Titel: Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893.
Autor: Otto Mühlhäuser
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 92
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Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893. Von Dr. Otto Mühlhäuser. (Fortsetzung des Berichtes S. 63 d. Bd.) Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893. B) Industrie der Theerverarbeitung (Theerdestillation). Die Theerverarbeitung ist der Leuchtgasfabrikation entwachsen. Letztere bezweckt durch die trockene Destillation der Steinkohle die Herstellung von Leuchtgas als Hauptproduct, Koks und Theer fallen dabei als Nebenproducte. Während der Koks stets Verwendung fand, bildete der in ungeheuren Mengen sich ansammelnde Theer lange Zeit eines der denkbar lästigsten Nebenproducte. Das änderte sich, als man in gewissen Bestandtheilen des Theers ein werthvolles Desinfectionsmittel, in anderen die Grundlage für Farbstoffe erkannte. Mit dieser Entdeckung begann der Gastheer ein Interesse zu gewinnen, seine wissenschaftliche und technische Ausbeutung vollzog sich. Erstere endete mit der Auffindung der den Theer zusammensetzenden Bestandtheile, letztere mit der Scheidung des Theers in seine technisch verwerthbaren Producte. Die Resultate der wissenschaftlichen Forschung lieferten das Material zur Aufstellung einer die Forschungsergebnisse in Einklang bringenden Theorie und bilden das Skelet, an welchem sich der Aufbau der Chemie der aromatischen Verbindungen vollzogen hat. Als in der Folge der Theer, den die Leuchtgasfabriken zu liefern im Stande waren, nicht mehr ausreichte, suchte man einerseits den bei der Kokerei erzeugten – aber bis dahin nur zu Heizzwecken dienenden – Theer zu gewinnen, andererseits legte man sogar Betriebe an, welche die Fabrikation von Theer als Hauptproduct erstrebten. Nach wie vor liefern aber die Leuchtgasfabriken die Hauptmenge, die Kokereien und Carbonisirungsanstalten allerdings auch ganz beträchtliche Mengen Theer, welcher in den Destillationen auf Benzol, Toluol, Naphtalin, Anthracen, Phenol u.s.w. verarbeitet wird. H. Caro schätzt die Production an Handelsbenzol und Toluol aus Gastheer – bei der Annahme einer Durchschnittsausbeute von 1,5 Proc. – wie folgt ab: Gastheer Carbonisirungs-theer Kokereitheer England 7,5 Mill. Kilo 1 Mill. Kilo Deutschland 1,5    „      „ 2 Mill. Kilo FrankreichBelgienHollandOesterreich 1,5    „      „ Die deutsche Benzol- und Toluolproduction beträgt also heute schon 3,5 Millionen Kilo, trotzdem hat Deutschland im J. 1890 noch über 7,5 Millionen Kilo eingeführt. Die Theerdestillation ist hauptsächlich in England und Deutschland zu Hause. An der Ausstellung in Chicago haben sich indessen nur zwei deutsche Firmen betheiligt. Aussteller: 1) Rud. Rütgers, Chemische Fabriken für Theerproducte in Berlin mit den Fabriken in Schwientochlowitz (Oberschlesien) und Witkowitz (Mähren). Sitz der Firma und Verwaltung ist Berlin. Die Fabrik in Schwientochlowitz, die grösste auf dem Continent, errichtet im J. 1888, verarbeitet oberschlesische Koksofentheere, Theeröle und Ammoniakwasser. Verarbeitungscapacität 300 Tausend Doppelcentner Theer. Die Fabrik erzeugt keine Halbfabrikate, sondern vollkommen reine Producte. Die Fabrik in Witkowitz, 1892 errichtet, verarbeitet den Koksofentheer des Ostrauer Reviers.Die im Berichte gemachten Mittheilungen sind theils dem Führer durch die Ausstellung der chemischen Industrie Deutschlands von Prof. O. N. Witt, theils den Katalogen der Firmen entnommen worden. Manche Auskunft wurde auch auf dem Wege der Rücksprache erhalten. Die Firma stellt aus: Rohtheer und Ammoniakwasser, rohes Leicht-, Mittel- und Schweröl, Rohanthracen, Pech, 90 er und 50 er Benzol, Benzol vom Siedepunkt 80,3° C., Toluol vom Siedepunkt 110,3° C., Steinkohlentheerbenzin (Solventnaphta), o-, m- und p-Xylol, Cumol, Putzöl, Creosotöl, schwefelsaures Ammon, Pyridinbasen, Cresol, Carbolsäure von 100 Proc., rohes Anthracen von 50 Proc. (gepulvert), rohes Anthracen (krystallisirt), rohes Anthracen (gepresst), rohes Naphtalin, reines Naphtalin (sublimirt), reines Naphtalin (krystallisirt und gepulvert), carbolsauren Kalk, Creolin, Dachlack, präparirten Theer zur Darstellung des basischen Ofenfutters, Eisenlack, Naphtalin in Kerzen, Carbolsäure, krystallisirt (Sm. 40° C.), Carbolsäure, krystallisirt (Sm. 35° C.), Sapocarbol, Carbolineum, α-Methylnaphtalin, α-Methylnaphtalin, salzsaures Acridin, Acridin, α-Pyrocresol, β-Pyrocresol, γ-Pyrocresol, Pyridin, rein (Sdp. 116° C.), Chinolin, Acenaphten, Phenanthren, Anthracen, rein (gepulvert), Anthracen, rein (krystallisirt), Phenol, absolut, geschmolzen (Sm. 42°), Phenol, absolut, in losen Krystallen, Naphtalin, rein (krystallisirt), Anthracenkrystalle. 2) C. Otto und Co. in Dahlhausen a. R. Ausstellung von bei der Kokerei gewonnenen Theerbestandtheilen: Koksofentheer, Solventnaphta, Benzol, Carbolsäure, Creosotöl, Naphtalin, Fettöl, Anthracen, Grünöl, Pech. C) Industrie der Theerproductenverarbeitung. Während das Anthracen, ohne eine weitere Bearbeitung zu erleiden, direct von den Alizarinfabriken bezogen und verarbeitet wird, werden die Kohlenwasserstoffe: Benzol und Homologe, Naphtalin, ferner auch Phenol in Fabriken, welche mit Farbstoffabriken verbunden sind, oder in solchen, welche ihre Fabrikate an kleine und mittelgrosse Farbenfabriken abgeben, auf Vor- bezieh. Zwischenproducte für die Anilinfarbenfabrikation bezieh. auch auf Sprengstoffe verarbeitet. So wird Benzol in Nitrobenzol und Anilin, Toluol in o- und p-Nitro- bezieh. Amidotoluol, Xylol in die verschiedenen Xylidine, Naphtalin in α- und β-Naphtol umgewandelt. Wieder in anderen Betrieben bezieh. Fabriken führt man Benzol und Toluol in Dinitrobenzol bezieh. Di- und Tri-Nitrotoluol über, Phenol in Picrinsäure u.s.w. Die Industrie der Theerproductenverarbeitung, welche man kurzweg als Anilin- und Sprengstoffabrikation bezeichnen kann, hat im Wesentlichen in Frankreich ihre Ausbildung erhalten. Die Industrie ist jetzt in Deutschland, England und Frankreich zu Hause. An der Ausstellung haben sich deutsche, englische und französische Fabriken betheiligt. Deutschland. 1) Actiengesellschaft für Anilinfabrikation zu Berlin. Besitzt vollständige Einrichtungen zur Fabrikation der Zwischenproducte in Rummelsburg. 2) Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen a. Rh. Die Firma stellt aus: Benzol, Nitrobenzol, Toluol, Anilin, Anilinsalz, Monomethylanilin, Monoäthylanilin, Dimethylanilin, Diäthylanilin, Methylbenzylanilin, Aethylbenzylanilin, Diphenylamin, Methyldiphenylamin, Phenyl-α-Naphtylamin, Methylphenyl-α-Naphtylamin, o- und p-Toluidin, Phenol, Phtalsäure, Resorcin, Di- und Tetrachlorphtalsäure, Xylol, Naphtalin, Nitroxylol, Metaxylidin, Zimmtsäure, Zimmtsäureäthyläther, Benzolchlorid, Benzaldehyd, o-Nitrobenzaldehyd, o-Nitrozimmtsäureäther, o-Nitrozimmtsäure, p-Nitrozimmtsäureäthyläther, Paranitrozimmtsäure u.s.w. 3) Chemische Fabriken vorm. J. W. Weiler und Co. in Ehrenfeld bei Köln a. Rh. Machtmittel: 2125000 M. Die Fabrik wurde 1861 errichtet und 1889 in eine Actiengesellschaft umgewandelt. Es ist die älteste deutsche Anilinfabrik und betreibt die Fabrikation von Anilin und verwandter Producte als Rohmaterial für Farbstoffabriken. Die Firma besitzt Filialen in Müngersdorf und Riehl. Von den Producten der Theerdestillation ausgehend, erzeugt sie die Kohlenwasserstoffe der Benzolreihe, ihre Nitroderivate, Binitrobenzol und -Toluol, Anilin, die Toluidine, Xylidine, Naphtylamin und Anilinsalz. Die zur Fabrikation nöthige Salpeter- und Schwefelsäure erzeugt die Firma selbst. Ausgestellt sind: Benzol, Toluol, Xylol, Nitrobenzol, Nitrotoluol, Nitroxylol, Anilin, Toluidine, Xylidin, Metaxylidin, Anilinsalz, Xylidinsalz, Nitronaphtalin, α-Naphtylamin, Naphtionat, Binitrobenzol, Binitrotoluol, Binitronaphtalin. 4) Chemische Fabrik Griesheim bei Frankfurt a. M. Ausstellung von: I. Vorproducte: Rohbenzin, 90 er und 50 er Benzin, Benzol, Toluol, Xylol, Solventnaphta, Gasöl, Schwefelkohlenstoff, Nitrobenzol, Dinitrobenzol, Trinitrobenzol, Nitrotoluol, Orthonitrotoluol, Paranitrotoluol, Dinitrotoluol, Nitroxylol, Anilin, Anilinsalz, Toluidin, o-Toluidin, p-Toluidin, Xylidin. II. Sprengstoffe: Benzol, Phenol, Toluol, Dinitrobenzol, Phenolsulfosäure, Dinitrotoluol, Trinitrobenzol, Trinitrophenol, Trinitrotoluol, Deinit. England. F. C. Calvert und Co. in Manchester. Ausstellung von: Carbolsäure, Eisensulfocarbolat, Blei-, Ammon-, Zink-, Kalium-, Natrium-, Mangan-, Calciumsulfocarbolat, Picrinsäure. Frankreich. Société des matères colorantes et produits chimiques de St. Denis. Nitrobenzol, o- und p-Nitrotoluol, Anilin, Xylidin, o- und p-Toluidin, β-Naphtol. D) Die Theerfarbenindustrie. Die Entwickelung der Theerfarbenindustrie hat Heinrich CaroUeber die Entwickelung der Theerfarbenindustrie von H. Caro, Berlin 1893. vor Kurzem in monumentaler Weise dargestellt; er hat das bis dahin ungeordnet gewesene, bunte Material der Geschehnisse zum farbenprächtigen historischen Mosaik zusammengesetzt und ein Denkmal geschaffen, dessen Studium in höchstem Grade anregend und erzieherisch auf den Chemiker wirkt. Wir verweisen auf die klassische Schrift, unterlassen aber den Versuch, auf die geschichtliche Darstellung der Theerfarbenindustrie an dieser Stelle einzugehen.Witt's „Führer“ und O. Mühlhäuser's Technik der Rosanilinfarbstoffe, 1889. An der Beschickung der Ausstellung haben sich zwei deutsche, eine französische und eine russische Firma betheiligt. Caro schätzt den Gesammthandelswerth der aus Theerdestillaten jährlich erzeugten Zwischenproducte, Farbstoffe, Arzneimittel u.s.w., auf 90 bis 100 Millionen Mark, wovon etwa ⅔ auf die deutsche Production entfallen soll. Deutschland. 1891 exportirte das Deutsche Reich: 8680 t Anilin-, Azo- und Resorcinfarbstoffe im Werthe von 44269000 M. und 8168 t Alizarin im Werthe von 12906000 M. Der deutschen Industrie gehören etwa 20 Fabriken an. 1) Actiengesellschaft für Anilinfabrikation zu Berlin. Machtmittel: 3,5 Millionen Mark Kapital und 2,5 Millionen Prioritäten. Arbeitskräfte: 4 Directoren, 60 Bureaubeamte, 30 Chemiker, 690 Arbeiter. Betriebsmittel: 24 Dampfkessel, 17 Kraftmaschinen. Die Firma entstand 1872 durch Verschmelzung der seit 1867 zu Rummelsburg bestehenden Gesellschaft für Anilinfabrikation, C. A. Martins und P. Mendelssohn-Bartholdy mit der Farbenfabrik M. Jordan zu Treptow. Letztere Firma hat viele Jahre, bis zur Einführung des Nitrobenzolverfahrens, Fuchsin nach dem Gerber-Keller'schen Verfahren erzeugt, und das so producirte Präparat genoss wegen seiner Reinheit einen besonderen Ruf. 1878 fabricirte die Firma nach dem O. Döbner'schen Verfahren zuerst das Malachitgrün, nahm auch die Fabrikation der von H. Baum entdeckten Höchster Ponceaus auf, wobei die von C. A. Martins entdeckte und von A. W. Hofmann erforschte Bildung der höheren Homologen des Anilins durch das sogen. Umlagerungsverfahren ihre erste technische Anwendung fand. Anfang der 80 er Jahre wurden die Frank'schen Croceinscharlache, 1884 das Böttiger'sche Congoroth zu fabriciren begonnen. 1886 übernahm die Actiengesellschaft den Betrieb der Farbenfabrik vorm. Brönner in Frankfurt a. M., und im J. 1890 den der Farbenfabrik von G. C. Zimmer in Mannheim. Letztere Betriebe wurden aber aufgegeben und die Fabrikation sämmtlicher Farbstoffe nach Treptow verlegt. Von Erfindungen, welche in den Laboratorien der Firma gemacht wurden, sind zu nennen: Guineagrün, Wollschwarz, Chinolingelb, Chinolinroth, Flavazol, Eminroth, Brillantcongo, Brillantpurpurin, Congoorange, Congocorinth, Congobraun, Congoechtblau, Congorubin, Nyanzaschwarz, Taboraschwarz, Erika und Chicagoblau. Die Firma stellt die wichtigsten ihrer Farbstoffe aus und illustrirt deren Verwendbarkeit durch Ausfärbungen u.s.w. 2) Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen a. Rh. mit Filialen in Neuville sur Säone und in Butirki bei Moskau. Arbeitskräfte: 3 Directoren, 78 Chemiker, 24 Ingenieure, 180 kaufmännische Beamte, 4000 Arbeiter. Machtmittel: 16500000 M. Die Fabrik bedeckt ein Areal von 7785 a, davon sind 2000 a mit 323 Fabriksgebäuden, 380 Arbeiter- und 75 Beamtenwohnungen überbaut. Das Eisenbahnnetz der Fabrik hat eine Länge von 25 km, 250 Waggons dienen dem Gütertransport. Betriebsmittel: 66 Dampfkessel mit 8200 , 159 grössere Dampfmaschinen mit 3500 , 3 Gasmotoren mit 16 und 1 Elektromotor mit 2 , 10 Luftcompressoren mit 650 , 10 Vacuumpumpen mit 70 , 4 Wasserpumpen mit 400 und 3 Dynamomaschinen mit 135 . Der Wasserverbrauch beträgt 9 Millionen Cubikmeter jährlich, der Gasverbrauch 8 Millionen Cubikmeter, Kohlenverbrauch 160000 t. Die Fabrik verarbeitet sämmtliche Erzeugnisse der Theerdestillation, ausserdem spanische Pyrite, Chilesalpeter, Kalkstein, Steinsalz, Kochsalz, Braunstein, Chromsalze, Indigo, Gallussäure u.s.w. Die Erzeugnisse der Fabrik sind: Die Hauptproducte der Sodaindustrie und Farbstoffe aus allen Gruppen der Anilinfarbstoffklasse. Geschichtliches: Die Firma wurde 1865 gegründet, sie ging aus der Fusion mehrerer an sich schon bedeutender Häuser hervor. Mit einem Personal von 30 Arbeitern wurde dann im Mai 1865 in der auf dem „Hemshofe“ bei Ludwigshafen a. Rh. belegenen Fabrik die Fabrikation begonnen. Das fernere Wachsen und Blühen der Fabrik illustrirt die nachstehende Tabelle, welche die Zahl der beschäftigten Arbeiter in jedem Jahre seit Gründung der Fabrik verzeichnet. Es wurden beschäftigt: Im Mai 1865 30 Arbeiter Anfang 1880 1534 Arbeiter Anfang 1866 135 1881 1922 1867 310 1882 2110 1868 432 1883 2378 1869 470 1884 2423 1870 520 1885 2330 1871 470 1886 2320 1872 665 1887 2628 1873 615 1888 2993 1874 722 1889 3401 1875 835 1890 3596 1876 940 1891 3756 1877 1123 1892 3765 1878 1244 1893 4000 1879 1427 Die Fabrik kann sich rühmen, mit Einführung einer grossen Zahl der wichtigsten Erfindungen, die zum Theil auch ausserhalb der Fabrik gemacht wurden, bahnbrechend vorangegangen zu sein. So arbeitete H. Caro auf Grund der Gräbe und Liebermann'schen Alizarinsynthese das fabrikatorisch anwendbare Darstellungsverfahren für Alizarin, Anthrapurpurin und Flavopurpurin aus den Sulfosäuren des Anthrachinons aus und schon im J. 1869 kommt das Alizarin auf den Markt. 1874 entdeckt Caro die Veredlung des Bayer'schen Fluoresceins, 1875 das Alizarinorange, 1877 das Methylenblau, das Säurefuchsin und Säureviolett, 1878 das Echtroth u.s.w. In demselben Jahre gestaltet H. Brunck die von Prudhomme beobachtete Bildung des Alizarinblaus zum Fabrikationsverfahren um, 1879 folgte das Naphtolgelb (Caro), das Lichtgrün S (Köhler). Die Versuche, auf Grund der Bayer'schen Indigosynthese den Indigo fabriciren zu lernen, scheiterten, dagegen gelang es H. Brunck, dem Alizarinblau in Form einer Bisulfitverbindung einen erweiterten Anwendungskreis zu verschaffen. 1882 wurde im Blauschwarz B (C. Glaser) der erste der jetzt so zahlreichen schwarzen Azofarbstoffe hergestellt. 1883 bis 1885 folgten die neuen von Kern und Caro mittels Phosgen aufgebauten Triphenylmethanfarbstoffe, von denen Krystallviolett (1883), Aethylviolett (1883), Victoriablau B und 4 R (1883), Nachtblau (1884), Auramin (1884), Alkaliviolett (1886) dauernden Werth erlangten. In nachstehender Tabelle sind die späterhin gemachten Erfindungen, welche die Firma in ihrer Fabrik eingeführt hat, aufgezeichnet. Farbstoff Erfinder Zeit Tartrazin J. H. Ziegler 1885 Säureviolett 7 B C. L. Müller 1885 Acetinblau C. Schraube 1886 Galloflavin R. Bohn 1886 AnthracenbraunNaphtylenroth A. Römer 1886   Farbstoff Erfinder Zeit Violettschwarz 1887 Alizarinschwarz S Roussin-Bohn 1887 Rhodamin B Ceresole 1887 Rhodamin S Gnehm 1888 Nilblau Th. Reissig 1888 Azocarmin C. Schraube 1888 Baumwollgelb G C. L. Müller 1888 CarbarolgelbAlizaringrünAlizannblaugrunAlizarinindigblau R. Bohn 1888 Alizaringelb A R. Bohn 1889 Alizaringelb CAlizaringelb M v. Nencki 1890 Salmroth C. L. Müller 1890 Azurin R. Bohn 1891 Anthracenblau R. Bohn 1891 Indoinblau P. Julius 1891 Säureviolett 6 B N C. L. Müller 1891 Die Firma stellt aus: Anilin-, Resorcin-, Azo- und Naphtolfarben, Alizarinfarbstoffe, Gallussäurefarbstoffe, Indigorohstoffe und Hilfsmaterialien, gefärbte Muster. Sehr schön ist der umkrystallisirte Indigo der vorstehenden Sammlung. Die Ausstellung entspricht der Bedeutung der Firma in allen Stücken. Man muss die Ausstellung als hervorragend schön und übersichtlich und als die weitaus imposanteste der chemischen Abtheilung bezeichnen. 3) Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer und Co. in Elberfeld. Machtmittel: 9 Millionen Mark Actien, 3 Millionen Mark Obligationen. Arbeitskräfte: 3 Directoren, 76 Chemiker, 300 Beamte, 1600 Arbeiter. Betriebsmittel: 64 Dampfkessel mit 5500 qm Heizfläche, 73 Dampfmaschinen mit 920 , 10 Luftcompressoren. Länge des Fabriksbahngleises 1667 m. Brennmaterialverbrauch: 65000 t Steinkohle. Die Fabrik bereitet Anilin- und Alizarinfarbstoffe und pharmaceutische Präparate und ist eine der höchstentwickelten der Branche. Frankreich. Société des mattères colorantes et produits chimiques de St. Denis. Ausstellung von Anilinfarbstoffen und Ausfärbungen. 1) Patentirte Farbstoffe: Orange II, Orange IV, Orange M G, Chrysoin, Gris direct, Rouge de St. Denis, Ponceau. 2) Andere Farbstoffe: Jaune AA, Maltagelb, Braun A, Chrysoidin, Säuregrün, Nicholsonblau, Baumwollblau, Violet de Paris, Wasserblau, Spritblau, Indulin, Brillantgrün, Krystallviolett, Maltablau, Methylenblau, Phenylenschwarz, Säureviolett, Saffranin, Crocëinscharlach, Rouge de St. Denis, Ponceau, Cerasin, Fuchsin, Alizarin, Isopurpurin. Die Darstellung der Objecte der an sich bedeutenden Firma ist nicht geschickt ausgeführt. Russland. Gebrüder Brömme in St. Petersburg. Stellen aus: Naphtionsäure, Sulfanilsäure, Echtgrün B, Indischblau B und R, Dunkeloliv, Echtschwarz J, Chrysamingelb R und Y, Naphtolgrün B, Echtbraun N, Echtroth E Und A, Brillantscharlach 4 R, Croceїnorange, Scharlach 2 R, Orange II, Bordeaux B und S. E) Kohlenschweelerei (Sächsische Mineralölindustrie). Dieselbe gründet sich auf das Vorkommen gewisser an Bitumen reichen sogen. Schweelkohlen der Provinz Sachsen, welche mit gewöhnlichen Braunkohlen über einander gelagert vorkommen. Der in jener Gegend vorkommende „Pyropissit“, ein harziges, hellbraunes Mineral, ist aufgebraucht. Beide Minerale enthalten Substanzen, welche bei der trockenen Destillation erdölartige Kohlenwasserstoffe liefern. Um eine weitere Zersetzung dieser Producte möglichst zu verhüten, „schweelt“ man die Kohlen in eigenartig construirten Retorten, aus denen die Dämpfe sofort nach ihrer Bildung in kältere Theile des Apparates gelangen, bei niederer Temperatur und erhält eine Ausbeute von 6 bis 15 Proc. Theer vom spec. Gew. 0,85 bis 0,93, 32 bis 36 Proc. Koks, 46 bis 50 Proc. Theerwasser und 10 bis 20 Proc. an CO und H2S reicher Gase. Ehe der übelriechende, braune Theer zur Destillation kommt, wird er behufs Reinigung mit Schwefelsäure, dann mit Wasser und Alkali behandelt. Man destillirt unter Anwendung überhitzten Dampfes im Vacuum und erhält zwei Destillate: flüssiges Rohöl (I) und das beim Abkühlen erstarrende, zur Paraffindarstellung dienende Oel (II) und den Blasenrückstand. I. Das Rohöl wird zunächst mit concentrirter Schwefelsäure gemischt, um Brandharze abzuscheiden, dann mit Natronlauge behandelt, um Säuren und Phenole (Phenol, o- und p-Cresol) abzutrennen. Die darauf folgende Destillation liefert Benzin zur Reinigung des Rohparaffins, Solaröl zur Beleuchtung, Gasöl für die Oelgasbereitung und etwas Weichparaffin. II. Das zur Paraffingewinnung dienende Oel wird bei der folgenden Verarbeitung abgekühlt, wobei es zu einer halbfesten Masse erstarrt, welche man erst in geeigneten Filterpressen, dann in hydraulischen Pressen, in Wolltüchern eingeschlagen, zwischen erwärmten Zwischenplatten presst. Die resultirenden Paraffinkuchen werden zur weiteren Entziehung von Oelen mit Benzin verschmolzen Und erstarren gelassen. Die in Tafeln zerschnittene Masse presst man nochmals hydraulisch, bläst anhängendes Benzin mit Wasserdampf ab und reinigt durch Behandeln mit Knochenkohle und Filtriren durch Papier. Man erhält so das Hartparaffin. Die Pressöle scheiden beim Abkühlen auf niedere Temperaturen weitere Paraffinmengen aus. III. Das von Paraffin getrennte Oel, sogen. Paraffinöl, wird mit Schwefelsäure und Natronlauge gereinigt und destillirt. Man erhält dann das Roth- oder Gasöl, das Fett- oder Schmieröl und eine zur Bereitung von Weichparaffin dienende Masse. Der Begründer der bei Zeitz, Weissenfels und Halle angesiedelten Industrie ist Riebeck. Aussteller: Vereinigung der Paraffin- und Mineralölfabriken in Halle a. S. Ausstellung von: a) Braunkohlen, b) Braunkohlentheer, c) Fabrikaten: Benzin, Solaröl, Gelböl, Gasöl, Rothöl, Hartparaffin, Staubparaffin, Paraffinschmiere, Paraffinkerzen, Creosotöl, Asphalt, schwefelsaures Ammoniak. F) Carborundumfabrikation. Diese auf Koks gegründete Industrie erzeugt ein neues Schleifmittel, dessen Erfinder E. G. Acheson ist. Nach neueren UntersuchungenVgl. O. Mühlhäuser, Zeitschrift für anorganische Chemie, herausgegeben von G. Klüss, und D. p. J. 1893 288 192 sowie 289 120 und 167. besteht das neue Mineral im Wesentlichen aus Siliciumcarbid CSi. Es enthält in chemisch reinem Zustande 30 Proc. C und 70 Proc. Si, entsteht gemäss der Gleichung: SiO2 + 3 C = CSi + 2 CO und krystallisirt in hexagonalen Plättchen, ist ein Edelstein; seine vornehmste Eigenschaft ist Härte und eben darauf gründet sich seine Anwendung in der Industrie. Bei der hohen Stellung, welche das neue Material, allem Anscheine nach, unter den Abrasivmitteln einzunehmen berufen ist, dürfte eine kurze Darstellung der Technologie des Körpers von allgemeinem Interesse sein. Rohstoffe. Die Rohstoffe sind Sand, Koks und Salz. Man wendet dieselben in möglichst reinem Zustande an. Man mischt beispielsweise 100 Th. Koks mit 100 Th. Sand und etwas Salz. Letzteres wirkt mechanisch. Erzeugung des Carborundum. Die Erhitzung der Mischung wird in einem aus feuerfesten Steinen erbauten Troge, an dessen Schmalseiten die Elektroden hineinragen, vorgenommen. Letztere stehen mit dem Stromtransformator, dieser mit der Wechselstrom-Dynamomaschine (Alternating-Dynamo) in Verbindung. Man legt die Mischung der Rohstoffe gleichmässig um einen die Elektroden verbindenden Kohlenkern herum. Ist der Ofen beschickt, so lässt man den Strom durch den Kohlenwiderstand gehen: die elektrische Energie wird dann in Wärmeenergie umgewandelt. Die Reaction wird eingeleitet und vollzieht sich während mehrerer Stunden: Gase entweichen und krystallisirtes Siliciumcarbid neben etwas Graphit und amorphem CSi entstehen. Reinigung. Nach theilweisem Erkalten der Reactionsmasse trennt man den die Hauptmasse bildenden grünglänzenden, aus unendlich vielen Krystallen bestehenden, dicht gefügten Carborundumcylinder bezieh. -Ellipsoid von Graphit, amorphem CSi und unangegriffenem Ausgangsmaterial mechanisch, zerstösst die Krystallbrocken und wäscht mit Säure, schliesslich mit Wasser aus. Verarbeitung in Pulversorten. Das gereinigte Material wird nun zum feinen Mehle zerstampft und in einem aus mehreren Gefässen bestehenden Schlämmapparate in ebenso viele Pulversorten durch einen Wasserstrom getrennt. Nach dem Ablassen des Wassers trocknet man die Pulver und bringt sie zum Theil in dieser Form – unter Angabe der Grädigkeit – auf den Markt; ein anderer Theil dient zur Darstellung von Schleifrädern, Schleifsteinen u.s.w. von jeglicher Grösse, Feinheit und Form. Fabrikation der Schleifsteine u.s.w. Diese Arbeit der Fabrikation zerfällt in drei Theile, in das Einmischen des Materials in ein geeignetes Bindemittel, z.B. Porzellansalz, in das Formen der Masse und in das Brennen. Zwecks Darstellung von Rädchen, Schleifsteinen und anderen Artikeln, welche ein hartes Bindemittel benöthigen, wird Carborundum (von entsprechender Feinheit) dem Bindemittel durch Handarbeit einverleibt, dann bringt man die Masse in die dem gegebenen Falle entsprechende Form und gibt mittels einer hydraulischen Presse den nöthigen Druck. Letzterer wechselt zwischen 1 und 100 t bei den einzelnen Artikeln. Nach dem Wegholen der Formen von der Presse öffnet man dieselben, setzt den gepressten Gegenstand, z.B. das Rädchen, auf eine Thonunterlage und wiederholt den Process so lange, bis man die nöthige Anzahl besitzt. Die sich auf Thonunterlagen befindlichen Gegenstände lässt man etwas an der Luft trocknen, bringt sie dann in poröse Thongefässe, welche, im Flammofen mit steigender Flamme (Kiln) auf einander gestellt, aufgethürmt werden. Dann vermauert man den Kiln und brennt, langsam und allmählich aufsteigend. Der Brand dauert etwa 30 Stunden. Man geht bis nahe zum Sintern der Masse bezieh. zum Schmelzpunkte des Bindemittels und controlirt den Gang durch „Proben“. Sobald das Bindemittel zu schmelzen anfängt, hält man für einige Stunden die Temperatur. Dann lässt man langsam erkalten. Die ganze Operation dauert 60 bis 80 Stunden, dann kann man den Ofen öffnen und die Gegenstände herausnehmen. Die Rädchen u.s.w. besitzen eine reine grüne Farbe. Die Carborundumpräparate sind erst seit neuester Zeit im Handel, werden heute schon in grossen Mengen fabricirt und kämpfen siegreich gegen die besten der jetzt existirenden Schleifmittel an. Das ausserordentlich harte und billige Material bedeutet eine Epoche in der Abrasivindustrie, da es 3- bis 4 mal mehr Arbeit in der Zeiteinheit leistet als Corund. Amerika. Carborundum Co. in Monongahela-City, Pa. Arbeitskräfte: 1 Director, 1 Elektrotechniker, 3 Bureaubeamte und 25 Arbeiter. Kapital: 600000 M. Betriebskräfte: 2 Dampfkessel mit 200 , 1 Dampfmaschine mit 200 , 1 Wechselstromdynamomaschine mit 200 . Capacität der Anlage: 120000 Pfd. Carborundum. Die Gesellschaft wurde 1892 von C. Acheson gegründet. Die verschiedenen Carborundpulver werden seit Juni 1892, die Schleifräder, Schleifsteine u.s.w. seit September 1892 fabricirt. Ausstellung von: Rohem Carborundum (dem Ofen entstammend); von gereinigtem Carborundum, von Carborundum in allen Feinheitsgraden, von Carborundumschleifsteinen und Rädern für die verschiedensten Zwecke und Anwendungen in der Industrie, Photographien u.s.w. Die Leistungsfähigkeit des Stoffs wird demonstrirt an härtestem Stahl, an Corund u.s.w. Die Ausstellung ist eine in jeder Hinsicht gelungene und originelle und muss als einzig dastehend bezeichnet werden, da das Siliciumcarbid eigentlich die einzige Erfindung der Neuzeit ist, welche auf noch unbetretenem Wege gemacht wurde. (Fortsetzung folgt.)