Titel: Neuerungen an Wirkmaschinen.
Fundstelle: Band 299, Jahrgang 1896, S. 156
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Neuerungen an Wirkmaschinen. (Schluss des Berichtes S. 127 d. Bd.) Mit Abbildungen. Neuerungen an Wirkmaschinen. Heinrich Verges in Mühlhausen i. Th. benutzt nach seinem Patent, D. R. P. Nr. 79665 vom 24. Juli 1894, bei Lamb'schen Strickmaschinen, welche mit Jacquardvorrichtung arbeiten, die Strickmaschinenkurbel zum Anheben des Jacquardprismas, so dass die linke Hand für andere Arbeit frei bleibt. Textabbildung Bd. 299, S. 156 Verges' Strickmaschine mit Jacquardmaschinen. Bei der hierzu verwendeten, in den Fig. 33 bis 39 skizzirten Einrichtung ist das eine Kurbellager a1 nicht fest, sondern um einen Zapfen b2 beweglich (Fig. 35 und 36) und legt sich mit seinem vorderen Ende gegen einen um einen Zapfen c drehbaren, zweiarmigen Hebel bb1, dessen Ende b1 durch den Zapfen d mit einer an dem Drehzapfen f des Kartenprismas g angreifenden Stange e verbunden ist (Fig. 33 und 34). Dreht man nun wie gewöhnlich die Kurbel i nur im oberen Bogen, also nicht rund herum, so legt sie sich auf a1 auf, wobei aber der Mechanismus bcdeg noch in Ruhe verbleibt, denn es ist zum Heben des Jacquardprismas und der Musterkette h immerhin eine gewisse Kraft erforderlich. Drückt man nun diese Kurbel fest gegen das Auflager a1, so dreht sich letzteres um b2, bewegt dadurch also b nach unten, b1 nach oben; durch die Verbindung von b1 mit e wird das Prisma in bekannter Weise gehoben und die Musterkette rückt die Musternadeln in der üblichen Weise ein. Bewegt sich hierauf die Kurbel wieder nach oben, so geht das in Führungen k am hinteren Bett verschiebbare Prisma zurück. Eine in die Zähne m des Schaltrades n greifende Klinke l bewirkt das selbsthätige Umsteuern des Prismas, wobei ein zu weites Drehen dadurch verhindert wird, dass sich eine durch eine starke Feder p belastete, drehbare Klinke q gegen den Umfang einer auf dem Prisma befestigten, vieleckigen Scheibe o legt, welche so viel Seiten hat, als das Schaltrad n Zähne besitzt (Fig. 37 bis 39). Bei dieser Einrichtung kann ausser der eben beschriebenen Anhebevorrichtung auch der gewöhnliche Hebelarm zum Heben des Jacquardprismas benutzt werden. In Fig. 33 und 35 ist in Seiten- und Vorderansicht die Anhebevorrichtung ausser Thätigkeit, in den gleichen Ansichten Fig. 34 und 36 jedoch in Thätigkeit dargestellt und in ebendenselben Ansichten in Fig. 37 bis 39 die Drehvorrichtung für das Jacquardprisma in den beiden Grenzstellungen veranschaulicht. Die von August Strudel in Reutlingen (Württemberg) durch D. R. P. Nr. 80257 vom 6. October 1894 geschützte Zungennadelwirkmaschine bezweckt eine genaue Nachahmung jedes Handgestrickes in Links- und Linkswaare. Bei den bisher hierzu in Anwendung gebrachten Maschinen konnten die schönsten Muster nur unter Zuhilfenahme von mit der Hand bewegten Blechschablonen angefertigt werden, weshalb schöne, der Handarbeit gleichende Muster fast gar nicht, und einfachere Muster dieser Art nur in geringer Zahl hergestellt wurden. Die als Ersatz hierfür durch Verschieben der Nadel betten auf den dazu benutzten Maschinen gearbeiteten Waaren glichen nur auf der einen Seite der Handarbeit, die andere Seite war jedoch in keiner Weise dem Handgestrick in Links- und Linkswaare ähnlich, der grösste Theil der Handarbeitmuster konnte auf diese Weise überhaupt nicht nachgeahmt werden. Die oben angedeutete Neuerung soll diesen Mängeln vollständig abhelfen, und zwar in einer Weise, dass sie bezüglich der Leistungsfähigkeit mit einer gewöhnlichen Lamb'schen Strickmaschine in jeder Beziehung zu concurriren vermag. Die Fig. 40 bis 42 zeigen die Haupttheile der hierzu construirten Vorrichtung. Zunächst sind statt der bisher verwendeten Platinen zum Ziehen und Schieben der doppelten Zungennadeln J (Fig. 40) widerstandsfähigere Lochnadeln (Fig. 42) benutzt. Ferner sind zum Ersatz der erwähnten, von Hand bewegten Blechschablonen unter jeder Lochnadel auf beiden Seiten des Nadelbettes je zwischen Abschlagkamm e und der die Lochnadeln abdeckenden Nadelschiene m senkrecht bewegliche Tasten oder Stäbchen a (Fig. 40 und 41) vorgesehen; unter diesen befinden sich Jacquard walzen, von denen sie nach Belieben gehoben oder gesenkt werden können, über ihnen liegen nach jeder Umdrehung des Schlittens die Lochnadeln r (Fig. 40), welche sie durch entsprechendes Heben oder Senken mit den Nadelhaken verbinden oder aus denselben ausheben. Damit sich die Lochnadeln über die hoch gestellten Tasten leicht hinwegschieben lassen, sind letztere abgeschrägt (Fig. 40), die Lochnadeln aber vorn so geformt, dass sie leicht federn und in Folge dessen beim Senken der Tasten sich wieder gerade legen können, wobei sich ihre Oesen in die Haken der Zungennadeln einhängen. Textabbildung Bd. 299, S. 157 Zungennadelwirkmaschine von Strudel. Die Schlossconstruction ist gegen die bisher angewendete in der Weise vereinfacht und abgeändert (Fig. 41), dass die mittleren Dreiecke f immer gleichzeitig auf beiden Seiten die Nadeln zuerst nach aussen von der Maschine ziehen, wobei die Zungennadeln stricken; die letzteren werden von den Seitendreiecken h wieder genau in die Mitte der Maschine zurückgeschoben und die Lochnadeln können ungehindert aus den Nadelhaken aus- oder in dieselben eintreten. Die Jacquardwalzen kommen, bevor der Schlitten zurückgeht, wieder zur Wirkung. Zu der früher beschriebenen Strickmaschine mit schraubenlinigem Waarenträger von Joh. Schmitt und J. Coblenzer in Coblenz, D. R. P. Nr. 78327, haben diese Erfinder noch ein Zusatzpatent, D. R. P. Nr. 80150 vom 1. Juni 1894, erworben, dahin gehend, das Umsetzen des Fadenführers beim Flachstricken in der Weise entbehrlich zu machen, dass die Fadenführerachse parallel verschoben und die Richtung der Drehbewegung des Waarenträgers geändert wird, wobei gleichzeitig die flache Waare als Links- und Linkswaare gearbeitet werden kann (Fig. 48bis 52). Die hiernach hergestellte Vorrichtung wird ebenso wie bei der im oben erwähnten Hauptpatent beschriebenen Maschine angetrieben und nur an dieser angebracht; sie bezweckt eine Vereinfachung des Offenstrickens und die Erzeugung der in den Fig. 51 und 52 skizzirten Waare. Die Construction ist folgende: Der im Maschinengestell a (Fig. 43) angeordnete und durch eine Schraube c festzustellende Schieber b ist oben mit einem Führungskopf d für den Schlitten e versehen; letzterer kann mittels einer in einem Schlitz dieser Führung gleitenden Schraube i an geeigneter Stelle befestigt werden. Das um einen Bolzen dieses Schlittens drehbare Zahnradsegment f greift in das Zahnrad g, welches mit dem hakenförmigen Fadenführer h auf derselben Welle sitzt, so dass eine Schwingung jenes Segmentes auch eine entsprechende Bewegung von h zur Folge hat (Fig. 43 bis 45). Die Bewegung dieses Segmentes, welche mittels der schwingenden Welle k, Hebel l und Verbindungsstange m bewirkt wird, bedingt stets eine Schwingung des Fadenführers h in demselben Sinne, gleichviel in welcher Richtung sich die Maschine dreht. Textabbildung Bd. 299, S. 158 Strickmaschine von Schmitt und Coblenzer. Wie leicht ersichtlich, ist nun zum Stricken offener Waare keine Umsetzung des Fadenführers, sondern nur eine Verschiebung des ihn tragenden Schlittens e erforderlich. Denn wenn sich dieser in der in Fig. 43 dargestellten Lage befindet, so berührt der Führer h bei seinen Schwingungen das rechte Ende des schraubenlinigen Waarenträgers und tritt bei weiterer Schwingung in die Seele des linken Endes des letzteren ein, nimmt also, ganz wie der sectorförmige Fadenführer in der Patentschrift Nr. 78327, vom rechten Ende des Waarenträgers Maschen ab und überträgt sie auf das linke, wenn die Waarenträgerenden sich in Richtung der Pfeile (Fig. 43) bewegen, verschiebt man den Schlitten e nach rechts (Fig. 45), so berührt der Fadenführer h das linke Ende des Waarenträgers und gibt, wenn die Maschine nach der anderen Richtung angetrieben wird, neue Maschen auf das rechte Ende des Waarenträgers ab. Nach jeder Verschiebung des Schlittens e muss der schraubenlinige Waarenträger auch etwas verschoben werden, denn nach dem Patent Nr. 78327 muss der Fadenführer seitlich am Maschen aufnehmenden Waarenträgerende vorbeigehen, während das Maschen abgebende Ende ihn mit seiner letzten Windung überdeckt, so dass er bequem in die Mitte der auf der letzten Windung hängenden, ihm zugebrachten Masche eintreten kann (Fig. 46). Die Fig. 47 bis 50 zeigen die Maschenbildung. In Fig. 47 und 48 werden durch den Fadenführer h Maschen vom linken Waarenträgerende abgenommen und auf das rechte werden neue aufgegeben, die Maschenbildung selbst ist aber dabei von derjenigen bekannten für Strickmaschinen mit schraubenlinigem Waarenträger nicht verschieden. Es tritt nur der Fadenführer nach Fig. 47 einmal von aussen, das andere Mal, nach Fig. 49, von innen in die auf dem Waarenträger hängenden Maschen ein, so dass eine wie in Fig. 51 und 52 dargestellte Links- und Linkswaare, d.h. ein auf beiden Seiten gleichartig aussehendes Gestrick entsteht. Zur Handhabung der Maschine ist daher nur eine Verschiebung des Schlittens e nach einem Vorbeigange einer Maschenreihe nöthig, ferner ein in entgegengesetzter Richtung erfolgender Antrieb der ganzen Maschine und endlich eine Verschiebung der Waarenträgerenden gegen einander um das aus Fig. 46 ersichtliche Stück. Rundränderstühle für 1 und 1 Doppelränder können nicht ohne weiteres auch benutzt werden für 2 und 2 Doppelränder, d. i. für Waare, in welcher immer je zwei Stuhlnadeln mit je zwei Maschinennadeln abwechseln, und zwar ist die Gruppirung, welche die beiden Nadelreihen bei dieser Ränderwaare bis zum Beginn des Doppelrandes einnehmen, zur Herstellung einer Netzreihe für den Doppelrand deshalb nicht geeignet, weil immer zwischen je zwei Nadeln der einen Nadel reihe eine Nadel der anderen Reihe fehlt. Nach dem D. R. P. Nr. 79958 vom 19. December 1893 der Chemnitzer Strickmaschinenfabrik in Chemnitz, erläutert durch die Fig. 53 bis 59, lässt sich die hierzu erforderliche Verdrehung der Reihe b um eine Nadeltheilung (Fig. 56) selbsthätig während des Ganges der Maschine vornehmen, so dass eine Stellung beider Nadelreihen zu einander erzielt wird, wie bei 1 und 1 Ränderwaare (Fig. 57), und nun ein Doppelrand hergestellt werden kann. Die hierzu benutzte Einrichtung ist folgende: Die drehbare Nadelscheibe K, in welcher die Maschinennadeln b enthalten sind, wird von einem Lagerarm x getragen (Fig. 53) und erhält ihre Bewegung von dem auf Bolzen J1 lose sitzenden Rade J2, das vom Rade J3 angetrieben wird (Fig. 54), dadurch, dass ein unter J2 befindlicher Schieber r (Fig. 53 bis 55) mittels der ihn umfassenden Stifte s1 und s2 eines fest mit dem Bolzen J1 verbundenen Mitnehmers s (Fig. 53) durch einen schwingenden Hebel tt1 (Fig. 55) hin und her bewegt wird. Schieber r ist in seiner Längsrichtung verstellbar und an dem einen Ende so geformt, dass Mitnehmer s mit seinen Stiften s1 und s2 nach links (Fig. 54) oder nach rechts (Fig. 55) gedrückt und dadurch die Nadelscheibe K um eine Nadeltheilung verdreht werden kann. Der Hebel tt1 wird zu dem Zwecke von einer auf einer Welle C festen, excentrischen Scheibe u bethätigt, welche Welle während der Bildung des Doppelrandes sich in Bewegung befindet. Indem sich nun dieser Hebel tt1 mit seiner Rolle t2 gegen die auf beiden Seiten abgeschrägte Nase r1 des Schiebers stellt, veranlasst er die Verschiebung dieses letzteren vor oder zurück, je nachdem r1 an der linken oder an der rechten Seite dieser Rolle hingleitet (Fig. 54 und 55). Textabbildung Bd. 299, S. 159 Rundränderstuhl der Chemnitzer Strickmaschinenfabrik. Bei der nach dem D. R. P. Nr. 53138 geschützten Maschine derselben Erfinderin würde die Art und die Reihenfolge der hiernach zur Bildung des 2 und 2 Doppelrandes selbsthätig vor sich gehenden Verstellungen folgende sein: Nach Anfertigung der Langreihe durch Verstellung des Nadelsenkers werden zunächst einige Reihen Ränderwaare gearbeitet, wobei beide Nadelreihen in Thätigkeit sind, dann aber die Maschenreihe b durch Schliessen des Schlossexcenters a und Drehung des ganzen Rippschlosses L (Fig. 58) ausgerückt. Es erfolgt nun in der oben beschriebenen Weise die Verdrehung des Maschinennadelträgers K, wodurch die Nadeln b in die zur Bildung der Netzreihe erforderliche Stellung (Fig. 57) kommen, so dass, nachdem das ganze Schloss L in seine frühere Lage zurückgebracht worden ist, damit beide Nadelreihen gemeinschaftlich arbeiten, diese Netzreihe hergestellt werden kann. Ist dies geschehen, so wird das ganze Schloss wieder ausgerückt, damit die Stuhlnadeln b1 allein einige glatte Maschenreihen stricken können. Zur Vollendung des Doppelrandes kommen nun durch Zurückdrehen der Nadelscheibe, sowie des ganzen Schlosses L und durch Oeffnen des Schlossexcenters a die Nadeln b wieder in Thätigkeit, so dass dadurch die glatten Maschenreihen mit dem übrigen Waarenstück verbunden werden. Das eben beschriebene, auf eine Maschine mit nur einem Schlossystem angewendete Verfahren kann auch für Maschinen mit zwei Schlossystemen a1a2 (Fig. 59) oder auch mit mehreren derselben benutzt werden. Dann fällt bloss das Verdrehen des Schlosskörpers L weg, da ja nun Stuhl- und Maschinennadeln nur wechselseitig arbeiten, indem während der Herstellung des Doppelrandes in jedem Schlossystem das eine der zusammengehörigen Schlösser zugemacht wird. Textabbildung Bd. 299, S. 159 Strickmaschine von Grasser. Zum Festhalten der Nadeln an Strickmaschinen benutzte man bekanntlich bisher Einzelsperrfedern, welche jedoch nicht immer sicher functionirten, und es waren die Nadeln durch die scharfen Umbiegungen an ihrer unteren Seite häufig die Veranlassung zu rascher Abnutzung des Nadelbettes. Georg Grasser in Graz erreicht durch sein D. R. P. Nr. 79919 vom 22. Februar 1894 eine Abhilfe dieser Uebelstände dadurch, dass die noch vorhandenen Einzelfedern nur zum Emporschieben der Nadeln und zum Verhindern des Herausfallens derselben aus dem Nadelbett benutzt werden, wenn aus irgend welchem Grunde die eigentliche Sperrung entfernt wird; das Festlegen der Nadeln in ihrer tiefsten Stellung aber wird durch einen über die ganze Länge des Nadelbettes sich erstreckenden starken Stahldraht erzielt, dessen umgebogene Enden durch das Bett hindurch gesteckt und in festen Kapseln durch Federn gegen das Nadelbett und die Nadeln gezogen werden (Fig. 60 bis 64). Die Form der Nadeln zeigt Fig. 63. Der in einer halbrunden Längsrinne b (Fig. 61) des Bettes liegende Sperrdraht a (Fig. 60, 62 und 64) greift bei den ausser Gebrauch gesetzten, tief gestellten Nadeln in die unter der Nase c befindliche, durch geeignete Krümmung des Nadelschaftes an der Nadel hergestellte Vertiefung und hält dieselben fest. Die in die Arbeitsstellung gebrachten Nadeln können sich nicht von selbst nach unten verschieben, da sie mit ihrem hinteren Ende an den Sperrdraht anstossen (Fig. 64).