Titel: Matrizen-Setzmaschine Linotype.
Autor: R. Knoke
Fundstelle: Band 281, Jahrgang 1891, S. 78
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Matrizen-Setzmaschine Linotype. Mit Abbildung. Matrizen-Setzmaschine Linotype. Das Problem, Lettern auf mechanischem Wege zu einem Schriftsatze zu vereinigen, ist seit dem letzten Berichte in D. p. J. 1889 274 * 459 seiner Lösung wieder ein gut Stück näher geführt und es nimmt die Einführung von Setzmaschinen in den Druckereien Nordamerikas und Englands von Jahr zu Jahr grösseren Umfang an. Besonders gilt das von den Vereinigten Staaten, die auch auf diesem Gebiete zufolge ihrer besonderen Verhältnisse und der technischen Begabung ihrer Bürger an der Spitze der technischen Entwickelung marschieren. In englischen Druckereien sind besonders die Setzmaschinen von Hatersley und von Thorne bevorzugt, welche letztere den Lesern dieses Journals 1882 243 * 387 und 1889 274 * 467 in Wort und Bild vorgeführt wurde, und für welche die ausführende Gesellschaft Bestellungen im Werthe von über Mk. 400000 haben soll. Einen noch grösseren Umfang hat indess die Einführung von Setzmaschinen, wie erwähnt, in Amerika angenommen, indem hier, speciell in New York und Chicago, die grössten Zeitungen in der Hauptsache mit Setzmaschinen arbeiten, so dass ein grosser Theil der Zeitungssetzer in New York schon überflüssig geworden ist bezieh. noch werden wird. Ferner hat sich daselbst eine „Gesellschaft für mechanischen Satz“ mit einem Grundkapital von 75000 Dollars (300000 Mk.) gebildet mit einem der bedeutendsten Buchdrucker, Thes. L. De Vinne, an der Spitze, welche die Einführung von Setzmaschinen im Grössen plant und die auch bereits nach längeren Versuchen 50 Maschinen nach dem System Mac Millans bestellt hat. Ueber diese Maschine ist in D. p. J. bereits 1889 274 * 460 berichtet worden. Textabbildung Bd. 281, S. 79Matrizen-Setzmaschine Linotype. Diese Gesellschaft beabsichtigt eine grossartige Setzerei zu begründen, in der ihre Mitglieder beliebig viel Satz hergestellt erhalten können, dessen Preis sich hierbei, wie man veranschlagt, auf höchstens 20 Cents für 1000 m stellen wird, während man jetzt 40 bis 45 Cents dafür zahlen muss. Man will übrigens für das Setzen keineswegs Mädchen, sondern Mitglieder des Setzer Vereins verwenden, falls dieselben nicht eine feindliche Stellung gegenüber den Maschinen einnehmen, und man berechnet, dass dieselben im Durchschnitt 4000 m in der Stunde bequem liefern können. Der Hauptgrund zur Errichtung einer solchen Maschinensetzerei sind die hohen in New York zu zahlenden Satzpreise, welche es den Druckern der benachbarten kleineren Städte ermöglichen, die meisten Verlegerarbeiten aus der Hauptstadt weg und zu sich zu ziehen. Diese Benachtheiligung soll nun in der genannten Weise gehoben werden und beabsichtigt de Vinne, der Drucker der bedeutendsten amerikanischen Monatsschrift, des Century Magazine, auch dieses in der neuen Maschinensetzerei herstellen zu lassen. In ähnlicher Weise haben sich andere Setzmaschinen einzuführen vermocht, so der Lagerman'sche Setz- und Ausschliessapparat (1889 274 * 463 und * 471), von welchem z.B. für Oesterreich-Ungarn bereits 45 Exemplare bestellt worden sind, und der Winder'sche Setz- bezieh. Ablegeapparat (1889 274 474), der Mk. 200 bezieh. Mk. 1000 kostet. Mit dem Setzapparat sollen sich in der Stunde 3000 m, d.h. soll sich Satz im Werthe von 3000 Gevierten setzen und ausschliessen lassen, während die Leistungsfähigkeit des Ablegeapparates auf 8000 bis 9000 Lettern in der Stunde angegeben wird. In noch höherem Grade wie diese Setzmaschinen hat indess die Mergenthaler'sche Matrizen-Setzmaschine Linotype, über welche in D. p. J. 1889 274 * 475 berichtet worden ist, das Interesse der Fachwelt erregt. Den Vertrieb dieser Maschine für England und das Festland bewirkte das Linotype-Syndicat, welches anfangs in seinen Bestrebungen zur Bildung einer Actiengesellschaft mit einem Kapital von 1000000 Pfd. Sterl. nicht viel Erfolg hatte, indem nur etwa 50000 Pfd. Sterl. gezeichnet wurden. Die geplante Gesellschaft ist indess später unter dem Namen The Linotype Co. Limited zu Stande gekommen und hat eine grosse Anzahl Maschinen in englischen Druckereien untergebracht. Neuerdings hat nun die Linotype-Maschine, deren Vertrieb in Amerika die National Typographie Company in Washington bewirkt, eine völlig neue Construction erhalten, derart, dass eigentlich nur der Arbeitsgang der Maschine derselbe geblieben ist. An die Stelle des Luftstromes, welcher die durch Tastendruck ausgelösten Matrizen die schiefe Ebene hinabblies, ist ein Führungsband getreten, die elektrischen Bewegungsmechanismen sind beseitigt worden, die Zuführungs- und Ablegeeinrichtung ist einfacher und verlässlicher geworden u.s.w. Ueberhaupt dürfte die Construction in ihrer Gesammtheit und in ihren Einzeltheilen, soweit sich das an der Hand der uns vorliegenden Zeichnungen beurtheilen lässt, als eine wesentlich vollkommenere, abgerundetere bezeichnet werden, und lässt sie zugleich erkennen, mit welcher Energie an der Verbesserung der Linotype-Maschine gearbeitet wird. Wir führen die neue Bauart, die übrigens auch in Deutschland unter Nr. 57318 vom 16. September 1890 an patentirt worden ist, in einer Gesammtansicht vor, und sei über den Arbeitsgang der Maschine Folgendes bemerkt: Indem der Bethätiger der Maschine zur Zusammenstellung einer Reihe nach und nach die Tasten D der auf einander folgenden Buchstaben drückt, werden die entsprechenden Matrizen aus dem Magazin B ausgelöst, von wo sie durch die Kanäle C auf den Riemen H fallen. Letzterer überliefert sie nach einander in aufrechter Stellung dem Setzkasten I, in welchen sie, eine nach der anderen, durch ein umlaufendes Bogendreieck eingeschoben werden. Von Zeit zu Zeit werden durch Bethätigen der betreffenden Tasten Spatiumstangen, bezüglich deren Gestalt 1889 274 * 476 zu vergleichen ist, aus dem Magazin K ausgelöst und in gleicher Weise wie die Matrizen in den Setzkasten I eingeschoben. Ist auf diese Weise das Setzen einer Zeile vollendet, so wird der Setzkasten gehoben, d.h. die Zeile wird zwischen zwei Arme L nach oben geschoben, welche sie sofort nach links durch die Führung M in den Schlitten N einschieben. Ist dies geschehen, so führt der Schlitten N sofort die Reihe nach abwärts vor die Form des Formrades O, welche ihrerseits ihre wagerechte Normalstellung annimmt. Sobald die Matrizenzeile diesen ihren Abwärtsgang vollendet hat, bewegt sich das Formrad heran und bringt seine Form vor die Zeile. Jetzt beginnt das Ausschliessen der letzteren in seinem ersten Theil, d.h. die Spatiumstangen werden eine nach der anderen gehoben, worauf das Schmelzgefäss sich gegen die Rückseite der Form legt und gleichzeitig die Matrizen fest gegen einander gepresst werden. Hierauf vollendet sich das Ausschliessen und Festlegen der Matrizenzeile und die Pumpe des Schmelzgefässes presst geschmolzenes Metall in die Form ein. Ist so der Guss erfolgt, so geht die Vorrichtung zum Ausschliessen nach abwärts, der Pumpenkolben hebt sich, das Schmelzgefäss geht von der Form zurück und diese von den Matrizen. Hierauf macht das Formrad O eine Drehung und bringt dadurch die Form vor einen Ausstösser, welcher die fertige Letternzeile zu einer Columne sammelt oder einzeln ausstösst. Gleichzeitig bewegt sich Arm T in seine untere Stellung nach der Bahn R. Während dieser Zeit hebt der Schlitten N die Reihe zur wagerechten Bahn R, ein Gleitstück schiebt die Matrizenzeile in diese Bahn und auf die Schiene t des Armes T. Dieser Arm schwingt nun nach aufwärts, wobei er die Matrizen zwischen den Spatiumstangen heraushebt, und bringt die Matrizen in die Höhe des Vertheilers A. Die Spatiumstangen bleiben somit in der Bahn R zurück und werden dann von einem Haken wieder nach rechts in ihren Behälter K übergeführt, die emporgehobenen Matrizen dagegen werden von einem vom Arm P bethätigten Schieber von der Schiene t des Armes T herunter in den Vertheiler A eingeschoben, während gleichzeitig das Formrad O wieder in seine Ausgangsstellung zurückgedreht wird, so dass die Gussform wieder die wagerechte Lage einnimmt. Der Matrizenvertheiler A besteht aus einem Paare Transportschrauben, welche die Matrizen auf einer keilförmigen, mit Längsrippen versehenen Schiene entlang führen. Diese Rippen stimmen mit Einschnitten der Matrizen überein und sind über den Kanälen des Magazins B theilweise weggeschnitten, so dass die Matrizen über ihren zugehörigen Kanälen nicht mehr gehalten werden und in diese hineinfallen, um in der beschriebenen Weise wieder von neuem verwendet zu werden. Das Zusammenstellen einer Matrizenzeile, das Abgiessen der vorher gesetzten und das Vertheilen der Matrizen bezieh. Spatien einer dritten gehen gleichzeitig vor sich. Der gesammte Mechanismus zum Setzen der Matrizen, sowie derjenige zum Vertheilen derselben in die Magazine werden, wie oben aus einander gesetzt wurde, beständig und unabhängig vom Mechanismus zum Abgiessen angetrieben, welch letzterer intermittirend wirkt. Der Zweck einer solchen Vorkehrung besteht darin, dass man Matrizenreihen, welche der im Guss befindlichen folgen, setzen und andere, welche der im Guss befindlichen vorausgehen, vertheilen kann, ohne in irgend einer Weise von der Wirkung der Giessvorrichtung abhängig zu sein. Ob diese neue Linotype-Maschine bereits auf den Markt gebracht ist, lässt sich aus unseren Quellen nicht ersehen, sicherlich dürfte sie aber zur Einführung sehr viel besser geeignet sein als die ältere Bauart, und wird wohl auch demnächst eine deutsche Gesellschaft zur Ausnutzung der Patentrechte gebildet werden. Ueber die ältere Bauart liegen, im Gegensatz zu früheren, sehr absprechenden Meinungen, zur Zeit ziemlich günstige Urtheile vor. Nach einer auf der Maschine gedruckten Nummer der Railway Press (William Burgess, London) führt die Papierzeitung aus, dass der Druck anerkennenswerth sauber aussieht und dass nur hier und da zwischen zwei Buchstaben ein feiner Spiess die Stelle erkennen lässt, wo Staub oder Schmutz das enge Anschliessen zweier Matrizen verhinderte und für das Eindringen flüssigen Metalles eine feine Oeffnung bot. Auch andere Fachblätter sprechen sich anerkennend aus, indem sie u.a. hervorheben, dass die Ausschliessung der Zeilen eine weit bessere sei, als sie heute von der Mehrzahl der Setzer hergestellt wird. Der schwerwiegendste Einwurf, welcher bisher gegen die Linotype erhoben wurde, bezog sich auf die Schwierigkeit der Correcturausführung. Bei dem kleinsten Buchstabenfehler muss die ganze Zeile verworfen, neu aus Matrizen zusammengefügt und gegossen werden. Nach unserer Quelle ist dieser Missstand nicht so arg, als er aussieht. Die Aneinanderreihung der Matrizen erfolgt vor den Augen des Claviersetzers, und da jede Matrize an der nach vorn gewendeten Seite den betreffenden Buchstaben ein zweites Mal zeigt, so kann der Setzer jederzeit prüfen, was er gesetzt hat, und Berichtigungen vor Beginn des Gusses vornehmen. Die Correcturen der Linotype fallen im Durchschnitt angeblich sauberer aus, als bei Handsatz. Es sind in dieser Hinsicht nach Paper and Press von Herrn William Rand (in Firma Rand, Mc Nally und Co.) in Chicago vergleichende Versuche betreffs des Zeitverlustes angestellt worden, bei denen für die Correctur einer Linotype-Zeitungsspalte angeblich nur ⅕ der in diesem Falle für Handsatz benöthigten Zeit gebraucht wurde, was allerdings wohl übertrieben sein dürfte. Bezüglich der Verwendung und der Leistungsfähigkeit der Linotype-Maschine, die in England nicht verkauft, sondern bei 200 Pfd. Sterl. Caution für 80 Pfd. Sterl. jährlich verliehen wird, sei bemerkt, dass ein Linotype-Setzer etwa 6000 m in der Stunde liefern kann wobei er nicht abzulegen braucht, da das die Maschine selbsthätig bewirkt. Demgegenüber setzt ein flinker Handsetzer in der Stunde etwa 1000 m, während ⅓ dieser Zeit zum Ablegen gebraucht wird. Nach einer Mittheilung des Arbeiterblattes Craftsman aus Louisville, Kentucky, werden die beiden dortigen Zeitungen Courier-Journal und Times im glatten Satz einschliesslich der Börsennachrichten auf Linotype-Maschinen hergestellt. Die betreffende Druckerei hat 30 solcher Maschinen; davon sind in der Regel 22, Sonnabends 27 Maschinen in Betrieb. 22 Maschinen lieferten in 7 Tagen 2902000 Gevierte Satz. Die Arbeiter an den Maschinen erhalten 20 Cents für 1000 m und verdienen täglich 3 bis 6 Dollars. Den Druckereibesitzern kostet das Tausend m Maschinensatz 26 Cents, so dass sie gegenüber dem Handsatz (35 bezieh. 40 Cents) ansehnliche Ersparniss erzielen. Ausser den genannten Tageszeitungen haben auch die Chicago News und das Providence Journal Linotype-Maschinen aufgestellt, von welchen Druckereien der Linotype-Gesellschaft am Ende vorigen Jahres Gutachten über die bisherigen Leistungen der Maschine ausgestellt worden sind. Der Oberfactor der New York Tribüne theilt mit, dass die in deren Druckerei aufgestellten Linotype-Maschinen in den letzten 12 Monaten etwa 274472000 m (Gevierte) geliefert haben und zwar zu einem Preise, der um etwa 80000 Dollars niedriger ist als der übliche Satzpreis. In dieser Ersparniss ist der Fortfall der Anschaffungskosten für neue Schrift noch nicht inbegriffen. Der Herausgeber des Louisville Courier Journal, Walter Haldeman, gibt die Leistung seiner Linotype-Maschinen in einem Jahre auf 184102800 m, die erzielte Ersparniss auf 35000 Dollars an, und der Verleger der Chicago News. schätzt seine Ersparniss auf über 50 Proc. Bemerkt sei noch, dass die Erfolge der Linotype-Maschine in Amerika bereits zu einer Nachbildung und starken Concurrenz geführt haben, und zwar ist es besonders die Rogers'sche Maschine (1889 274 * 461), welche nach dem Vorbilde der Linotype-Maschine umgebaut ist. Unter anderem kommen hier an Stelle der aus auf einander parallel verschiebbaren, mit Keilflächen versehenen Theilen bestehenden Mergenthaler'schen Spatiumstangen keilförmig verlaufende Spatiumscheiben zur Verwendung, die bei der Ausschliessung auf einander verdreht werden. Einfacher dürfte nur das der Rogers'schen Maschine eigenthümliche Ablegen der an Drähten hängenden gesetzten Matrizen sein, was durch Hochklappen des Oberrahmens erfolgt, so dass die Matrizen auf ihren Drähten wieder hinter ihre Sperrungen zurück gleiten. Im Uebrigen macht bei einem eingehenden Vergleiche beider Constructionen die neue Mergenthaler'sehe Linotype-Maschine auf den Schreiber dieses einen vollendeteren Eindruck als die Rogers'sche Maschine. Auf diese Maschine wird, sobald praktische Ergebnisse vorliegen, in D. p. J. zurückgekommen werden. Alle die genannten Daten beweisen, dass die Einführung von Setzmaschinen heute kein kühnes unwirthschaftliches Project mehr ist, sondern greifbare Gestalt angenommen hat. Die im letzten Berichte (1889 274 459) ausgesprochene Ansicht hat daher bald Bestätigung gefunden. Dass dabei diese Frage in Amerika und England einen rascheren Verlauf nimmt, ist eine natürliche Folge der dort herrschenden theueren Lebensverhältnisse, während in Deutschland ein derartig starkes Interesse des Ersatzes der Handarbeit durch mechanische Arbeit zur Zeit noch nicht vorliegt, wiewohl der Verlauf der Setzmaschinenfrage in den genannten Ländern natürlich nicht ohne Rückwirkung auf die deutschen Verhältnisse bleiben wird. Durch die Einführung von Setzmaschinen wird zunächst allerdings eine Anzahl Schriftsetzer beschäftigungslos und ist deren Widerstreben daher begreiflich. Diese Abneigung und Furcht dürfte indess unbegründet sein, denn die Geschichte der technischen Entwickelung lehrt, dass die Arbeitsgelegenheit durch vervollkommnetere Verfahren und Maschinen nicht vermindert wird, sondern nur andere Formen annimmt. Die Abneigung gegen die Setzmaschine wird daher schwinden und wird deren Einführung auch in unseren Druckereien in nicht zu ferner Zeit erfolgen. R. Knoke.