Titel: Neuere Locomotiven.
Autor: Fr. Freytag
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 8
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Neuere Locomotiven. Von Fr. Freytag. (Schluss des Berichtes Bd. 292 S. 153.) Mit Abbildungen. Neuere Locomotiven. Schnellzuglocomotive der französischen Staatsbahnen. Die in Chicago ausgestellte, von der Compagnie de Fives-Lille in Lille erbaute Locomotive „Patay“ zeigt nach Revue industrielle vom 30. September 1893 die neueste Abänderung der 128 viergekuppelten Schnellzuglocomotiven der genannten Verwaltung und ist zur Beförderung der Expresszüge auf der neu eröffneten Linie Paris-Bordeaux über Chartres und Saumur bestimmt. Die Ueberlegenheit der mit einer Steuerung mit getrennten Ein- und Auslasschiebern nach dem System Bonnefond (1890 277 * 55) arbeitenden Maschine in Bezug auf Unterhaltungskosten u.s.w. den bisherigen Schnellzuglocomotiven mit gewöhnlicher Schiebersteuerung gegenüber geht aus der nebenstehenden Tabelle hervor. Die Locomotive unterscheidet sich noch dadurch von den älteren Schnellzuglocomotiven der französischen Staatsbahn; dass die Kesselpressung von 12 auf 13 at erhöht und auch die Rostfläche beträchtlich vergrössert wurde. Die Cylinder sind mit aussenliegender Steuerung versehen. Die Hauptrahmen liegen hinter den Rädern; für die Achsbüchsen der hinteren Laufachse sind jedoch leichte Aussenrahmen Mittleres Traingewicht VerbrauchtesBrennmaterial Verbrauchtes Schmier-material Kosten der Unter-haltung für 1 km desTrains für 1000 Kilo-meter-Tonen von 1. Aprilbis31. December1891 von 1. Januarbis20. Juli 1892 t k k k M. M. Maschine mit  Steuerung nach  BonnefondGewöhnl. Ma-  schinen 127,5124,7   8,179  8,883   64,1  71,2 13,113,1   660,33  893,92   486,23  600,94 UnterschiedUnterschied in  Proc. – 0,704– 7,9 – 7,1– 9,97 – 233,59– 26,13 – 114,71– 19,09 angebracht, da die Feuerbüchse eine Lagerung in den Hauptrahmen nicht gestattet. Die vordere Laufachse mit Rippenscheibenrädern aus Schmiedeeisen ist mit Seitenverschiebung und Radialstellung nach System Ed. Roy versehen. Die Lastvertheilung ist folgende: Leergewicht der Locomotive 43000 k Gewicht von Wasser und Kohlen   4000 k Dienstgewicht 47000 k Vorderachse 13000 k Treibachse 14600 k Kuppelachse 14300 k Hinterachse   5100 k Adhäsionsgewicht 28900 k Die Federn der Treib- und Kuppelachse sind durch Balanciers verbunden, während die übrigen Federn selbständig sind. Weitere Hauptabmessungen der Locomotive sind: Mittlerer Durchmesser des Kessels 1,230 m Anzahl der Rohre 158 Innerer Durchmesser der Rohre 0,045 m Länge der Rohre 4,961 m Kesselspannung 13 at Heizfläche in der Feuerbüchse 9,45 qm          „       „  den Rohren 110,83 qm Gesammtheizfläche 120,28 qm Rostfläche 2,92 qm Durchmesser der Cylinder 0,440 m Kolbenhub 0,650 m Durchmesser der gekuppelten Räder 2,020 m            „           „   Vorderräder 1,320 m            „           „   Hinterräder 1,120 m Gesammtradstand 6,000 m Gesammte Länge der Maschine 10,163 m          „       Breite   „         „ 2,760 m Der Transport der Locomotive von New York nach Chicago über die Pennsylvania-Bahn veranlasste besondere Schwierigkeiten insofern, als die normale Spurweite in Frankreich etwas weiter ist als die amerikanische, und da auch die Krümmungen der genannten Bahn ganz bedeutend sind, musste die hintere Laufachse entfernt werden. Die Maschine hatte bereits einige Monate Dienst gethan, ehe sie nach Chicago abgesandt wurde. Schnellzuglocomotive der französischen Ostbahn. Das vermehrte Traingewicht, sowie die gesteigerte Geschwindigkeit der zwischen Frankreich, der Schweiz, Italien und Oesterreich verkehrenden internationalen Expresszüge, welche auf den Strecken der Ostbahn mit mittleren Geschwindigkeiten von nicht unter 75 km in der Stunde bei einem Traingewicht von zuweilen 220 t (einschliesslich Locomotive und Tender) über Troyes, Chaumont und Belfort befördert werden, führten zur Construction der in Fig. 1 und 2 ersichtlichen eigenartigen Locomotive mit einem zweiten, über dem gewöhnlichen Röhrenkessel liegenden Kessel von kleinerem Durchmesser als der erstere. Hiermit wurde eine gegenüber den bisherigen Schnellzuglocomotiven um etwa 50 Proc. grössere Kesselheizfläche geschaffen und der Wasserraum des Kessels auf beinahe das Doppelte seines bisherigen Inhaltes gebracht, so dass, da auch der Dampfraum ein entsprechend grösserer, selbst bedeutende und anhaltende Steigungen ohne beträchtliche Verminderung der Geschwindigkeit durchfahren werden können. Die Locomotive wurde nach den Plänen der Ingenieure Salomon und Flaman in den eigenen Werkstätten der Eisenbahngesellschaft zu Epernay erbaut. Textabbildung Bd. 293, S. 8Fig. 1.Schnellzuglocomotive der französischen Ostbahn. Beide Kessel bestehen nach Mittheilungen in The Engineer vom 4. März bezieh. Revue industrielle vom 16. Januar 1892 aus je drei Stahlplatten von 12,7 mm Dicke, die mittels einfacher Quer- und doppelter Längsnietung verbunden sind. Die hinteren Kesselschüsse sind durch eine entsprechend geformte eiserne Kümpelplatte an den Feuerbüchsmantel angeschlossen. Zur Verbindung von Ober- und Unterkessel bezieh. zum Tragen des ersteren dienen schmiedeeiserne Stutzen von grossem Durchmesser. Die Feuerbüchse enthält einen Tenbrink'schen flachen Sieder, dessen bekannte Construction in Fig. 1 angedeutet ist. Einige Hauptabmessungen des auf 12 at Arbeitsdruck geprüften Kessels finden sich nachstehend: Durchmesser des Unterkessels 1,295 m           „            „   Oberkessels 0,850 m Gesammtinhalt beider Kessel 7,946 cbm Anzahl der Siederöhren (Stahl) 323 Aeusserer Durchmesser der Siederöhren 0,040 m Wandstärke der Siederöhren 0,002 m Länge zwischen den Rohrwänden 4,300 m Heizfläche der Feuerbüchse         „       des Tenbrink-Sieders 13,01  2,25 15,86 qm          „       der Siederöhren 164,35 qm Gesarnmtheizfläche 180,21 qm Rostfläche 2,420 qm Wasserinhalt bei normaler Höhe (d.h. in    Höhe der Achse des Oberkessels) 6,154 cbm Dampfinhalt 1,792 cbm Als Heizstoff dient ein Gemenge von 80 Proc. Staubkohle mit 20 Proc. Briquettes. Die innere Feuerbüchse ist mit Ausnahme der aus gewelltem Stahlblech (System Fox) bestehenden, einen Halbkreis bildenden Decke, aus Kupferplatten von 13 bezieh. 26 mm (Rohrwand) Stärke zusammengenietet; ihre Breite beträgt unten 1,017, in der Achse des Unterkessels 1,033 m, die Länge in dieser Achse 2,116, unten 2,363 m und die mittlere Höhe 1,920 m. Die Rauchkammer hat einen inneren Durchmesser von 1194 mm und eine Länge von 1042 mm; im unteren Theile derselben befindet sich ein rechteckiger Ausschnitt für einen anschliessenden mit Klappe versehenen Zünderkasten, durch welchen auch die Ausströmrohre der vor den Kuppelrädern liegenden Cylinder treten. Der über der Feuerbüchse angeordnete Dampfdom trägt auf jeder Seite ein mittels Schraubenfeder direct belastetes Sicherheitsventil. Das Regulatorgehäuse sitzt auf dem vorderen Kesselschuss. Zwischen Regulatorgehäuse und Dampfdom liegt der Sandstreuer, von welchem aus senkrechte Rohre mit Dampfstrahlgebläse (System Gresham) vor die Kuppelräder führen. Die Cylinder haben 500 mm Durchmesser für 660 mm Kolbenhub. Die Trick'schen Kanalschieber bewegen sich in über den Cylindern liegenden geneigten Schieberkästen; die Dampfvertheilung erfolgt mittels Stephenson'scher Coulissen. Am Vordertheil der Maschine, wo sonst gewöhnlich die Cylinder liegen, haben Luftpumpe und Hauptluftbehälter für die Westinghouse-Bremse, welche mittels je eines Bremsklotzes auf die Treib- und Kuppelräder wirkt, Aufstellung gefunden. Das Leergewicht der Locomotive beträgt 49177 t, das Dienstgewicht mit 0,44 m Wasser über der Feuerbüchsdecke (500 k) und Brennmaterial auf dem Rost 55,831 t; dasselbe vertheilt sich wie folgt: Vorderes Drehgestell 23,093 t Kuppelräder 16,480 t Treibräder 16,258 t Das Adhäsionsgewicht beträgt 32,738 t, die mittlere Zugkraft (mit einem Coefficienten y = 0,65) 6,101 t, das Verhältniss beider demnach 5,37. Der sechsräderige Tender von 18110 k Leergewicht fasst 19,737 cbm Wasser und 5 t Brennmaterial; auf jedes Rad wirken zwei Bremsklötze. Weitere Hauptabmessungen von Locomotive und Tender sind nachstehend zu entnehmen: Schornstein:     Innerer Durchmesser 540 und 390 mm     Länge 1523 mm     Höhe über Schienenoberkante 4200 mm Rahmen:     Zwischen den Rahmen 1250 mm     Stärke 30 und 40 mm     Breite der Plattform 2800 mm     Höhe über Schienenoberkante 1445 mm Räder:     Durchmesser der Treibräder 2090 mm             „              „   Räder des Drehgestelles 1080 mm     Radstand der Treibräder 3000 mm     Von Mitte Kuppelachse bis Mitte Drehgestell 3500 mm Maschine:     Von Mitte zu Mitte Cylinder 2130 mm     Länge der Pleuelstangen 2830 mm        „       „   Kuppelstangen 3000 mm     Durchmesser der Kurbelzapfen 145 mm            „               „   Kreuzkopfzapfen 90 mm     Zapfen der Kuppelstangen vornhinten 100160 mmmm     Länge der Excenterstangen 1650 mm     Excenter- bezieh. Schieberhub 140 mm     Schieber langbreit 302370 mmmm     Aeussere Ueberdeckung 33 mm     Innere               „ 1 mm     Dampfeinströmkanäle langbreit 37045 mmmm     Dampfausströmkanäle langbreit 37086 mmmm Tender:     Gesammter Radstand 3900 mm     Von Mitte Vorderachse bis Mitte Mittelachse 2200 mm        „     „     Hinterachse    „     „           „ 1700 mm     Gewicht eines Radsatzes 1720 k Ueber Versuche, welche mit der Locomotive angestellt wurden, ist noch Folgendes zu berichten: 1) Zug von 600 t Traingewicht wurde auf Steigungen von 1 : 125 mit einer mittleren Geschwindigkeit von 20 km in der Stunde bewegt. 2) Züge mit 210 bis 220 bezieh. 140 t Traingewicht wurden mit mittleren Geschwindigkeiten von 76 bezieh. 90 km in der Stunde befördert. Die letztgenannten beiden Resultate ergaben sich auf der Strecke Paris-Châlons, welche abgesehen von kurzen Steigungen 1 : 170 im Verhältniss 1 : 333 andauernd steigt. Schnellzuglocomotive der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn. Die nach dem Verbundsystem mit einem Kesselüberdruck von 15 at arbeitende Locomotive besitzt, wie die The Engineer vom 7. October 1892 entnommene Abbildung (Fig. 2) erkennen lässt, ein vorderes vierachsiges Drehgestell und vier gekuppelte Treibräder, von denen die beiden hinteren unterhalb der Feuerbüchse liegen. Textabbildung Bd. 293, S. 9Fig. 2.Schnellzuglocomotive der Paris-Lyon-Bahn. Die Hochdruckcylinder von je 340 mm Durchmesser und 620 mm Kolbenhub sind ausserhalb der Innenrahmen nahezu in der Mitte derselben, die beiden Niederdruckcylinder von je 540 mm Durchmesser und demselben Kolbenhub an der Innenseite des Rahmens über der Mitte des Drehgestelles befestigt; erstere arbeiten auf die hintere, letztere auf die vordere Treibachse. Die Dampfvertheilung erfolgt bei allen Cylindern nach Heusinger v. Waldegg. Die Veränderung der Füllung bezieh. Umsteuerung der Maschine erfolgt mittels Handrad und Schraubenspindel durch Hilfsdampfcylinder für alle vier Cylinder gemeinsam, so dass in allen Stellungen das Füllungsverhältniss der Hoch- und Niederdruckcylinder dem günstigsten Wirkungsgrade entspricht; hierzu ist folgende Einrichtung getroffen. Bei der ersten halben Umdrehung eines Handrades öffnet sich ein Hahn, welcher Dampf in zwei Hilfssteuercylinder gelangen lässt, deren Kolben auf die Steuerstangen wirken. Bei fortgesetzter Drehung des Handrades wird alsdann ein Zahnbogen entlang einer festliegenden Zahnstange verschoben und gleichzeitig in Umdrehung versetzt. Auf der Achse des letzteren sitzen fest zwei unrunde Scheiben, welche von den Steuerstangen der Hoch- und Niederdruckcylinder umfasst werden und deren ungleichförmige Verschiebung bezieh. die Veränderung der Füllung in gewünschter Weise herbeiführen. Nach Erreichung des beabsichtigten Füllungsgrades wird das Handrad um eine halbe Umdrehung zurückgedreht, dadurch der Dampf von den Hilfscylindern wieder abgesperrt und die weitere Verschiebung des Steuergestänges unterbrochen. Unbeabsichtigte Drehungen des Handrades werden durch eine Federklinke verhindert. Mit den Hilfsdampfcylindern sind, um die Kolbenbewegungen zu massigen, Flüssigkeitsbremscylinder in üblicher Weise verbunden. Für das Anfahren kann unmittelbar Dampf in den Zwischenbehälter gelassen werden. Das Gewicht der Locomotive beträgt 47,8 t, von denen 8,9 t auf jede Achse des Drehgestelles und 15 t auf jede Treibachse kommen. Die früheren Schnellzuglocomotiven hatten ein Dienstgewicht von 53,51 (vgl. Zeitschrift d. V. d. I. 1890 S. 646). Die Gewichtsersparniss ist zum Theil durch den Ersatz der früheren kupfernen Feuerbüchse von 15 mm durch eine solche aus Stahlblech von 10 mm Wandstärke, zum grössten Theil jedoch durch den Ersatz der einfachen Kesselrohre durch solche mit Innenrippen nach Serve (1890 275 * 395) erzielt worden. Die Einführung der Serve-Rohre gestattete den Kessel kürzer zu halten und damit das Gewicht des in demselben eingeschlossenen Wassers zu verringern. Die Rohre besitzen jetzt eine Länge von 3,050 m, d.h. sie sind um 610 bis 915 mm kürzer, als die bisher zur Verwendung gekommenen glatten Rohre. Das Drehgestell trägt in der Mitte eine kugelförmige Pfanne, in welche sich ein am Maschinengestell befestigter Kugelzapfen legt. Die totale Heizfläche des Kessels beträgt 147,8, die Rostfläche 2,32 qm. Weitere Hauptabmessungen sind auf der Abbildung ersichtlich. Viergekuppelte Tenderlocomotive für leichte Züge der französischen Nordbahn. Die Nordbahn hat für ihre leichten Züge von Lille nach Tourcoing, von Boulogne nach St. Omer und von Liège-Longdoz nach Flémalle eine neue Art von Locomotiven eingeführt, die den besonderen Verhältnissen jenes Betriebes angepasst sind. Die zu befördernden Züge sind verhältnissmässig leicht, müssen jedoch häufig und in kurzen Zeiträumen anhalten und sollen den daraus erwachsenden Zeitverlust durch schnelles Anfahren und verhältnissmässig grosse Geschwindigkeit auf der Strecke ausgleichen; ausserdem haben sie sehr scharfe Curven zu durchfahren. Die für diesen Zweck gebauten Tenderlocomotiven haben nach den Revue generale de chemins de fer vom 1. Januar 1893 S. 3 entnommenen Mittheilungen in dem Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens vier Achsen, von denen zwei zu einem vorderen Drehgestelle vereinigt, die beiden anderen als Treibachsen gekuppelt sind. Sie erfüllen die Bedingungen leichten Ganges in Curven, einer starken Kraftentwickelung beim Anfahren und kurzen Achsstandes für 6,2 m Drehscheibendurchmesser. Die Hauptabmessungen sind: Rostfläche 1,57 qm Gesammte Heizfläche 85,0 qm Kesseldruck 10 at Treibraddurchmesser 1,664 m Cylinderdurchmesser 420 mm Kolbenhub 600 mm Betriebsgewicht 42,8 t Geringstes Reibungsnutzgewicht 24,8 t Die Cylinder sind aussen angeordnet, um wegen der häufigen starken Beanspruchungen beim Anfahren eine gekröpfte Achse zu vermeiden; die Schieber liegen innerhalb der Rahmen und werden durch Stephenson'sche Coulissen angetrieben. Das Drehgestell ist ohne seitliche Verschieblichkeit ausgeführt; es trägt den Locomotivrahmen durch zwei seitliche Gleitflächen, – der Drehzapfen ist unbelastet. Das Dampfauspuffrohr ist gespalten; ein Theil ist als gewöhnliches Blasrohr ausgebildet, der andere endet erst oberhalb des Schornsteins. Durch eine Stellklappe vor der Abzweigungsstelle kann man also den künstlichen Zug regeln. In Folge des häufigen Anfahrens wurde der künstliche Zug bei der gewöhnlichen Anordnung zu stark. Die Locomotiven können ihre leichten Züge mit einer Geschwindigkeit von 80 km in der Stunde befördern und Curven von 150 m Halbmesser durchfahren. Neue Schieberanordnung der Locomotiven der Orleans-Bahn. Die Orleans-Bahn hat seit einer Reihe von Jahren im Gegensatz zu anderen Bahnverwaltungen, welche neue Locomotiven ausschliesslich nach dem Verbundsystem bauen bezieh. in Auftrag geben, die Schieberanordnung gewöhnlicher Locomotiven so zu verbessern gesucht, dass trotz hoher Dampfspannungen und grosser Geschwindigkeiten immer noch eine vortheilhafte Ausnutzung und Vertheilung des Arbeitsdampfes erzielt wird. Von der Ansicht ausgehend, dass eine stetige Schieberbewegung bei schnell laufenden Maschinen besser ist, als eine ruckweise, und ferner empfindliche Steuerungstheile hier möglichst zu vermeiden sind, hat die Orleans-Bahn die Coulissensteuerung von Gooch beibehalten und nach den Vorschlägen von Durant und Lencauchez behufs Verlängerung der Expansion und besseren Regelung der Compression des Dampfes in ähnlicher Weise, wie dies seitens der französischen Staatsbahnen bereits früher geschehen ist, den Einströmschieber vom Ausströmschieber getrennt, so dass beide unabhängig von einander arbeiten können. Wir brachten bereits 1892 286 * 126 kurze Mittheilungen über die Construction der mit schwingenden Schiebern arbeitenden Steuerung von Durant und Lencauchez und lassen heute einige Angaben über Versuchsfahrten, welche mit Schnellzuglocomotiven der Orleans-Bahn angestellt wurden, folgen, aus denen die Ueberlegenheit der Steuerung von Durant und Lencauchez gegenüber der gewöhnlichen Schiebersteuerung hervorgeht. Die mit der erstgenannten Steuerung erzielten Vor- und Nachtheile lassen sich nach der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Maschinenindustrie vom Januar 1894 wie folgt zusammenfassen: Die Dampfabkühlung ist eine äusserst geringe, weil der kalte Abdampf vom frischen Dampf räumlich weit getrennt bleibt. Die grossen Einströmungsöffnungen vermindern den Spannungsverlust. Die schädlichen Räume sind sehr klein. Die Expansion des Dampfes ist verlängert, die Compression desselben dagegen verkürzt. Die Ausnutzung des Gegendampfes liefert mehr Widerstandsarbeit, weil die schädlichen Räume klein, das Voreilen der Ausströmung verkürzt ist. Die äusserst leichten Rundschieber geben wenig Schieberreibung. Die unterhalb der Cylinder angebrachten Ausströmschieber beseitigen auch das Niederschlagswasser. In Folge der Bewegung der beiden Schieberpaare durch eine Coulisse, welche für den Vorwärtsgang eingestellt ist, erhält man eine rückwärts schlecht arbeitende Steuerung, dies hat indess wenig Bedeutung, da Schnellzuglocomotiven fast nie rückwärts fahren. Bisher sind 11 Schnell- und 3 Eilgüterzuglocomotiven mit der Steuerung ausgestattet; erstere erreichen zuweilen 100 km Geschwindigkeit in der Stunde und zwar gegenüber den älteren Locomotiven mit besonderer Leichtigkeit. Die Steigung bei Etampes 1 : 125 auf 8 km Länge befahren sie z.B. bei gleichem Zuggewicht (150 bis 194 t) mit 7 bis 8 km grösserer Geschwindigkeit in der Stunde. Die erste dieser Locomotiven wurde nach 64694 km Fahrt zur Untersuchung gebracht; die Abnutzung aller Schieber war unerheblich, die Flächen waren völlig glatt. Die Gelenke des Steuergestänges schlössen fest an und die Excenterringe zeigten die gewöhnliche Abnutzung. Ausbesserung erforderten nur die Lagerbüchsen der auf den Schieberwellen sitzenden Hebel, sonst war keinerlei Nacharbeitung für die Wiederindienststellung nöthig. Eine der neugebauten Schnellzuglocomotiven wurde dauernd mit 19 der bisherigen verglichen; dieselbe brauchte mit 5352 k für 100 km 3,4 Proc. weniger Kohlen als die beste der übrigen, 15,2 Proc. weniger als der Durchschnitt und 24,5 Proc. weniger als die schlechteste Locomotive. Vor dem Umbau nahm dieselbe Locomotive 1891 die 21. Stelle in der Güteordnung der Locomotiven ein, ihr Führer die 5. Stelle unter den Führern – nach dem Umbau erreichten beide die 1. Stelle. An Schmiermitteln wurden 52 k gegen im Mittel 43 k im Jahre verbraucht. Textabbildung Bd. 293, S. 10Vergleichende Schaulinien. Zu erwähnen ist noch, dass gegenüber der 1892 286 * 126 beschriebenen Construction, der Steuerung die Bewegung der Auslasschieber bei der jetzigen Anordnung nicht mehr durch einen mittels Lenker geführten Hebel, sondern durch eine Stange, die an einem fest mit dem Cylinder verbundenen Doppelhebel angreift, erfolgt. In der Coulisse steht die Stange mit der Treibstange der Einlasschieber in fester Verbindung und wird zugleich mit dieser durch den Steuerhebel gehoben und gesenkt. Diese Aenderung ist deshalb getroffen worden, weil der bisher verwendete Evans'sche Doppelhebel mit Gelenkviereck bei grossen Geschwindigkeiten schädliche Schwingungen annahm. Bei den Güterzuglocomotiven ist der Zwischenhebel zur Bewegung der Auslasschieber weggelassen; diese werden dann durch eine Stange unmittelbar von der Coulisse her bewegt. Die Diagrammcurven (Fig. 3 und 4) lassen die jetzige und frühere Arbeitsweise der Locomotiven der Orleans-Bahn bezieh. die Vortheile, welche mit Anordnung der besprochenen Steuerung erreicht werden, namentlich die Verminderung des Gegendruckes proportional dem Wachsen der Geschwindigkeit, deutlich erkennen. Ueber die Abmessungen der Steuerung bezieh. einiger Locomotiven, an denen dieselbe zur Ausführung gekommen ist, sowie über weitere Versuchsresultate berichtet auch Le Génie Civil 1893. (Schluss folgt.)