Titel: Untersuchungen über die Bildung der Farblacke.
Autor: Carl Otto Weber
Fundstelle: Band 283, Jahrgang 1892, S. 159
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Untersuchungen über die Bildung der Farblacke. Von Dr. Carl Otto Weber. Untersuchungen über die Bildung der Farblacke. Als Farblacke bezeichnet man eine Klasse von Pigmentfarben, die als wasserunlösliche Salze einer organischen Farbbase mit einer organischen oder anorganischen Säure oder Base aufzufassen sind. Diese Definition gilt für alle unzweifelhaften Lacke. Eine Anzahl organischer Farbstoffe, hauptsächlich die basischen Theerfarbstoffe sind jedoch im Stande, sich mit indifferenten organischen und mineralischen Substraten zu Pigmenten zu vereinigen, die auf den ersten Anblick sich von echten Lacken durchaus nicht unterscheiden lassen. Immer aber ist schon einfaches Waschen solcher Lacke mit Wasser im Stande, ersterem entweder allen oder doch die Hauptmenge des organischen Farbstoffes zu entziehen resp. die Farbe des Lackes mehr oder weniger vollständig zu zerstören, und in allen Fällen zeichnen sich solche nicht unter obige Definition fallenden Lacke durch so auffallende Unechtheit gegen Licht und Luft aus, dass dieselben mit wirklichen Lacken nichts gemein haben, als die äussere Erscheinung und den Namen. Die Bildung der Farblacke findet stets unter genau denselben Bedingungen statt, die für deren Fixirung auf der thierischen oder pflanzlichen Faser in der Färberei und Druckerei maassgebend sind, ja man kann geradezu die Färberei und Druckerei als specielle Fälle der Farblackbildung bezeichnen und in jedem Falle, wo die Application der Farbstoffe in jenen Industrien nach einer andern Methode stattfindet, als die Bildung des freien Farblackes, liegt der Grund lediglich in der durch die Natur der Grundlage, auf der der Lack befestigt wird, gebotenen Verschiedenheit der Darstellungsbedingungen. Aehnliches gilt von den praktischen Methoden der Lackfarbenfabrikation, da auch in diesem Falle die Arbeitsmethode nicht selten von der theoretischen Lackfällungsmethode abweicht, entweder in Folge der Natur der „Grundlage“ (Füllung) oder wenn es sich darum handelt, einen besonderen Farben ton zu erzielen oder aus praktischen Rücksichten mit Bezug auf die fernere Verwendung des fertigen Lackes. Solche Fälle sollen weiter unten eingehende Besprechung finden. Chemisch reine Lacke, das heisst solche Lacke, deren Bildung sich ihrer chemischen Zusammensetzung nach auf eine einfache Umsetzungsformel zurückführen lassen, werden verhältnissmässig sehr wenig dargestellt. Sie finden beschränkte Anwendung im Cattundruck, theilweise auch im Rouleauxdruck und in der Spielkartenfabrikation. Weitaus die Mehrheit der in enormen Quanten dargestellten Lacke enthalten 90 Proc. oder mehr Füllung. Diese einfach als Verdünnungs- oder gar wie so häufig geschieht, als Verfälschungsmittel zu bezeichnen, ist im höchsten Grade verkehrt. Im Gegentheil muss bemerkt werden, dass wo eine Grundlage verwendet wird, dieselbe unbedingt erforderlich ist, da von der Natur und Menge der verwendeten Grundlage die Nuance des Lackes abhängig ist und zwar nicht nur in Bezug auf Tiefe oder Helligkeit der Nuance, sondern auch in hervorragendem Maasse in Bezug auf den Charakter des Farbtones. Es ist dies nichts als das Analogon der in Bezug auf die Färberei der Textilfasern jedem geläufige Thatsache, dass ein und. derselbe Farbstoff in denselben Gewichtsverhältnissen auf Baumwolle, Wolle und Seide gefärbt in jedem Falle ein anderes Resultat in Bezug auf den Farbton aufweist. In der praktischen Lackfarbenfabrikation spielt daher die Natur und Menge der verwendeten Grundlage und die Methode der Vereinigung derselben mit dem Lacke eine mindestens ebenso grosse Rolle als die Methode der Fällung der Lacke an und für sich. Sämmtliche organischen Farbstoffe mit Ausnahme des Indigo und vielleicht der Indophenole lassen sich unter Berücksichtigung ihrer lackbildenden Eigenschaften in zwei Gruppen eintheilen, denen zwei principiell verschiedene Lackbildungsmethoden entsprechen: basische und saure Farbstoffe. Die eingangs gegebene Definition der Lacke als Salze als richtig zugegeben, ist diese Eintheilung geradezu selbstverständlich, da zur Bildung von Farblacken entweder eine Farbstoffbase oder eine Farbstoffsäure erforderlich ist. Dieser Umstand erklärt auch, warum Indigo weder an und für sich, noch im Cattundruck oder der Färberei der Lackbildung fähig ist, da demselben saure oder basische Eigenschaften völlig abgehen. a) Lackbildung aus basischen Farbstoffen. Als basische Farbstoffe bezeichnen wir Farbstoffe, die im Molekül eine oder mehrere salzbildende Amidogruppen (NH2) oder substituirte Amidogruppen (Nx'x',) enthalten. Natürlich vorkommende basische Farbstoffe sind nicht bekannt. Unter den künstlich dargestellten Theerfarbstoffen nehmen aber die basischen Farbstoffe eine hervorragende Stelle ein und zeichnen sich fast ausnahmslos durch ihre enorme Farbkraft und Lebhaftigkeit der Nuance aus. In Lichtechtheit stehen sie aber im Allgemeinen den sauren Farbstoffen sehr nach, so dass sie vielfach da, wo Lichtechtheit erste Bedingung ist, nicht zu verwenden sind. Die Lackbildung aus diesen Farbstoffen beruht auf der Bildung unlöslicher Salze aus denselben durch Zersetzung des wasserlöslichen Farbstoffsalzes mit geeigneten Säuren oder Salzen derselben. Als solches Fällungsmittel muss Tannin an erster Stelle genannt werden, obgleich dasselbe in der Fabrikation von Farblacken sehr wenig angewandt wird, während es fast ohne Rivalen in der Färberei und Cattundruckerei ist. Diese auffallende Thatsache lässt sich theilweise erklären durch die grosse Empfindlichkeit des Tannins und folglich auch der Tanninlacke gegen Eisen, das besonders in den für die Lacke verwendeten Grundlagen nicht leicht zu vermeiden ist. Andererseits bin ich aber zu dem Resultat gekommen, dass die Nichtverwendung des Tannins in der Fabrikation der Farblacke hauptsächlich dem crassen Empirismus zuzuschreiben ist, mit dem diese Fabrikation in den meisten Fällen ausgeübt wird. Die Principien der Lackfällung mit Tannin, die hierbei zu beobachtenden Verhältnisse und hauptsächlich die Natur der Tannin-Antimonlacke, die in der Färberei und Druckerei von so eminenter Wichtigkeit sind, wurden niemals unter specieller Berücksichtigung der Lackfarbenfabrikation untersucht. In Folge dessen werden gegenwärtig Lackfallungsverfahren benutzt, die frei sind von den Schwierigkeiten der Tanninfällung. Dies aber geschieht auf Kosten der Lichtechtheit der erzielten Lacke, da die Erfahrungen der Färberei und Druckerei keinen Zweifel bestehen lassen, dass die basischen Farbstoffe nur mit Tanninfixirung Producte von zufriedenstellender Lichtechtheit liefern. In Folge dieser Zustände ist die Verwendung der basischen Farbstoffe in der Lackfarbenfabrikation bei weitem nicht so gross, als man erwarten sollte in Anbetracht der grossen Zahl prachtvoller Producte, welche die Theerfarbenfabriken liefern. Wo der Lackfarbenfabrikant die Tanninfixirung anwendet, besteht die ganze Methode einfach darin, die Farbstofflösung zu der in Wasser aufgeschlämmten Grundlage zu fügen und darauf so viel Tanninlösung zuzufügen, bis eine auf Filtrirpapier getropfte Probe den Farbstoff nicht mehr ausbluten lässt. Die Fällung oder Fixirung gilt dann als vollkommen und der Lack wird auf die gewöhnliche Weise durch Auswaschen und so fort auf einen Lack in Teig oder Pulver verarbeitet. Dass diese Methode schliesslich fast völlig aufgegeben wurde, ist nicht zu verwundern, da eine schlechtere wohl kaum aufzufinden wäre. In erster Linie ist auf diese Weise nie eine vollständige Fällung zu erzielen, ausgenommen in dem Falle, dass der angewandte Farbstoff ein Acetat ist, ein Fall, der nur bei einer gewissen Sorte von Fuchsin zutrifft, da die basischen Farbstoffe sonst stets als Chlorhydrate, Sulfate, Chlorzinkdoppelsalze, Oxalate, selten Nitrate in den Handel gelangen. Wird ein solcher Farbstoff mit Tannin gefällt, so wird die mit dem Farbstoff verbundene Säure frei und löst den bereits gefällten Lack ganz oder theilweise wieder auf, was wesentlich von der Concentration des Reactionsgemisches abhängig ist. Essigsäure in solcher Concentration, wie sie unter praktischen Verhältnissen möglich ist, vermag den gefällten Tanninlack nicht zu lösen, basische Farbstoffe werden daher in der Form ihrer Acetate durch eine Lösung von Tannin vollständig gefällt. Wie bereits bemerkt, ist aber eine bestimmte Sorte von Fuchsin der einzige basische Farbstoff, der gegenwärtig als Acetat in geringen Mengen in den Handel kommt, alle krystallisirten Fuchsine sind Chlorhydrate. Die unvermeidliche Folge der unvollständigen Fällbarkeit der basischen Farbstoffe durch Tannin oder vielmehr der theilweisen Wiederauflösung des gefällten Tanninlackes ist ein sehr erheblicher Verlust an Farbstoff, und die erzielte Nuance ist ausserdem sehr trübe und unecht. Dieser Wirkung der bei der Fällung frei werdenden Säure lässt sich natürlich mit Leichtigkeit vorbeugen dadurch, dass man anstatt mit Tannin mit einer Lösung von gerbsaurem Natron fällt, oder dass die Fällung bei Gegenwart einer schwachen Base mit Tannin vorgenommen wird, oder dass man mit Tannin in Gegenwart eines Ueberschusses von Natriumacetat fällt. In sämmtlichen Fällen ist die Fällung stets eine absolut vollständige. Die Nuance der mit gerbsaurem Natron gefällten Lacke ist eine höchst unschöne. Auf die Ursache dieser ungünstigen Wirkung des Natriumtannats soll später zurückgekommen werden. Ebenso vollständig als mit Natriumtannat gelingt die Fällung der basischen Farbstoffe mit Tannin in Gegenwart schwacher Basen, am besten Thonerdehydrat; ähnlich wirken die Carbonate der alkalischen Erden, doch empfiehlt sich deren Anwendung für trockene Lacke nicht, da die Tanninlacke vieler basischer Farbstoffe besonders von Bariumcarbonat bei Temperaturen, wie sie beim Trocknen von Pigmentfarben unvermeidlich sind, Zersetzung erleiden. Unstreitig am besten bewährt sich die Fällung der basischen Farbstoffe durch Tannin in Gegenwart überschüssigen Natriumacetats. Die geringe Menge hierbei frei werdender Essigsäure ist von äusserst vortheilhaftem Einfluss auf die Schönheit der Nuance. Es ist dies in völliger Uebereinstimmung mit der Thatsache, dass die meisten der basischen Theerfarbstoffe egalere und klarere Färbungen geben, wenn in schwach saurem Bade ausgefärbt wird. Diese Fällung der basischen Farbstoffe beruht also wesentlich auf einer Umwandlung derselben in Tannate unter Ausscheidung der mit dem Farbstoff ursprünglich verbundenen Säure. Die nächstliegende Frage ist nun natürlich die nach den hierbei einzuhaltenden Gewichtsverhältnissen. Es erscheint von vornherein sehr wahrscheinlich, dass wir für jede salzbildende Amidogruppe oder substituirte Amidogruppe im Farbstoffmolekül ein Molekül der einbasischen Digallussäure (Tannin) brauchen. Das würde also heissen, dass für ein Molekül Rosanilin drei Moleküle Tannin erforderlich sind, da das Rosanilin unzweifelhaft eine dreisäurige Base ist. Andererseits wissen wir aber, dass die dreisäurigen Salze des Rosanilins farblos und ausserdem so unbeständig sind, dass sie schon durch Wasser Zersetzung erleiden in einsäurige oder zweibasische Salze, und dass in der That das Fuchsin des Handels nur ein Molekül Chlorwasserstoff für ein Molekül Rosanilin enthält. Die Annahme liegt nun nahe, dass wir bei der Tanninlackbildung einfach die im Molekül des wasserlöslichen Farbstoffes enthaltenen Säuremoleküle durch eine äquivalente Menge von Tanninmolekülen zu ersetzen haben. In diesem Falle würde ein Molekül Fuchsin ein Molekül Tannin erfordern, aber dieser Annahme entsprechend würde Bismarckbraun vier Moleküle Tannin erfordern oder beinahe das Dreifache seines Gewichtes; noch grösser aber wird die Schwierigkeit bei den Bittermandelölgrünen. Es entspricht das Chlorhydrat des Malachitgrünes der Formel Textabbildung Bd. 283, S. 160 und wir hätten daher für ein Molekül des Grünes ein Molekül Tannin nothwendig. Das Oxalat des Malachitgrünes ist aber Textabbildung Bd. 283, S. 160 würde also ein Molekül Farbbase zwei Moleküle Tannin erfordern. Diese Beispiele zeigen zur Genüge, dass es unmöglich ist, das für jeden einzelnen Farbstoff erforderliche Verhältniss von Farbstoff und Tannin auf theoretischem Wege zu bestimmen. Aber selbst wenn dies möglich wäre, so wäre doch damit nicht viel gewonnen, da die Farbstoffe des Handels mit sehr wenigen Ausnahmen nicht im Zustande der Reinheit in den Handel kommen, sondern in der Mehrzahl von Fällen mit erheblichen Quantitäten von Nichtfarbstoff (Dextrin, Zucker, Kochsalz, Glaubersalz, Soda) vermengt sind. Nur die krystallisirten Farben können im Allgemeinen für praktische Zwecke als rein angesehen werden. In den meisten Fällen würde es also erforderlich sein, erst den Reinheitsgrad der Farbstoffe analytisch zu ermitteln; eine höchst umständliche und zeitraubende Arbeit. Der Gedanke ist nun naheliegend, den Tanninbedarf der Farbstoffe analytisch zu bestimmen, durch titrimetrische Ermittelung der Menge Tannin, die zur vollständigen Fällung einer abgewogenen Menge Farbstoff nothwendig ist. Dies ist in der That das von den Fabrikanten benutzte Verfahren. Es wird einfach von Fall zu Fall festgestellt, wie viel Tannin erforderlich ist, um die mit der in Wasser suspendirten Grundlage vermischte Farbstofflösung vollständig zu fällen. Das auf diese Weise gefundene Verhältniss von Farbstoff und Tannin wird dann als für alle Fälle richtig betrachtet. Thatsächlich aber verdient diese unwissenschaftliche Methode strengste Verurtheilung und ist gewiss zum grossen Theil verantwortlich für den schlechten Ruf, dessen sich die Lacke aus basischen Theerfarbstoffen erfreuen. Dieselben enthalten selbst unter den besten Umständen nur einen Bruchtheil der zur vollständigen Fixirung des Farbstoffes erforderlichen Menge Tannin, der grösste Theil des Farbstoffes ist einfach mechanisch an den Lack und die in demselben enthaltene Grundlage gebunden und nicht im Stande dem zerstörenden Einflüsse des Lichtes und der Luft zu widerstehen. Es genügt, einen solchen Lack dem directen Sonnenlichte während weniger Stunden, auszusetzen um dessen Schönheit zum grossen Theile zu zerstören. Ich habe eingangs die wohlbekannte Thatsache erwähnt, dass indifferente organische oder anorganische Substanzen im Stande sind, erhebliche Quantitäten basischer Farbstoffe mechanisch, das heisst ohne chemische Hilfsmittel, wie der Ausdruck lautet durch „Flächenanziehung“ zu fixiren. Auf diese Art hergestellte Lacke, deren Grundlage zumeist Stärke, Thonerdehydrat oder Caolin ist, kommen häufig im Handel vor und wenn dieselben sich durch etwas auszeichnen, so ist es ihre geradezu phänomenale Unechtheit. In noch grösserem Maasse als die vorstehend genannten Grundlagen besitzen aber Tanninlacke die Fähigkeit, basische Farbstoffe mechanisch zu binden, so dass bei der auf obige Weise ausgeführten empirischen Methode der Lackfällung zunächst ein grösseres oder kleineres Quantum des Farbstoffes von der Grundlage mechanisch gebunden wird. Wird nun mit Tannin gefällt, so reisst der ausfallende Tanninlack eine grosse Menge Farbstoff mechanisch mit sich nieder, und wenn anscheinend vollständige Fällung erreicht ist, befindet sich die grösste Menge des verwendeten Farbstoffes in freiem Zustande in dem Lacke, welchem sich derselbe durch Auswaschen nur spurenweise entziehen lässt. Es ist aber bemerkenswerth, dass solche Lacke beim Auswaschen ihre Schönheit häufig völlig einbüssen, unter Annahme eines eigenthümlichen trüben Tones. Fuchsin-, Methylviolett- und Bittermandelölgrünlacke zeigen diese Erscheinung in höchst auffallendem Grade. Die Farbstoffmengen, welche von den für Lacke verwendeten Grundlagen mechanisch gebunden werden, hängen zunächst von der Natur der Grundlage selbst ab, besonders auch von dem Zustande der Vertheilung, in dem sich dieselbe befindet. Von ebenso grossein Einflüsse ist aber auch die Natur des verwendeten Farbstoffes und scheint es, dass der stärksten Base ein Minimum, der schwächsten Base ein Maximum mechanischer Bindung entspricht. Andererseits ist aber auch ein erheblicher Einfluss der mit der Farbbase verbundenen Säure unverkennbar und scheint für Farbstoffe mit derselben Farbbase der schwächeren Säure eine grössere Absorption zu entsprechen. Dies lässt sich kurz dahin ausdrücken, dass der Betrag der Fixirung von basischen Farbstoffen durch Flächenanziehung auf indifferenten Medien, im umgekehrten Verhältniss steht zur Stärke der Farbbase und der mit derselben verbundenen Säure. Diese Verhältnisse kommen auf deutliche Weise zum Ausdruck in der folgenden Tabelle. Die darin gegebenen Zahlen wurden auf die Weise gewonnen, dass je 2 g Thonerde in der Form von Thonerdehydrat in 500 cc Wasser suspendirt wurden und darauf aus einer Bürette halbprocentige Lösungen der Farbstoffe hinzugefügt wurden, bis ein Tropfen auf Filtrirpapier Spuren von der Thonerde abblutenden Farbstoffes erkennen liess. 100 Theile Al2O3 absorbiren: Farbstoff Theile Fabrikant Bismarckbraun G. 8,30 Hampson Bros., Manchester. Rosanilinacetat 7,13 Dan. Dawson Bros., Huddersfield. Methylviolett B extra 4,87 Bad. Anilin- und Sodafabrik. Brillantgrün crist. 3,85 Küchler und Buff, Crefeld. Fuchsin la crist. 3,53 Dan. Dawson Bros. Ld., Hudders-    field. Indazin M 1,96 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M. Methylenblau B conc. 1,62 Meister, Lucius und Brüning,    Höchst. Thioflavine T 1,43 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M. Malachitgrün crist. 1,21 Küchler und Buff, Crefeld. Safranin GGS 0,83 L. Cassella und Co., Frankfurt a. M. Diese merkwürdige Beziehung zwischen der Absorption der Farbstoffe und der Stärke der Farbbasen und der mit diesen verbundenen Säuren lassen diese ganze Erscheinung der Lackbildung durch „Flächenanziehung“ einfach als eine Dissociationserscheinung erkennen, die in ihren sämmtlichen Einzelheiten die grösste Analogie zeigt mit der Dissociation der als Mordants benutzten Antimon-, Zinn-, Eisenoxyd-, Chromoxyd- und Thonerdesalze. Wie in obiger Tabelle für die basischen Theerfarbstoffe gezeigt wurde, entspricht der schwächsten Base die stärkste Absorption, genau wie von obigen anorganischen Salzen das die schwächste Base enthaltende am dissociationsfähigsten ist. In genau derselben Weise, wie für die basischen Farbstoffe gezeigt wurde, steigt die Dissociationsfähigkeit der anorganischen Salze einer und derselben Base mit der schwächer werdenden Säure. Im Widerspruch mit dieser Auffassung der „Flächenanziehung“ als einer Dissociationserscheinung scheint die Thatsache zu stehen, dass die Farbbasen sehr vieler basischer Theerfarbstoffe farblos sind, während die durch Flächenanziehung gebildeten sogen. Lacke kräftige Färbung zeigen, was mit der Annahme freier Farbbase unverträglich ist. Dieser Widerspruch ist aber nur scheinbar; es ist im Gegentheil durchaus unwahrscheinlich, dass die Dissociation in einer quantitativen Trennung von Farbbase und Säure verläuft und gerade der Umstand, dass die Dissociationslacke noch farbige Producte sind, beweist, dass die Dissociation der basischen Farbstoffe in genau derselben Weise verläuft, wie die der anorganischen Salze, das heisst unter Bildung hochbasischer wasserunlöslicher Salze. Dass die basischen Theerfarbstoffe im Stande sind, basische Salze zu bilden, bedarf keines Beweises, ebenso ist es bekannt, dass diese basischen Salze entweder ganz unlöslich oder sehr schwer löslich in Wasser sind, sowie dass dieselben stets noch ziemlich kräftig gefärbt sind. Am leichtesten lassen sich diese Punkte am Malachitgrün beobachten, das in nicht zu verdünnter Lösung durch Glaubersalzlösung als stark basisches Salz gefällt wird, in Form eines dunkelgrünen harzigen Niederschlages, der in kohlensäurefreiem Wasser fast unlöslich ist. Dass bei dieser Bildung basischer Farbsalze der Farbenton eine erhebliche Schwächung zeigen muss, ist einleuchtend und in der That lässt sich leicht nachweisen, dass die durch Flächenanziehung entstandenen Lacke einen grossen Theil des Farbstoffes in farbloser Form enthalten, entsprechend dem Betrage der abgespaltenen Säure. Ein aus einem basischen Farbstoff auf Caolin hergestellter Dissociationslack zeigt stets eine Nuance, die von der des normalen Tanninlackes in auffallender Weise abweicht. Man wird im Allgemeinen finden, dass die rothen Dissociationslacke gelber, die violetten und blauen röther und die grünen blauer sind als die entsprechenden Tanninlacke. Fügt man zu einem solchen Dissociationslack Tannin oder irgend eine andere, am besten organische Säure, so wird die Nuance des Lackes sofort in ganz auffallendem Grade verstärkt, was in unumstösslicher Weise den Beweis erbringt, dass der durch Flächenanziehung gebildete Lack einen grossen Theil des Farbstoffes in unwirksamster Form, das heisst dissociirt enthält. Noch schlagender lässt sich dieser Beweis durch Auswaschen eines solchen Lackes mit kohlensäurefreiem Wasser erbringen. Höchst minimale Quantitäten von Farbstoff gehen hierbei in Lösung, während der Lack in den meisten Fällen fast völlig farblos wird. Suspendirt man nun den so anscheinend völlig von Farbstoff befreiten Lack in Wasser und fügt eine geringe Menge Tannin hinzu, so tritt sofort die volle Farbe des Lackes, fast in seiner ursprünglichen Stärke hervor. Nach diesem allem kann die Dissociation basischer Farbstoffe unter dem Einflüsse der Flächenanziehung als völlig erwiesen gelten. Dass in noch höherem Grade als die in der Fabrikation der Lackfarben benutzten indifferenten Grundlagen die Tanninlacke selbst basische Farbstoffe in dieser Weise zu binden vermögen, ist bereits erwähnt worden. In höchst auffallendem Grade beobachtete ich diese Erscheinung bei dem Versuche, den Tanninbedarf der basischen Farbstoffe durch Titration einer Lösung derselben in 10 procentiger NatriumacetatlösungIn wässeriger Lösung ist aus bereits angegebenen Gründen keine vollständige Fällung, ja mit manchen Farbstoffen überhaupt keine Fällung erreichbar. In letzterer Beziehung sind besonders Auramin, Rhodamin B und S bemerkenswerth. zu bestimmen. Das beobachtete Verfahren war folgendes: 1 g der weiter unten erwähnten und mit grösster Sorgfalt aus den Handelsproducten in chemischer Reinheit dargestellten Farbstoffe wurde in 200 cc Wasser gelöst. 5 cc (= 0,025 g) dieser Lösung wurden in einer Porzellanschale mit 100 cc einer 10 procentigen Lösung von Natriumacetat verdünnt und sodann mit einer 1 procentigen Tanninlösung bis zur vollständigen Fällung titrirt. Das heisst, bis ein Tropfen der titrirten Flüssigkeit auf Filterpapier keinen gelösten Farbstoff mehr erkennen liess. Farbstoff Molekular-gewicht Tanninberechnet Tanningef. Fuchsin   409,5   644 178 Methylviolett   393,5    510 138 MalachitgrünOxalat, Doppelmolekül der Farbbfl. 926 1324 456 Methylenblau   319,5   520 198 Auramin   321,5   480 209 Chrysoidin   248,5   322 194 Es zeigt sich hier, dass in manchen Fällen für ein Molekül der Farbbase noch nicht ein halbes Molekül Tannin erforderlich ist. Da nun aus theoretischen Gründen das Molekül eines basischen Farbstoffes mindestens ein Molekül Tannin erfordert, so geht aus obigen Ziffern hervor, dass obgleich durchschnittlich nur die Hälfte des Farbstoffes als Tanninlack gefällt sein konnte, doch vollständige Fallung des sämmtlichen Farbstoffes stattgefunden hatte, indem der Tanninlack fast ebenso viel Farbstoff als er selbst enthält zur Dissociation brachte und so mit niederriss. Mit anderen Worten heisst das, dass ein mit so viel Tannin gefällter Farbstoff, als zur Ueberführung desselben in den unlöslichen Zustand nöthig ist, hierbei durchaus nicht als reiner Lack erhalten wird, sondern im Gegentheil ein Gemenge von Tanninlack und mehr oder weniger säurefreier Farbbase in wechselnden Verhältnissen darstellt. Es zeigt dies auf das schlagendste, wie verwerflich die empirische Fällung der basischen Farbstoffe mit Tannin ist, da dabei einmal durch Dissociation unter dem Einfluss der Grundlage, andererseits durch Dissociation unter dem Einfluss des ausfallenden Lackes grosse Mengen des Farbstoffes sich der Fixirung gänzlich entziehen und in einer Form in dem Lack enthalten sind, in welcher sie dem zerstörenden Einflüsse des Lichtes und der Atmosphärilien den denkbar geringsten Widerstand zu leisten vermögen. Es ist nun klar, dass die ganzen im Vorstehenden dargelegten Schwierigkeiten und Mängel zunächst dem Umstände zuzuschreiben sind, dass dem Fabrikanten von Lackfarben, aber in gleichem Maasse dem Färber, es durchaus noch nicht in der erforderlichen Weise klar geworden ist, dass die Bildung der Farblacke, gleichgültig ob auf einem mineralischen Substrat oder auf der Textilfaser, ein chemischer Process ist, dessen Resultat wesentlich von der Einwirkung der reagirenden Agentien in Molekularverhältnissen auf einander abhängt. Wir haben den Lackbildungsvorgang aus basischen Farbstoffen als eine einfache Salzbildung erkannt, aus einer mindestens einatomigen Farbbase und Tannin einer einatomigen Säure, so dass also zur Lackfällung oder Ausfärbung von einem Molekül eines basischen Theerfarbstoffes mindestens ein Molekül Tannin erforderlich ist, während in vielen Fällen wenigstens die Möglichkeit vorhanden ist, dass ein Molekül des Farbstoffes, zwei, drei oder gar vier Moleküle Tannin erfordert. Diesen Punkt theoretisch zu entscheiden ist ganz unmöglich und wie oben gezeigt wurde, gibt die Titrirung einer Farbstofflösung mit Tannin durchaus irreführende Resultate, wofür die Gründe bereits angegeben wurden. Eine verlässliche Methode zur Bestimmung der thatsächlich erforderlichen Mengen von Tannin, welche die verschiedenen basischen Farbstoffe erfordern, ist daher von erheblicher Wichtigkeit. (Schluss folgt.)