen verschiedener Dicke bei sonst gleichen Verhältnissen Schwefel auf in dem Verhältnisse von 2,9 : 1,8 : 1, so daſs der dünnste Gummi den meisten Schwefel aufnahm. Bei derselben Dicke des Gummi und derselben Stärke der Lösung wurden in 30, 15 und 5 Secunden Schwefelmengen in dem Verhältnisse von 2,1 : 1,4 : 1 aufgenommen; bei sonst gleichen Verhältnissen und Anwendung verschieden starker Lösungen blieb Schwefel in dem Gummi in dem Verhältnisse von 3,9 : 1,7 : 1, wobei die stärkste Lösung am meisten wirkte. Wenn der Gummi zuerst mit Schwefelkohlenstoff weich gemacht war, wurde gewöhnlich mehr Schwefel aufgenommen, nur bei gleichzeitiger Anwendung der starken Lösungen und des starken Gummi war keine Mehraufnahme zu bemerken. Durch die Behandlung mit Schwefelkohlenstoff, nachdem das Schwefeln beendet ist, entfernt man den Schwefel von der Oberfläche und zwar werden je nach der Behandlung mit den Lösungen von 1 : 60, 1 : 30 und 1 : 15 bei zweimaligem Eintauchen in Schwefelkohlenstoff 28, 36 und 38 Proc., bei einmaligem Eintauchen 22, 23 und 28 Proc. Schwefel ausgezogen; wenn das Eintauchen jedoch etwa 1 Minute dauerte, wurden 60 Proc. Schwefel ausgezogen und der erhaltene Gummi wurde bei kaltem Wetter hart und unelastisch. Ebenso wird der Schwefel dem Gummi entzogen, wenn derselbe nach dem Schwefeln zuerst getrocknet wird, allerdings erst bei Einwirkung des Schwefelkohlenstoffs durch etwas längere Zeit, so werden in 1 Minute nur 19 Proc. und erst in 5 Minuten 65 Proc. Schwefel extrahirt. Auch hier zeigte es sich, daſs der so entschwefelte Gummi geringere Qualität besaſs; zwar war er noch elastisch, aber zerriſs sehr leicht. Gut geschwefelter Gummi enthält zwischen 0,7 bis 3,0 Proc. Schwefel. Dieselben Versuche machte Fawsitt ebenso mit Gummifaden von 2,3 × 1,8mm, dessen Stärke mit einer Federwage bestimmt wurde. Hierbei wurde ein gutes Product erhalten, wenn die Chlorschwefellösung 1 : 60 stark und die Dauer der Einwirkung 1 bis 2 Minuten lang war, ebenso bei der Lösung von 1 : 30, wenn die Dauer der Einwirkung ½ Minute betrug; während eine stärkere Lösung zu heftig auf den Faden wirkte. Wurde der Faden vorher der Einwirkung von Schwefelkohlenstoff ausgesetzt, so muſste bei der schwächeren Lösung die Vorbehandlung 2 Minuten, das eigentliche Schwefeln 1 Minute, bei der stärkeren jedoch die Vorbehandlung nur ½ Minute, das Schwefeln sogar nur ¼ Minute dauern, damit ein gutes Product erzielt werden konnte. Mit der stärksten Lösung konnte nur ein gutes Product erhalten werden, wenn bei einer Vorbehandlung von ½ Minute und der Dauer des Schwefelns von ¼ Minute der Faden dann in Schwefelkohlenstoff 3 Secunden lang hineingehalten wurde. Guter Faden enthielt 0,68 bis 1,9 Proc. Schwefel. Aus diesen Versuchen geht also hervor, daſs die Stärke der Chlorschwefellösung keine constante sein kann, sondern daſs sie sich nach der Stärke des Gummi, der Dauer der Einwirkung und der eventuellen Vor- oder Nachbehandlung mit Schwefelkohlenstoff zu richten hat. Die Vortheile der besprochenen Methode sollen die folgenden sein: 1) Die Kosten des Verfahrens sind halb so groſs als bei den anderen Methoden, da sowohl die Apparate billiger sind als auch eine gröſsere Quantität Gummi ohne Unterbrechung geschwefelt werden kann. 2) Es tritt kein Ausschlagen des Schwefels ein, selbst wenn 9 Proc. Schwefel im Gummi enthalten sind. 3) Da das Verfahren bei gewöhnlicher Temperatur stattfindet, leiden die zu behandelnden Stoffe nicht, während bei den anderen Methoden bei einer Hitze von mindestens 105 bis 121° C, die nöthig ist, die Stoffe leiden können. 4) Der mit Chlorschwefel behandelte Gummi ist haltbarer und bleibt elastischer, da in demselben auſser Schwefel keine fremden Bestandtheile enthalten sind. 5) Der Gummi hat ein besseres Aussehen und namentlich ist er durchscheinend, so daſs er besonders zum Wasserdichtmachen von Kleidungsstücken geeignet erscheint. Die Fehler, welche diesem Verfahren vorgeworfen werden, sind: 1) Es kann kein Gummi auf diese Art geschwefelt werden, der dicker als 3mm ist. 2) Oft haben die so behandelten Waaren einen unangenehmen Geruch; nach Fawsitt's Ansicht ist derselbe aber nur eine Folge von schlechtem Materiale, da bei Anwendung von guter Naphta zum Erreichen des Gummi, bei gutem Schwefelkohlenstoff und gutem Auswaschen der Salzsäure ein unangenehmer Geruch nicht mehr auftritt, wenn die Waaren einige Tage der Luft ausgesetzt gewesen sind. 3) Die Waaren sollen weniger haltbar sein; nach Fawsitt's Ansicht ist dieses aber nicht richtig, da geringe Haltbarkeit nur eine Folge von unzweckmäſsiger Behandlung ist. Fawsitt ist vielmehr im Besitze von Waarenmustern, welche bereits 8 Jahre alt sind, ohne daſs dieselben auch nur im Mindesten etwas von ihren guten Eigenschaften eingebüſst hätten. 4) Der beim Verfahren nothwendige Schwefelkohlenstoff ist der Gesundheit der Arbeiter nachtheilig. Der Schwefelkohlenstoff kann durch kein anderes Mittel ersetzt werden, da jedes andere Lösungsmittel, das sonst, wenn auch weniger vortheilhaft, angewendet werden könnte, auf Chlorschwefel einwirkt, so daſs die damit behandelten Stoffe nachdunkeln und einen äuſserst unangenehmen Geruch bekommen. Unangenehme Wirkungen des Schwefelkohlenstoffes können aber umgangen werden, wenn man für genügende Ventilation der Arbeitsräume sorgt und die Apparate so einrichtet, daſs der Schwefelkohlenstoff nicht in die Arbeitsräume hineingebracht, sondern schon vorher durch Erhitzen vollständig aus den Stoffen entfernt wird. Zum Schlusse führt Fawsitt noch ein anderes Verfahren, das Abbott patentirt ist, an. Es werden keine Lösungsmittel hierbei verwendet, sondern der Chlorschwefel wird verdampft und nur die Dämpfe desselben gelangen an die Gummimasse, um dieselbe zu schwefeln. Nach dem Schwefeln ist dann nur noch eine Behandlung mit Ammoniakdämpfen nöthig. Dieses Verfahren wäre sehr vortheilhaft, da keine Lösungsmittel gebraucht werden, und ein unreiner Chlorschwefel verwendet werden kann; aber es wird der Gummi nur bis zu einer bestimmten Dicke geschwefelt, so daſs nur bei Gummilagen bis zu einer Stärke von 0mm,25 eine gute Waare erzielt werden kann, diese hat aber auch noch nicht das gute Aussehen wie Gummiwaaren, welche mit flüssigem Chlorschwefel behandelt wurden. W. Meyer.