Titel: Zur Technologie des Glases.
Fundstelle: Band 289, Jahrgang 1893, S. 254
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Zur Technologie des Glases. (Vorhergehender Bericht 1890 278 311 und 370) Mit Abbildungen. Zur Technologie des Glases. Der vorliegende Bericht schliesst sich an den letzten über den gleichen Gegenstand im Bd. 278 dieses Journals an und behandelt hauptsächlich Untersuchungen und Neuerungen, welche in den Jahren 1891 und 1892 bekannt gegeben wurden. Besondere Aufmerksamkeit wurde in den letzten Jahren dem Studium der physikalischen Eigenschaften des Glases, unter Berücksichtigung der chemischen Zusammensetzung geschenkt, und dem Bestreben, die Abhängigkeit der ersteren von letzterer zu erforschen, sind schon einige schöne Erfolge auf rein technischem Gebiete zu verdanken. Es ist hier das glastechnische Laboratorium zu Jena an erster Stelle zu nennen, das nicht nur anregend für derartige Untersuchungen gewirkt hat, sondern auch den Forschern in bereitwilligster Weise seine in vorzüglicher Qualität hergestellten Gläser zur Verfügung stellte. An der Spitze dieser Arbeiten möge eine Untersuchung über die specifische Wärme verschieden zusammengesetzter Gläser von Winkelmann Platz finden, die, erst kürzlich veröffentlicht, hauptsächlich theoretisches Interesse bietet. Die Zahlenangaben dieses Forschers ermöglichen es, aus der Analyse von Gläsern bestimmter Zusammensetzung die specifische Wärme derselben zu berechnen. Besondere Beachtung der technischen Kreise verdienen zwei Publicationen von O. Schott über die Temperaturen, bei welchen die Spannungen im Glase ausgelöst werden, und über die Ausdehnungscoëfficienten der Gläser. Beide Arbeiten sind von unmittelbarem Nutzen für die Technik geworden: erstere für die Thermometrie, indem sie ermöglichte, Quecksilberthermometer bis 500° C. und solche mit besonders geringer thermischer Nachwirkung zu construiren, letztere für die verschiedensten Zweige der Technik, indem sie zur Erfindung des Verbundglases, eines gegen Temperaturschwankungen, mechanische und chemische Einflüsse besonders widerstandsfähigen Glases, geführt hat, das für Wasserstandsröhren, für Apparate in chemischen Laboratorien u.a.m. Verwendung finden wird. Auch das Studium der Einwirkung von Wasser und anderen Flüssigkeiten auf die Glasoberfläche ist in den zwei letzten Jahren mit besonderem Eifer betrieben worden und die Arbeiten von Kohlrausch, R. Weber, Mylius, Förster u.a. geben ein klares Bild über die Widerstandsfähigkeit des Glases gegen den Eingriff chemischer Agentien. Eine Reihe von Mittheilungen aus der Praxis sollen nicht unerwähnt bleiben, die manchmal interessante Neuerungen berühren, häufig genug aber Bekanntes wiederholen. Auf dem Gebiete der Glasfärbungen ist als neuer Farbstoff für rothes Glas das Selen aufgetaucht und mit gutem Erfolge eingeführt worden. Fassen wir endlich die stattliche Zahl der Patente ins Auge, so fällt vor allem eine nicht unbedeutende Anzahl von Erfindungen neuer Maschinen zur Herstellung von Flaschen und Hohlglas auf; es ist abzuwarten, ob diese Neuerungen in der Praxis sich bewähren werden. Schliesslich sei noch der Sandblasmaschine gedacht, deren neuere Construction durch Einführung von Sandschlamm es ermöglicht, Hohlglas bis zu einem beliebigen Grad von Feinheit des Kornes zu mattiren. Eine andere erfolgreiche Erfindung der Gesellschaft Tilghman betrifft eine Vorrichtung zum Mattiren von Tafelglas. Physikalische Eigenschaften. Ueber die specifische Wärme verschieden zusammengesetzter Gläser von A. Winkelmann. (Annalen der Physik und Chemie, 1893 N. F. Bd. 49 S. 401.) Eine systematische Untersuchung der specifischen Wärmen von Gläsern verschiedener Zusammensetzung ist bisher noch nicht durchgeführt worden. Verfasser benutzte bei seiner Untersuchung Gläser aus dem glastechnischen Laboratorium zu Jena; die angewendete Methode war die Regnault'sche. Die chemische Zusammensetzung der Gläser findet sich in der nachstehenden Tabelle I, die beobachtete und berechnete specifische Wärme der Gläser dagegen in Tabelle II. Die Art der Berechnung soll weiter unten noch besprochen werden. Tabelle I. LaufendeNr. Fabrik-Nr. Chemische Zusammensetzung SiO2 B2O3 ZnO PbO MgO Al2O3 As2O5 BaO Na2O K2O Li2O CaO P2O5   1 S. 185 71,8 22,4 5,8   2 S. 205 69,1 18,0 0,2   4,7   8,0   3 172III 64,4 12,0 11,0   4,5   8,0   4 164III 55,0 17,0 14,0 14,0   5 802 71,0 14,0   5,0 10,0   6 16III  1 67,3   2,0   7,0   2,5 14,0 7,0   7 165III 73,8   5,0   3,5 10,5 7,0   8 1419 67,9   5,8   8,1   1,0 0,3 16,8   9 S. 201   3,0 10,0 0,5 12,0 70,5 10 290 58,7 0,3 33,0 8,0 11 665 41,0 59,0 12 121III 51,3 14,0   5,0   4,5 0,2 25,0 13 S. 206   3,0   8,0 1,5 28,0 59,4 14 S. 95   3,0   1,5 1,5   3,8 56,0 15 1492 34,2 10,2   7,8   5,0 0,7 42,1 16 S. 120 42,8 52,0   5,0 0,2 17 O. 331   45,22 46,0 0,2   1,0   7,5 18 S. 163 22,0 78,0 1 Gewöhnliches Thermometerglas. Tabelle II. Nr. Specifische Wärme beobachtet berechnetKopp Beobachtung– Berechnungin Proc.   1 0,2318 0,2652 – 14,4   2 0,2182 0,2406 – 10,3   3 0,2086 0,2180 –   4,5   4 0,2044 0,2122 –   3,8   5 0,2038 0,2139 –   5,0   6 0,1988 0,2038 –   2,5   7 0,1958 0,2020 –   3,2   8 0,1907 0,1935 –   1,5   9 0,1901 0,2169 – 14,1 10 0,1887 0,1898 –   0,6 11 0,1664 0,1776 –   8,1 12 0,1617 0,1704 –   5,1 13 0,1589 0,1766 – 11,0 14 0,1464 0,1603 –   9,5 15 0,1398 0,1442 –   3,2 16 0,1359 0,1431 –   5,3 17 0,1257 0,1272 –   1,2 18   0,08174   0,07969 +   2,5 Die specifischen Wärmen der Gläser schwanken demnach zwischen weiten Grenzen von 0,2318 bis 0,0817, und zwar haben, wie zu erwarten war, jene Gläser, deren Bestandtheilen die kleineren Atomgewichte zukommen, die grössere specifische Wärme und umgekehrt. Der Berechnung der specifischen Wärme (in der zweiten Spalte der Tabelle) liegt das Wöstyn'sche Gesetz zu Grunde: C=\frac{n_1\,a_1\,c_1+n_2\,a_2\,c_2+n_3\,a_3\,c_3+.\ .\ .}{n_1\,a_1+n_2\,a_2+n_3\,a_3+.\ .\ .} worin C die gesuchte specifische Wärme der Verbindung, c 1 c 2 die specifische Wärme der Elemente, a 1 a 2 die Atomgewichte der Elemente, n 1 n 2 die Zahl der einzelnen Atome, die in der Ver-bindung enthalten sind, bedeuten. Unter Anwendung der Kopp'schen Atom wärmen erhält man aus obiger Formel die folgenden specifischen Wärmen für die Bestandtheile der Gläser: Specifische Wärme ZnO 0,128 B2O3 0,249 Al2O3 0,241 SiO2 0,197 Specifische Wärme As2O5 0,125 PbO   0,0466 BaO   0,0680 Na2O   0,2709 K2O   0,1787 CaO   0,1860 P2O5   0,2169 Durch Einführung dieser Werthe in die Formel C=\frac{p_1\,k_1+p_2\,k_2\+p_3\,k_3+.\ .\ .}{p_1+p_2+p_3+.\ .\ .} worin k 1 k 2 die specifischen Wärmen der Bestandtheile, p 1 p 2 die Gewichtsmengen dieser Bestandtheile indem betreffenden Glase bedeuten, erhält man die in Tabelle II „berechnet Kopp“ angeführten Werthe. Führt man statt der berechneten Atom wärmen, soweit dies möglich ist, die beobachteten ein, so erhält man viel weitergehende Uebereinstimmung. Verfasser hat nun unter Anwendung der von Wüllner berechneten Atomwärme des Sauerstoffes in starren Verbindungen die specifischen Wärmen für die Verbindungen BaO, Mn2O3, Na2O, K2O, Li2O, CaO und P2O5 aus den spec. Wärmen der Chloride und anderer starrer Verbindungen berechnet und die Werthe mit den schon bekannten in folgender Tabelle zusammengestellt: Specifische Wärme ZnO 0,1248 Al2O3 0,2074 SiO2 0,1913 As2O5 0,1276 PbO 0,0512 MgO 0,2439 BaO 0,0673 Mn2O3 0,1661 Na2O 0,2674 K2O 0,1860 Si2O 0,4597 CaO 0,1903 P2O5 0,1902 Nimmt man nun für die Borsäure den mittleren Werth 0,2272, welcher sich aus den specifischen Wärmen ihrer Verbindungen ergibt, an, so erhält man bei Anwendung der obigen Zahlen die unter c' in Tabelle III angeführte berechnete specifische Wärme der Gläser: Tabelle III. Nr. Specifische Wärme Differenzcc'in Proc. SpecifischesGewichts Products.c beobachtetc berechnetc'   1 0,2318 0,2415 – 4,2 2,23 0,51   2 0,2182 0,2192 – 0,5 2,24 0,48   3 0,2086 0,2080 + 0,3 2,42 0,50   4 0,2044 0,2040 + 0,2 2,48 0,50   5 0,2038 0,2049 – 0,5 2,37 0,48   6 0,1988 0,1983 + 0,3 2,58 0,51   7 0,1958 0,1964 – 0,3 2,48 0,48   8 0,1907 0,1888 + 1,0 2,63 0,50   9 0,1901 0,1944 – 2,3 2,59 0,49 10 0,1878 0,1893 – 0,3 2,58 0,47 11 0,1644 0,1668 – 1,5 3,52 0,57 12 0,1617 0,1626 – 0,6 2,80 0,46 13 0,1589 0,1573 + 0,9 3,07 0,49 14 0,1464 0,1439 + 1,0 3,23 0,47 15 0,1398 0,1379 + 1,4 3,54 0,49 16 0,1359 0,1344 + 1,1 3,69 0,50 17 0,1257 0,1272 – 1,2 3,58 0,45 18   0,08174   0,08201 – 0,3 5,83 0,47 Wenn man von dem Werthe Nr. 1 absieht, da wegen des Lithiumgehaltes die chemische Zusammensetzung nicht dem oben gegebenen Werthe entspricht, so zeigt die Durchsicht der Tabelle III, dass die specifische Wärme der untersuchten Gläser sich aus derjenigen der Bestandtheile berechnen lässt mit einer Genauigkeit von rund 1 Proc. – Das specifische Gewicht wächst im Allgemeinen mit abnehmender specifischer Wärme. Die folgenden Werthe lassen erkennen, dass ein einfacher Zusammenhang der specifischen Wärme und der thermischen Leitungsfähigkeit (Beobachtungen von Paalhorn) nicht besteht: Tabelle IV. Nr. Thermische Leitfähigkeit SpecifischeWärmec SpecifischesGewichts Productc.s bezogenauf cmg.s relativ 18 0,00108 1,00 0,0817 5,83 0,47   9 0,00141 1,30 0,1901 2,58 0,49 17 0,00143 1,32 0,1272 3,57 0,45   2 0,00144 1,33 0,2182 2,24 0,49   5 0,00227 2,09 0,2038 2,37 0,48 Ueber die physikalischen Eigenschaften von Gläsern und über ein neues Glas für die Thermometrie hat O. Schott in Jena eine interessante Abhandlung in der Zeitschrift für Instrumentenkunde, 1891 S. 331, veröffentlicht, der sich eine zweite Mittheilung in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses, 1892 S. 161, über die Ausdehnung von Gläsern und über Verbundglas eng anschliesst. Verfasser bestimmt zunächst die Temperaturen, bei welchen eine dauernde Verschiebung der kleinsten Theilchen des Glases noch möglich ist, bei welchen also der erste Beginn des Erweichens zu constatiren ist, in folgender Weise: An der Luft erkaltete Glasstäbe wurden in Cylinder von 10 bis 15 mm Durchmesser und 20 bis 40 mm Länge geschnitten und an den Enden plan geschliffen und polirt. Solche Stäbe zeigen in der Längsdurchsicht, im polarisirten Lichte betrachtet, die Erscheinungen, welche auch den einachsigen Krystallen eigenthümlich sind: ein schwarzes Kreuz mit farbigen Ringen, deren Anzahl von der Intensität der Spannung im Glase abhängig ist. Werden die Stäbe bis zum ersten Erweichen erhitzt, so gleichen sich die Spannungen aus und die Zahl der Ringe vermindert sich. Die Stäbe von fünf Gläsern, deren Zusammensetzung aus der später folgenden Tabelle ersichtlich sein wird, wurden in den Thermostaten gebracht, der Temperaturen von 350 bis 477° einzuhalten gestattet, und die Temperatur bestimmt, bei welchen ein erstes Erweichen der Gläser aus der Verminderung der Zahl der Ringe constatirt werden kann. Es ergaben sich 1) für Krön 682 400 bis 410° C. 2) für Flint 672 350 360° C. 3) für Borosilicat Krön 792 400 410° C. 4) für Jen. Norm.-Therra.-Glas 400 410° C. 5) für Borosilicat-Therm.-Gl. 59III 430 440° C. Die Zeitdauer der Einwirkung betrug 20 bis 24 Stunden. Dieses erste Erweichen ist nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen Erweichen des Glases, dem Punkte, bei welchem die Plasticität der Gläser anfängt, und bei welchem Glas sich biegen und aufblähen lässt. Der Beginn der Plasticität des Glases liegt viel höher, wie aus den folgenden Versuchen von Schott hervorgeht. Aus dem Glase 59III wurden Thermometer angefertigt mit einer Theilung von 0 bis 500° C; oberhalb der Theilung befand sich eine Erweiterung, die mit comprimirtem Stickstoff von 10 at Druck gefüllt wurde. Zwei Thermometer dieser Art wurden 2 bis 3 Tage auf 470 bis 477° C. gehalten, dann 9 Tage lang auf einer Temperatur von 360° C. und dann abgekühlt. Trotz des bei hoher Temperatur herrschenden Druckes von 27 bis 28 at war im Quecksilbergefäss keine Erweiterung eingetreten, sondern eine durch Ausgleich der Spannungen verursachte Verkleinerung, kenntlich am Ansteigen des Quecksilbers um 13 bis 15° C. Die Kräfte, welche zur Ausgleichung der inneren Spannung des Glases zur Wirkung kommen, werden demnach vom herrschenden Druck nicht oder kaum beeinflusst, die Plasticität ist auch bei 470° nicht nachweisbar. Durch Vergleichung mit einem Joly'schen Gasthermometer ergab sich für das Glas 59III, dass bei etwa 630° unter dem herrschenden Druck ein schwaches Aufblähen des Quecksilbergefässes eintrat (etwa um 1/10 des ursprünglichen Volumens). Oberhalb der ersten Erweichungsgrenze nimmt demnach die Plasticität nur in sehr geringem Maasse zu und die Versuche machen es wahrscheinlich, dass man hochgradige Thermometer weit über diese Grenze, vielleicht bis 550° C. wird benutzen können. Verfasser erwähnt nun, dass das früher für Thermometer benutzte borhaltige Glas 18III bei der Verarbeitung häufig entglast, dass aber im glastechnischen Laboratorium zu Jena andere Gläser hergestellt werden, welche die Vorzüge des Glases 18III besitzen, ohne oben erwähnten Uebelstand zu zeigen. Aus Glas 59III wurden die Thermometer Nr. 2503 (fein gekühlt) und 2502 (nicht fein gekühlt) angefertigt. Ein 12stündiges Erwärmen auf 100° C. mit nachherigem Abfall bis 32° C. hat den Eispunkt bei dem gekühlten Thermometer Nr. 2503 um 0,02, bei dem nicht gekühlten um 0,06° C. gehoben. Die Angaben des gekühlten Thermometers können demnach als unveränderlich betrachtet werden. Die Vergleichung mit dem Luftthermometer hat folgende Abweichung ergeben: bei   0    0,00° C. 10 – 0,01° C. 20 – 0,02° C. 30 – 0,01° C. 40 – 0,01° C. 50 + 0,02° C. Ein Thermometer aus Glas 63III Nr. 2513 (nicht gekühlt) ergab eine Depression des Eispunktes von 0,05° C. Die Vergleichung mit dem Luftthermometer ergab Abweichungen von 0,06 bis 0,12° C, also bedeutend stärkere als die des Glases 59III. Die Beträge der Depression bestätigen die Vermuthung des Verfassers, dass bei Vorhandensein nur eines Alkalis im Thermometerglas der Depressionsbetrag im Wesentlichen abhängig ist von der Grösse des Ausdehnungscoëfficienten, dass demnach jenes Glas für Thermometer als das günstigste sich erweist, dessen Ausdehnung am geringsten ist. Der von Prof. Winkelmann bestimmte cubische Ausdehnungscoëfficient beider Gläser beträgt für die Temperatur 0 bis 100° C.: Glas 63III von der ZusammensetzungNa2O 18 Proc., CaO 8,0 Proc., As2O50,3 Proc., Mn2O3 0,1 Proc., SiO273,1 Proc. 0,0000289bis0,0000290 Glas 59III 0,0000170 (Vgl. über Thermometerglas auch R. Weber 1889 273 37 und Wiebe 1889 273 39.) Der Pariser Thermometerfabrikant Baudin vermeidet die Nullpunktscorrection für hochgradige Thermometer durch 8 Tage langes Erhitzen derselben in siedendem Schwefel. Schott liess ein kurzes Rohr aus Glas 59III mit unzähligen Spannungsringen 4 Tage lang in siedendem Schwefel liegen und fand die Zahl der Ringe im polarisirten Licht auf drei reducirt. Die Methode gewährt demnach ein einfaches Mittel für Thermometerfabrikanten, die Spannungen im Glase auszulösen, das gute Dienste leisten dürfte, wenn bessere Einrichtungen fehlen. Bestimmung der Ausdehnungscoëfficienten von Gläsern. Die meisten Angaben über die Ausdehnungscoëfficienten von Glas in der Literatur beziehen sich auf Glas, dessen chemische Zusammensetzung nicht bekannt ist, haben daher bedingten Werth. Nur Regnault theilt in seiner in den Memoires de l'Académie, Bd. 21 S. 205 ff., veröffentlichten Abhandlung die Ausdehnung und chemische Zusammensetzung von 11 Gläsern mit. Ueber den Einfluss der einzelnen Metalloxyde auf die Ausdehnung kann man aus Regnault's Zahlen allerdings nicht viel ersehen. Eine Erkenntniss auf diesem Gebiete konnte erst gewonnen werden durch systematische Untersuchung einer grossen Anzahl von Glassorten von bekannter Zusammensetzung, wie sie nur das Jenenser Laboratorium zur Verfügung hat. Die Bestimmung der Ausdehnungscoëfficienten wurde ausgeführt von den Herren Prof. Winkelmann, Dr. Straubel und Dr. Pulfrich mit dem Gefässdilatometer und nach der von Abbe verbesserten Fizeau'schen Methode. (Wiedem. Ann., 1889 Bd. 38 S. 453.) Die Resultate der Tabelle, welche wir ihrer Wichtigkeit wegen auf S. 258, 259 u. 260 vollständig wiedergeben wollen, sind geordnet nach der Grösse der Ausdehnungscoëfficienten. Als wichtigstes und sofort in die Augen springendes Resultat der vorerwähnten Tabelle sei zunächst der hervorragende Einfluss der Alkalien auf die Ausdehnungscoëfficienten der Gläser hervorgehoben. Durch Vermehrung der Alkalien im Glase kann der Ausdehnungscoëfficient desselben derart gesteigert werden, dass er jene von Nickel und Eisen beinahe erreicht. Wir ersehen aus der Tabelle ferner, dass die Ausdehnung der verschiedenen Gläser durch gleiche Temperaturerhöhung zwischen viel weiteren Grenzen schwankt als man bisher geglaubt hat, dass der Ausdehnungscoëfficient des Glases 35 den des Glases 1 um das Dreifache übersteigt. Aus der Tabelle ist weiter ersichtlich, dass in den gewöhnlichen Kieselsäuregläsern die Metalloxyde, Kalk, Baryt, Zinkoxyd, Thonerde und Bleioxyd keinen erheblichen Einfluss auf die Ausdehnung auszuüben vermögen. Bei den Gläsern O. 154 (11) und O. 165 (14) zeigt sich, dass eine Steigung des Bleigehaltes von 33 auf 69 Proc., also reiche Verdoppelung, nur eine geringe Ausdehnungssteigerung zu Stande bringt. Das Mehr an PbO um 36 Proc. wird annähernd compensirt durch eine Alkaliverminderung um 8,5 Proc. Ebenso bemerkt man bei Vergleich der Gläser O. 479 (10), O. 154 (11), O. 885 (12), dass Baryt und Zinkoxyd nicht mehr die Ausdehnung beeinflussen. als ähnliche Mengen Bleioxyd, wenn der Alkaligehalt grosse Unterschiede nicht aufweist. Phosphatgläser kommen den gewöhnlichen Silicatgläsern in Bezug auf Ausdehnung ziemlich nahe, dagegen zeichnen sich Borate durch niedrige Ausdehnungscoëfficienten aus. Das kieselsäurefreie Zinkborat (1) besitzt einen Ausdehnungscoëfficienten von 0,0000109, also den kleinsten, der überhaupt an Gläsern beobachtet worden ist. Wir sind Herrn Schott ferner zu Dank verpflichtet für die Angabe der chemischen Zusammensetzung einer Reihe von Gläsern, die vom rein technologischen Standpunkte betrachtet, das grösste Interesse zu erwecken vermögen. Gleich in den ersten Reihen der Tabelle findet sich ein Glas, das frei von Alkali vor der Pfeife sich verarbeiten lässt und das sich neben äusserst geringer Ausdehnung durch andere gute Eigenschaften auszuzeichnen scheint. Bisher war man der Ansicht, dass ein gutes Glas neben Kieselsäure und einem zwei- oder dreiwerthigen Metalloxyde immer das Oxyd eines einwerthigen Metalles (eines Alkalimetalles oder des einwerthigen Thalliums) enthalten müsse. Diese Ansicht erscheint demnach widerlegt. Das Glas 121III (Nr. 2) ist frei von Alkalien und lässt sich nicht nur an der Pfeife, sondern auch vor der Lampe verarbeiten; es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Alkalisilicate, deren Anwesenheit dem Glase Leichtschmelzbarkeit und gute Beschaffenheit ertheilt, hier durch die Borsäure bezieh. durch Borate ersetzt werden. Ich habe der Uebersichtlichkeit halber aus der chemischen Zusammensetzung die empirische Formel berechnet, welche sich ergibt, wenn man die Oxyde auf 6 Mol. Kieselsäure bezieht. Die Formel lautet dann 6SiO2, 0,44ZnO, 1,17BaO, 0,33Al2O3, 1,41B2O3. Das Glas könnte demnach etwa als Lösung eines Thonerdebarytsilicates in einem Barytzinkborat angesehen werden. Das neue Glas eröffnet die Aussicht nützlicher Dienste für manche chemische und physikalische Anwendungen des Glases, bei denen die Ausschliessung von Alkalien von Werth ist. Interessant sind auch die Gläser S. 57 (Nr. 24) – schwerstes Bleisilicatglas – mit 82 Proc. PbO und 20 Proc. SiO2, das den Brechungsexponenten D = 1,962 aufweist, und das Thonerdeglas 102III (Nr. 35) mit 26 Proc. Na2O, 12 Proc. Al2O3 und 57 Proc. SiO2.Bei den Zahlenangaben über beide Gläser müssen übrigens Druckfehler unterlaufen sein, denn die Summe der Bestandtheile ist nicht = 100. Durch geeignete Combination von zwei sich umschliessenden Gläsern, von denen das äussere den geringeren Ausdehnungscoëfficienten hat, das innere (Schwimmgefäss) einen sehr grossen, wird es möglich sein, ein Volumen von der Temperatur unabhängig zu machen. Cubische Ausdehnungscoëficienten von Gläsern. Textabbildung Bd. 289, S. 258 Laufende Nr.; Fabr.-Nr.; Benennung; Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung; Untersuchtes Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.; Bemerkungen; Ausdehnungsbestimmung von; Zinkborat (alkalifrei); Abbe-Fizeau; Fein gekühlt im Thermoregulator; Im Platintiegel geschmolzen. Nicht zu verarbeiten an der Pfeife; Pulfrich; Barytborosilicatglas (alkalifrei); desgl.; Stark gespannt, an der Luft abgekühlt; An der Pfeife und auch an der Lampe zu verarbeiten; Borosilicat Leichtflint; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Brechungsexponent für D = 1,545; 428 Nr. d. Vers.-Schmelzung; Bleiborutglas nD = 1,573; Abbe-Fizeau Dilatometer; Weidmann; 458 Nr. d. Vers.-Schmelzung; Aluminiumboratglas; Fein gekühlt; Borosilicat-Thermometerglas; Gefäss-Dilatometer; In freier Luft abgekühlt; Vor der Lampe zu verarbeiten; Winkelmann; Feinkühlung im Thermoregulator; Es wurde dasselbe Gefäss benutzt wie vorher; Leichtes Boratcrown; Brechungsexponent für D = 1,507; Gewöhnl. Silicatflintglas; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Brechungsexponent für D = 1,613; Brechungsexponent für D = 1,612; Leichtes Silicatflint; Brechungsexponent für D = 1,571; Schweres Bariumsilicatcrown; Brechungsexponent für D = 1,572; Borosilicatcrown ähnl. 0,144; Brechungsexponent für D = 1,513; Schweres Silicatflint; Brechungsexponent für D = 1,754; Normal-Thermometerglas; Brechungsexponent für D = 1,527 Textabbildung Bd. 289, S. 259 Laufende Nr.; Fabr.-Nr.; Benennung; Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung; Untersuchtes Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.; Bemerkungen; Ausdehnungsbestimmung von; Silicatcrownglas; Abbe-Fizeau; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Brechungsexponent für D = 1,517; Pulfrich; Mittleres Phosphatcrown; desgl.; Feinkühlung; Brechungsexponent für D = 1,555; Barytleichtflint; Brechungsexponent für D = 1,572; Crown mit hoher Dispersion; Brechungsexponent für D = 1,522; Gewöhnliches Silicatcrown; Feinkühlung im Thermoregulator; Brechungsexponent für D = 1,511; Stark gespannt; Die Abkühlung geschah als cylindr. Stab in freier Luft; Leichtes Phosphatcrown; Brechungsexponent für D = 1,517; Schwertes Bleisilicatglas; Brechungsexponent für D = 1,962; Weiches Thüringer Glas; Vor der Lampe zu verarbeiten; Weidmann; Gefäss-Dilatometer; In freier Luft gekühlt;Winkelmann; Silicatglas; Straubel; Diese Gläser sind zum Theil hygroskopisch, daher zum praktischen Gebrauch nicht anwendbar Textabbildung Bd. 289, S. 260Laufende Nr.; Fabr.-Nr.; Benennung; Chemische Zusammensetzung; Bestimmungsmethode; Kühlung; Untersuchtes Temperaturintervall; Ausdehnungscoëfficient 3α für 1° C.; Bemerkungen; Ausdehnungsbestimmung von; Silicatglas; Gefäss-Dilatometer; In freier Luft gekühlt; Straubel; desgl.; Pulfrich; Diese Gläser sind zum Theil hygroskopisch, daher zum praktischen Gebrauch nicht anwendbar; Thonerdeglas; Abbe-Fizeau; Gewöhnliche Kühlung im Kühlofen; Vor der Lampe zu verarbeiten; Gewöhnliches Silicatcrown; Untersuchung der: Mitte; Stark gespannt; Scheinbarer Ausdehnungscoëfficient; Zone von 15 mm Durchmesser; des Randes von 20 mm (Cylinder-Durchm.)Die Beobachtungen ergaben ferner, dass Glas in gespanntem Zustande einen höheren Ausdehnungscoëfficienten besitzt, als Glas in ungespanntem Zustande (fein gekühltes Glas). Ein Cylinder aus gespanntem Glase mit planen Endflächen nimmt beim Erwärmen auf 100° C. eine deutliche Concavität der Endflächen an, die nach dem Abkühlen nicht vollständig wieder verschwindet (vgl. nebenstehende Fig. 1). Wird der veränderte Cylinder eben geschliffen und abermals auf 100° C. erwärmt, so bleibt die Fläche unverändert, wohl aber krümmt sie sich wieder bei nachherigem Erwärmen auf 200° C. Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 1. Diese Erscheinungen stehen offenbar mit den Nullpunktsänderungen der Quecksilberthermometer in Zusammenhang; da Glas 121III trotz starker Spannung oben geschildertes Verhalten nicht zeigt, beim Erwärmen die Endflächen des Cylinders unverändert lässt, so spricht Schott die Vermuthung aus, dass Thermometer aus diesem Glase selbst bei schneller Kühlung frei von säcularen Anstiegen sein werden. Verbundglas. Ausgehend von den weiter unten zu erörternden Betrachtungen und gestützt auf die Erfahrungen über die Ausdehnung der Gläser gelang es Schott, durch doppelten Ueberfang Glasgegenstände von besonders hoher Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturwechsel und Verletzung der Oberfläche herzustellen. Das Verbundglas, wie Schott diese neue Glascomposition nennt, ist eine Art Hartglas, aber nicht durch schnelles Erkalten, sondern durch zweckmässige Verschmelzung von zwei oder drei Glasarten mit bestimmtem Ausdehnungscoëfficienten gewonnen. Die Spannungszustände im Verbundglase sind ähnliche wie im Hartglase; um klarzulegen, wie Verfasser dies erreicht, seien die Skizzen über die Spannungszustände verschiedener Gläser und die Erläuterung der Originalarbeit hier gekürzt wiedergegeben: In nebenstehenden Figuren bedeuten die Pfeile, je nachdem sie sich suchen oder fliehen, Druck- oder Zugspannungen. Fig. 2 stellt den Zustand eines spannungsfreien Glasstückes vor. Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 2.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 3.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 4.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 5.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 6.Textabbildung Bd. 289, S. 260Fig. 7.Fig. 3 den Querschnitt eines an der Luft abgekühlten Hohlkörpers. Die Aussenhaut ist schon kalt und erhärtet; wenn sich das Innere noch in weichem Zustande befindet. Die nachfolgende Contraction der Innenschicht ist grösser als die der äusseren; erstere wird sich in Dehnung, letztere in Compression befinden. Das Glas wird aussen resistent, innen dagegen empfindlich gegen Verletzungen sein. Fig. 4 bringt den Spannungszustand zur Darstellung, wie das plötzlich abgekühlte Hartglas ihn aufweist. Fig. 5 und 6 zeigen den vorübergehenden Zustand der Spannung, welchen ein sonst spannungsfreier Glaskörper annimmt, wenn man ihn in kaltem Zustande in heisse Luft (Fig. 5) oder in heissem Zustande in kalte Luft bringt (Fig. 6); im ersteren Falle entsteht momentan Druckspannung, im letzteren Zugspannung. Dies der Grund, warum kalte Luft Glas viel leichter zum Springen bringt als heisse. Um den Compressionszustand der äusseren Schicht des Hartglases und damit seine Widerstandsfähigkeit zu erreichen, kann man sich statt des Abkühlens an der Luft auch des Ueberfangens mit einem Glase von geringem Ausdehnungscoëfficienten bedienen. Schott hat solche Gefässe hergestellt (Verbundglas). Fig. 7 stellt ihren Spannungszustand dar; praktisch tritt hier nur die Schwierigkeit auf, die äussere Schicht genügend dünn zu erhalten. Kochflaschen aus Verbundglas kann man, mit Anilin zum Kochen erhitzt, unbedenklich mit Wasser anspritzen, Glasschalen können auf freier Bunsenflamme erhitzt werden, ohne zu springen; die Lampencylinder gestatten, erhitzt, ein Besprengen mit kaltem Wasser, ohne zertrümmert zu werden. Schott hat Wasserstandsröhren aus Verbundglas hergestellt, die den weitgehendsten Anforderungen Genüge leisten; man kann die Röhren, welche auf 200° C. erhitzt sind, tropfenweise mit kaltem Wasser bespritzen, ohne ein Springen derselben befürchten zu müssen. Die Röhren haben sich an Locomotiven bei 5monatlichem Betriebe bewährt. Ueber die Ausdehnungscoëfficienten einiger Glassorten von M. Thiessen und K. Scheel (Zeitschrift für Instrumentenkünde, 1892 S. 293). Die Ausdehnungscoëfficienten dreier in der Abtheilung I der Physikalisch-technischen Reichsanstalt verwendeten Glassorten werden mit grosser Genauigkeit bestimmt. (Fortsetzung folgt.)