Titel: Prof. Dr. Theodor Julius Reinhold v. Schroeder †.
Fundstelle: Band 298, Jahrgang 1895, S. 188
Download: XML
Prof. Dr. Theodor Julius Reinhold v. Schroeder †. Prof. Dr. v. Schroeder †. Am 24. October verschied plötzlich und unerwartet an Herzlähmung Prof. Dr. v. Schroeder in Tharand, welcher allgemein als erste Autorität auf dem Gebiete der Beschädigung der Vegetation durch Rauch und der Gerbereichemie anerkannt wurde und in welchem Dingler's polytechnisches Journal einen seiner eifrigsten Mitarbeiter verloren hat. Theodor Julius Reinhold v. Schroeder wurde am 24. April 1843 in Dorpat geboren, wo sein Vater die Stelle eines Gouvernements-Schuldirectors mit dem Titel eines Staatsrathes inne hatte. Nach dem Besuche einer Privatschule und des Gymnasiums seiner Vaterstadt begleitete v. Schroeder im J. 1860 seinen Vater auf einer längeren Reise nach Deutschland, welches der junge Mann derart schätzen lernte, dass sein späteres Streben immer darauf hinausging, in diesem Lande eine Lebensstellung zu finden. Nach erfolgter Rückkehr bezog v. Schroeder die Universität Dorpat, um daselbst Chemie zu studiren. Sein eifriges wissenschaftliches Streben trug ihm bereits als Student einen Lohn in Gestalt einer goldenen Medaille ein, welche ihm von der Universität für die Preisarbeit: „Untersuchung der chemischen Constitution des Frühjahrssaftes der Birke“ verliehen wurde. Mit Ablegung des Candidatenexamens der Chemie schloss v. Schroeder gegen Ende des Jahres 1865 seine Universitätsstudien ab und wurde zweiter Assistent am chemischen Universitätslaboratorium in Dorpat bei Prof. Dr. Carl Schmidt Im J. 1868 verliess er diese Stellung und begab sich, einem stärkeren inneren Drange nach deutscher Wissenschaft und deutscher Sitte folgend, nach Deutschland, wo er zunächst in Heidelberg besonders die Vorlesungen des Chemikers Bunsen, des Pflanzenphysiologen Hoffmeister und des Agriculturchemikers A. Mayer hörte. Das Jahr 1869 führte ihn nach Tharand, welches von nun an für v. Schroeder zu einer zweiten Heimath wurde. Hier bekleidete er eine Assistentenstelle an der neu gegründeten pflanzenphysiologischen Versuchsstation bei Prof. Dr. Nobbe, während welcher Thätigkeit er auf Grund einer Arbeit, „Die Frühjahrsperiode der Birke und des Ahorns“, an der Universität Rostock promovirte. Eine Unterbrechung seiner Tharander Thätigkeit brachte der deutsch-französische Krieg, der ihn als freiwilliger Krankenpfleger der sächsischen Felddiakonie von August bis Mitte November 1870 nach Frankreich führte. Hierfür wurde er nach dem Friedensschlusse mit dem sächsischen Erinnerungskreuz für freiwillige Krankenpfleger und mit der Feldzugsmedaille am Nichtcombattantenbande ausgezeichnet. Bald nach seiner Rückkehr vertauschte v. Schroeder die Assistentenstelle an der pflanzenphysiologischen Versuchsstation mit einer solchen am chemischen Laboratorium der Forstakademie bei dem bekannten Agriculturchemiker Prof. Dr. Stöckhardt. Im J. 1872 erhielt v. Schroeder einen Ruf als ausserordentlicher Professor für Landwirthschaft nach Dorpat, welchem er jedoch nicht Folge leistete, um in Deutschland bleiben zu können. Als Assistent Stöckhardt's, in welcher Stellung v. Schroeder bis Ende September 1883 verblieb, wurde er in seinen wissenschaftlichen Arbeiten vollständig selbständig, so dass ihm im J. 1873 die Eigenschaft eines sächsischen Staatsdieners und der Titel: Chemiker der forstlichen Versuchsstation Tharand verliehen wurde. Es begann für v. Schroeder jetzt eine bis an sein Lebensende reichende Zeit eifriger wissenschaftlicher Forschung und umfänglicher und erfolgreicher litterarischer Thätigkeit. Seine ersten Arbeiten betrafen mehrere Fragen über die Ernährung und den Stoffwechsel der Pflanzen. Bald jedoch concentrirten sich seine forst-chemischen Arbeiten auf zwei bis dahin noch wenig bebaute Specialgebiete, und zwar auf die Frage der Beschädigung der Vegetation durch Rauch und einige Zeit später auf das Gebiet der Gerberei; in dem letzteren erstreckten sich seine Arbeiten zunächst auf die vegetabilischen Gerbstoffe, insofern dieselben eine wirthschaftliche Bedeutung für die Forstcultur oder eine technische für die Gerberei besitzen. Auf diesen beiden Gebieten hat sich v. Schroeder den unbestrittenen Ruf einer ersten Autorität erworben. Zum eingehenderen Studium der Rauchfrage unternahm v. Schroeder im J. 1877 und den folgenden Jahren wiederholt grössere Reisen. Um unzweifelhafte Rauchschäden bei grösseren Hüttenwerken, bei verschiedenen chemischen Fabriken und grössere Mengen Steinkohlenrauch producirenden technischen Etablissements aus eigener Anschauung kennen zu lernen, besuchte er verschiedene Gegenden des Harzes, des Erzgebirges, rheinische und westfälische Industriebezirke u.a.m. Als Resultat seiner eifrigen Studien im Harze und der an dem gesammelten Material ausgeführten Untersuchungen veröffentlichte er in Gemeinschaft mit dem damaligen Oberförster Reuss das Werk: „Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchschäden“ (Berlin, Paul Parey), welches ihm den Heimbürger'schen Preis der Universität Dorpat eintrug und dessen Neubearbeitung und Erweiterung v. Schroeder noch kurz vor seinem Tode ins Auge gefasst hatte. Noch vor dieser Publication hatte er andere Studien über die Rauchfrage in einer Arbeit: „Die Einwirkung der schwefligen Säure auf die Pflanzen“ (Tharander forstliches Jahrbuch, 1872 und 1873) veröffentlicht. Im Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr 1884 erschien eine mit Dr. Schertet gemeinsam ausgeführte Arbeit: „Die Rauchschäden in den Wäldern der Umgebung der fiscalischen Hüttenwerke bei Freiberg“. Im Jahre 1895 erschien ein Vortrag v. Schroeder's, betitelt: „Ueber die Beschädigung der Vegetation durch Rauch, eine Beleuchtung der Borggreve'schen Theorien und Anschauungen über Rauchschäden“ (Freiberg 1895, Craz und Gerlach), im Druck, den er auf der sächsischen Forstvereinsversammlung in Lob an gehalten hatte und der wegen der schlagenden Widerlegung der Borggreve'schen Theorien berechtigtes Aufsehen in den betheiligten Kreisen erregte. Als erste Autorität auf diesem Gebiete wurde v. Schroeder zu der Ausarbeitung zahlreicher gerichtlicher Gutachten in Rauchschädenprocessen herangezogen. Am 22. October 1883 erfolgte v. Schroeder's Ernennung zum Professor der Chemie an der Forstakademie Tharand an Stelle des in den Ruhestand übergetretenen Stöckhardt, zu dessen Nachfolger als Curatoriumsmitglied der pflanzenphysiologischen Versuchsstation zu Tharand er gleichfalls bestimmt wurde. Für seine umfänglichen wissenschaftlichen Untersuchungen genügten ihm sehr bald die beschränkten Räume des Laboratoriums der Forstakademie nicht mehr, und er erreichte, dass im J. 1886 ein neues, besonderes Laboratoriumsgebäude errichtet wurde, dessen Ausführung nach den von ihm selbst entworfenen Plänen erfolgte. Hierdurch schaffte er sich zugleich die Möglichkeit, die gerberisch-chemischen Arbeiten in grösserem Umfange in Angriff zu nehmen, als dies bis jetzt möglich gewesen war. Von den forstchemischen Arbeiten v. Schroeder's verdienen noch erwähnt zu werden: „Ueber den Nährstoffbedarf der Kiefer, Fichte und Buche“ (Tharander forstliches Jahrbuch, 1874 und Supplementband 1878), „Untersuchung über den Nährstoffbedarf und die Gerbstoffproduction des Eichenschälwaldes“ (Tharander forstliches Jahrbuch, 1890), „Die Düngung bei der Pflanzenerziehung“ (Bericht über die 37. Versammlung des sächsischen Forstvereins, 1892) und „Ueber die Düngung der Saatkämpe und Pflanzgärten mit specieller Berücksichtigung des Nährstoffbedarfes junger Fichten“ (Tharander forstliches Jahrbuch, 1892). Die ersten Untersuchungen v. Schroeder's über Gerbmaterialien fallen gegen das Ende der 70er Jahre und geschahen auf Veranlassung der sächsischen Forstverwaltung im Interesse einer besseren Verwerthung der in den Staatsforsten gewonnenen Rinden, v. Schroeder erkannte bei diesen Arbeiten sehr bald die Unzulänglichkeit der bis dahin gebräuchlichen Methoden der Gerbstoffbestimmung und war unablässig bemüht, dieselben zu verbessern. Insbesondere studirte er die Löwenthal'sche Gerbstoffbestimmungsmethode, welche Arbeit den Erfolg hatte, dass auf einer von Seiten des Vereins deutscher Gerber für den 10. November 1883 nach Berlin einberufenen Versammlung der namhaftesten deutschen und österreichischen Gerbereichemiker die von v. Schroeder verbesserte Löwenthal'sche Gerbstoffbestimmungsmethode allgemein angenommen wurde („Bericht über die Verhandlungen der Commission zur Feststellung einer einheitlichen Methode der Gerbstoffbestimmung, nebst einer kritischen Originaluntersuchung über die Löwenthal'sche Methode“, Cassel 1885, Theodor Fischer). Mit Hilfe dieser Methode war vor allem die Möglichkeit gewonnen, die Untersuchungsresultate verschiedener Chemiker mit einander vergleichen zu können. Ferner war er auch bemüht, die von Simand und Weiss vorgeschlagene indirect-gewichtsanalytische Gerbstoffbestimmung zu verbessern und Fehlerquellen derselben zu beseitigen (D. p. J. 1888 269 38 und 62). Als eine weitere Frucht seines Strebens, den Handel mit Gerbstoffen auf eine rationelle Grundlage zu stellen, ist die sogen. Spindelmethode oder Methode der einfachen Bewerthung der Gerbmaterialien, welche v. Schroeder schuf und welche es wegen ihrer Einfachheit auch dem Gerber in seiner täglichen Praxis ermöglicht, den Gerbstoffgehalt seiner Gerbmaterialien ohne Schwierigkeit annähernd zu bestimmen („Einfache Methode zur Bewerthung der Gerbmaterialien“, 1890, Selbstverlag). Mit seinem damaligen Assistenten Dr. Pässler prüfte er ferner die von Gantter vorgeschlagene Gerbstoffbestimmungsmethode (D. p. J. 1890 277 361). Neben diesen allgemeinen Arbeiten her gingen noch viele andere über die specielle Zusammensetzung der Gerbmaterialien und ihre Anwendung in den einzelnen Zweigen der Gerberei, über das Verhalten der Gerbmaterialien in den Brühen u.s.w. Die Resultate derselben veröffentlichte er in leicht fasslicher Form meist in gerberischen Fachorganen, namentlich in der Deutschen Gerberzeitung, so z.B. in den Artikeln: „Quebrachoholz und Quebrachoextract“, „Fichtenrinde, ihr Gerbstoffgehalt und ihre wirthschaftliche Bedeutung“, „Fichtenextract“, „Verhältniss der Gerbstoffgehalte nach Löwenthal'scher und indirect gewichtsanalytischer Methode“, „Wirkung des Kochsalzes auf die Haut“, „Theorie der Lederbildung“ u.s.w. Diese Arbeiten führten ihn allmählich dazu, auch andere Gebiete der praktischen Gerberei in den Bereich seiner Untersuchungen zu ziehen. Mit Dr. Pässler veröffentlichte er eine Arbeit: „Ueber die Gerbstoffabsorption der Haut“ (D. p. J. 1892 284 256, 283) und unterwarf mit diesem die verschiedenen Blössen und die verschiedenen Arten der fertigen Leder der Untersuchung („Untersuchung verschiedener Blössen“, D. p. J. 1893 287 258, 283, 300; „Untersuchungen über Sämischleder und dessen Zusammensetzung“, D. p. J. 1895 295 211). Er gelangte dadurch zur Erkenntniss der Bedeutung des Stickstoffgehaltes für die Beurtheilung der Durchgerbung. Mit genanntem Assistenten veröffentlichte v. Schroeder ferner als Resultat umfangreicher Untersuchungen eine Arbeit, betitelt: „Finden während des Gerbeprocesses Hautzersetzungen statt?“ (D. p. J. 1893 289 137, 210, 229). In Gemeinschaft mit A. Bartel und Dr. Schmitz-Dumont erschienen die Publicationen: „Zur Extraction der Gerbmaterialien“ (D. p. J. 1893 289 113 und 1894 291 259) und „Ueber Zuckerbestimmung und über die Zuckergehalte der Gerbmaterialien, Gerbextracte, Gerbebrühen, sowie des unbeschwerten Leders“ (D. p. J. 1894 293 229, 252, 281, 297). Von weiteren gerberischen Arbeiten v. Schroeder's sind noch zu erwähnen: „Praktische Extraction der Myrobalanen“ (D. p. J. 1894 292 213), „Untersuchungen über den Wassergehalt verschiedener Gerbmaterialien“ (D. p. J. 1894 292 284) und „Untersuchung über den Wassergehalt des lufttrockenen lohgaren Leders“ (D. p. J. 1894 293 139, 164, 187). Hieran reihten sich Untersuchungen über das Blössen- und Lederrendement, über den Aescher u.a.m., von denen viele noch der Veröffentlichung harren. Bei allen seinen wissenschaftlichen gerberischen Arbeiten blieb v. Schroeder immer in engster Fühlung mit der Praxis. Er war geradezu ängstlich bemüht, sich hierbei in keinerlei solche Speculationen einzulassen, die für die Praxis nutzlos sein würden, sondern er war stets bestrebt, im Zusammenhang mit dem praktischen Leben zu bleiben, dem er vor allem dienen wollte. Diesem Grundsatze gemäss benutzte er jede Gelegenheit, die sich ihm zur Besichtigung von Gerbereien in ihrem Betriebe darbot, und unternahm wiederholt grössere Reisen zu dem ausgesprochenen Zweck, die Einrichtungen einer grossen Anzahl verschiedener Gerbereibetriebe möglichst allseitig kennen zu lernen. In besonders engen Beziehungen stand v. Schroeder seit dem Jahre 1882 zu dem Verbände sächsischer Gerber, dessen Bestrebungen er durch die Ausführung von Analysen und durch Vorträge aus dem Gebiete der Gerbereichemie eifrig unterstützte. Auf Ansuchen dieses Verbandes genehmigten 1886 das Finanzministerium und das Ministerium des Innern die Errichtung der chemischen Versuchsstation für Lederindustrie an der Forstakademie zu Tharand, sowie die Anstellung eines besonderen Assistenten für dieselbe. v. Schroeder war nunmehr in der Lage, seine gerberisch-chemische Thätigkeit in dem Umfange zu entfalten, wie oben geschildert worden ist. Den Bestrebungen v. Schroeder's, das Gewerbe der Gerberei durch Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse in den Kreisen der praktischen Gerber zu fördern und zu unterstützen, ist nun schliesslich auch der Gedanke entsprungen, eine Gerberschule zu errichten. Mit Unterstützung der sächsischen Staatsregierung, der Stadtgemeinde Freiberg und einer Anzahl deutscher Gerberverbände und einzelner Gerber wurde schliesslich im J. 1889 in Freiberg in Sachsen die „Deutsche Gerberschule“ gegründet, deren eifriger und unermüdlicher Förderer v. Schroeder bis an sein Lebensende gewesen ist. Er wirkte nicht nur als hervorragendster Lehrer an derselben, sondern auch als „wissenschaftlicher Beirath“ im Schul vorstände. Noch in diesem Jahre wurden die grossen Verdienste, die sich der Verstorbene in seinen Wirkungskreisen erworben hat, von allerhöchster Stelle durch die Verleihung des Ritterkreuzes I. Klasse vom Albrechtsorden gewürdigt. Diese hohe Anerkennung erweckte als eine wohlverdiente in den Kreisen, die dem so Geehrten näher standen, allgemeine Freude und Befriedigung. Mit Prof. v. Schroeder's Tode ist ein Leben, reich an Arbeit, aber auch reich an Erfolgen, abgeschlossen worden. Sein Hingang bedeutet einen schmerzlichen Verlust für die Forstakademie zu Tharand, für die Deutsche Gerberschule und vor allen Dingen für die gesammte Gerberwelt. Nicht nur als Gelehrter und Forscher war v. Schroeder hervorragend, sondern auch im persönlichen Verkehr; seine Einfachheit und seltene Anspruchslosigkeit, sein schlichter und selbstloser Charakter erwarben ihm schnell und dauernd die Liebe und grosse Verehrung aller, die in nähere persönliche Beziehungen zu ihm getreten sind.