Titel: Die Erfindungsthätigkeit im J. 1892.
Fundstelle: Band 287, Jahrgang 1893, S. 294
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Die Erfindungsthätigkeit im J. 1892. Die Erfindungsthätigkeit im J. 1892. Die vom kaiserlichen Patentamte soeben herausgegebene Statistik über den Geschäftsbetrieb im J. 1892 ist von besonderem Interesse, weil die veröffentlichten Ziffern den Einfluss der neuen Bestimmungen des am 1. October 1891 in Kraft getretenen Patentgesetzes, sowie des durch letzteres bedingten neuen Geschäftsganges zum Ausdruck bringen. Bekanntlich ist die Prüfungspraxis durch die neuen Bestimmungen des 1891er Gesetzes wesentlich milder geworden, namentlich durch Einführung der Vorbescheide, welche einen weitgehenden Meinungsaustausch zwischen den Prüfungsbeamten und den Erfindern veranlassen. Während früher eine Patentanmeldung ohne weiteres durch Verfügung der Prüfungsabtheilung abgewiesen wurde, wenn deren Gegenstand nicht für neu und patentfähig erachtet wurde, und der Patentsucher dann sofort auf den mit 20 M. Kosten verbundenen Beschwerdeweg angewiesen war, erhält der Anmelder nunmehr erst einen vorläufigen Bescheid mit Angabe der Vorgänge und Ursachen; welche der Patentirung seiner Erfindung nach Ansicht des prüfenden Beamten entgegenstehen; der Erfinder kann, ohne dass ihm Kosten erwachsen, gegen die Gründe des Prüfungsbeamten sich äussern und seine abweichende Meinung vertreten. Es ist üblich geworden, dass diese Vorerörterungen über die Patentfähigkeit sogar nicht mit einem, sondern erst nach wiederholtem Schriftwechsel ihren Abschluss finden. Dann erst gelangt die Anmeldung zur Entscheidung vor die Abtheilung, welcher somit ein wesentlich geklärteres Bild über den Sachbetreff vorliegen wird, so dass die nunmehr getroffene Entscheidung einen ungleich höheren Werthgrad haben wird, als es früher nach dem alten Verfahren möglich war. Der Abtheilung wird jetzt gewöhnlich derselbe Stoff vorliegen, der früher nur der Beschwerdeabtheilung zugänglich wurde. Der Erfinder hat ungleich mehr Aussicht, seine Anschauungen schon in der ersten Instanz zur Geltung zu bringen, als damals, ohne dass ihm die Beschwerde gegen eine ihm nicht zusagende Entscheidung der Anmeldeabtheilung und eine Verhandlung seiner Sache vor einem aus anderen Prüfungsbeamten zusammengesetzten Collegium verschlossen wäre. Namentlich sei noch erwähnt, dass auch eine mündliche Vertretung seiner Ansichten dem Erfinder jetzt möglich wird. Die neue milde Praxis des Patentamtes hat naturgemäss nach verschiedenen Richtungen sichtbaren Ausdruck gewonnen. Zunächst ist die Zahl der Journalnummern wesentlich gestiegen. Jede Anmeldung bedingt durch den vermehrten Schriftenwechsel eine wesentliche Erhöhung der Geschäftslast des Patentamtes. Die Klärung des Sachverhaltes hat die Zahl der Beschwerden, also die Verweisung vor die Beschwerdeabtheilungen, ganz wesentlich herabgedrückt, ebenso hat aber derselbe Umstand fördernd auf den Procentsatz der ertheilten Patente gewirkt. Leider geht aus den Ziffern der vorliegenden Statistik nicht hervor, wie viele Schriftsätze betreffs der Verhandlungen über die Patentirung von Erfindungen gewechselt worden sind, d.h. wie viele Schriftsätze bezieh. Verfügungen die Behandlung einer Anmeldung durchschnittlich verlangt. Unbedingt würde eine solche Angabe interessant sein, da sie den besten Beweis für die Milde des neuen Patentgesetzes bietet. Vielleicht wird künftig die Statistik nach dieser Richtung hin eine Vervollständigung erfahren. Ebenso ist eine Vervollständigung der Uebersicht über die Zahl der eingegangenen Beschwerden dahin erwünscht, dass auch die Zahl der anerkannten Beschwerden nach Patentklassen mitgetheilt würde. Aus der Gesammtangabe der behandelten Beschwerden geht hervor, dass die Beschwerdeabtheilung bei ⅔ aller vorgekommenen Beschwerden sich den Anschauungen der ersten Instanz anschloss, so dass aus dieser Ziffer auf die sorgfältige Vorprüfung geschlossen werden muss. Die Zahl der Anmeldungen stieg im J. 1892 auf 13120 von 12919 im Vorjahre. Hiervon wurden bekannt gemacht 6920 Anmeldungen gegen 5989 im Vorjahre. Nach der Bekanntmachung wurden 189 Anmeldungen noch zurückgewiesen gegen 199 im Vorjahre. Insgesammt wurden somit 5900 Patente ertheilt gegen 5550 im Vorjahre. Vernichtet wurden 11 Patente gegen 23 im Vorjahre. Abgelaufen oder wegen Nichtzahlung der Gebühren gelöscht wurden 4799 Patente (1891: 4435); es blieben somit am Jahresschlüsse 1892 in Kraft 15825 Patente gegen 14735 im Vorjahre. In Procentsätzen die Verhältnisse des Jahres 1892 zu 1891 zum Ausdruck gebracht, ergibt sich eine Vermehrung der Anmeldungen um 1,6 Proc., eine Vermehrung der bekannt gemachten Anmeldungen um 15,55 Proc. (!), eine Verringerung der Versagungen des Patentes nach stattgehabter Auslegung um 5,03 Proc. Am Jahresschlusse 1892 blieben 7,40 Proc. Patente mehr in Kraft als Ende 1891. Im Folgenden sei eine kurze Uebersicht über die Betheiligung der einzelnen grossen Industriegruppen an der Erfindungsthätigkeit gegeben. Die in Klammern gesetzten Zahlen bedeuten die entsprechende Ziffer im J. 1891. Bergbau und Hüttenwesen (Kl. 1, 5, 18, 40). Auf 203 (192) Anmeldungen fielen 143 (117) Ertheilungen. In der Zeit vom 1. Juli 1877 bis Ende 1892 fielen auf 1636 Ertheilungen 1204 Löschungen. Eisenindustrie (Kl. 7, 31, 48, 49, 67, 68, 69, 87). Auf 1100 (921) Anmeldungen fielen 464 (456) Ertheilungen. Von 1877 bis 1892 fielen auf 5236 Patente 3946 Löschungen. Kraftmaschinen und Zubehör (Kl. 13, 14, 46, 47, 60, 88). Auf 1226 (1181) Anmeldungen fielen 535 (648) Ertheilungen. Insgesammt fielen auf 6815 seit 1877 ertheilte Patente 5178 Löschungen. Bekleidungsindustrie (Kl. 3, 8, 25, 28, 29, 41, 52, 71, 76, 86). Auf 1128 (1067) Anmeldungen fielen 541 (408) Ertheilungen. Insgesammt seit 1877 fielen auf 6304 ertheilte Patente 4677 Löschungen. Nahrungsmittelindustrie (Kl. 2, 6, 50, 53, 64, 66, 89). Auf 1010 (972) Anmeldungen fielen 385 (433) Ertheilungen. Insgesammt fielen auf 5351 seit 1877 ertheilte Patente 4272 Löschungen. Verkehrswesen (Kl. 19, 20, 65, 74, 81). Auf 863 (847) Anmeldungen fielen 422 (381) Ertheilungen. Auf 4291 seit 1877 ertheilte Patente wurden 3273 Löschungen vermerkt. Chemische Industrie (Kl. 12, 16, 22, 23, 75, 78). Auf 890 (743) Anmeldungen fielen 340 (315) Ertheilungen. Auf 3116 seit 1877 ertheilte Patente fielen 1819 Löschungen. Uebersicht der im Nichtigkeitsverfahren behandelten Anträge. (Gehört auf S. 295). 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 Nichtigkeitsanträge 61 117 134 100 92 109 118 90 102 86 92 77 77 84 58 Vor der Entscheidung zur Er-  ledigung gekommene Anträge 32 46 57 18 10 30 30 26 24 29 35 32 27 25 15 Rechtskräftige Entscheidungen:   auf Vernichtung 3 17 21 23 25 29 11 25 19 27 25 12 14 17 10   auf Beschränkung 1 13 26 22 23 24 14 19 18 16 5 9 14 9 11   auf Abweisung 9 33 29 43 30 26 32 32 24 24 20 21 30 29 17 Beim Jahresschluss unerledigte  Anträge 16 23 24 18 22 31 45 39 46 36 43 43 36 41 30 Entscheidungen des Patentamtes 17 70 83 95 87 70 74 70 71 67 57 45 57 54 36 Entscheidungen des Reichsge-  richtes 2 4 23 23 13 16 11 23 13 17 13 13 22 18 21 Uebersicht der im Zurücknahmeverfahren behandelten Anträge. 1877 1878 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 Zurücknahmeanträge 1 1 5 11 13 11 9 11 8 6 9 8 4 Vor der Entscheidung zur Er-  ledigung gekommene Anträge 1 5 8 2 3 4 5 6 5 4 Rechtskräftige Entscheidungen:   auf Vernichtung 1 1 7 3 7 1 3 1 6   auf theilweise Zurücknahme 1   auf Abweisung 1 4 2 3 5 2 1 1 3 2 3 1 Beim Jahresschluss unerledigte  Anträge 3 2 5 7 7 8 5 5 5 3 Entscheidungen des Patentamtes 1 1 4 3 6 7 4 7 10 3 4 4 4 Entscheidungen des Reichsge-  richtes 1 2 1 1 6 3 1 Papierindustrie, vervielfältigende Kunst (Kl. 11, 15, 54, 55, 57, 70). Auf 688 (815) Anmeldungen fielen 311 (348) Ertheilungen. Auf 3928 seit 1877 ertheilte Patente fielen 2866 Löschungen. Landwirthschaft (Kl. 45). Auf 473 (484) Anmeldungen fielen 249 (142) Patente. Auf 2439 seit 1877 ertheilte Patente fielen 1932 Löschungen. Kurzwaaren und hauswirthschaftliche Geräthe (Kl. 33, 34, 44). Auf 1016 (1121) Anmeldungen fielen 387 (333) Patente. Auf 4099 seit 1877 ertheilte Patente fielen 3304 Löschungen. Beleuchtung (Kl. 4, 26). Auf 278 (314) Anmeldungen fielen 115 (144) Patente. Auf 2006 seit 1877 ertheilte Patente fielen 1629 Löschungen. Elektrotechnik (Kl. 21). Auf 563 (567) Anmeldungen fielen 209 (231) Patente. Auf 1235 seit 1877 ertheilte Patente fielen 1728 Löschungen. Holzindustrie (Kl. 38). Auf 177 (190) Anmeldungen fielen 103 (113) Ertheilungen. Auf 1051 seit 1877 ertheilte Patente fielen 767 Löschungen. Instrumente (Kl. 42). Auf 435 (300) Anmeldungen fielen 203 (221) Patente. Auf 2692 seit 1877 ertheilte Patente fielen 2175 Löschungen. Interessiren möchte noch, dass der beste Procentsatz der zu Recht bestehenden Patente, also die geringste (41,54 Proc.) Zahl der Löschungen für Kl. 22, Farbstoffe, besteht. Der schlechteste Procentsatz mit 89,10 Proc. Löschungen fällt auf Kl. 87, Werkzeuge. Von den im J. 1892 herausgegebenen Patenten wurden 2402 an Preussen (642 an Berliner), 505 an Sachsen, 291 an Bayern, 128 an Württemberger, überhaupt an Deutsche 3935 ertheilt. Grossbritannien und Irland waren vertreten mit 457 Patenten, Oesterreich Ungarn mit 327, Nordamerika mit 496 Patenten. Uebersicht der erloschenen Patente nach den Abstufungen der Jahresgebühr für die Zeit vom 1. Juli 1877 bis 31. December 1892. BetragderJahresgebührMark Die neben-bemerkte Gebührist fällig ge-worden fürPatente Wegen Nicht-zahlung dernebenbemerktenGebühr sinderloschenPatente* Von 100 der mit demnebenbemerktenBetrage gebühren-pflichtig gewor-den Patente sinderloschenPatente   30     66402**   4852   7,31   50 54915 13921 25,35 100 36712 14173 38,61 150 19982   6498 32,52 200 11969   3111 25,99 250   7975   1777 22,28 300   5589   1113 19,91 350   3966     684 17,25 400   2847     437 15,35 450   2070     304 14,69 500   1476     206 13,96 550   1063     137 12,89 600     739     117 15,83 650     491       65 13,24 700     316       77 23,73 Hieher gehören die auf nebenstehender Seite befindlichen Tabellen.   * Die mit dem Hauptpatente erloschenen Zusatzpatente sind in den nachstehenden Ziffern nicht enthalten. ** Einschliesslich 5806 Zusatzpatente. Gebrauchsmusteranmeldungen gelangten vom 1. Januar bis 31. December 1892 insgesammt 9066 an das Patentamt. Davon sind vor der Eintragung 140 zurückgezogen. An den Anmeldungen sind betheiligt: Königreich Preussen mit 4397 Anmeldungen    (davon Berlin mit 1438) Königreich Sachsen mit 1580 Königreich Bayern mit 850 Grossherzogthum Baden mit 378 Königreich Württemberg mit 363 Freie und Hansestadt Hamburg mit 215 Die übrigen deutschen Bundesstaaten mit 677 Das Ausland im Ganzen mit 606 –––––––––– zusammen 9066 Anmeldungen Ueber den Umfang der Geschäfte des Patentamtes werden folgende Zahlen mitgetheilt. Die Gesammtzahl der Journalnummern im J. 1892 betrug 131954. Davon betrafen 99250 Nachträge, Zwischencorrespondenzen und durch den Geschäftsgang bedingte Vorlagen, 8072 Dienstgesuche und innere Angelegenheiten, 57 Anträge auf Vernichtung und Zurücknahme von Patenten, 1233 Beschwerden, 1150 Einsprüche. Die Einnahmen stiegen von 2363933 M. in 1891 auf 2585357 M. in 1892. Darunter fallen 260760 M. auf Patentanmeldegebühren, 23140 M. auf Beschwerdegebühren und 2147820 M. auf die Patentsteuer, auf die Gebrauchsmustergebühren 133910 M. Den Einnahmen stehen 1190957 M. Ausgaben (1891: 976872 M.) gegenüber. Davon fallen 200915 M. auf die Herstellung der Veröffentlichungen des Amtes, Patentschriften und Patentblatt. Im J. 1891 sind bei dem kaiserlichen Patentamte 2337 Beschwerden eingegangen. Hiervon gehen 19 ab, welche wegen Nichtzahlung der im Gesetz vorgeschriebenen Gebühr als nicht erhoben gelten. Es gelangten zur geschäftlichen Behandlung 2318 Beschwerden, von welchen zur Zeit noch 63 im Geschäftsgänge sind. Von den verbleibenden 2255 Beschwerden wurden 1915 vor Bekanntmachung der Anmeldung und 340 nach Bekanntmachung der Anmeldung erhoben.