Titel: Elektrische Anlage in den Schaumwein-Kellereien von Chandon und Cie. in Epernay.
Fundstelle: Band 277, Jahrgang 1890, S. 76
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Elektrische Anlage in den Schaumwein-Kellereien von Chandon und Cie. in Epernay. Elektrische Anlage in den Kellereien von Chandon und Cie. Die Weinberge der Champagne umfassen ungefähr 14300ha, der jährliche Ertrag 2 bis 500000hl, die gesammte Versendung in Frankreich und ins Ausland schwankt um 160000hl, die in 20000000 Flaschen (3000000 für Frankreich und 17000000 fürs Ausland) gefüllt sind. Um aber dem Weine die nöthige Klarheit, das feine Bouquet und vor Allem die völlig gleichmäſsige Güte zu geben, muſs er 5 Jahre in den Kellern bleiben. Trotz der stetig wachsenden Ausdehnung der Hauptkellereien hatte man sich seither auf die Handarbeit beschränkt und in allen unterirdischen Räumen war die Kerzenbeleuchtung beibehalten worden, weil die Temperatur möglichst niedrig erhalten werden muſs. Seit Kurzem hat aber das Groſshaus Chandon und Cie., Nachfolger von Moët et Chandon, eines der ältesten in der Champagne, zur Anwendung der Elektricität gegriffen. Die Anlage ist vom Haus Breguet unter Mitwirkung von H. Portovin ausgeführt und von letzterem im Génie civil, 1890 Bd. 16 * S. 417, ausführlich beschrieben worden unter Vorausschickung einer Erörterung über die mit dem Schaumweine vorzunehmenden Arbeiten. Dieser Beschreibung sind die nachfolgenden Angaben entnommen. Die meisten Arbeiten müssen bei einer unveränderlichen und möglichst niedrigen Temperatur vollzogen werden, weil jede Temperatursteigerung die Spannung der Kohlensäure im Wein merklich steigert und durch das Zersprengen der Flaschen zu empfindlichen Verlusten führt. In den unterirdischen Kellern muſs das ganze Jahr hindurch während der ganzen Dauer der Arbeitsstunden eine gute künstliche Beleuchtung unterhalten werden, und dies ist günstig für die Anwendung elektrischer Beleuchtung, da sich Verzinsung der Anlagekosten und die Abschreibung für dieselben auf eine groſse Zahl Arbeitsstunden vertheilen. Indessen würden die Gröſse der zu erleuchtenden Räume, die Beschaffung einer groſsen Lichtmenge bald da, bald dort, die Ausrüstung einzelner Arbeiter auf ihrem Arbeitsgange durch die Keller mit einer Lichtquelle, welche eine scharfe Prüfung des Weines ermöglicht, einen unverhältniſsmäſsig groſsen Aufwand für die Anlage erfordert haben, wenn man überall da, wo sie etwa gebraucht werden können, hätte feste Lampen anbringen wollen. Man gab daher der Beleuchtung volle Beweglichkeit, indem man nackte Drähte zog, an denen die Lampen mittels besonderer, beweglicher Träger zur Entnahme des Stromes befestigt werden können, mit denen sie durch biegsame Schnuren verbunden sind; dabei erzielte man ein Gleichgewicht in den Stromkreisen, indem man dieselben rostartig anordnete und so bei jeder beliebigen Vertheilung der Lampen den Verlust an Spannung unveränderlich machte. So in den Kellern und einigen Theilen der oberirdischen Weingewölbe. In den anderen Räumen, Schreibzimmern, Arbeitsräumen, Vorrathsräumen ward die sonst gewöhnliche Anordnung beibehalten. Für die Anwendung der elektrischen Kraftübertragung bieten die mit dem Weine vorzunehmenden Arbeiten viel Gelegenheit; es sind zahlreiche Fortschaffungen nach oben zu vollziehen, mittels Hebewerken; es wird viel Wasser gebraucht, das man mit Pumpen heben muſs, zum Theil zur Trockenhaltung der von Ueberschwemmung bedrohten Keller; die Flaschenspülmaschinen sind in Gang zu setzen, die Fässer zur Bereitung des Liqueur in Umdrehung zu versetzen, und eine Anzahl von neuen Maschinen sollen noch eingeführt werden, um gewisse feine und theuere Handarbeiten durch sie ausführen zu lassen. Elektrisch lassen sich diese Maschinen von einer Stelle aus in Gang setzen, während bis jetzt selten möglich war, die an weit von einander auszuführenden Arbeiten mechanisch zu verrichten. Die elektrische Beleuchtung bei Chandon und Cie. Die Keller dieses über ein Jahrhundert alten Geschäftes bilden Gänge von fast 15km Länge und liegen in zwei Stockwerken unter vier verschiedenen, durch Straſsen getrennten Grundstücken, welche mit den Vorrathsräumen, den Schreibzimmern und den Wohnungen der Geschäftstheilhaber bedeckt sind. Alle Keller beider Stockwerke sind den ganzen Tag durch tragbare Lampen, gewöhnlich von 16 Kerzen, erhellt, welche man den Arbeitsbedürfnissen entsprechend auf den an der Wölbung hingeführten nackten Drähten befestigt. Nur die groſsen Gänge für die allgemeine Bewegung werden mittels fester Lampen von 16 oder 32 Kerzen beleuchtet, die in Spiegeln von geeigneter Form angebracht sind. Auch in den im Erdgeschosse liegenden Gewölben laufen nackte Drähte für bewegliche Lampen; einige derselben, die Verpackung, das Gewölbe der Pressen, der Maschinensaal, sowie die Gänge erhielten Bogenlampen von ungefähr 70 Carcel. Die Schreibzimmer, die Werkstätten für die Instandhaltung und die Pferdeställe werden von Lampen von 16 und 32 Kerzen erleuchtet, welche auf den früher für die Gasbeleuchtung benutzten Vorrichtungen angebracht sind. Die Wohnungen der Geschäftstheilhaber haben zum Theil schon elektrische Beleuchtung und diese Anlagen müssen vervollständigt werden. Die bewegende Kraft liefern 3 Dampfmaschinen der gewöhnlichen Art des Hauses Breguet; jede treibt 2 Dynamo, von denen die eine für die Glühlampen, die andere für die Bogenlampen oder die Kraftübertragung bestimmt ist. Die Dampfmaschinen sind zweistiefelig, laufen mit 350 Umdrehungen in der Minute und können bei 6k anfänglichem Druck eine gröſste Leistung von 60 liefern. Sie haben freien Dampfauslaſs, aber sämmtliche Auslässe vereinigen sich in einem Sammler, welcher vor dem Austritt über Dach durch einen Speisewasserwärmer geht. Sie wie auch die Dynamo ruhen auf asphaltirtem Mauerwerke, damit die Erzitterungen nicht in die Gewölbe der Keller übertreten, weil diese der Gährung des Weines sehr schädlich sein würden. Jeder der 3 Dampfkessel Babcock und Wilcox kann 1100k Dampf liefern; für gewöhnlich reichen 2 für die 3 Maschinen aus. Sie haben versenkte Robin-Roste, denen die Luft durch einen Ser-Ventilator zugeführt wird; man kann daher ein sehr billiges Gemisch aus fetter Kohle und Koksstaub brennen. Das Wasser in Epernay ist kalkig und muſs deshalb vor dem Einführen in den Kessel (mittels Worthington-Pumpe und 2 Giffard als Aushilfe) gereinigt werden; dies geschieht durch einen stehenden Gaillet-Reiniger. Eine Rollbrücke im Maschinensaale ermöglicht das Vornehmen aller Arbeiten an den Dampfmaschinen und Dynamo. Von den 6 Dynamo dienen 3 fürs Glühlicht und haben 250 Ampère, 100 bis 115 Volt; sie sind Nebenschluſsmaschinen, weil die Spannung veränderlich sein muſs, da für die entfernteren Oertlichkeiten der Anlage nicht so theuere Leiter verwendet worden sind, um den Spannungsverlust, wie bei den um die Centrale liegenden, auf 2 Volt herabzudrücken, vielmehr in diesen Stromkreisen 12 Volt Verlust zugelassen ist und dieselben von der einen oder der anderen Dynamo gespeist werden, deren Spannung mittels des Rheostaten entsprechend regulirt wird. Die Anlage gestattet, daſs jede beliebige Dynamo jeden beliebigen Stromkreis speisen kann. Diese Dynamo sind Breguet'sche, mit Pacinotti-Gramme-Ring. Von den drei anderen (Manchester-) Dynamo mit gemischter Wickelung dienen zwei mit 55 Ampère und 250 Volt für die Kraftübertragung, die dritte mit 200 Ampère und 70 Volt für die Bogenbeleuchtung. Die getriebenen Dynamo für die Kraftübertragung sind Raffard'sche mit Pacinotti-Gramme-Ring; diese als Besonderheit von Breguet gebaute Maschinenart besitzt flache Elektromagnete und zweitheilige Gestelle, damit man den Ring leicht herausnehmen kann. Ein in den Erregerstromkreis eingeschalteter Rheostat gestattet, die Geschwindigkeit zu reguliren. Speicherzellen. Da die Schreibzimmer und namentlich die Wohnungen mit einer geringeren Zahl von Lampen über die Arbeitsstunden hinaus zu beleuchten sein könnte, so wurde eine Batterie von Speicherzellen aufgestellt. Anfänglich sollte sie einfach als Hilfsapparat dienen und war aus 57 Zellen von 20k zusammengestellt. Später erkannte man es für nöthig, eine kräftigere Batterie zu nehmen, um nicht die Maschinen über die Arbeitszeit hinaus laufen lassen zu müssen, und hat zu jener noch 2 Batterien aus Zellen von 20k, in Parallelschaltung zu jener, hinzugefügt und 2 Batterien aus je 57 Zellen zu 60k. Biese Zellen werden über Tags von einer der Dynamo geladen, bei 130 Volt, und entladen sich Abends bei 102 bis 112 Volt, je nach den zu speisenden Stromkreisen. Behufs regelmäſsiger Abnutzung ist dafür gesorgt, daſs die ersten und letzten Zellen jeder Batterie vertauscht werden können. Die Stromkreise werden am Ausgange von den Umschaltern aus isolirten Kabeln gebildet. In den Kellern werden Silicium-Kupfer-Drähte von Glocken, oder häufiger von Rollen aus Porzellan getragen, die ihrerseits auf Eisenbügeln befestigt sind. Die positiven und negativen Drähte kreuzen sich sämmtlich rostartig in den verschiedenen Kellerabtheilungen, so daſs das ganze Kupfer einer Gruppe zur Speisung eines beliebigen Punktes des Ganzen mitwirkt und die Lampen bei gegebenem Kupferaufwande mit möglichst geringem Spannungsverlust so gruppirt werden können, wie es die Arbeit erfordert. Die beiden Stromkreise für 112 Volt zur Speisung des (4 Dynamo enthaltenden, für Aufzug, Pumpen, Spülmaschinen und Drehung der Fässer zur Lösung des Kandis) Raumes für die Kraftübertragung und der Wohnungen können unter einander verbunden werden, daſs sie bei jeder Leistung der einzelnen den Spannungsverlust ausgleichen, wenn sie von derselben Dynamo gespeist werden, und daſs auch das Kupfer des Raumes für Kraftübertragung zur Speisung der Wohnungen benutzt werden kann, wenn diese von den Speicherzellen gespeist werden und die Maschinen still stehen. Auch in den meisten anderen Kellereien der Champagne werden jetzt ähnliche Anlagen ausgeführt.