Titel: Hydraulisch-elektrische Kraftübertragung in Neuhausen und bei Saint-Etienne.
Fundstelle: Band 291, Jahrgang 1894, S. 161
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Hydraulisch-elektrische Kraftübertragung in Neuhausen und bei Saint-Etienne. Hydraulisch-elektrische Kraftübertragung. Die Oerlikon-Werke haben zu Neuhausen in der Schweiz und zu Saint-Victor-sur-Loire bei Saint-Etienne zwei elektrische Uebertragungen von Wasserkraft vorzüglich ausgeführt, über welche in Génie civil, 1893 Bd. 23 * S. 186, Folgendes mitgetheilt wird. (Vgl. 1894 291 * 135.) Die Anlage zu Neuhausen bei Schaffhausen war bis vor kurzem mit 4 Dynamo zu 150 , 1 zu 300 und 2 zu 600 ausgekommen; jetzt hat man sich für genöthigt erachtet, aus den 3 stärksten Dynamo und 4 neuen eine Gruppe von 3900 zu bilden. Die 4 neuen machen 150 Umdrehungen in der Minute und liefern 7500 Ampère bei 55 Volt; ihr Bau war besonders erschwert, weil mehrere Wochen hinter einander ohne jede Unterbrechung eine vollkommene Stetigkeit der Elektricitätserzeugung nothwendig ist. Die Achsen der neuen Dynamo liegen lothrecht und werden unmittelbar von der Turbine getrieben, deren Achse sich ebenfalls in lothrechter Stellung befindet. Das obere Zapfenlager ist auf dem Felgenkranze der Inductoren befestigt und dient der verlängerten Turbinenachse als Führung. Der Felgenkranz selbst bildet ein Ganzes mit dem Rahmen der Zwischendecke; sie trägt 24 auf ebensoviel Speichen angeordnete Pole. Die Welle trägt die inducirten Rollen und den Stromsammler; um letzteren liegen 120 Bürsten, welche mit einer besonderen Handhabe sich zugleich verstellen lassen. Die Maschine ist so gebaut, dass die Aenderungen in der Belastung die neutrale Zone des Feldes nicht merklich verrücken. Auch der Dienst der Dynamo ist sehr einfach. Jeder Betrieb, bestehend aus einer Turbine und einer Dynamo, ist auf 3 Stockwerke vertheilt; im untersten Theile liegt die Turbine, die Hohe der Dynamo ist auf 2 Stock vertheilt. In jedem Stock ist ein Fussboden für die Wärter hergerichtet. Die Turbinen stammen aus den Werkstätten von Escher, Wyss und Co. in Zürich. Das Gewicht der inducirten Rollen und ihres Zubehörs ist hydraulisch ausgeglichen, damit der Zapfen nicht überlastet wird. Während diese Dynamo Gleichstrom liefern, sind die in Saint-Victor-sur-Loire dreiphasige. Mitte 1891 war in Saint-Etienne ein Syndicat für die Anwendung des neueren Verfahrens zur elektrischen Kraftübertragung unter Benutzung der Fälle der Loire zusammengetreten. Ina December erhielt es die Ermächtigung zur Kraftverwerthung in der Stadt Saint-Etienne. Wegen des billigen Preises der Kraftabgabe konnte man nicht an eine Dampfcentrale denken; der nahe an der Stadt gelegene Wasserfall von Rochetaillée erwies sich als unbedingt ungenügend. Das Syndicat erlangte die Verfügung über einen Fall im Kanal von Forez, welcher 900 liefern konnte, und nach Befinden über eine Abzweigung der Loire, im Hinblick auf künftige Erweiterungen. Für jetzt handelt es sich bloss um die Ausnutzung des Falls im Kanal bei Châtelet, nahe bei Saint-Victor-sur-Loire. Die Kraftstation liegt auf dem Kanal von Forez, wenig entfernt von dessen Anfang. Die normale Leistung des überlassenen Kanals ist 11 cbm, seine Fallhöhe 8,50 m; mit hydraulischen Motoren von 0,75 Wirkungsgrad wären 935 verfügbar. Die Annahme von 11 cbm in der Ermächtigung setzt voraus, dass die Loire dem Kanal 15 cbm liefert. Bei grosser Trockenheit liefert der Fluss nicht so viel, und deshalb hat man eine Dampfmaschine aufstellen müssen, welche nur im Nothfalle arbeitet; es war dies aber weniger beschwerlich, als man voraussetzen konnte. Wäre der tägliche Verbrauch unveränderlich, was jedoch nicht zutrifft, weil im Sommer, wo die grossen Trockenheiten auftreten, der Kraftbedarf geringer ist, so würde nach der Statistik der Wasserfall 94,29 Proc. der jährlichen Arbeit liefern können; man braucht also von der Dampfmaschine nur 5,71 Proc. zu fordern. Nimmt man für den Kohlenverbrauch das Doppelte von dem vom Erbauer verbürgten, so würde der Kohlenaufwand 1,20 M. für 1 auf 1000 Beleuchtungsstunden und 3,60 M. für 3000 Stunden der Benutzung der Triebkraft betragen. Dies wird voraussichtlich zu viel sein, denn thatsächlich wird man nur im Sommer zur Dampfmaschine seine Zuflucht nehmen. In dieser Jahreszeit wird aber die für das Netz geforderte höchste Energie nie erreicht werden, da die Beleuchtung nicht vor Schluss der Werkstätten beginnt. Die Ersparniss an den obigen Angaben kann auf 30 bis 35 Proc. geschätzt werden. Die Aufstellung der Dampfmaschinen belastet das Unternehmen auch nicht übermässig. Die Erbauer haben Maschinen zu 160 M. für je 1 an Ort und Stelle geliefert; die Abschreibung einschliesslich der Verzinsung beläuft sich daher nur auf 16 M. Uebrigens kann man in keiner Wasserkraftanlage Dampfmaschinen zur Aushilfe entbehren, wenn man auf regelnlässige Arbeit mit Sicherheit rechnen will. Wahrscheinlich wird die verfügbare Kraft von 900 unzureichend werden. Dessen ungeachtet ist leicht zu bemerken, dass diese Kraft für 900 für Kraftlieferung und 900 für Beleuchtung ausreichen würde, wenn nicht die Stunden der Arbeit in jene der Beleuchtung hinübergreifen würden; für diese eine doppelte Leistung fordernden Stunden hat man glücklicher Weise zu einer hydraulischen Aufspeicherung greifen können, für welche sich das Gelände sehr günstig erweist. Man spart so während der Stunden schwacher Belastung Energie zum Verbrauch bei steigendem Bedarf. Die Station umfasst 3 Gruppen zu je 300 . Die Dreiphasendynamo wird nach Belieben unmittelbar mittels einer wagerechten Biétrix-Dampfmaschine getrieben oder unter Vermittelung von Zahnrädern von einer Singrün-Turbine. Die Achse der Turbine steht lothrecht, diejenige der Dynamo liegt wagerecht. Letztere macht 200 Umdrehungen in der Minute. Kuppelmuffe gestatten, sie mit Dampf oder hydraulisch zu treiben. Von der Anlage bei Châtelet laufen 2 Kraftvertheilungsleitungen aus, welche in Saint-Etienne enden und die eine über Saint-Just, mit Abzweigung nach Saint-Rambert, und Villard, mit Abzweigung nach Saint-Priest, die andere über Firminy, Le Chambon und La Ricamarie laufen, letztere mit einer Abzweigung mich Unieux. Endlich versorgt eine Querverbindung Saint-Genest und Roche la-Molière.