Titel: Telegraphiren durch Induction mittels Spulen.
Fundstelle: Band 294, Jahrgang 1894, S. 62
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Telegraphiren durch Induction mittels Spulen.Elektr. Zeitschr. Telegraphiren durch Induction mittels Spulen. Bekanntlich sind in England bereits mehrfach Versuche angestellt worden, um ohne Leitungen, d.h. durch blosse Inductionswirkung zwischen parallel ausgespannten Drähten über grössere Entfernungen hinweg zu telegraphiren. Schon im J. 1892 hatte Charles A. Stevenson (vgl. Engineer, Bd. 73 S. 292) einen ähnlichen Vorschlag gemacht. Nachdem in letzter Zeit mit diesem System Versuche in grösserem Maasstabe angestellt worden sind zu dem Zwecke, zwischen dem auf der britischen Insel Muckle Flugga gelegenen North Unst-Leuchtthurm und einem Punkte auf dem Festlande und von diesem nach der etwa 3,5 km entfernten Leuchtthurmstation zu Burrafiord eine Verbindung herzustellen, berichtete Stevenson am 19. März 1894 vor der Royal Society of Edinburgh über diese Versuche. Wir geben nachstehend diesen Bericht nach einem Auszuge in The Electrician wieder. Zunächst wurden eine Anzahl von Laboratoriumsversuchen angestellt, um die Gesetze der Wirkung von Spulen auf einander zu erforschen und danach die Zahl der Drahtwindungen, den Durchmesser der Spulen, die Stromstärke und den Widerstand der Spulen zu bestimmen, welche zu einer erfolgreichen Correspondenz mit Muckle Flugga erforderlich sein würden, und nach einer sorgfältigen Untersuchung ergab sich, dass die Entfernung von 780 m mit Sicherheit mittels eines Stromes von 1 Ampère mit Spulen von 9 Windungen 4,2 mm dicken Eisendrahtes und einem Durchmesser der Spulen von 183 mm überwunden werden könnte. Zu bemerken ist hierzu, dass es bei grösseren Entfernungen vortheilhafter ist, dass die Ebenen der Spulen zusammenfallen, so dass also die Spulen nicht parallel zu einander und senkrecht aufgestellt sind, sondern wagerecht liegen. Stehen die Spulen parallel zu einander; so ist bei grossen Entfernungen der Unterschied in den Entfernungen des obersten Punktes der primären Spule von dem obersten und untersten Punkte der secundären Spule ein verschwindend kleiner und umgekehrt, während bei der Lage in derselben Ebene die Differenz der Entfernungen der beiden am weitesten von einander entfernten und der am nächsten liegenden Punkte viel beträchtlicher und die Wirkung daher eine bessere ist. Auch ist es nicht gut angängig, Spulen von erheblichem Durchmesser senkrecht aufzustellen, während die wagerechte Aufstellung im Allgemeinen keine Schwierigkeiten macht. Im Uebrigen kommt es auf die besondere Form der Spule, mag dieselbe nun kreisförmig oder rechteckig sein, nicht so sehr an. Es wurden zwei Spulen, von Mittelpunkt zu Mittelpunkt etwa 780 m von einander entfernt, zu Murrayfield, die eine auf dem Landgute Damhead, die andere auf dem Landgute Saughton aufgestellt. Die Disposition beider war, so weit als möglich, die gleiche und ihre Dimensionendie nämlichen, wie bei den zu Muckle Flugga in Anwendung zu bringenden Spulen. Bei der Aufstellung der Spulen erwies sich zuerst die Verständigung als unmöglich in Folge der Inductionsströme von den Telegraphenlinien Edinburgh-Glasgow. Die auf diesen Linien beförderten Depeschen konnten sehr leicht abgelesen werden, obwohl die Spulen vollständig isolirt und nicht mit Erde verbunden waren. Das von der North British Railway Company auf ihren Linien verwendete Phonophor gab einen nahezu constanten musikalischen Ton, welcher die Beobachtungen vollständig verhinderte. Nachdem der Betrieb des Phonophores eingestellt war, fand man, dass 100 Trockenelemente, jedes von 1,2 Ohm Widerstand und 1,4 Volt Spannung, gute Resultate gaben, indem die Mittheilungen mit grosser Leichtigkeit an der secundären Spule mittels zweier Telephone verstanden wurden. Die Anzahl der Elemente wurde dann bis auf 15 reducirt und die Depeschen konnten noch leicht verstanden werden. Der Widerstand des primären Stromkreises betrug 24 Ohm und der des secundären nicht weniger als 260 Ohm. Hätte der Stromkreis aus gutem Eisen bestanden mit gelötheten Verbindungen und mit guten Erdverbindungen, so würde der Widerstand nur 60 Ohm gewesen sein. Die Berechnung des Durchmessers der Spule, welcher erforderlich ist, um über eine gegebene Entfernung in dieser Weise sich zu verständigen, ergibt sich einfach aus dem Umstände, dass die Hörweite der Quadratwurzel aus dem Durchmesser jeder der Spulen oder bei gleich grossen Spulen direct dem Durchmesser der beiden Spulen proportional ist, derart, dass bei einer gegebenen Anzahl von Ampère und Anzahl der Windungen die doppelte Hörweite den doppelten Durchmesser der Spulen oder die doppelte Anzahl der Windungen u.s.w. erfordert. Dies gilt jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen, denn wenn die Spulen dicht bei einander sich befinden, gelten die Gesetze nicht mehr. Der Verfasser beschreibt dann kurz einige Versuche, welche zu dem Zwecke angestellt wurden, um die relativen Vortheile des Systemes paralleler Leitungen und des Systemes der Spulen zu prüfen, wobei sich die Ueberlegenheit des letzteren herausstellte. Bezüglich der Frage, ob das System der parallelen Leitungen durch Induction oder durch Leitung wirkt, behauptet der Verfasser, dass dies davon abhängt, in welcher Weise die Enden mit der Erde verbunden sind, oder mit anderen Worten, welches die zu überwindende Entfernung im Verhältniss zur Breite der Basis ist. Wo die Drähte im Vergleich der zu überbrückenden Entfernung lang sind, ist die Leitung der Hauptbetriebsfactor, wenn aber die Basis kurz ist und die zu überbrückende Entfernung gross, so ist die Induction der Hauptfactor und die Zahl der Windungen vermehrt dann die Wirkung. Die Primärspule bei den Versuchen zu Murrayfield war isolirt, wie es in Muckle Flugga ebenfalls der Fall sein musste, da die Unmöglichkeit der Herstellung und Unterhaltung der Seeverbindungen dies erfordert, und die Secundärspule war an Erde gelegt, wie es auch für Muckle Flugga am zweckmassigsten sein würde. Bestand auch die Secundärspule aus einem vollständigen isolirten metallischen Stromkreis, so schien dies auf das Resultat keinen grossen Unterschied zu machen. Bezüglich einer von Preece gelegentlich der Beschreibung seiner Versuche gemachten Bemerkung, dass nämlich bei dem Telegraphiren nach Schiffen nur dann Resultate erzielt worden seien, wenn der Empfangsdraht auf der Oberfläche des Wassers schwamm, dagegen nicht, wenn er untertauchte, und dass dies der Reflection der elektromagnetischen Wellen an der Wasseroberfläche zuzuschreiben sei, ist der Verfasser der Ansicht, dass dieser Grund höchst unwahrscheinlich sei, da elektromagnetische Wellen in Salzwasser praktisch unbeeinflusst eintreten bezieh. aus demselben heraustreten. Der Grund, weshalb in den Versuchen Preece's bei eintauchendem Drahte keine Verständigung möglich war, sei vielmehr der, dass der Draht zum grösseren Theile auf einer äquipotentiellen Linie lag. Vom Verfasser angestellte Versuche bewiesen, dass bezüglich der Fortpflanzung elektromagnetischer Wellen in der Luft und im Salzwasser kein praktischer Unterschied besteht. Von der Commission für die Leuchtthürme an der britischen Nordküste ist auf Vorschlag des Bruders des Verfassers beschlossen worden, ein solches Spulensystem zur Uebermittelung von Nachrichten auf Muckle Flugga zu errichten, und man dürfte daher bald von diesem neuen System der Nachrichtenvermittelung weiteres zu hören bekommen. Die Verlegung und Unterhaltung eines submarinen Kabels an diesem nördlichsten Punkte der britischen Inseln ist praktisch möglich. Wenn sich das System bewährt, so dürfte der Anwendung desselben zur Verbindung von Leuchtthürmen oder Seeschiffen mit der Küste oder von Seeschiffen unter einander ein weites Feld offen stehen.