Titel: Neues Verfahren und Einrichtungen zur Herstellung von gemustertem Jacquard-Doppelplüsch.
Autor: Gth.
Fundstelle: Band 303, Jahrgang 1897, S. 280
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Neues Verfahren und Einrichtungen zur Herstellung von gemustertem Jacquard-Doppelplüsch. Mit Abbildungen. Neues Verfahren und Einrichtungen zur Herstellung von gemustertem Jacquard-Doppelplüsch. Ein bemerkenswerthes Verfahren und eine Einrichtung zur Herstellung von gemustertem Jacquard-Doppelplüsch ist kürzlich der Kunstweberei Claviez und Co. in Leipzig geschützt worden (D. R. P. Nr. 90420, 90553 und 91005). Textabbildung Bd. 303, S. 280 Fig. 1.Harnischtheile von Claviez und Co. Nach diesem Verfahren, bei welchem in bekannter Weise einerseits die Florkette derart getheilt ist, dass der eine Theil derselben in Höhe der oberen Grundkette, der andere in Höhe der unteren Grundkette zu liegen kommt, und andererseits mit offenem und einfachem Fach (nicht Doppelfach für zwei gleichzeitig geworfene Schützen) gearbeitet wird, geschieht in neuer Weise die Florbildung so, dass nach einander die Fäden des oberen Florkettentheiles gesenkt, die des unteren gehoben werden und die Schüsse, welche die zwischen dem oberen und dem unteren Gewebe liegenden Florkettentheile einbinden, unmittelbar auf einander folgen. Zur Ausführung dieses Verfahrens werden die farbigen Florkettenfäden auf zwei Harnischtheile derartig vertheilt, dass z.B. bei vierchoriger Waare zwei Chore auf je einen Harnisch, also etwa Chor I und II auf den Harnischtheil 6 (Fig. 1) und Chor III und IV auf den Harnischtheil 5 kommen. Die beiden Harnischtheile 5 und 6 stehen mit ihren Augen in einer Entfernung, die der Höhe des jeweilig zu erzeugenden Flores angepasst wird. Auch die Grundschäfte 7 und 8 einerseits und 9 und 10 andererseits stehen mit ihren Augen in entsprechender Entfernung. Textabbildung Bd. 303, S. 280 Fig. 2.Schuss und Unterwaare von Claviez und Co. Soll nun an einer Stelle ein Florfaden des Chores I und II in der Waare erscheinen, so bindet der betreffende Faden von oben nach unten und wird durch einen Schuss s2 in der Unterwaare eingebunden (Fig. 2). Soll dagegen ein Florfaden von Chor III und IV im Flor erscheinen, so bindet der Faden von unten nach oben und wird in der Oberwaare durch einen Schuss s1 gebunden. Die Grundbindung beider Waaren kann beliebig gewählt werden, z.B. zweischüssiger Rips. Zur Herstellung einer Zweischuss- (Polauf-)Waare vollzieht sich der Arbeitsvorgang wie folgt: Erster Schuss, Grundschuss in der Oberwaare g1g3g5 u.s.w. Alle Florfäden der Oberwaare werden gesenkt. Zweiter Schuss, Grundschuss in der Unterwaare g2g4g6g8 u.s.w. Alle Florfäden der Unterwaare werden gehoben. Dritter Schuss, Florschuss in der Oberwaare s1s3s5 u.s.w. Es werden nur die Florfäden der Unterwaare gehoben, die im Flor erscheinen sollen. Vierter Schuss, Florschuss in der Unterwaare s2s4s6 u.s.w. Es werden nur diejenigen Florfäden der Oberwaare gesenkt, die im Flor erscheinen sollen. Nach jedem Schuss (Grundschuss oder Figurschuss) gehen sowohl die Harnischtheile als auch die Schäfte in ihre Ruhelage zurück, wobei die Waare jedesmal um ein bestimmtes Stück aus einander gezogen wird. Dadurch wird dem Schneidmesser ermöglicht, einen ruhigen und sicheren Schnitt auszuführen, um einen gleichmässigen Flor zu erzielen. Die Bewegung der Florfäden behufs Fachbildung wird durch ein theils mit Hochfach, theils mit Tieffach arbeitendes Jacquardgetriebe bewirkt, bei dem abwechselnd die für Hochfach und die für Tieffach bestimmte Abtheilung zur Wirkung kommt. Weil nun immer ein Theil ruht, während der andere Theil arbeitet, kommen auch die zu den Getriebetheilen gehörigen Harnischtheile abwechselnd vollständig zur Ruhe. Dadurch soll ein ruhiges und sicheres Arbeiten und daher eine reine und fehlerfreie Waare zu Stande kommen. Jeder Getriebetheil hat einen besonderen Messerkasten M bezieh. M1 und einen besonderen Platinenboden P bezieh. P1 (Fig. 3). Bei dem vorderen, dem mit Hochfach wirkenden Theil ist der Platinenboden P fest und der Messerkasten M geht auf und nieder; bei dem hinteren, dem mit Tieffach wirkenden Theil ist der Messerkasten M1 fest und der Platinenboden P1 geht nach unten und dann wieder zurück. Beide Theile arbeiten immer hinter einander; erst wenn der Messerkasten völlig zur Ruhe gekommen ist, beginnt der Platinenboden seinen Weg und umgekehrt. Die Bewegung des Messerkastens M erfolgt mittels der Zugstange l, die an den Hebel k auf der Welle o1 angreift. Diese trägt Hebel i, die durch Stangen h mit der Traverse w verbunden sind, und an der letzteren hängt mittels Stellschrauben der Messerkasten M. Die Bewegung des Platinenbodens P1 geschieht mittels der Zugstange r, die an den Hebel q auf der Welle o2 angreift. Diese trägt Hebel a mit Hebeln m, welche die in Schlitzen geführten Bolzen S am Platinenboden P1 erfassen. Der Hub von P1 nach unten wird durch Anschlagschienen t begrenzt. M und P1 sind durch an ihnen angebrachte Schienen in Nuthen des Gestelles geführt. Die Zugstangen l und r werden durch die bekannten Musterscheiben angetrieben, die so geformt sind, dass die gewünschte abwechselnde Bewegung und Ruhe zu Stande kommt. Textabbildung Bd. 303, S. 281 Fig. 3.Jacquardgetriebe von Claviez und Co. Um zu verhüten, dass die beiden Waaren durch die Spannung, welche die Florfäden im Kantergestell erfahren, an einander gezogen werden und so die Bildung eines gleichmässigen Flores verhindern, wird ein Kantergestell von besonderer Einrichtung benutzt. Die Florfäden werden derartig um zwei vor jedem Rollengestell angeordnete Stäbe geschlungen und zwischen diesen durch ein Gewicht belastet, dass wohl jede beliebige Fadenlänge durch einen auf die Fäden nach vorn ausgeübten Zug hergegeben werden kann, dass aber nach dem Aufhören des Zuges keine Kraft vorhanden ist, die das hergegebene Stück wieder zurückzuziehen sucht. In Folge dessen wird auch ein gerissener Faden nicht aus den Litzen nach hinten gezogen, sondern bleibt in ihnen hängen, was sein Einziehen erleichtert. Textabbildung Bd. 303, S. 281 Lauf der Florfäden von Claviez und Co. Die Florfäden laufen, von den Spulen b kommend (Fig. 4 und 5), zunächst unter den Stab b und dann über den Stab c2 nach vorn, gehen dann unter c2 und c1 nach hinten und schliesslich oberhalb c1 und c2 wieder nach vorn zu den Führungsaugen g, worauf sie sich auf die verschiedenen Litzen vertheilen. Zwischen c1 und c2 werden die Florfäden durch U-förmige Gewichte f belastet. Wird nun ein genügend grosser Zug nach vorn auf die Florfäden ausgeübt, so folgt ihm eine genügende Menge Garn. Hört der Zug aber auf, so ist keinerlei Gewichtswirkung vorhanden, die das zugeführte Material zurückzuziehen sucht, denn das nach unten sinkende Gewicht f würde sofort ein vermehrtes Anziehen der um die Stäbe geschlungenen Fäden und damit eine grössere Reibung derselben an den Stäben erzeugen, wodurch die Gewichtswirkung aufgehoben, also ein Senken des Gewichtes vermieden wird. Zur Erzielung einer möglichst gleichmässigen Spannung aller Florfäden sind sämmtliche Fäden eines Rollengestelles um diese Spannstäbe geschlungen. Die Fäden, die in der Waare gleich binden (wenn mehrere Musterrapporte neben einander gewebt werden oder ein Muster im Spitz dargestellt wird), sind gemeinsam zu einer Spule (Kreuzspule) vereinigt, sie erfahren also ihre Bremsung durch dasselbe Gewicht. Gth.