Titel: Mechanisch betriebene Wagen in Frankreich.
Autor: Peter Climentitsch v. Engelmeyer
Fundstelle: Band 297, Jahrgang 1895, S. 125
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Mechanisch betriebene Wagen in Frankreich. Bericht von Peter Climentitsch v. Engelmeyer. (Fortsetzung des Berichtes S. 105 d. Bd.) Mit Abbildungen. Mechanisch betriebene Wagen in Frankreich. Die treibende Kraft. Ich habe die Bemerkung machen können, dass die Dampfmotoren durchweg stärker genommen werden, als die Benzinmotoren: so werden die zwei- und viersitzigen Wagen mit 4- und 5pferdigen Motoren versehen, wogegen man für folgende Daimler'sche Benzinmotoren nimmt: für zweisitzige Wagen mit 600 bis 700 k Gewicht (ohne Menschen) einen Motor von 240 mk, für viersitzige Wagen mit 800 bis 900 k Eigengewicht einen Motor von 280 mk. Diese Kraft reicht aus; nur bei starken Steigungen von etwa 0,10 fühlt man, besonders bei schlechtem Weg, die Schwäche oder, besser gesagt, die schwache Ausgiebigkeit des Benzinmotors, verglichen mit dem Dampfmotor, da ersterer mit beinahe constanter Kraft läuft und nicht forcirt werden kann. Darum kann als allgemeine Regel formulirt werden, dass bei dem heutigen Stand der Sache Benzinmotoren nur bis zu 4 verwendet werden dürfen, darüber hinaus aber Dampfmotoren angezeigt sind. Brabant (Le Génie Civil vom 25. August 1894) schlägt vor, die nöthige Motorkraft folgendermaassen auszurechnen. Angenommen, es soll auf der Wagerechten mit 20 km in der Stunde gefahren werden. Als Widerstandscoefficient nehme man 6,5 Proc., den Morin auf gutem aber kothigem Chausseewege fand. Die Kraft des Motors auf 100 k Gesammtgewicht ergibt sich: \frac{100\,.\,0,065,.\,20000}{3600\,.\,75}=0,48. Bei Steigungen wird sich die Geschwindigkeit verhältnissmässig vermindern. So ist es leicht auszurechnen, dass bei einer Steigung von 0,10 die Geschwindigkeit nur noch 7,877 km betragen wird. Man kann auch anders rechnen. Die Aufgabe sei, 15 km in der Stunde bei einer Steigung von 0,10 zurückzulegen. Dann ist die Kraft des Motors auf 100 k Gesammtgewicht: \frac{100\,(0,064+0,1)\,.\,15000}{3600\,.\,75}=0,91. Diese Formeln geben: für einen zweisitzigen Wagen von 800 bis 900 k Gesammtgewicht (mit Menschen) einen Motor von rund 4 bis 4½ bezieh. 7 bis 8 , und für einen viersitzigen Motor mit 1000 bis 1200 k Gesammtgewicht 5 bis 6 bezieh. 9 bis 10 . Diese Zahlen sind in der That nur wenig grösser, als die Praxis darbietet. Eine fernere Eigenthümlichkeit der Benzinmotoren ist, dass man sie bei kurzem Stillstande sich frei drehen lässt, um sie nicht zu oft wieder in Gang setzen zu müssen. Dabei zittert der Wagen stark und dieses Zittern ist unangenehm. Es verschwindet aber vollständig bei vollem Gange. Die Dampfmotoren sind von diesem Uebelstande frei, dagegen brauchen sie eine längere Zeit, um in Arbeitszustand gebracht zu werden, die bei Benzinmotoren erfahrungsgemäss nicht mehr als 5 Minuten beträgt. Zudem ist auch noch die Bedienung des Benzinmotors, selbst das Nachfüllen unterwegs, leichter verrichtbar, als bei Dampfmotoren. Benzinmotoren. Praktisch haben sich in Frankreich zwei Motorensysteme erwiesen: das von Daimler und von Benz. Letztere arbeiten im Viertakt mit einem wagerechten Cylinder (s. Fig. 6 und 7). Da sie nur selten gebraucht werden, wollen wir sie nicht näher beschreiben. Der oft verwendete Daimler'sche Benzinmotor darf aber in seiner letzten, vereinfachten Ausführungsform (Fig. 21 und 22) unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Die Pleuelstangen der beiden Kolben wirken auf einen Zapfen, der zwei massive Scheiben p und p1 vereinigt, welche zugleich auch als Schwungrad dienen. Beide Cylinder sind unten offen. Textabbildung Bd. 297, S. 125 Daimler's Benzinmotor. 1 Zufluss. 2 Ablass. 3 Regulator. Beim Senken des Kolbens entsteht eine Verdünnung, welche das Ventil b öffnet und das Gasgemisch einsaugt. Dieses wird gebildet, indem die äussere Luft, bei ihrem Durchgange durch eine über dem Brenner befindliche Messingröhre erwärmt, durch einen Carburator hindurchströmt, wo sie eine entsprechende Menge Benzin dampf aufnimmt. Der hier nicht abgebildete Carburator besteht aus einem senkrecht mit Benzin gefüllten Cylinder, dessen Füllung für 40 km ausreicht. Ein trichterförmiger Schwimmer scheidet aus dem Benzin eine Säule von etwa 5 cm Höhe, durch welche die vorgewärmte Luft in Blasen hindurchströmt. Beim Steigen des Kolbens wird das Gasgemisch im Cylinder zusammengepresst, wobei es in die Platinröhre a hineindringt, die ein mit Benzindampf gespeister Brenner in glühendem Zustande erhält. Der Kolben wird hinuntergejagt, und beim folgenden Steigen desselben öffnet sich mechanisch das Auslassventil C. Hernach wiederholt sich der beschriebene viertaktige Umlauf. Das Ventil C wird durch die Stange d gehoben. Diese trägt einen Führer e, der in einem spiralförmigen Schlitz ss der Scheibe p geführt wird, und zwar so, dass d eine volle Schwingung während zweier Umdrehungen der Scheibe macht. Die Stange d trägt auf ihrem Ende einen Kniehebel f mit Feder. Dieser öffnet das Auslassventil C, solange er nicht abgelenkt ist. Doch wird er von dem Hebel u dann abgelenkt, wenn diesen der Centrifugalregulator entsprechend neigt. Dann wird das Ventil C nicht gehoben, die Gase, die bereits ihre Arbeit abgegeben, bleiben im Cylinder, und es entsteht in ihm kein Saugen frischer Gase. Während ein Cylinderinhalt explodirt, vollzieht sich in dem anderen das Saugen. Beide Cylinder werden durch Wasser gekühlt. Die Normalgeschwindigkeit ist 600 bis 700 Umgänge in der Minute. Der 2pferdige Motor wiegt 150 k, der 4pferdige 280 k und der 5pferdige 300 k. Gewöhnlich wird ein zweisitziger Wagen mit einem Motor von 240 mk, ein viersitziger mit 280 mk versehen, jedoch wünschen manche Besteller mit Recht einen 4pferdigen Motor auf einem viersitzigen Wagen, besonders da, wo schwierige Wege sind. Das in Frankreich gebrauchte Benzin heisst „essence de pétrole“ und ist 0,700 bis 0,750 schwer. Da dort kleine Handlampen ohne Glas sehr verbreitet sind, ist diese Erdölsorte in Frankreich überall zu haben, und kostet das Hektoliter 29 bis 32 Francs. Der stündliche Verbrauch an Benzin beträgt durchschnittlich für einen 1½ pferdigen Motor 1 l, für einen 2½ pferdigen 1½ l, für einen 3pferdigen 1¾ l. Auf guter Chaussee bei trockenem Wetter reicht 1 l Benzin auf 10 km. Die viersitzigen Wagen fassen gewöhnlich einen Vorrath von 20 bis 25 l Benzin und 30 bis 40 l Kühlwasser. Dampfmotoren. Die Motoren im eigentlichen Sinne bieten nichts Aussergewöhnliches, jedoch sind einige Kessel bemerkenswerth. Dampfkessel von Dion und Bouton. Der Zugwagen Fig. 9 wird mit einer 20 -Verbundmaschine betrieben, deren Hub 180 mm, deren Cylinderdurchmesser 120 und 180 mm beträgt. Sie macht 330 Umdrehungen und legt stündlich 20 km zurück. Textabbildung Bd. 297, S. 126 Fig. 23.Dampfkessel von Dion und Bouton. Der Kessel, der auch auf Torpedobooten angewendet wird, ist auf der Fig. 23 abgebildet. A und D sind zwei doppelwandige Cylinder, deren Deckel (ringförmige Stirnplatten) aus Gusstahl mit Bolzen zusammengehalten werden. Die Innenräume dieser Cylinder sind durch eine Anzahl kurzer kupferner Röhren mit einander verbunden. Der Kessel ist auf 14 at concessionirt, arbeitet aber gewöhnlich mit 9 at. Als Brennmaterial wird Nusskoks gebraucht, der durch die Oeffnung M eingefüllt wird und auf dem Rost L verbrennt. Der Rauch wird durch das Rohr HH1 abwärts geführt, wobei der Abdampf den Zug verstärkt. Der Kessel hat 21 Reihen Röhren: eine Reihe hat 16, die übrigen 40, der ganze Kessel 816 Röhren. Die Röhren haben 10 mm inneren und 13 mm äusseren Durchmesser und 112 mm Länge. Heizfläche 2,116 qm, Rostfläche 0,1735 qm. Rauminhalt des Kessels 55,778 l, Wassergehalt 36,5 l. Das Rauchrohr H hat 130 mm Durchmesser. Das Gewicht des Kessels beträgt 240 k. Er erzeugt stündlich 170 k Dampf und wird mit Koks geheizt. Der Koksvorrath im Wagen reicht im Durchschnitte auf 100 km, der des Wassers (190 l) auf 30 bis 40 km. Der Zugwagen wiegt 1,8 t, mit Vorrath 2,5 t. Textabbildung Bd. 297, S. 126 Fig. 24.Dampferzeuger Serpollet. a Dampf; b Wasser; c Luft. Der neue Dampferzeuger Serpollet. Der frühere Dampferzeuger dieser Art dürfte wohl bekannt sein (vgl. 275 * 404, 277 * 437, 280 248), es sei nur in einigen Worten der Grundgedanke des Systemes erwähnt. Der Dampferzeuger ist aus einem Schlangenrohr gebildet, welches so zusammengedrückt ist, dass der innere Raum nur eine enge Spalte bildet. Das Rohr ist stark erhitzt und ist wasserleer. Je nach dem Dampfverbrauch im Motor pumpt dieser eine entsprechende Menge Wasser in das Schlangenrohr, wo sich sofort Dampf bildet, dessen Temperatur häufig auf 200° und dessen Druck auf 30 at steigt. Der Regulator wirkt auf einen Hahn mit drei Oeffnungen in der Art, dass entweder die ganze von der Pumpe gelieferte Wassermenge in das Schlangenrohr tritt, oder ein veränderlicher Theil derselben in den Wasserbehälter zurückkehrt. Das Anlassen des Motors geschieht durch Pumpen mittels einer Handpumpe (s. Fig. 10). Fig. 24 stellt den neuen Generator dieses Systems dar. Das Rohr ist nicht mehr spiralförmig, sondern geht hin und her und besteht aus U-förmig umgebogenen und halbmondförmig zusammengedrückten dickwandigen Stahlröhren. Der halbkreisförmige spaltenartige Innenraum hat 2 bis 6 mm Weite. Die Rohre sind von drei Grössen: 1) Aeusserer Durchmesser 63 mm, Wanddicke 10 mm 2) 73 mm, 12 mm 3) 83 mm, 13 mm. Gewicht des laufenden Meters: 1) 13,32 k, 2) 18,4 k, 3) 22,28 k. Die Rohre werden bis auf 96 at Druck erprobt. Die Wanddicke übersteigt weit die für den Widerstand erforderliche Stärke, und ist bestimmt, einen Vorrath an Wärme fertig zu halten und so den Vorrath erwärmten Wassers zu ersetzen. Der Flammenraum ist inwendig mit feuerfesten Platten ausgelegt. Im Rost bilden die lichten Räume die Hälfte der Fläche. In Fig. 10 ist dargestellt, wie Kessel, Motor und Behälter für Wasser und Koks auf dem Wagen angebracht sind. Die Stösse während der Fahrt bewirken eine selbständige regelmässige Beschickung des Rostes. Der Schornstein ist nach unten gerichtet und der Zug ist durch Abdampf hergestellt; die Feuerung ist also der Arbeit angepasst. Zum Anlassen des Motors genügen einige Hübe der Handpumpe, welche mittels des Hebels L betrieben wird. Elektrische Accumulatoren. Die elektrischen Accumulatoren geben in ihrem gegenwärtigen Zustande keine praktische Lösung der mechanischen Strassenfahrt. Jedoch wollen wir der Vollständigkeit wegen diejenigen näher betrachten, die den in Fig. 11 abgebildeten Wagen treiben. Es sind Accumulatoren des Systems Tommasi, „Fulmen“ genannt. Jede Zelle enthält drei dreifache Gruppen und wiegt 13,3 k. Die Batterie besteht aus 21 solcher Zellen. Die Kästen sind aus Holz mit Celluloidfutter. Als Platten dienen Gitter aus antimonhaltigem Hartblei, mit wirkender Masse gefüllt (Schwammblei für die negativen und Bleioxyd für die positiven); das Ganze ist in durchlöcherte Celluloidhüllen eingefasst, welche das Ausfallen der Masse bei Erschütterungen verhüten. Die Capacität beträgt 22 Ampère-Stunden bei einem Strom von 1 Ampère für 1 k Platte, 18 Ampère-Stunden bei einem Strom von 3 Ampère für 1 k Platte und 15 Ampère-Stunden bei einem Strom von 6 Ampère für 1 k Platte. Bei Reihenschaltung gibt die Batterie 100 Ampère mit 40 Volt während 1½ Stunden, während welcher Zeit man 30 km zurücklegen kann. Dieselbe Batterie gibt 70 Ampère während 3 Stunden, 40 Ampère während 6 Stunden und 30 Ampère während 10 Stunden. Auf gutem ebenen Wege hat man gewöhnlich 50 bis 100 Ampère beim Anlass und auf Bergen steigt man bis 200 Ampère. Die Dynamomaschine gibt bei 1200 Touren 2,6 , mit einem Wirkungsgrad von 0,74 bei der Reihenschaltung der Magnetwickelungen. Bei deren Parallelschaltung steigt die Arbeit auf 4,4 bei 1300 Touren, doch sinkt der Wirkungsgrad auf 0,70. Ein mit Accumulatoren getriebener Wagen bietet wesentliche Vortheile: immer arbeitsfertig, lässt er auch häufige Stillstände zu und arbeitet ohne Ausscheidung von Dampf- und Geruch, ohne Zittern und Geräusch. Dem praktischen Gebrauch stehen aber gewichtige Nachtheile im Wege: neben den erheblichen Kosten steht auch die Nothwendigkeit, jede 1½ Stunden die Accumulatoren zu wechseln und diese zu laden. Ob diese Wagen, wie Jeantaud glaubt, als Fiaker in Grosstädten Gebrauch finden werden, wird erst die Zukunft entscheiden. Natürlich ist auch das Gewicht des mit Accumulatoren getriebenen Wagens beträchtlich. So wiegt der in Fig. 11 dargestellte zweisitzige Wagen: Der Wagen selbst und die Transmission   490 k Die Dynamomaschine   110 k Accumulatoren die Plattender Kasten sammt Flüssigkeiten   280 k  140 k –––––––– Summa 1020 k. Allgemeine technische Betrachtungen. Sobald der erste fahrende Motor erzeugt war, bemühte man sich, mit denselben Wagen zu treiben. Schon 1769, als die Dampfmaschine noch ganz in ihrer Kindheit war, hatte Cugnot diesen Versuch gemacht, und seinen Wagen kann man noch heute im Pariser Conservatoire des Arts et Métiers sehen. Gleiche Bemühungen machten auch die Engländer (1784 Watt und Murdoch). Jedoch mussten sie aus doppeltem Grunde erfolglos bleiben: erstens musste die Dampferzeugung entsprechend ausgebildet worden sein, und dies kam erst mit Stephenson's Raquet (1825), d.h. mit dem Röhrenkessel zu Stande; zweitens waren die Wege in solch einem Zustande, dass sie das mechanische Fahren unmöglich machten. Ich glaube ohne Uebertreibung behaupten zu dürfen, dass der schlechte Zustand der Wege zu jener Zeit, wo die Dampfmaschine entstand, mehr als alle anderen Einflüsse dahin gewirkt hatte, dass alle Erfinder und Techniker die Idee fallen liessen, mechanisch auf gewöhnlichen Wegen zu fahren, und dass eben dieser Umstand das meiste beigetragen hat, auf künstlichen (Eisen-) Bahnen zu fahren. Jedenfalls lag darin auch der Grund, warum das Radfahren – ungeachtet der vielen Bemühungen von Drais und Anderen – zu jener Zeit eine Zukunftsfrage bleiben sollte. Das heutige mechanische Fahren ist auch eng durch den Zustand der Wege bedingt. Natürlich kann der Liebhaber mit seinem Wagen auch auf den schlechtesten Wegen hindurchkommen, was meines Wissens in Frankreich auch Viele thun, einen eigenthümlichen Sport treibend. Handelt es sich aber um einen regelmässigen industriellen Verkehr, so kann die Möglichkeit des mechanischen Fahrens nur da bejaht werden, wo Chausseestrassen gut unterhalten werden und wo entsprechende Brücken sind. Ein mechanischer Wagen mit vier Personen wiegt 1000 bis 1200 k. Der ganze Bau ist ein bedeutend stärkerer als bei gewöhnlichen Wagen. Doch ist diese Verstärkung nicht nur durch die Belastung mit der Maschine bedingt, sondern auch, und das ist sehr maassgebend, durch die grössere Fahrgeschwindigkeit. Solange der Mensch auf die Kraft des Pferdes angewiesen ist, begnügt er sich mit Geschwindigkeiten von 6 bis 10 km in der Stunde. Von dieser Begrenzung befreit, steigt unaufhaltsam die Forderung nach Fahrgeschwindigkeit. So ist jetzt in Frankreich die Norm für mechanische Locomotion 15 bis 20 km in der Stunde. Solche Steigerung der Ansprüche macht sich bei jeder technischen Neuerung geltend. Eine ähnliche Erscheinung konnte man bei Einführung einer neuen Art Beleuchtung, sei es Gas an die Stelle von Oel oder Elektricität anstatt Gas, beobachten, dass zuerst die Brenner nur an jenen Stellen angebracht wurden, wo die alten hingen, und dass sofort nachdem – obwohl somit die Beleuchtung schon beträchtlich zugenommen hatte – immer wieder neue Lampen aufgehängt wurden. Was die Geschwindigkeit von 15 bis 20 km in der Stunde betrifft, so muss ich aus eigener Erfahrung gestehen, dass man sich an dieselbe gewöhnen muss, um nicht beunruhigt zu werden. Ganz anders fühlt man sich auf Eisenschienen. Auf gewöhnlichem Wege aber, wo man öfters ausweichen und die Geschwindigkeit wechseln muss, muss man sich gut einüben und die Augen und die Hände entsprechend der neuen Geschwindigkeit ausbilden, um mit voller Sicherheit zu fahren. Als praktisch haben sich bis jetzt nur die Wagen mit Dampf- und Erdölmotoren erwiesen, letztere für geringe Personenzahl (bis vier). Diese sind sehr handlich, und allgemein darf man sagen, dass sie nur weniger Fortschritte bedürfen, um den praktischen Anforderungen in vollem Maasse zu genügen: es bleiben nur zwei zu beseitigende Momente übrig – der Erdölgeruch und das Zittern beim Stillstand. Dass diese Ziele erreicht werden, daran ist nicht zu zweifeln. Dann werden die Erdölwagen für eine kleine Zahl Personen ein entschiedenes Uebergewicht gegenüber den Dampf wagen erlangen. Diese werden aber wahrscheinlich doch mehr am Platze sein bei einem regelmässigen, industriell betriebenen mechanischen Verkehr auf gewöhnlichen Wegen. Commercielle Betrachtungen. Denken wir uns, die mechanischen Wagen entsprächen den verschiedenen Anforderungen der Praxis, und sofort sehen wir, welch ein Aufschwung dem Localverkehr zu Theil wird. Die langen Eisenbahnlinien werden bestehen und deren Netz sich noch ausbreiten, aber anstatt eine Localbahn zu bauen, die den Strassenverkehr hindert und theuer ist, gebraucht man dieselbe Chaussee, die zur Eisenbahn führt, und der neue Verkehr hindert keineswegs den alten, im Gegentheil, er fördert ihn, weil die Chaussee nun noch verbessert werden soll. Aus diesem Grunde harren viele Gemeinden in Frankreich auf die endgültige technische Ausarbeitung mechanischer Wagen, um den Localverkehr einzurichten. Schon jetzt gestalten sich die commerciellen Verhältnisse sehr günstig für den Betrieb mechanischer Wagen, wie folgende Zusammenstellung erweist, die wir dem oben genannten Ingenieur Brabant (Génie Civil vom 15. September 1894) verdanken. Vom industriellen Verkehr redend, nehmen wir nur Dampfwagen. Die Ankaufspreise sind sehr verschieden und halten sich zwischen 5 und 10 Francs das Kilogramm. Die Höhe der Preise ist offenbar durch die noch immer fortdauernden Versuche bedingt. Halten wir uns jedoch an dieselben. Was die Amortisation anbetrifft, so werden Dampfmaschinen gewöhnlich in 15 Jahren amortisirt, dagegen die Wagen und besonders die Räder in bedeutend kürzerer Zeit. Als diese nehmen wir 10 Jahre. Rechnen wir im Jahre 300 Arbeitstage, wo der Wagen täglich 100 km zurücklegt, so erhalten wir als Lebensweg des Wagens 300000 km. Nehmen wir einen industriellen Dampf wagen, der im Stande ist, 1 t Fracht (Menschen oder Waaren) zu tragen. Ein solcher wiegt ungefähr 21 und kostet etwa 7500 Francs. (Viersitzige Wagen mit Dampf- oder Erdölbetrieb kosten 5000 bis 6000 Francs.) Den Verbrauch an Koks als Brennmaterial kann man erfahrungsmässig auf 0,8 k auf 1 t Gesammtgewicht und 1 km Weg rechnen. Koks kostet in Frankreich 30 Francs. Wir erhalten dann folgende Kosten für 100 km leer und voll geladen: Kosten (im Tag): LeerFrancs GeladenFrancs Der Führer   6,00   6,00 Brennmaterial   4,80   7,20 Schmiermittel   1,00   1,00 Bedienung und Remont   1,50   1,50 Amortisation   2,50   2,50 Procent auf Kapital   1,25   1,25 Diverse   1,50   1,50 –––– ––––– 18,55 20,95 Vor allem macht sich der geringe Unterschied kund, der zwischen den Kosten des Leerlaufes und der Arbeit besteht. Sodann erweisen sich die letzteren auch als sehr gering. Die Einnahmen berechnen wir unter der Voraussetzung, dass im Durchschnitt 6 Menschen und 300 k Fracht befördert werden; der Passagier zahle für 1 k 5 Centimes und die Fracht betrage für 1 km und 1 k 0,1 Centime: Einnahmen (im Tag): Passagiere     6 × 100 × 0,05  = 30 Francs Fracht 300 × 100 × 0,001 = 30 ––––––––––– 60 Francs. Wir erhalten rund auf 21 Francs Auslagen 39 Francs Reingewinn. Anders gerechnet, ist es leicht einzusehen, dass sich die Auslagen schon decken bei 3 Passagieren und 100 k Fracht im Durchschnitt. In diese Calculation von Brabant sollte eigentlich eine Correction eingeführt werden, nämlich die Kosten der Chaussee und deren Unterhalt. Allein, da die Strasse nicht, wie bei Eisenbahnen, ausschliesslich nur dem einen Verkehr dient, erwachsen daraus nur schwache Zahlen, die das Verhältniss gar nicht ändern. Sobald also die mechanischen Wagen einen entsprechenden Grad technischer Vollkommenheit erlangen, und das kann nicht mehr lange ausbleiben, gewinnt die Menschheit ein neues Verkehrsmittel, und darum ist es kaum übertrieben, zu sagen, dass wir jetzt in dieser Hinsicht einen historischen Wendepunkt erleben, dessen Bedeutung – wie die der zwanziger Jahre für den Eisenbahnverkehr – nur die Nachkommenschaft in vollem Maasse zu würdigen im Stande sein wird. (Schluss folgt.)