Titel: Vorrichtungen und Verfahren zur Verbrennung von Wirthschaftsabfallstoffen.
Fundstelle: Band 296, Jahrgang 1895, S. 16
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Vorrichtungen und Verfahren zur Verbrennung von Wirthschaftsabfallstoffen. Mit Abbildungen. Vorrichtungen und Verfahren zur Verbrennung von Wirthschaftsabfallstoffen. Wir haben im vorigen Jahre (1894 294 * 108) über den Ofen von Rich. Schneider (D. R. P. Nr. 75322) berichtet. Auf Grund neuerdings angestellter Versuche, zu welchen ein sorgsam ausgewähltes, aus Berlin bezogenes Müllmaterial verwendet worden ist, das in einem Tiegelofen der Sächsischen Gusstahlfabrik verbrannt und demnächst einer chemischen Analyse unterworfen wurde, kommt der genannte Erfinder zu nachstehendem Ergebniss: „Durch, diese Versuche ist auf jeden Fall festgestellt worden, dass das Müll, wenn auch die Zusammensetzung desselben eine sehr wechselnde sein wird, doch als ein für den von mir vorgeschlagenen mit ihm vorzunehmenden Process günstiger und im Allgemeinen als ein leicht schmelzender Körper bezeichnet werden muss, aus welchem sich ohne oder mit ganz geringen Zuschlägen ein sehr brauchbares und werthvolles Baumaterial für die von mir bezeichneten Zwecke erzielen lässt. Textabbildung Bd. 296, S. 17 Fig. 1.Verbrennungseinrichtung für Abfallstoffe. Die Bezeichnungen sind: a Magazin, b Laboratorium, c Trockenraum, d Fahrstuhl, e Maschinenraum, f Kesselhaus, g Mühle, h Lagerraum. Es haben diese Versuche aber auch fernerhin ergeben, dass das, was ich über das Müll und seine Verwerthung auf Grund meiner langjährigen Praxis annahm, eingetroffen ist, und dass die von anderer Seite erhobenen Bedenken und Widersprüche als hinfällig zu erachten sind.“ Zwar erklärt der Erfinder selbst die angezogenen Versuche nur als vorläufige, doch sollen in Kürze vorzunehmende Versuche im Grossen über einzelne noch unerledigte Punkte den nöthigen Anhalt geben. Bei der Wichtigkeit der beregten Frage lassen wir in Nachstehendem einige Mittheilungen folgen, die nach Génie civil von amerikanischen Zeitschriften über dort übliche Verfahren zur Verbrennung und Verwerthung von Wirthschaftsabfällen gemacht werden. Das System Merz wird zur Zeit in vier grossen Städten verwandt, nämlich in: Saint-Louis mit 452000 Einwohnern Buffalo 256000 Detroit 206000 Milwaukee 204000 In den beiden erstgenannten Städten wird der Transport der Abfälle durch besondere Unternehmer bewerkstelligt, während in den letztgenannten die Unternehmer der Verbrennungsanstalt auch den Transport besorgen. Die Einrichtung von Saint-Louis, welche wohl die vollkommenste ist, zeigt Fig. 1. Uebrigens besitzt Saint-Louis zwei solcher Anlagen nach dem Merz'schen System; die ältere ist zur täglichen Verbrennung von 100 t Abfallstoffen eingerichtet und kostete 740000 M., die zweite kostete bei doppelter Leistung 1100000 M. Die Einrichtung enthält 12 Kessel für insgesammt 125 , welche mit Kohle geheizt werden, in deren Feuerung aber zugleich die Verbrennung der aus dem Trockenraum herrührenden schädlichen Gase bewirkt wird. Der Maschinenraum enthält eine Corliss-Maschine von 250 , einen Ventilator von 60 , 2 Dynamomaschinen, 3 doppeltwirkende Pumpen für 2000 cbm und 2 kleinere von 900 cbm täglicher Leistung. Der grosse „Reductionsraum“ hat bei 39 m Länge eine Breite von 18 m; in ihm befinden sich 16 Trockner nach dem System Wiselogel in zwei Reihen aufgestellt; die unteren Räume dienen zum Sortiren, sie enthalten 8 Aufgebetrichter und 4 „Extracteure“ nach Preston. Die Unrathwagen kommen auf dem in Höhe der Strasse liegenden dritten Stockwerk an; sie werden gewogen und in einen der Trichter, dessen Deckel man so lange zurückschlägt, geleert. Der Wagen wird vor Verlassen des Gebäudes mit heissem Wasser gereinigt. Die Trichter werden durch eine Thür in den Separirraum entleert; man entfernt zunächst Metallsachen, bevor man die Abfallstoffe in die Trockenapparate fallen lässt. Die Trockner (Fig. 2) bestehen aus ovalen Blechcylindern von 4,80 m Länge, 1,20 m Breite und 1,50 m Höhe; sie sind fest fundamentirt und das Kneten der Masse wird durch Eisen arme, die an einer Eisenwelle befestigt sind, bewerkstelligt; durch einen Doppelboden, in dem Dampf circulirt, wird die Masse erwärmt. Die Gase, welche während dieser Operation entweichen, werden wie alle die, welche von den Saugeröhren zum Aufgebetrichter und Kamin abgehen, in einem Condensator mit zerstäubtem Wasser gereinigt. Das Wasser, welches aus diesen Apparaten abfliesst, enthält stickstoffhaltige Verbindungen. Die Arbeit des Trockners und die Bewegung des Materials in demselben geschieht selbsthätig; die getrockneten Producte fallen durch eine hinten im Apparat befindliche Oeffnung auf ein Tuch ohne Ende, auf dem sie zu einem Elevator, der sie in die dritte Etage zu den Extracteurs zurückbefördert, gebracht werden. Textabbildung Bd. 296, S. 17 Fig. 2.Trockner. In den Extracteurs wird mittels eines Dampfmantels eine gemässigte Temperatur erhalten, während zugleich durch Naphta die Fette ausgezogen werden. Diese Arbeit dauert einige Stunden. Die erzielten festen Rückstände werden gesiebt und, wenn nöthig, gemahlen, während aus der fettigen Flüssigkeit die Oele abgetrennt werden, diese bilden ein werthvolles, wenn auch weniger bedeutendes Nebenproduct als die festen Stoffe. Versuche, die in Saint-Louis in grossem Maasse angestellt wurden, ergaben, dass man durchschnittlich 16 Proc. feste Stoffe erhält, deren Preis als Düngemittel für die Landwirthschaft zwischen 35 und 50 M. die Tonne schwankt, während die Fette zu niedrigen Preisen an Seifenfabriken geliefert werden. Von 100 t Abfallstoffen bekam man für 640 M. Düngemittel und für 130 M. Fette. In gesundheitlicher Beziehung hat das Sanitätscollegium von Saint-Louis Untersuchungen angestellt, die sehr günstig ausgefallen sind, denn es konnten weder schädliche Gerüche, noch schädliche Abwässer nachgewiesen werden. Die wirthschaftlichen Ergebnisse sind noch schwer zu übersehen. Die Unternehmer in Buffalo und Saint-Louis berechneten, dass sie mit der Vergütung von 7 bis 8 M. für die Tonne, welche die Städte ihnen bis zu 100 t für den Tag und für jede Fabrik bewilligt haben, Vortheil erzielen; diese Zahlen scheinen jedoch etwas zu hoch zu sein. Bei der Verarbeitung der Abfallstoffe in New York muss man dagegen die erheblichen Ausgaben, welche in grossen Städten durch Strassenreinigung und durch den Transport der Abfälle aufs Land oder ins Meer verursacht werden, in Betracht ziehen. New York gibt jährlich nahezu 9 Millionen Mark für diese Zwecke aus, davon 3 für Strassenkehren, 2½ für die Abfuhr der Schmutzhaufen und den Rest für Verwaltungs- und Unternehmerkosten. Die Verarbeitung des Unraths in einigen gut gelegenen Fabriken würde wegen der Ersparnisse im Transport selbst dann kaum theurer werden, wenn die Tonne mit 8 M. bezahlt würde. Bei dieser Lage der Dinge hat die hygienische Commission Studien über die verschiedenen Verfahren bei der Zerstörung des Abfalles angestellt. 70 Fälle sind untersucht worden; von diesen vertheilten sich 17 auf vollständige Verbrennung der Abfälle, ein Versuch bezieht sich auf einen fahrbaren Ofen, 6 auf blosse Verbrennung der Wirthschaftsabfälle, 7 auf Düngerfabrikation und Extraction der Fette. Die Commission studirte die Einrichtungen anderer Städte der Vereinigten Staaten und es gefiel ihr das System Merz, welches nach den Beobachtungen im Durchschnitt 26,5 Proc. Dünger von 37,20 M. Werth für die Tonne und 3,25 Proc. Fette von 30 M. Werth für die Tonne producirt, am meisten. Für New York schätzt die Commission das Ergebniss auf nur 7,4 Proc. von mindestens 40 M. Werth für die Tonne, was für 800 t täglich 2368 M. machen würde. Dieser geringe Ertrag kommt daher, dass man Abfälle aller Art mischt; die Commission kommt in Rücksicht hierauf zu folgenden Grundsätzen: 1) Jede Entleerung der städtischen Abfälle in den Hafen oder die zugehörigen Gewässer muss unbedingt verhindert werden. 2) Die Vorschriften, die den Einwohnern gebieten, die Küchenabfälle von der Asche und den anderen Abfällen zu trennen, sind zu verschärfen und genau durchzuführen. 3) In jedem Hause sollen die Wirthschaftsabfälle in mit Deckel versehenen Gefässen von galvanisirtem Eisen, deren Grösse eine leichte Handhabung gestattet, gesammelt werden. 4) Die Abfallstoffe werden täglich durch städtische Wagen entweder provisorisch auf öffentliche Ablagerstätten gefahren oder in Specialgefährten durch die Unternehmer zur endgültigen Verarbeitung der Abfälle abgeführt. 5) Die Abfallstoffe werden einem Extractionsverfahren unterworfen, wodurch Dünger und Fette aus denselben gewonnen werden. Um den möglichsten Nutzen aus den Einrichtungen zu ziehen, eröffnet die Stadt unter den Gesellschaften, die das Verfahren ausüben, einen Wettbewerb. Da die Einrichtungen für eine so grosse Stadt naturgemäss bedeutende Kosten verursachen, so müssen die Verträge, um eine Gewähr für die Kosten zu bieten, auf mindestens 10 Jahre zu guten Bedingungen bei Uebernahme des Vertrages abgeschlossen werden. Für gute Ausführung der Fabriken in Hinsicht auf Gesundheit, Reinlichkeit, täglichen Transport aller Abfälle zu den Apparaten muss man ausreichende Bürgschaften verlangen. Die Fabriken müssen sich an günstig gelegenen Punkten ausserhalb der Stadtgrenzen befinden. Textabbildung Bd. 296, S. 18 Fig. 3.Thackerey's Verbrennungseinrichtung für Abfallstoff. 6) Die unverwendbaren Rückstände würde man zu Anfüllungen verwenden, bis dahin, wo vielleicht die Abfälle mit grösserem Nutzen als Düngemittel benutzt werden können. 7) Zum Transport der Abfälle verwende die Stadt Fahrzeuge, welche ganz aus Eisenconstruction bestehen und mit Deckeln geschlossen werden, denen womöglich mechanische Kehrapparate angehängt sind. Ueberall, wo sich durch das Kehren Staub bilden könnte, müssen die Strassen bewässert werden. 8) Jeder Wagen, in dem Abfälle gefahren wurden, muss, nachdem er abgeladen ist, gewaschen und desinficirt werden, bevor er die Fabrik verlässt. Endlich weist die Commission auf die Nothwendigkeit hin, Entschlüsse zu fassen und die Projecte ohne Verzögerung zu prüfen. Sie bemerkt, dass ohnehin der Aufschub schon 6 Monate dauern würde, es sei jedoch Zeit, dass New York in Bezug auf Reinlichkeit den Rang unter den Grosstädten einnehme, der ihm seiner Grösse nach zukomme. Thackerey's Anordnung (Fig. 3). Die Thackerey-Oefen halten zwischen den Herdöfen und den Flammöfen die Mitte. Ihre Form ist der schräg liegende Konus, in den man die frischen Abfälle wirft. Die Heizung geschieht von einem mit beweglichen Stäben versehenen Rost aus; zur schnelleren Verbrennung dient künstlicher Zug. Textabbildung Bd. 296, S. 19 Fig. 4.Mackay's Verbrennungsofen. Günstig für das Unternehmen sind die Berichte der hygienischen Commission in Montreal. Dem Vertrage gemäss musste der Unternehmer einen Apparat liefern, der in 12 Abtheilungen innerhalb 24 Stunden 150 t Abfälle verarbeitete, zu einem mittleren Preis von 72 Pf. die Tonne, was einem Ertrag von 3,60 M. in der Stunde entspricht. Während der 6 Tage langen Versuchszeit hat man mit 10 Feuern, von denen aber 2 während 4 Tagen nicht benutzt waren, 811,5 t Abfälle verarbeitet, also 111,5 t mehr als vertragsmässig bedungen waren. Die 12 Herde könnten demnach zusammen täglich 216 t verarbeiten. Die Kosten stellten sich wie folgt: Lohn für den Betriebsleiter für den Tag   14,40 M. 6 Heizer und 2 Arbeiter 110,40 ––––––––––– Im Ganzen 124,80 M. Ist der Apparat nicht mit Brennstoffen versehen, so genügt die von den Abfällen ausgehende Hitze, um die Temperatur auf der nöthigen Höhe zu halten. Wenn man die Kosten des Etablissements auf 480000 M. anschlägt und hiervon für Unterhaltung und Amortisation 12 Proc. = 160 M. täglich rechnet, so erreicht die Höhe der täglichen Kosten 284,8 M. oder nur 1,28 M. für die Tonne. Mackay's Anordnung (Fig. 4). Neben den Hauptstädten richten auch kleinere Städte der Vereinigten Staaten Verbrennungsapparate ein. So hat Yonkers mit 32000 Einwohnern einen Verbrennungsapparat in Form eines Flammofens mit langer doppelter Wand angenommen, in dem jedoch die Abfälle nur mit bedeutender Brennmaterialmenge verarbeitet werden können. Der Ofen war bestimmt, täglich 56 bis 60 cbm (von annähernd 1000 k Gewicht) Abfälle zu verbrennen; der Apparat wurde zu dem sehr massigen Preis von 20000 M. von M. Mackay gebaut, weil der Constructeur gern ein erstes Modell im Betrieb haben wollte. Die sonstige sehr einfache Einrichtung kostet die Stadt 15000 M. Wegen der weiteren Beschreibung verweisen wir auf Fig. 4 und bemerken nur noch, dass der Rost mit drehbaren Stäben versehen ist, so dass die verbrauchten Stoffe aus dem Verbrennungstheil in den Aschebehälter fallen können. Zwei an beiden Enden des Herdes liegende Steinkohlenfeuerungen dienen zur Hochhaltung der Temperatur; ihr täglicher Durchschnittsverbrauch ist 1 t Steinkohlen für eine Durchschnittsverarbeitung von Abfall, der 35 t selten überschreitet. Der lebhafte Zug im Kamin nimmt fast allen Russ mit, so dass die Reinigungskosten sehr gering sind; die Handarbeit beschränkt sich auf die Entfernung der Abfälle und das Beschicken der Feuerung. Um die genaue Höhe der Kosten des Unternehmens festzustellen, sind die Versuche noch nicht lange genug fortgesetzt; sie scheinen jedoch 1,60 bis 2,40 M. für die Tonne Abfall nicht zu überschreiten. Versuche in Chicago: Ende August 1894 hat die Anderson Pressed Brich Gesellschaft in Chicago Verbrennungsversuche mit Abfällen in einem bis dahin unbekannten Maasse gemacht. Sie bat die Verwaltung, ihr alle Abfälle einer Woche zukommen zu lassen, und verarbeitete dieselben in ihren Apparaten. Die Abfallmenge betrug nach dem American Architect gegen 300 t täglich. Die auf Waggons von 20 t verladenen Abfälle werden durch ein Kabel in eine doppelte gewölbte Gallerie aus feuerfesten Steinen heraufgezogen; die Heizung geschieht durch Einstäuben einer Mischung von Roherdöl und Pressluft mittels Düsengebläse. Die langsam im Gewölbe vorrückenden Wagen werden einem Trockenprocess unterworfen. Dabei werden die Gase allmählich bis in die Mitte des Gewölbes geblasen und so eine Temperatur von Hellroth hervorgebracht, während der Wagen diese Zone durchfährt. Der Luftzug hindert, dass sich das Wagengestell sehr erhitzt, während der Obertheil des Kastens auf eine Temperatur gebracht wird, die genügt, dass beim Verlassen des Gewölbes nur ein kleiner Haufen weisser formloser Asche zurückbleibt. Diese bemerkenswerthen Versuche geben für grosse Städte eine vollständige Lösung, die Ergebnisse sind in gesundheitlicher und wirthschaftlicher Beziehung vollkommen, dagegen in landwirthschaftlicher Hinsicht nicht so ganz.