Titel: Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
Fundstelle: Band 278, Jahrgang 1890, S. 69
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Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. (Fortsetzung des Berichtes Bd. 277 S. 588.) Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen. Die Fischerei-Ausstellung. Die deutsche Seefischerei war bis zum Jahre 1866 in Folge der politischen und wirthschaftlichen, zersplitterten Verhältnisse und des geringen Interesses der Nation für die Seegewerbe in ihrer Entwickelung gegenüber anderen Küstenstaaten erheblich zurückgeblieben. Auch die von Hamburg und den friesischen Inseln geübte Fischerei und Seefahrt hatte keinen langen Bestand, so daſs namentlich der das englische und holländische Gewerbe weit übersteigende Hamburger Wallfischfang in den nordischen Meeren fast völlig zurückging. Ebenso wurde der Fang und die Zufuhr des wichtigsten Seefisches, des Herings, mehr und mehr Sache der Holländer und später der durch die Annäherung der groſsen sommerlichen Fischzüge an ihre Küsten begünstigten Schotten. Auch die seitens der preuſsischen Regierung im vorigen Jahrhundert geförderten Versuche, Emden zu einem groſsartigen Ausgangspunkte der Heringsgroſsfischerei in der Nordsee zu machen, scheiterten an der überlegenen Concurrenz der Holländer. Der Fang der übrigen als Nahrungsmittel in Frage kommenden Seefische in der Nähe der Küste war an der langgestreckten Ostseeküste im Wesentlichen ergiebiger als in der Nordsee, wo hauptsächlich nur auf Schellfisch Küstenfischerei seitens der Norderneyer und im Mündungsgebiete der deutschen Ströme getrieben wurde. Die Hochseetischerei wurde in der Nordsee ausschlieſslich von Finkenwärder und Blankeneser Ewern gehandhabt. Der Verbrauch des Frischfischfanges blieb, so weit der Fisch sich nicht zum Räuchern und Pökeln eignete, auf die Küstengebiete beschränkt, weil es keine Möglichkeit gab, den frischen Fisch unverdorben auf den binnenländischen Markt zu schaffen. Der Landversand frischer Fische auf Eis und in besonders eingerichteten Wagen der Eisenbahnen wurde erst in letzter Zeit auch durch Einführung der Fischdampfer möglich, so daſs erst in allerletzter Zeit der Frischfischfang als Groſsgewerbe zu betreiben ermöglicht ist. Die deutsche Nordseefischerei konnte anfänglich nur langsam von den gebotenen Vortheilen Gebrauch machen, da Betriebskapital nicht sofort in erwünschtem Umfange zur Verfügung stand, die ersten groſseren Fischereiunternehmungen in Bremen und Hamburg durch allerlei widrige Umstände zu Grunde gegangen waren, und das Publikum des deutschen Binnenlandes erst allmählich Geschmack an frischem Seefisch gewann. Das Hauptabsatzfeld, die volkreichen Städte, liegt in Deutschland zum Theil weit ab von der Küste, die Zufuhr wurde dadurch erschwert und vertheuert, die Bildung groſser Fischmärkte zurückgehalten. Lange schon waren in Deutschland die für das deutsche Volkswohl strebenden Kreise sich bewuſst, daſs unsere Seefischerei, als ein für die Volksernährung wichtiges, für die Küstenbevölkerung lohnendes und auch für die maritime Wehrhaftigkeit bedeutsames Gewerbe, wieder gehoben werden müsse. Im J. 1870 begann unter dem Protectorate des deutschen Kronprinzen der Deutsche Fischereiverein seine vielseitig fruchtbringende Thätigkeit, die sich zwischen der Pflege der Süſswasser- und der Seefischerei theilte. Im Frühjahre 1872 veranstaltete derselbe in der neuen Markthalle am Schiffbauerdamm in Berlin die erste „Ausstellung von Geräthschaften und Producten der See- und Binnenfischerei“. Ihr folgte im J. 1880 die groſsartige internationale Fischerei-Ausstellung zu Berlin. Durch die Bildung der „Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der Deutschen Meere“ in Kiel im J. 1870 wurde unserer Seefischerei ein wichtiges und, wie die reiche Wirksamkeit der Commission beweist, fruchtbringendes Förderungsmittel geboten. In der Erkenntniſs, daſs für die Pflege unserer Seefischerei ein eigenes Organ geschaffen werden müsse, wurde im März 1885 unter dem Vorsitze des Regierungsrathes Herwig die Section für Küsten- und Hochseefischerei gegründet. In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat dieselbe, dank der Unterstützung der Reichsregierung, welche die Summe von 100000 M. zur Förderung der Hochseefischerei in den Reichsetat, zuerst für 1886/87, aufnahm, nach den verschiedensten Seiten unsere Seefischerei wesentlich gefördert, sie ist der Mittelpunkt für alle Bestrebungen in dieser Richtung geworden. Groſse Unternehmungen, wie die so dringende Anlage von Fischerhäfen an unserer Nordseeküste, wurden von ihr angeregt oder gefördert. Die Bildung von Kassen zur Versicherung von Fischerfahrzeugen und ferner zur Unterstützung der Hinterbliebenen von Fischern, die Verbesserung von Fahrzeugen und Geräthen, das Studium der fremden Fischereien zur Förderung der eigenen, die Gründung einer Fischerschule u. dgl. waren das Werk der Section. Besonders galt es, durch Untersuchungsreisen neue Fang- und Laichplätze des Seeherings aufzufinden, da das Uebergewicht der schottischen Heringsfischerei wesentlich sich darauf gründet, daſs die Heringszüge des Sommers in der Nähe der Küsten erscheinen. Jetzt führt Deutschland jährlich gesalzene Heringe fremden Fanges im Werthe von 30 Millionen Mark ein, welcher Summe gegenüber der Werth des eigenen Fanges im Betrage von 300000 M. gar nicht recht in Betracht kommt. Nach dieser Richtung hin ist also noch wesentlich Wandel zu schaffen und bedarf es in erster Linie der erwähnten Auffindung neuer Fangplätze. Der Reichthum der Nordsee an Fischen, namentlich an Kabeljau, Schellfisch, Dorsch, Zunge, welche in der Ostsee überhaupt nicht vorkommen, ist vorzugsweise an den groſsen Bänken in weiterer Entfernung von der Küste zu suchen; die zur Fischerei verwendeten Fahrzeuge sind daher gedeckte Seeschiffe, bemannt mit einer gröſseren Zahl von Leuten, ausgerüstet und verproviantirt für eine längere Dauer, die Dampf- und Segelkutter für den Frischfischfang, die Logger für die Heringsfischerei in der hohen Nordsee. Die Küstenfischerei ist auf die Fischzäune (Argen oder Garden), in deren korbartiges Ende die von der Küste abströmende Fluth die Fische hineinführt, auf den Schellfischfang mit Leine und Angel im Herbst, Winter und Frühling, auf den mit verschiedenen Geräthen betriebenen Garneelenfang und auf die in den Strommündungen stattfindende, zu Zeiten, besonders in der Elbe, in hohem Maſse lohnende Fischerei mit mannigfaltigen Geräthen, namentlich den Hamen, beschränkt. Die Fischerbevölkerung findet sich vorzugsweise auf den friesischen Inseln, den Fischerdörfern Finkenwärder und Blankenese und an der schleswig-holsteinischen Westküste. Der verhältniſsmäſsig geringere Fischreichthum der Ostsee bietet sich dagegen vorzugsweise in der Nähe der Küsten und deren Buchten und Haffen, die zahlreiche Fischerbevölkerung findet sich dort längs der ganzen weitgestreckten Küste; der Betrieb erfolgt meist in offenen Böten mit mannigfaltigen leichten Geräthen so nahe dem Lande, daſs letzteres leicht wieder erreicht werden kann. Für die Hochseefischerei der Nordsee sind die auf dem Grunde des Meeres von einem Fahrzeuge geschleppten Geräthe: Kurre und Baumschleppnetz, zum Frischfischfang, das Treibnetz für den Heringsfang, die Leinen mit Angeln für den Schellfisch- und Kabeljaufang, die wichtigsten. In dem Küstenbetriebe der Ostsee spielen die Waaden – Geräthe, welche die Fische umspannen und die nach einer festen Stelle, Strand oder Boot, herangezogen werden –, sowie die Reusen eine Hauptrolle. – Die Fischerei-Ausstellung – wie sie uns hier in Bremen gegenübertritt – kann nicht mit den früheren Veranstaltungen dieser Art, namentlich nicht mit der groſsartigen Berliner Fischerei-Ausstellung in Vergleich gezogen werden. Jedoch gewährt diese Abtheilung trotz ihrer Kleinheit den erfreulichen Beweis eines unzweideutigen Fortschrittes der deutschen Groſsfischerei. Die Heringsfischerei wird mit dem sogen. Netzfleeth betrieben. 70 Netze zusammengefügt bilden die Netzfleeth (im Werthe von 10000 M.). Jedes der Netze hat eine Länge von 720 Maschen und eine Höhe von 260 bis 290 Maschen, welche auf 16 Faden Länge und 8 Faden Höhe eingefaſst sind. Jedes Netz ist mit der oberen Seite an einem 15 Faden langen zolldicken sogen. Sperrreep mittels 120 Bändsel so befestigt, daſs die Netze noch etwa 6 Zoll vom Sperrreep entfernt sind. Die 70 Sperrreepe, an denen die Netze hängen, sind mit sogen. Flotten oder Schwimmern versehen und unter einander verbunden. Die Sperrreepe hängen wieder durch die Zeisinge von je 4½ Faden Länge an dem Fleethreep, einem armdicken Tau von 1200 Faden Länge und 4800 Pfund Schwere. Dieses Fleethreep, das Rückgrat des ganzen mächtigen Netzapparates, hängt an 70 an der Oberfläche des Meeres treibenden Tonnen oder Bojen, den sogen. Braus, von denen einzelne durch eingesetzte kleine Flaggen leicht kenntlich sind. Die Gesammtzahl der Maschen, in denen sich der in Schwärmen schwimmende Hering mit seinen Kiemen fängt beziffert sich auf 15 Millionen in dieser Netzfläche. Ein solches Netzfleeth wird von sogen. Loggern aus bedient, von denen die Emdener Heringsfischerei-Actiengesellschaft ein Modell in 1/10 der Naturgröſse vorführt. Der Logger (lougre, eine französische Verbesserung) ist das moderne Fahrzeug für den Heringsfang in der hohen Nordsee, es hat die früheren schwerfälligeren Schiffsformen der alten holländischen Nordseefischer, die Buisen und Hoeker, derart verdrängt, daſs z.B. in der holländischen Heringsfischerflotte im J. 1888 neben 186 Loggern nur noch 8 Fahrzeuge der älteren Form auf den Fang ausgingen. Die Emdener Gesellschaft hat gegenwärtig 17 Logger in Betrieb. Es sind zweimastige Fahrzeuge von etwa 100 britischen R.-T. Tragfähigkeit. Vorn befindet sich das sogen. Kabelgatt zur Aufbewahrung für die Ankerreepe, weiter das Volkslogis und darauf verschiedene Abtheilungen zur Bergung der Heringstonnen. Hinter diesen folgt ein Fischraum zur ersten Aufnahme des aus dem Treibnetze herausgeschüttelten Herings, ferner eine Abtheilung für die Netze, sowie eine andere zur Bergung von Segeln, Tauwerk und anderem Inventar. Vor dem Achtersteven liegt eine kleine Kajüte für Schiffer und Steuermann. Alle Abtheilungen haben Luken. Zu jeder Seite des Fischraumes befindet sich eine mit der Verschanzung verbundene groſse offene Backe, „Krippe“ genannt. Auf der Rehling – in der Mitte dieser Krippen – ist an beiden Seiten des Schiffes je ein-mit Rollen versehenes Fallreep. Die Besatzung eines Loggers besteht aus dem Schiffer, dem Steuermann, 8 Matrosen, 3 Leichtmatrosen und 2 Jungen, zusammen 15 Mann. Ihre Functionen beim Fange, der ganz in holländischer Weise mit den gleichen Netzen betrieben wird, sind' gewissermaſsen auch durch historische Ueberlieferung, wie es scheint, für alle Zeiten festgesetzt. Da sind die „Spillläufer“, die „Wantsteher“, die „Wanteinnehmer“, die „Reepschieſser“ u.a.m. Jeder Logger – ohne Ausrüstung einen Werth von gegen 25 bis 30000 M. darstellend – kann 3 bis 4 Reisen machen. Der Verdienst der Fischer richtet sich, wenigstens zum Theil, als sogen. Part oder Antheil nach dem Ertrage der Fischerei, deren Werth natürlich wiederum von den Marktpreisen des Herings abhängig ist. Der groſse Massenfang der Heringe geschieht bekanntlich an den schottischen Küsten, namentlich der schottischen Ostküste, wo der Hering im Sommer erscheint und bei Hunderten von Millionen gefangen wird. Der Betrieb ist dort ein einfacherer und billigerer. Die Emdener Heringsfischereigesellschaft ist gewissermaſsen das Schmerzenskind unserer Fischerei; obwohl durch zinsfreie Darlehen der Regierung wie durch Bau- und Ausrüstungsprämien unterstützt, ist es ihr, zum Theil unter den Einwirkungen einer früheren Miſsverwaltung, noch nicht gelungen, auf einen grünen Zweig zu kommen. Der Fang mit 17 Loggern im letzten Betriebsjahre betrug 11127⅜t zu einem Werthe von 313178 M. Die holländische Loggerflotte besteht aus nicht weniger als 200 Stück. Die Häfen Schottlands schicken sogar in den Sommermonaten 15000 kleinere Fahrzeuge zum Heringsfange aus. Der Frischfischfang wird in der Nähe der Küste mit Angeln und auf der See mit dem sogen. Schleppnetz ausgeführt. Letzteres besteht aus einem durch eiserne Klammern, sogen. Klauen, vorn aus einander gehaltenes Sacknetz, das von dem Fahrzeuge aus auf dem Meeresgrunde geschleppt wird und in seine Oeffnung schöpft. Dieses Fischgeräth nennt der Fischer die Kurre. Dasselbe ist ein 19m langer, sich nach hinten verjüngender Sack aus Garnmaschen, der vorn an der Oeffnung bei den ihn aus einander haltenden Klauen an dem 10m langen und 16cm starken Kurrbaum hängt. Die etwa 40k schweren Kurren werden bei der Arbeit noch mit Gewichten beschwert. Zur Bedienung dieser Kurren werden sogen. Ewer benutzt. Die Kutterewer haben eine Kiellänge von etwa 17m, eine Breite über Deck von fast 6m und eine Tiefe von 2m,08. In der Mitte des Ewers befindet sich die Bunge oder Büne, eine Abtheilung, welche durch schräg in den Boden eingebohrte Löcher dem Seewasser zugänglich ist und worin die lebendig zu erhaltenden Fische aufbewahrt werden; daneben hat jetzt jeder Ewer Eisbehälter, die 1500 bis 3000 Pfund Eis fassen. Diese Ewer, bedient von 3 bis 4 Mann, fangen mit solcher Kurre verhältniſsmäſsig ebenso viel Fische, als die in neuerer Zeit von Geestemünde und Hamburg aus in Betrieb gesetzten Dampfer (gegenwärtig 22); sie bewahren ihren Fang auch sorgfältig in Eis, oder in der Bünn, einem abgeschlossenen Raume unter Deck, der, an der Auſsenseite durchlöchert, vom Seewasser durchströmt wird, lebend auf, allein die kostspieligen von 15 Mann bedienten groſsen Fischdampfer bringen doch allwöchentlich weit gröſsere Massen frischer Seefische, namentlich die verschiedenen Plattfischarten, Schellfische, Kabeljau u.a. zu Markt. Die Zahl der Ewer und Kutterewer, von denen auf der Ausstellung eine ganze Reihe von ausgezeichneten Modellen u.a. von Junge in Wewelsfleth zu sehen sind, hat sich in den letzten Jahren nicht vermehrt, während die Fischdampferflotte in ganz kurzer Zeit sich erheblich gemehrt hat und noch in diesem Jahre neue Dampfer hinzugekommen sind. Die innere Einrichtung dieser Dampfer, welche auf den Werften von Tecklenborg in Geestemünde und Wenke in Bremerhaven erbaut, zum Theil auch in England gekauft wurden, zeigt das Modell des bei Wenkein Bremerhaven erbauten Präsident Herwig. Den gesammten Fischereibetrieb an unseren Küsten und in der hohen Nordsee zeigen die sehr hübsch gearbeiteten Modelle, welche der Fischereiverein für den Kreis Norden ausgestellt hat: Wir sehen hier die Treibnetzfischerei auf Hering, die Schleppnetzfischerei und den Fang des Schellfisch und Kabeljau mit Leine und Angeln durch die bekannten von Norderney, Norddeich, Spiekeroog, Neu-Harlinger-Siel, Carolinen-Siel und benachbarten kleinen Küstenplätzen ausgehenden, von drei Mann bedienten Slupen. Die weitere Küstenfischerei an der Nordsee geschieht mit kleinen Kurren, ausgelegten Körben und sogen. Schiebenetzen auf Granat oder Garneelen, jene beliebten Seekrebse, welche, leicht dem Verderben ausgesetzt, in frischem Zustande nicht weithin verführt werden können, neuerdings jedoch durch eine Fabrik in der oldenburgischen Stadt Varel in Conservenbüchsen präparirt, weithin versandt werden. Die Garneelenfischerei, wie der mit den sogen. Argen oder Aggen betriebene Fischfang ist ein Kleinbetrieb, der verhältniſsmäſsig nur geringe Auslagen erfordert, daher recht eigentlich eine Beschäftigung der Unbemittelten. Die Agge oder Arge ist ein im Zickzacke längs und nahe der Küste aufgestellter Fischzaun aus Weidengeflecht, dessen äuſserste nach See zu gelegene Spitze in einem mit der Oeffnung dem Lande zugewendeten Korbe endigt. Die ablaufende Fluth führt die Fische längs dem Zaune hin und zuletzt in den Korb. Bei Ebbezeit naht der Fischer mit seinem Schlickschlitten und birgt den Fang durch Ausschütten des Inhaltes in mitgebrachte Behälter. Da auch die Aggenfischerei nur im Herbst, Winter und Frühjahr stattfindet, so wird dieses Geräth in jedem Sommer beseitigt und im Herbste erneuert. Zu den Geräthen der Küstenfischerei gehören auch die Hamen oder Küls (Modell von Romann in Leerort), wie wir sie im Dollart und der von den Tiden berührten Unterems, aber auch in unserer Weser, bei Elsfleth und Brake, sehen. Es sind das an eingerammten Pfählen befestigte groſse Sacknetze, in welche der Fluth- bezieh. Ebbestrom die Fische hineinführt und welche rechtzeitig von einem Boot aus entleert werden. Bei der eben erwähnten Küstenfischerei ist es unvermeidlich, daſs eine Menge kleiner untermaſsiger Fische aufgefangen werden und verloren gehen. Das Gleiche ist auch der Fall bei der Dampferfischerei mit dem Baumschleppnetz. Es ist das Verdienst der Section für Küsten-und Hochseefischerei, auf die Verwerthung dieses sogen. bisher achtlos fortgeworfenen Nebenfanges für Düngerzwecke der Landwirthschaft aufmerksam gemacht und die Verwirklichung solchen Fortschrittes eingeleitet zu haben. Unter die Küstenfischerei gehört auch der Störfang. Derselbe wird in dem unteren Laufe der zur Nordsee flieſsenden Ströme, also namentlich in der Unterems, der Unterweser und der Unterelbe, ferner in und vor den Mündungen der kleineren Gewässer der schleswig-holsteinischen Westküste (Eider und Stör) betrieben. Am lebhaftesten ist der Fang in der fischreichen Unterelbe. Sowohl von der Ems als von der Elbe sind die sämmtlichen Geräthe, als: Theil eines Störnetzes, Holzboje, Leuchtboje, Störhauer, Störtaue und Modelle des Betriebes in mehreren Gruppen von Romann zu Leerort, von Mohr zu Glückstadt und von Albers zu Neuendeich vertreten. Je nach der Oertlichkeit, wo das Netz Anwendung finden soll, haben die Störnetze eine gröſsere oder geringere Länge. In der Regel sind sie etwa 100 Faden lang. Das wie bei den Heringsnetzen mit Katechu getränkte Netz ist aus starkem Garn mit Maschen von 16 bis 18cm Weite und wird durch sogen. Pümpel (Bojen), welche mittels Leinen an dem oberen Rande des Netzes befestigt sind, im Wasser getragen, derart, daſs auf 200 Faden Netzlänge 100 Pümpel kommen. Diese ebenfalls ausgestellten Pümpel sind flaschenförmig aus leichtem Holze gefertigt und etwa 0m,5 lang. Sie sind schwarz oder schwarz und roth angestrichen. Das Netz wird von einem offenen Boote, das von 2 Mann besetzt wird, ausgebracht. Durch die eigene Schwere niederhängend, treibt es mit der Strömung; seine Lage ist für die Fischer durch eine am Ende des oberen Theiles des Netzes, dem sogen. Obersimm, befestigte Boje, auf welcher bei der Nachtfischerei eine Laterne angebracht wird, kenntlich. An der Bewegung der Pümpel gewahrt der Fischer, daſs sich ein den Strom heraufkommender Stör in das lose treibende Netz eingewickelt hat. Mit Hilfe des sogen. Störhauers wird dann vorsichtig das Netz und mit ihm der Stör aufgenommen. Später wird der Fisch mit Tauen am Boote befestigt. Das eine Tau zieht man durch Maul und Kiemen, das andere legt man um den Schwanz. Auch die Geräthe zur Bereitung des Caviars, Reiben und Siebe, sind von Mohr in Glückstadt ausgestellt. Wenn diese Fischerei oberhalb der Fluſsmündungen als gefahrlos bezeichnet werden kann, so ist sie es durchaus nicht immer drauſsen vor den Fluſsmündungen, z.B. auf dem Norderwatt vor der Elbmündung. Es ist dann erforderlich, daſs ein gedecktes Fahrzeug, ein Ewer, in der Nähe der vom Boote aus mit dem Netze fischenden Leute liegt. Bei plötzlich eintretendem schlechten Wetter vermag das Boot das Fahrzeug oft nicht mehr zu erreichen und geht verloren. Nach der preuſsischen Ministerialstatistik aus den Jahren 1883 und 1884 wird die Fischerei an der Unterems, hauptsächlich von Oldersum, von Leerort, Terborg, Critzum, Ditzum und Jemgum, an der Unterweser auf der Strecke von Lienen bis Groſsen-Siel und am preuſsischen Ufer von Rechtenfleth aus betrieben, doch werden hier die Störe auch in Hamen gefangen. Prof. Metzger gibt für 1884 die Zahl der Störnetze für die Elbe auf 256, für die Weser auf nur 18 an. In guten Jahren betrug der Störfang der Unterelbe und Elbmündungen wohl an 8000 Störe. Unter den zahlreich vertretenen Geräthen der Fischerei der Unterelbe, deren Fahrzeuge besonders die Altenwärder Ewer sind, ist noch das groſse Buttnetz hervorzuheben. Dasselbe ist unter anderen von C. Marquart, Fischer in Finkenwärder, mit Zubehör (Draggen oder Anker und Knüppel mit Tauen) ausgestellt. Es dient als Zug- wie als Treibnetz zum Fange von Butt, Schnäpel, Maifisch und anderen Fischen. Fahrzeuge der Elbfischerei sind in Altenwärder nach einem bei Kröger in Blankenese kürzlich erschienenen Verzeichniſs 55, in Finkenwärder 26, in Neuhof 10, in Krusenbusch 1, in Cranz 2, in Estebrügge 1. Daſs die Hochseefischerflotte der Untereiborte sich trotz des steigenden Verbrauchs von frischen Seefischen nicht gemehrt hat, liegt an der steigenden Concurrenz der Fischdampfer. Diese 1883 auf der groſsen Londoner Fischereiausstellung in Modellen vorgeführten Fahrzeuge wurden zuerst in Nordamerika bei der sogen. Menhadentischerei mit groſsem Erfolg verwendet. Von da aus fand deren Einführung in England und Frankreich statt, wo man bisher nur Fischtransportdampfer behufs Uebernahme des Fanges der Fischerflotte in See und schnelle Heranführung desselben zum Markte (London, Hüll, Grimsby) kannte. Im Frühjahr 1885 wurde für Rechnung der Fischhandelsfirma F. Busse in Geestemünde der erste deutsche Fischdampfer Sagitta auf der Werft von F. W. Wenke in Bremerhafen erbaut. Die Ausstellung zeigt uns Modelle dieses und dreier anderer auf dieser Werft erbauten Dampfer (Präsident Herwig, Sophie und Makrele). Gegenwärtig sind von Geestemünde, Bremerhaven, Hamburg, Altona und Cranz bereits 22 Fischdampfer in Betrieb. Die bei weitem gröſste Zahl fällt auf Geestemünde und Bremerhafen. Auch die Werft von Joh. C. Tecklenborg in Geestemünde hat eine Reihe dieser Fischdampfer erbaut. Dieselben haben eine Länge von etwa 30m, eine Breite von 7m und eine Tiefe von 4m. Der Schiffskörper ist aus Eisen hergestellt bis auf das Deck, welches aus Yellowpine besteht, über dem Maschinen- und Kesselraum jedoch auſserdem mit Eisen unterzogen ist. Vier wasserdichte eiserne Querschotte theilen den Schiffsraum in fünf Abtheilungen, deren jede durch eine Rohrleitung mit den Maschinenpumpen verbunden ist. Die hintere Abtheilung dient als Raum für Ballast, Kabelgat u.s.w., die zweite enthält die Kabinen für den Kapitän, den Steuermann und die Maschinisten. In der dritten Abtheilung sind Maschinen, Kessel und Kohlen untergebracht, ferner ein Behälter für Kesselspeisewasser; in der vierten Abtheilung befindet sich der Laderaum, sowie ein Verschlag für Netze, Segel, Leinen u.s.w. und in der vorderen endlich das Mannschaftslogis. Die Kosten der Herstellung eines Fischdampfers betragen 100000 bis 120000 M. Auf in der Regel achttägigen Reisen werden 8000 bis 12000 Pfund Fische angebracht. (Es liegt hier das Ergebniſs von zwei solcher Fischdampferreisen aus dem Monat Januar 1889 vor. Die eine Reise vom 16. bis 27. Januar lieferte 11834 Pfund, und die andere vom 22. bis 28. Januar 12298 Pfund.) Die Besatzung der Fischdampfer beträgt 13 bis 14 Mann, ihre Löhnung besteht theils in festen Gagen, theils im Antheil am Fange. Das Geräth dieser Dampferfischerei ist das englische Baumschleppnetz, eine groſse Kurre von bis 150 Fuſs Länge. Diese Netze werden von England bezogen. Noch seien bezüglich der Nordsee die vorzüglichen Modelle der Bauten für den neuen Schutz- und Liegehafen auf Norderney und in Norddeich, dem der Insel gegenüberliegenden Theile des Festlandes, erwähnt. Diese Bauten bilden ein zusammenhängendes Ganze, die Anlagen in Norderney sind fast vollendet, während das Werk in Norddeich im Sommer 1891 fertig gestellt werden soll. In Bezug auf Fischereihäfen waren wir bisher im Vergleich zu Dänemark, England und Holland ungünstig gestellt, es fehlte an solchen Anlagen, deren Ausführung allerdings bei der eigenthümlichen Beschaffenheit unserer Küsten groſse Schwierigkeiten bietet und erhebliche Kosten verursacht. Der Norderneyer Hafen soll bequeme Lösch- und Ladeplätze bieten und als ein sicherer Zufluchts- und Liegehafen bei stürmischem Wetter und im Winter dienen. Dazu ist die breite Hafenrinne geschaffen, welche für kleine Schifffahrt auch bei Niedrigwasser genügende Tiefe hat. Um diese Wassertiefe dauernd zu erhalten, schlieſst sich an die Hafenrinne ein etwa 1200m langes und 800m breites Spülbecken. Im Modell ist dasselbe wasserfrei dargestellt. Es füllt sich bei jeder Fluth bis zu einer bestimmten im Modell bezeichneten Linie mit Wasser, das durch die Hafenrinne zu und ab strömt und letztere mittels solcher Spülung-tief erhält. Auch die an sich nicht sehr bedeutende deutsche Austernzucht und die Austernfischerei ist auf der Ausstellung vertreten. Neben dem Austernschraper, einem schweren eisernen Scharrnetz, welches zum Austernfang dient, findet sich ein Modell eines Sylter Austernfischer-Fahrzeuges, wie solche im nordfriesischen Wattenmeer zur Befischung der dortigen fiskalischen Bänke benutzt werden. Diese Bänke, die durch Ueberfischung stark entvölkert waren, werden seit einigen Jahren völlig geschont und sollen erst im kommenden Jahre dem Fange wieder zugänglich gemacht werden. Aus den Austernbassins in Husum, woselbst seit einiger Zeit Austern gezüchtet werden, sind lebende zwei-, drei- und vierjährige Austern geschickt worden, welche in mit vieler Mühe hergerichteten Aquarien vorgeführt werden. Die Tysnaes Oesters Co. zu Bergen in Norwegen hat für die Ausstellung eine Anzahl von bildlichen Darstellungen, von getrockneten Austern verschiedenen Alters, von Brutsammlern u.s.w. zur Verfügung gestellt, welche insgesammt ein vollkommenes Bild der seit den Jahren 1880 und 1884 in den Zuchtteichen bei Espevig und Seloe unweit Bergen betriebenen Cultur geben. In diesen Teichen wird die Austernbrut auf ausgehängten Birkenreisern und leeren Muschelschalen gesammelt, auf denen man sie meist ein Jahr lang beläſst, um sie dann auf den Bänken des freien Wassers auszusetzen. Neben den Austern verdient die Muschelzucht Erwähnung, welche besonders an der schleswig-holsteinischen Ostküste fortgesetzt an Bedeutung gewinnt und speciell in Apenrade und Eilerbeck sich auf der Höhe befindet. Während man an den Nordseeküsten die Muscheln einfach vom Boden sammelt, ohne noch besonders auf die Lagerung der Thiere zu achten, oder bestimmte Zeiten, in denen die Thiere am besten genährt sind, für das Sammeln zu bevorzugen, weiſs man an der Ostsee diese Dinge zu beachten. Man setzt Bäume als Brutsammler ins Wasser, welche nach 3 bis 4 Jahren zur Frühjahrszeit, wo die Muscheln der Geschlechtsreife entgegengehen und im besten Ernährungszustande sind, gezogen werden. Die Muscheln sind nicht bloſs frisch gekocht oder gebacken, sondern auch als Marinade eine sehr beliebte, wohlschmeckende und auch nahrhafte Speise. (Fortsetzung folgt.)