Titel: Neuerungen an Jacquardmaschinen.
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 58
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Neuerungen an Jacquardmaschinen. Mit Abbildungen. Neuerungen an Jacquardmaschinen. Die Verbesserungen der Jacquardmaschine beziehen sich zum grössten Theil auf Mittel, welche die bedeutenden Ausgaben für Karten möglichst einschränken sollen. Es ist seit der Erfindung obiger Maschine unausgesetzt dahin gehend gearbeitet worden. Man ersetzte die grossen Pappkarten durch kleinere, ohne die Platinen- und Nadelzahl zu verringern, gab also der Maschine einen feineren Stich. Selbstverständlich nehmen solche Maschinen auch weit weniger Raum ein, so dass mit grösserer Platinenzahl gearbeitet werden kann, ohne dass die Vorrichtung des Webstuhles erschwert wird. Man ist hierin bis aufs Aeusserste gegangen, jedoch kann man nicht von einer allgemeinen Einführung dieser Maschinen sprechen. Sie müssen ausserordentlich exact gebaut sein, sind bei kleineren Reparaturen, wie Auswechseln von Nadeln, Platinen u.s.w., nicht so bequem zu handhaben und arbeiten nur bei genauester Einstellung rein, d.h. heben nur dann die Fäden in vorgeschriebener Weise aus. Zusammenstellbare Karten aus Metall, Holz o. dgl. zu nehmen, und somit stets dasselbe Material wieder zu benutzen, lässt sich für grössere Kartenspiele aus naheliegenden Gründen nicht durchführen. Die Verwendung billigeren Kartenmaterials, wie z.B. des Papiers, ist bei der gewöhnlichen Maschine ebenfalls nicht angängig. Wohl finden sich schon seit langen Jahren Jacquardmaschinen besonderer Construction in Gebrauch, welche fortlaufendes Papier verwenden, wie z.B. die Maschine der Société anonyme Verdol in Paris (vgl. D. p. J. 1885 257 * 96), und ist die Einbürgerung derselben in ihrer verbesserten Ausführung ohne Frage. Der Nutzen, welcher sich hierbei den Pappkarten gegenüber ergibt, ist ein ganz bedeutender und vielseitiger. Mit der Jacquardmaschinegewöhnlicher Bauart für bestimmte Klassen von Geweben eine Kartenersparniss zu erzielen, finden sich verschiedene Abänderungen vor. Textabbildung Bd. 290, S. 58Fig. 1.Reuter'sche Kartensparvorrichtung.Gustav Reuter in Elberfeld verwendet zwei Kartenprismen an sich gegenüber liegenden Seiten der Jacquardmaschine, s. Fig. 1 bis 3 (* D. R. P. Nr. 61729 vom 17. April 1890 und * D. R. P. Nr. 68742 vom 4. November 1892), mit der Einrichtung, dass die Kartenkette des Prismas (Cylinder, Walze) a nach Bedarf ausser Einwirkung auf die zugehörigen Nadeln bleibt, während diejenige des anderen Prismas a1 unausgesetzt arbeitet. Der Cylinder a correspondirt mit einem durchgehenden Nadelsystem, während der Cylinder a1 nur an seinen Enden wenige Nadelreihen bethätigt. Letztere stellen in Verbindung mit Schäften die Grundbindung und Abbindung her, während erstere allein die Figur bezieh. das Muster arbeiten. Sollen nun Muster hergestellt werden, welche abwechselnd einen Grundschuss und einen oder mehrere Figurschüsse verlangen oder bei denen auf eine grössere Anzahl von Grundschüssen ein Streifen mit Figurschüssen gebildet werden soll, so ist bei dieser Vorrichtung nur ein Kartenrapport für jede Art von Schüssen nöthig, während bei der alten Einrichtung entsprechend viele Grundschusskarten in das Kartenspiel einzubinden sind. Textabbildung Bd. 290, S. 58Fig. 2.Reuter'sche Kartensparvorrichtung.Die Cylinderladen b und b1 schwingen für jeden Schuss, wie aus der Fig. 1 ersichtlich ist, indem vom Messerkorb c aus durch die Presschrauben d und d1 mit ihren Rollen e und e1, in Verbindung mit den Curveneisen f und f1 die Bewegung herbeigeführt wird. Wird das Fach für den Figurschuss hergestellt, so arbeiten beide Kartenspiele, das kleine des Cylinders a1 für die Abbindung und das grosse des Cylinders a für die Figur. Soll das Fach für den Grundschuss ausgehoben werden, so arbeitet der Cylinder a1, sich um a wendend, fort, der Cylinder a erhält zwar auch eine Vierteldrehung, jedoch kommt die vorliegende Karte nicht zur Einwirkung auf die Nadeln, weil mittlerweile eine Blechtafel g als „Blindkarte“ den Nadeln vorgelegt wurde. (Derselbe Doppeljacquard wurde Gonet und Gaudin bereits im J. 1840 in Frankreich patentirt; vgl. Brevets, Bd. 56 S. 353.) Gleichzeitig wird der Wendehaken h (Fig. 3) angehoben, um beim folgenden Arbeitsgang die Drehung des Cylinders a zu verhüten. Soll beim nächsten Schuss wiederum Figur gebildet werden, so senkt sich die Blechkarte g und die schon beim vorigen Schuss der Nadelseite zugekehrte Figurkarte des Cylinders a bethätigt die Fachaushebung in Verbindung mit der neu vorgelegten Bindekarte des Cylinders a1. Bei mehreren auf einander folgenden Schüssen derselben Sorte bleibt die Vorrichtung dem obigen entsprechend eingestellt. Textabbildung Bd. 290, S. 58Fig. 3.Reuter'sche Kartensparvorrichtung. Die Verschiebung der Blindkarte g, sowie die Aushebung des Wendehakens h erfolgt von dem an einer Seite der Maschine angebrachten Schaltcylinder i aus. Dieser wird ständig pro Arbeitsgang um ¼ gedreht durch einen Wendehaken A1, welcher an der Cylinderlade a1 befestigt ist. Auf dem Cylinder i finden neben einander zwei Hebevorrichtungen Platz. Die eine ist eine Kartenkette k, aus hohen und niedrigen Gliedern bestehend. Die hohen Glieder stellen den bei l verbolzten und mit Rolle m versehenen Wendehaken h hoch, so dass der Cylinder a bei der nächsten Tour nicht gewendet wird. Ebenfalls auf dem Cylinder i befestigt ist ein Doppeldaumen o, welcher die bei n drehbar befestigte Wippen anhebt. Die Wippe steht durch einen Riemen q mit der Rolle r einer unter der Maschine hinlaufenden Welle s in Verbindung, dieser demnach Drehung gebend. Eine andere auf der Welle s angebrachte Rolle r1 (Fig. 1 und 2) ist durch Riemenzug mit der Blechplatte g verbunden, die in geeigneter Weise dicht vor den Nadeln senkrecht geführt wird. Dreht sich die Welle s, so hebt sich zufolge der genannten Verbindung die Blechplatte g. Ein Doppeldaumen o für die Einstellung der Blindkarte g ist demnach nur bei der Schussfolge: 1 Grundschuss, 1 Figurschuss, genügend und muss beispielsweise bei der Schussfolge: 1 Grundschuss, 2 Figurschüsse, ein drei- oder sechstheiliger Cylinder mit entsprechenden Hebedaumen angewandt werden. Bei der von dem Erfinder angegebenen Anwendung für Muster mit Querstreifen in glattem Grund hätte ausserdem ein Ausserbetriebsetzen des Wendehakens h1 zu erfolgen. In einem Zusatzpatent (* D. R. P. Nr. 68143 vom 23. Juli 1891) lässt derselbe Erfinder sich die Theilung der Blechkarte g schützen. Letzteres bezweckt, die Vorrichtung auf abgepasste Waaren, wie Decken, Tücher u.s.w., verwendbar zu machen. Auf der einen Hälfte des Cylinders a sind die Musterkarten für den Rand und auf der anderen Hälfte diejenigen für den Tisch aufgelegt, und werden die Nadelabtheilungen durch Blechtafeln nach Maassgabe des Musters abwechselnd zurückgedrückt. Es ist dabei angenommen, dass die Blechkarten mit der Hand hoch oder tief gestellt werden. Eine andere Erfindung zum Zwecke der Kartenersparniss ist Rudolf Beck in Wien patentirt worden und durch die Fig. 4 und 5 veranschaulicht (* D. R. P. Nr. 68418 vom 20. Mai 1892). Diese Jacquardmaschine hat ebenfalls zwei Kartenprismen a und a1, welche zufolge eigenartiger Construction der Nadeln auf ein und dasselbe Nadelsystem arbeiten. Man kann mit dem einen Kartenspiel den Grund und mit dem anderen die Figur herstellen, erspart demnach eine grössere Anzahl von Grundkarten. Die Cylinderladen b und b1 sind beiderseits durch Stangen c (Fig. 4) mit einander verbunden. Das Schwingen dieser Laden erfolgt mit Hilfe der bekannten Coulissenführung dd1, befestigt am auf- und absteigenden Messerkasten e. Die Wechselwirkung der Prismen wird durch entsprechende Einstellung einer Schaltvorrichtung erreicht, welche von einer Platine aus bethätigt wird. Textabbildung Bd. 290, S. 59Fig. 4.Kartensparvorrichtung von Beck. Arbeitet der Cylinder a, so trifft die Sperrklinke S mit ihrem Arm f beim Hochgang des Messerkastens e gegen die Rast g und hindert eine weitere Rechtsbewegung der Verbindungsstange c mit Führungsrolle h, sowie das Anschlagen des Cylinders a1. Die Führungsrolle h wird demnach gezwungen, nur die linke Coulissenführung d zu benutzen. Soll ein Arbeitswechsel der beiden Cylinder erfolgen, so wird durch die vorletzte Karte des Kartenspiels an a das Anheben der Platine k veranlasst. Diese steht durch eine Schnur mit dem um i drehbaren Hebel m in Verbindung, gibt also einem kleinen Prisma a2 schwingende Bewegung, wobei der Wendehaken l gleichzeitig eine Drehung desselben herbeiführt und eine für die Platine k1 gelochte Karte vorlegt. Beim darauf folgenden Anheben der Platine q wird die Umstellung der Sperrklinke S durch Schnurenzug und Hebelverbindung bewirkt, so dass der Arm f1 der Sperrklinke sich senkt. Beim Hochgang des Messerkastens e wird demnach die Weiterbewegung der Stange c nicht mehr gehemmt und führt das Beharrungsvermögen der ganzen Schwungmasse die Stange c so weit nach rechts, dass die Sperrklinke S mit ihrem Arm f1 in die Rast g1 einfällt. Es wird nunmehr die Rolle h gezwungen, der zweiten Coulissenführung d1 zu folgen und den Cylinder a1 arbeiten zu lassen so lange, bis auch hier die vorletzte Karte mit Hilfe der Platine k eventuell eine Umsteuerung bewirkt. Textabbildung Bd. 290, S. 59Fig. 5.Kartensparvorrichtung von Beck. Es ist das richtige Arbeiten hierbei von dem Vorhandensein der Schwungkraft bewegter Maschinentheile abhängig gemacht. Dem Erfinder selbst ist die praktische Unausführbarkeit wohl klar gewesen, als er gleichzeitig eine zwangweise Umsteuerung angab (s. Fig. 5). Die Verbindungsstange o zwischen dem Maschinenhebel n und Messerkasten e ist mit zwei Coulissen d2 und d3 versehen. Jede von diesen gibt einer in einem Schlitten wagerecht geführten Zugstange p und p1 Mitnehmerhaken Hin- und Herbewegung. Je nachdem diese Stangen an einem Bolzen q bezieh. q1 der betreffenden Cylinderlade angreifen oder von demselben abgehoben sind, ist die eine oder andere Lade in Thätigkeit. Die Umsteuerung wird hier wie zuvor durch die Platinen k und k1 bewerkstelligt. Beim Hochgang der Platine k1 wird die Backe t1 des um s drehbaren Doppelhebels H vom Bolzen q1 abgehoben, gibt denselben frei für den Mitnehmerhaken der Zugstange p1. Die andere Backe r des Hebels H legt sich gegen den Bolzen q an, drückt also den Mitnehmer p aus seiner arbeitenden Stellung. Es folgt dann der Cylinder a1 der Bewegung der Zugstange p1, während die Cylinderlade b durch den Hebel H in der rückwärtigen Lage gehalten wird. Um Bruch zu vermeiden, ist zwischen der Platine k1 und dem Hebel m1 eine Feder in die Schnur einzuschalten. Ob diese Einrichtung in der angegebenen Ausführung praktisch anwendbar ist, besonders wenn der Wechsel Schuss um Schuss stattfinden soll, sei hier nicht erwogen. Um die beiden Cylinder auf ein und dasselbe Nadelsystem arbeiten zu lassen und auch von beiden eine gleiche Wirkung auf die Platinen zu erzielen, wenn die Karten nach gleicher Methode geschlagen sind, führt dieselbe Firma die Nadeln nach Fig. 6 bis 8 aus (* D. R. P. Nr. 62378 vom 12. Juni 1891). Die Nadeln sind zweitheilig und sind beide Theile so angeordnet, dass sie nach der bezüglichen Spitze federn. Die Nadeln n stehen direct mit den Platinen p in Verbindung und wirken ebenso wie bei der alten Vorrichtung; eine durch die Karte d zurückgedrängte Nadel n drückt die betreffende Platine p vom Messer c ab. Arbeitet der Cylinder a1 so wird von einer nicht durchschlagenen Stelle einer Karte d1 die Nadel n1 zurückgedrückt. In Folge dessen kann sich der kleine. Hakenhebel x nach der Seite der Nadel n hin senken und fasst mit seinem Haken in die Schleife e der Nadel n (Fig. 8). War ein Loch in der Karte d1 so bleibt die Nadel n1 durch die Nadelfeder y nach vorn gestellt und hindert durch die rückwärtige Umbiegung f den Hebel x am Niederfallen. Während diese Einstellung durch den Cylinder a1 erfolgte, senkt sich der Messerkorb g noch um weniges und trifft dabei mit der seitlich angebrachten Rolle z gegen einen Ansatz h des Hebelhalters i, diesen nach rechts schiebend (Fig. 7), wodurch diejenigen Hebel x, welche in die Schleife der Nadeln n eingreifen, letztere und somit auch die zugehörigen Platinen zurückziehen, während die anderen Hauptnadeln n nicht beeinflusst werden. Textabbildung Bd. 290, S. 60 Zweiseitiges Nadelsystem von Beck. Beim demnächstigen Hochgang des Messerkastens wird der Hebelhalter i erst wieder frei und durch die Federn k in die frühere Stellung gebracht, nachdem die Platinen von den Messern erfasst worden sind. Schwingt zuletzt die Cylinderlade a1 zurück, so begeben sich sämmtliche Nadeln n und n1 und Hebel x wieder in die Anfangsstellung. Textabbildung Bd. 290, S. 60Fig. 9.Kartensparvorrichtung von Eidmann.F. Carl Eidmann in Elberfeld wendet bei seiner Kartensparvorrichtung (* D. R. P. Nr. 62602 vom 24. Juni 1891) nur einen Hauptcylinder an (vgl. die Fig. 9 und 10). Die Neuerung besteht darin, dass ganze Platinenreihen oder einzelne Theile derselben der Einwirkung der Figurkarten entzogen werden. Es ist zu diesem Zwecke unterhalb der Nadeln ein wagerecht verschiebbarer Rahmen x angebracht, welcher für jede Platinenreihe einen Stab c hat. Wird der Rahmen zurückgezogen, so treten sämmtliche innerhalb des Rahmenvierecks stehenden Platinen von ihren Messern zurück. Die Bewegung dieser Vorrichtung geschieht dadurch, dass ein oder mehrere Zughaken y am Rahmengestell durch ein Messer z erfasst werden. Letzteres erhält seinerseits bei jedem Arbeitsgang der Jacquardmaschine durch die Rolle v (Fig. 10) des Messerkastens in Verbindung mit dem Hebel b und der Schubstange d die nöthige Verschiebung, und zwar trifft die Rolle v erst dann auf den Ansatz am Hebel b, wenn der Messerkasten sich nahezu gesenkt hat, also gleichzeitig mit dem Anschlagen des Hauptcylinders a. Unterhalb der Zughaken y ist ferner ein Hilfscylinder a1 angebracht, welcher die ersteren auslöst, sobald die Vorrichtung nicht arbeiten soll. In der Zeichnung sind Daumenkarten e zum Anheben der Zughaken y vorgesehen. Die Drehung des Hilfscylinders a1 wird ebenfalls vom Messerkorb aus mit Hilfe des Zapfens u, Schlitzeisens s und Wendehakens r bewirkt. Textabbildung Bd. 290, S. 60Fig. 10.Kartensparvorrichtung von Eidmann. Je nach dem Gebrauchszweck ist die Maschine verschieden vorzurichten. Zunächst können wenige Platinen seitlich in der Maschine ausserhalb des Bereiches obiger Neuerung stehen und durch eine Hebeschäftevorrichtung die Grundbindung u.s.w. herstellen, während die übrigen Platinen nur zur Figurbildung dienen. Man wendet dann vortheilhaft einen Doppelcylinder an (s. Fig. 11). Die kleine Cylindernälfte a2 trägt alsdann die Grundkarten und wird durch Wendehaken für jeden Schuss gedreht, die grosse. Cylinderhälft a3 mit den Figurkarten wird durch auslösbare Wendehaken nur nach Bedarf gedreht. Textabbildung Bd. 290, S. 60Fig. 11.Zweitheiliger Jacquardcylinder. Nach einer zweiten Art können die Platinen für die Grundbindung ebenfalls für sich durch die patentirte Einrichtung regirt werden und ebenso die Figurplatinen. Es ist ein gewöhnlicher Cylinder angewandt, und ist der Grundschuss mit dem Figurschuss auf derselben Karte geschlagen, welch letztere durch Auslösen der Wendehaken für zwei Schüsse stehen bleibt. Beim Fach für den Grundschuss werden die Figurplatinen ausgerückt und beim nächsten Fach für den Figurschuss werden die Platinen für den Grund zurückgezogen. Ferner können die Figurplatinen zu mehreren Abtheilungen durch getrennte Rahmen x mit je einem Zughaken y der Musterung entsprechend dirigirt werden. Die Kartenkette des Hilfscylinders kann dabei unter Umständen sehr lang werden. Es ist alsdann besser, den Wendehaken r nicht pro Schuss vom Messerkorb aus, sondern durch eine Platine nur nach Bedarf zu bethätigen. Gustav Reuter in Elberfeld hat sich eine Jacquardmaschine mit drei Cylindern patentiren lassen (* D. R. P. Nr. 66671 vom 19. Januar 1892). Zwei Cylinder, für die Figurbildung dienend, sind in einer Lade über einander angeordnet, der dritte für die Grundbindung liegt auf der entgegengesetzten Seite in einer besonderen Lade. Die Platinen haben getrennte Nadelsysteme. Es sind zum abwechselnden Arbeiten der beiden Figurprismen dieselben Bewegungen gedacht wie in den Fig. 1 bis 3. Als Neuerung ist hier das Aussergangsetzen einer oder mehrerer Partien von Nadeln anzusehen, wie dieses die Fig. 12 und 13 zeigen. Durch die Zugstange a, angreifend an den Hebel b, wird die Welle c gedreht, welche seitlich an der Maschine gelagert ist. Mehrere Daumen d dieser Welle drücken den beweglichen Theil e des Federkastens incl. Nadeln zurück Fig. 12 (Fig. 13). Die Platinen p müssen durch die bekannte Verbindung mit ihren Nadeln n der Bewegung folgen und werden aus dem Bereich der Hebemesser gebracht, so dass die vorliegende Karte keinen Einfluss auf die Musterung hat. Dasselbe kann auch auf einzelne Abtheilungen des Federkastens Anwendung finden. – Die Unterbringung von zwei Cylindern in einer Lade ist schon verschiedentlich angewandt worden, jedoch noch nicht mit Nutzen, da das Arbeiten solcher Maschinen zu schwerfällig ist, ebenso die leichte Uebersicht genommen wird und das Beobachten und Auswechseln von Nadeln und Platinen Mühe verursacht. Auch hält es schwer, die beiden über einander liegenden Kartenspiele geordnet der Maschine zuzuführen. Textabbildung Bd. 290, S. 61Platinenabstellvorrichtung von Reuter. In manchem Fabrikationszweig ist die Grösse der Musterung und daraus folgend die zu verwendende Platinenzahl sehr dem Wechsel unterworfen. In grösseren Betrieben hat man Reservemaschinen in verschiedener Grösse und wechselt nach Bedarf aus. Oder man verwendet die alte Maschine und benutzt nur einen geringeren Theil der Platinen, wobei die nicht benutzten entfernt werden müssen. Beides ist kostspielig. Ewald Feldmann und Carl Schulz in Crefeld haben nun eine Universalmaschine construirt (D. R. G. M. Nr. 8673 vom 11. October 1892), in welcher durch wenige Handgriffe einzelne Horizontalreihen von Platinen ausser Betrieb gesetzt werden. Die Bauweise kann eine der bekannten sein. In den Fig. 14 und 15 ist die Neuerung an einer zwölfreihigen Maschine mit Wiener Federkasten gezeigt. Die Nadelleisten a liegen nicht wie bisher zwischen feststehenden Holzleisten, sondern wechseln ihre Lage je nach Form und Stellung der eisernen Schienen c und c1. Beispielsweise sind in Fig. 14 die 1., 2., 11. und 12. Nadelreihe zurückgezogen. Zufolge dem treten auch die zugehörigen Platinen von den Hebemessern zurück und arbeitet die Maschine als eine achtreihige. Gleichzeitig legt man einen achtreihigen Cylinder ein, so dass wesentliche Ersparniss an Kartenmaterial eintritt. Durch Umstellen der Schienen mittels der Handgriffe d und d1 wie in Fig. 15, werden wieder sämmtliche Nadelleisten vorgestellt. Bei Anwendung von drei- oder vierseitigen Schienen c und q, welche entsprechend ausgeschnitten sind, kann ebenso vielfache Aenderung der Nadelstellung erreicht werden. Textabbildung Bd. 290, S. 61Platinenabstellvorrichtung von Feldmann und Schulz. Für abgepasste Waaren, als Servietten, Handtücher, Decken u.s.w., sind zwei Kartenspiele nöthig, das eine für den Rand, das andere für den Tisch. Beim Handwebstuhl erfolgt das Auswechseln zumeist durch den Weber, beim mechanischen Stuhl ist es jedoch wichtig, hierdurch keine Stillstände zu erhalten. Neben den bereits länger bekannten Apparaten dieser Art bauen Herm. Schroers in Crefeld u.a. folgenden Schaltmechanismus (Fig. 16 und 17). Der Kartencylinder a und die Karten haben 16 Lochreihen in der Höhe, während die Nadeln zu 8 Reihen eingestellt sind. Durch Verschiebung des Nadelbrettes n können demnach die ungeraden oder geraden Lochreihen der Karten zur Einwirkung auf die Musterung benutzt werden. Ebenso lässt sich der Cylinder a beliebig vorwärts oder rückwärts schalten. Textabbildung Bd. 290, S. 61Fig. 16.Kartenrepetirvorrichtung an Jacquardmaschinen.Textabbildung Bd. 290, S. 61Fig. 17.Nadelbrettverschiebung. Nachdem die Karten für den Rand des Tuches die Maschine durchlaufen haben, kommen in fortlaufender Kette diejenigen für den Tisch. Dieses Muster soll mehrere Male wiederholt werden. Zu dem Zwecke erfolgt eine senkrechte Verschiebung des Nadelbrettes n unter gleichzeitigem Arbeitswechsel der Wendehaken. Zur rechten Zeit wird diese Wiederholung nach Maassgabe der zusammenstellbaren Gliederketten d1 und d2 unterbrochen und der zweite Rand gewebt. Wie aus Fig. 16 ersichtlich, wird durch eine besonders starke Platine p1 am Doppelhebel b1 der Wendehaken x1 gezogen. Dieser dreht den achttheiligen Hilfscylinder a1 dessen Gliederkette d1 auf einen Rollenhebel f1 der Welle g1 einwirkt. Die Pressrolle r1 am Hebel q1 verhindert dabei ein Ueberdrehen des Cylinders a1. Ein hohes Glied der Kette d1 bewirkt eine Drehung der Welle g1 in der Richtung des Pfeiles. Es senkt sich der Hebel k1 und der obere Wendehaken x2 arbeitet. Liegt ein niedriges Glied dem Rollenhebel f1 vor, so führt die Feder h1 am Hebel, eine Drehung der Welle in entgegengesetzter Richtung Fig. 18. herbei, der Hebel k1 drückt gegen die Rolle e1 an der Verbindungsstange m1 und hebt die Wendehaken an, so dass der Rückwärtswender x3 sich gegen den Cylinderkopf anlegt. Textabbildung Bd. 290, S. 62Fig. 18.Platinensicherung von Pesch und Hensen. Die Verschiebung des Nadelbrettes n wird ebenfalls durch eine kräftige Platine p2 (Fig. 17) hervorgebracht, welche durch eine Karte zur bestimmten Zeit auf das Messer o2 aufgelegt wird. Die Platine setzt wie zuvor einen Wendehaken x1 in Bewegung; es dreht sich ein zweiter Hilfscylinder a2, welcher durch die Presse r2q2 gesichert wird. Ein hohes Glied der Gliederkette d2 stellt den Rollenhebel f2 hoch, dreht die Welle g2 in der Richtung des Pfeiles und hebt das in einem Rahmen verschiebbare Nadelbrett n zufolge der Verbindung k2m2 um einige Millimeter an. Niedrige Glieder der Kette d2 geben die Tiefstellung des Nadelbrettes n an, wobei die Spiralfeder h2 festes Anliegen der Rolle z2 an den Gliedern sichert. Stillstände und Reparaturen kommen bei Jacquardbetrieben, namentlich bei nicht genauer Justirung der Maschinen, dadurch vor, dass sich der Kopf einer Drahtplatine unter das Hebemesser stellt, mithin krumm geschlagen wird. Wenn diese Störung nicht sofort bemerkt und abgestellt wird, so werden noch mehr Platinen in Mitleidenschaft gezogen. Solches vermeiden Carl Pesch und Hensen in Crefeld durch Scheidebleche c (Fig. 18), welche an die Hebemesser a angelöthet und so lang sind, dass die Platinenköpfe bei ausgehobener Maschine nicht unter dieselben treten können (D. R. G. M. Nr. 10660 vom 1. December 1892). Textabbildung Bd. 290, S. 62Kartensicherung von Kretzschmar und Goring. Häufig bleiben die Jacquardkarten an den Knöpfen (Warzen) des Cylinders hängen, wodurch die Karten sehr bald unbrauchbar werden. Zur Vermeidung dieses Uebelstandes haben Edmund Kretzschmar und August Göring in Zeulenroda eine einfache Sicherheitsvorrichtung erfunden, welche durch die Fig. 19 und 20 wiedergegeben ist (* D. R. P. Nr. 66459 vom 2. Juni 1892). Unterhalb des Prismas a ist an zwei kurzen Hebeln b, welche um Bolzen c drehbar sind, eine Schiene d befestigt, welche so eingestellt ist, dass sie den Cylinder a bei seiner Drehung nicht hindert. Der eine Hebel b ist über den Drehpunkt hinaus um den Arm e verlängert. Indem der an der Cylinderlade angebrachte Finger x gegen diesen Arm e trifft, erhält die Schiene d eine Schwingung in entgegengesetztem Sinne zum Cylinder a. Hält sich eine Karte f, so wird dieselbe sofort durch die Schiene d erfasst und abgestossen, ohne dass der Gang des Webstuhles gestört wird. Textabbildung Bd. 290, S. 62Fig. 21.Kartenzuführung an Jacquardmaschinen von Schulz.Fig. 21 zeigt eine besondere Kartenzuführung an Jacquardmaschinen von Carl Schulz in Crefeld (D. R. G. M. Nr. 2834 vom 11. Februar 1892). Statt des vier- oder sechsseitigen Prismas ist nur eine durchlochte Platte b und eine Blindwalze a angebracht. Letztere trägt die Knöpfe c zum Führen der Karten d und wird durch die bekannten Wendehaken gedreht. Das Brett b dient als Pressplatte. Sie führt bei ihrem Vorgang die Karte gegen den ebenfalls mit Knöpfen versehenen federnden Rahmen e, wodurch der Karte die richtige Lage gegeben wird. Bei der weiteren Vorwärtsbewegung der Platte b drängt sie den Rahmen e zurück und treten alsdann die Nadelspitzen durch denselben, um wie bisher von der Karte eingestellt zu werden. Textabbildung Bd. 290, S. 62Fig. 22.Offenfach-Doppelhub Jacquardmaschine von Kellermann.Gustav Kellermann in Elberfeld und Robert Kellermann in Ronsdorf haben ihre Doppelhub-Schaft- und Jacquardmaschine gleichzeitig als Offenfachmaschine eingerichtet. Für das eine Fach angehobene Kettenfäden, welche auch für den nächsten Schuss gehoben bleiben sollen, werden nicht erst gesenkt, sondern vom hochgehenden zweiten Messer übernommen (* D. R. P. Nr. 65185 vom 7. April 1891). Die Erfinder erreichen dieses durch besondere Construction der Hubscheiben y und y1 (Fig. 22) in der Weise, dass beim Umtreten des Faches zunächst der eine Tritt x vollständig gesenkt, demnach das zugehörige Messer z angehoben wird. Das ist der Fall bei der Position 1 der Excenterscheiben. Voraussetzung ist dabei, dass der betreffende Kartencylinder bis zu diesem Zeitpunkte auf die Nadeln einwirkt, damit nur die durch die Karte nicht abgedrückten Platinen von dem Messer z erfasst werden. Bei der weiteren Bewegung der Excenter yy1 bis nach 2 hin behält z seine Stellung, während sich das zweite Messer z1 mit den übrig gebliebenen Platinen bis zu seinem tiefsten Punkte senkt. Für die Stellungen 3 und 4 wiederholt sich dasselbe in umgekehrter Reihenfolge, es hebt sich also z1 und senkt sich danach erst z. Die von Georg Bürkle in Blaubeuren erfundene Jacquardmaschine (* D. R. P. Nr. 64893 vom 22. März 1892) weicht wesentlich von der bisher gebräuchlichen Construction ab, wie aus der Fig. 23 ersichtlich ist. Die Platinen bestehen nur aus etwa 30 mm hohen Bolzen a mit starkem Bund, an welchen die bekannten Platinenschnüre c befestigt sind. Auf diesen Bolzen a sitzen leicht verschiebbare, kugelige Schiebeköpfe s, welche durch Schnüre y mit den Nadeln n verbunden sind, und zwar ist die Länge der Schnüre so bemessen, dass der Kopf s bei der Normalstellung der Nadel ziemlich bis an die Platinenspitze angehoben ist. Der Messerkasten d geht bis auf den Maschinenboden b hinunter und sind die Hebeleisten (Messer) e nicht fest mit demselben verbunden, sondern folgen nur der Vertikalbewegung des Rahmens d. Andererseits sind diese besonders geformten Messer e in seitlichen Gleitbahnen f geführt. Textabbildung Bd. 290, S. 63Fig. 23.Jacquardmaschine von Bürkle. Ein Kartencylinder arbeitet gegen die Nadeln n wie bisher. Während also ein Theil der letzteren in seiner Lage verharrt, wird der andere Theil zurückgedrückt. Dementsprechend bleiben die zugehörigen Platinenköpfe s theils angehoben, theils werden sie gesenkt. Zufolge der unteren Gleitbahnform sind die Hebemesserpaare getrennt, so dass die Platinenköpfe s frei zwischen denselben hindurchgehen. Beim darauffolgenden Anheben des Messerrahmens d nähern sich die Messer e wieder paarweise, erfassen die hochstehenden Platinenköpfe s und führen diese mit den zugehörigen Platinen a um die Fachhöhe aufwärts, wie punktirt eingezeichnet ist. Die Schnüre y werden dabei locker. Der Rahmen t, aus Glasstäben bestehend und mit eisernen Querleisten n versehen, dient nur zur ordnungsmässigen Führung der Schnüre y. Den Niedergang der Platinen a bewirkt, wie bekannt, die Fadenspannung im Verein mit den an den Litzen hängenden Jacquardgewichten, welche hier gleichzeitig zur Senkrechtstellung der Platinenbolzen beitragen. Als Vorzüge des neuen Systems gibt der Erfinder an: In sämmtlichen Jacquardmaschinen erhält man gleich grosse Nadeln n (etwa 65 mm lang), sowie auch gleich grosse Platinen bezieh. Platinenbolzen a. Die Jacquardmaschine wird niedriger. Der Jacquard ermöglicht feinsten Stich. Statt der Pappkarten können solche aus endlosem Papier benutzt werden, und zwar deshalb, weil die Federungen i für den Vorschub der zurückgeschlagenen Nadeln nunmehr ganz schwach sein können, indem jede Feder nur den kleinen leichten Kopf (Perle) s mittels Fadens y in die Höhe zu ziehen hat. Die Herausnahme von Nadeln und Platinen zwecks Auswechselung u.s.w. ist bei der neuen Anordnung eine weit einfachere als bei bisherigen Jacquardmaschinen.