Titel: Schrauben.
Fundstelle: Band 293, Jahrgang 1894, S. 107
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Schrauben. (Schluss des Berichtes S. 73 d. Bd.) Mit Abbildungen. Schrauben. V. Die Querschnittsform der Gewindegänge. Ebenso wie die abgewickelte cylindrische Schraubenlinie sich als ein rechtwinkeliges Dreieck darstellt, ebenso wird die gestreckte Gewindeleiste sich als ein schräges Stabprisma entwickeln (Fig. 16). Durch den Schneidstahl wird der Zwischenraum zweier Nachbarleisten entfernt, und da gewöhnlich beide Schneidkanten gleichzeitig zum Angriff kommen, so wird zur Erreichung gleicher Schneidwinkel für beide Kanten es erforderlich sein, die Stirnfläche des Schneidstahls winkelrecht zur Steigungslinie des Schraubengewindes einzustellen. Dadurch entsteht ein Schrägschnitt, welcher eine Aenderung des Kantenwinkels α hervorruft. Ist nun α der Spitzwinkel im gleichschenkligen Dreieck, der sogen. Kantenwinkel des Gewindequerschnittes (Fig. 17), so wird der Spitzwinkel t des Schneidstahls entsprechend kleiner. Textabbildung Bd. 293, S. 107Fig. 16. Sind s und h Gangsteigung und theoretische Gewindehöhe, sowie δ der Steigungswinkel und \frac{s}{2}\,cos\,\delta die Verkürzung, so ist tg\,\frac{\varepsilon}{2}=\frac{s}{2}\,.\,\frac{1}{h}\,.\,cos\,\delta die Tangente des halben Spitzwinkels ε. Nun ist bei Sellers' Gewinde (Fig. 2) der Gewindequerschnitt ein gleichseitiges Dreieck von der Seitenlänge s. Hieraus folgt \frac{h}{s}=cos\,\frac{\delta}{2} und dem entsprechend tg\,\frac{\varepsilon}{2}=\frac{1}{2}\,.\,\frac{cos\,\delta}{cos\,\frac{\alpha}{2}} die Tangente des halben Spitzwinkels ε. Beim deutschen Normalgewinde ist h = s, daher tg\,\frac{\varepsilon}{2}=\frac{1}{2}\,.\,cos\,\delta. Textabbildung Bd. 293, S. 107Fig. 17. Weil nun der Steigungswinkel für die verschiedenen Schraubengrössen wechselnd ist, so folgt natürlich auch für jede Schraubengrösse ein anderer Spitzwinkel ε für den Schneidstahl. Es ist ferner tg\,\delta=\frac{s}{\pi\,d_1}=\frac{1}{\pi\,\frac{d_1}{s}}=\frac{1}{\pi\,.\,i} worin i zwischen 5 und 9 liegt, die Tangente des Steigungswinkels. Die Einführung dieser Winkelgrösse t würde daher eine grosse Verwickelung hervorrufen, welche in keinem Verhältniss zum erwarteten Vortheil stände. Uebrigens sind diese Abweichungen so verschwindend klein, dass sie vernachlässigt werden können, wie es aus den folgenden Zusammenstellungen A und B zu ersehen ist. A. Amerikanische Schraube. Gewindedurchmesser d1 ¼ Zoll engl. Mittlerer Steigungswinkel δ   4° 11'   7''   2° 10' 57'' Kantenwinkel α 60° 60° Spitzwinkel ε 59° 52'   4'' 59° 57' 50'' Unterschied (αε)   7' 56''   2' 10'' B. Deutsche Normalschraube. Durchmesser: Steigung (d : s) (6 : 1) (36 : 4) mm Aeusserer Steigungswinkel δ1   2° 54,9'   1° 58,2' Kantenwinkel α 53° 8' 53° 8' Spitzwinkel ε 53°    7,8' 53°    6,2' Mittlerer Steigungswinkel δ   3°     2,53'   2° 30,5' Mittlerer Spitzwinkel ε 53° 4' 53°    5,7' Unterschied (αε) 4'    2,3' Textabbildung Bd. 293, S. 107Fig. 18. Wird aber ein Schneidstahlprisma vom Kantenwinkel γ (Fig. 18) und der Höhe h unter dem Winkel β gegen die Normale Ay zur Schnittebene AX geneigt angestellt und die obere schräge Stirnfläche l des Schneidstahls in die Schnittebene AX gebracht, so entsteht ein Gewindequerschnitt mit; dem Kantenwinkel α und der Dreieckshöhe l. Aus Fig. 18 folgt: tg\,\frac{\alpha}{2}=\frac{1}{2}\,.\,\frac{s}{l} und da \frac{s}{2}=h\,.\,tg\,\frac{\gamma}{2} und l=\frac{h}{cos\,\beta} ist, so folgt tg\,\frac{\alpha}{2}=\frac{k\,.\,tg\,\frac{\gamma}{2}}{\frac{k}{cos\,\beta}}=tg\,\frac{\gamma}{2}\,.\,cos\,\beta. Für γ = 60°; also \frac{\gamma}{2}=30\,^{\circ} und β = 15° folgt: tg\,\frac{\alpha}{2}=0,577\,.\,0,966=0,5574 also \frac{\alpha}{2}=29^{\circ}\,8,85'; demnach α = 58° 17,7' als Kantenwinkel des Gewindequerschnittes. Diesen Kantenwinkel α = 58° 17,7' für den Gewinde querschnitt ermöglichen Bariquand und Marre mit dem in Fig. 19 bis 21 vorgeführten Schneidstahlhalter und einem Schneidstahl, dessen Normalschnitt ein gleichseitiges Dreieck mit dem Spitzwinkel γ = 60° bildet. VI. Die Gewindetiefe. Ist s die Steigung oder Ganghöhe und h die Gangtiefe bezieh. die Grundlinie und Höhe des gleichschenkligen Gewindedreiecks, so bestimmt dessen Lage am äusseren Gewindedurchmesser bezieh. am Kerndurchmesser die radial gemessene Gewindetiefe t. Da aber die Gangtiefe h mit dem Kantenwinkel a wechselt, dieser aber in fester Beziehung zur Ganghöhe oder Steigung s steht, so berechnet sich ohne weiteres aus a und s die Gangtiefe h. Textabbildung Bd. 293, S. 108Schneidstahlhalter von Bariquand und Marre. Es ist tg\,\frac{\alpha}{2}=\frac{1}{2}\,\frac{s}{h} bezieh. h=\frac{s}{2\,.\,tg\,\frac{\alpha}{2}} Zum Beispiel für α = 60° bezieh. \frac{\alpha}{2}=30^{\circ} wird tg 30° = 0,5774 h=\frac{s}{2\,.\,0,5774}=\frac{s}{1,1548}=0,8658\,.\,s abgerundet h = 0,87.s. Für Schraubengewinde mit dem Kantenwinkel α entstehen Gangtiefen h: System α h Sellers 60° 0,87 s Bariquand 58° 18' 0,90 s Whitworth 55° 0,96 s Deutsche Normalschraube 53° 8' 1,00 s Französische Südbahn 43° 36' 1,25 s Ganz, Feinmechanik 40° 1,37 s Französische Mittelmeerbahn 36° 52' 1,50 s Von dieser Gangtiefe ist die äussere und innere Abkantung in Abzug zu bringen. Aeussere und innere Abkantung gleich: System scharf abgerundet WhitworthAbrundungshalbmesser ρ = 0,14 s Gerades Flankenstück l = 0,55 s.Mittelmeerbahn h System scharf abgerundet Französische Südbahn 1/6,25h          „           Marine 1/7h SellersDeutsche Normal h Französische NordbahnPolonceau h Steinlen 1/10h Französische Staatsbahn 3/40h Poulot äussereinnere 1/10h1/20h Franz. Artillerie äussereinnere 1/10h1/20h Die Gewindetiefe t.t = h – (äussere + innere) Abkantung. Französische Marine t = 5/7h = 0,621 s Whitworth h = 0,64 s Sellers ¾ h = 0,652 s Steinlen h = 0,696 s PoulotFranzösische Artillerie 17/20h = 0,7395 s Deutsche Normalschraube ¾ h = 0,75 s Französische Staatsbahn            „        Südbahn 17/20h = 0,85 s Mittelmeerbahn h = 1,00 s Französische Ostbahn t = (s – 0,5 mm) veränderlich. Das gerade Flanken stück ist bei scharfer Abkantung l=\frac{t}{cos\,\frac{\alpha}{2}} hingegen ist das zwischen den Abrundungsbögen liegende gerade Flankenstück von der Grösse des Abrundungshalbmessers mitbedingt. Dieses Flankenstück ist jedoch bestimmend für die Flächenpressung auf die Gewindefläche. Das gerade Flankenstück l. α l l 1 Sellers 60° 1,16 t 0,756 s Bariquand 58° 18' 1,15 t Whitworth 55° 1,14 t 0,73 s* Deutsche Normalschraube 53° 8' 1,12 t 0,84 s Französische Südbahn 43° 36' 1,08 t 0,918 s Ganz 40° 1,06 t Mittelmeerbahn 36° 52' 1,05 t 1,05 s Poulot (abgerundet) 60° 1,16 t 0,858 s * Das gerade Flankenstück beträgt l1 = 0,55 s. In der folgenden Uebersicht C sind die soeben angeführten Unterschiede zwischen Kantenwinkel, Gangtiefe, Abkantung, Gewindetiefe, sowie Flankenlänge für die verschiedenen Schraubensysteme geordnet zusammengestellt, während in der Uebersicht D das englisch-amerikanische Schraubensystem von Whitworth und Sellers gegliedert vorgeführt wird. C. Kantenwinkel, Gangtiefe u.s.w., verschiedener Schrauben. Textabbildung Bd. 293, S. 108 Aeussere Fase; Schraubensystem; Kantenwinkel; Gangtiefe; scharf; rund; Innere Fase; Gewindetiefe; Flankenlänge; Bemerkungen; Sellers; Französische Marine; Poulot; Steinlen; Bariquand; Whitworth; Preussische Staatsbahn; Deutsche Normalschraube; Französische Artillerie; Französische Nordbahn; Französische Staatsbahn; Französische Ostbahn; Polonceau; einschliesslich der Abrundung.; Französische Südbahn; Ganz, Feinmechanik; Französische Mittelmeerbahn; Fig. 2; Fig. 3; Fig. 6; Fig. 4; Fig. 5; Fig. 7; Fig. 8; Fig. 9; Fig. 12; Fig. 11; Fig. 10; Fig. 13; Fig. 14. D. Schraubensystem: Whitworth, Sellers und Normal der preussischen Staatsbahn. Textabbildung Bd. 293, S. 109 Gewindedurchmesser d1; ⅛ Zoll; mm; Kerndurchmesser d2; Gangzahl; auf 1 Zoll; auf 8d; Steigung s in mm; Gewindetiefe t; Whitworth; Sellers; Preuss. Staatsbahnen; Schaftdurchmeser; abgedreht; ungedreht; Anmerkungen; Fase; Sellers scharf; Whitworth mit ρ = 0,14s abgerundet E. Deutsche Normalschraube für Feinmechanik. Gewinde-durch-messer Kern-durchmesser Steigung Gewindetiefe d 1 d 2 s t 1,0     0,625   0,25       0,1875 1,2     0,825   0,25       0,1875 1,4   0,95 0,3     0,225 1,7     1,175   0,35       0,2625 2,0 1,4 0,4 0,3 2,3 1,7 0,4 0,3 2,6     1,925   0,45       0,3375 3,0    2,25 0,5     0,375 3,5 2,6 0,6   0,45 4,0    2,95 0,7     0,525 4,5    3,75   0,75       0,5625 5,0 3,8 0,8 0,6 5,5    4,15 0,9     0,675 F. Deutsche Normalschraube des Vereins deutscher Ingenieure 1893.* Ge-winde-durch-messer Kern-durch-messer Ge-winde-tiefe Stei-gung Schlüs-selweite Anmerkungen d 1 d 2 t s w   5   Kantenwinkel α = 53° 8'   6     4,50   0,75 1,0 12 (Winkel an der Spitze des   7     5,35     0,825 1,1 14 in das Quadrat h × h ein-   8     6,20 0,9 1,2 16 gezeichneten gleichschenk-   9     7,05     0,975 1,3 18 ligen Dreiecks). 10     7,90   1,05 1,4 20 12     9,60 1,2 1,6 22 h = s, scharfe Fase \frac{k}{8}. 14   11,30   1,35 1,8 25 16   13,00 1,5 2,0 28 Gewindetiefe: 18   14,70   1,65 2,2 31         t = ¾ h 20   16,40 1,8 2,4 34 oder t = 0,75 s. 22   17,80 2,1 2,8 37 24   19,80 2,1 2,8 40 26   21,20 2,4 3,2 43 28   23,20 2,4 3,2 46 30   24,60 2,7 3,6 49 32   26,60 2,7 3,6 52 36 30,0 3,0 4,0 58 40 33,4 3,3 4,4 64 * Zeitschrift 1893, Bd. 37 Nr. 46 * S. 1440. Zur nothwendigen Ergänzung ist ferner in der Uebersicht E die deutsche Normalschraube für Feinmechaniker und in der Uebersicht F das deutsche Normalschraubensystem des Vereins deutscher Ingenieure 1893 gegliedert vorgeführt, wie es als Endergebniss der Vorschläge von Delisle, Saarbrücken, Reuleaux u.a. sich ergibt. Zum Schluss möge noch die Gill'sche Schraube (Fig. 15, S. 74) mit Trapezgewindequerschnitt Erwähnung finden.