Titel: Ueber die Verwendung des Acetylens.
Fundstelle: Band 303, Jahrgang 1897, S. 296
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Ueber die Verwendung des Acetylens. (Fortsetzung des Berichtes S. 275 d. Bd.) Mit Abbildungen. Ueber die Verwendung des Acetylens. II. Acetylengas zu Beleuchtungszwecken. Nach der Auffindung der leichteren und fabrikmässigen Darstellung des Acetylengases und besonders veranlasst durch die grosse Leuchtkraft desselben, hat sich der Strom der Beleuchtungstechnik auf die Apparate gelenkt, die entweder zur Beleuchtung für kleineren Lichtbedarf berechnet sind, oder die vorhandenes Gas durch Carburiren verstärken, oder auch dasselbe im Grossen zur directen Beleuchtung herstellen. Zu einem festen Ergebniss sind diese Bestrebungen noch nicht gelangt, sie bilden im Gegentheil noch einen Tummelplatz für berufene und unberufene Erfinder. Alle einschlagende Constructionen sind daher vorläufig noch mit Vorsicht aufzunehmen, sie harren noch der praktischen Durchbildung. Der raschen Verbreitung der Acetylenbeleuchtung trat gleich zu Anfang die Explosionsgefahr entgegen, die von manchen Interessenten wohl in etwas zu grellen Farben geschildert worden ist. Allmählich haben sich indessen die Gemüther etwas beruhigt. Die Gefahren haben wir im Vorhergehenden schon angedeutet und Pintsch, der bei dieser Frage hervorragend interessirt ist, bestätigt allerdings, dass das Acetylen bei 780° sich unter Explosion zerlegt, aber es soll ihm diese Eigenschaft benommen werden können, wenn man dasselbe mit Fett- oder Leuchtgas bis zu je 50 Proc. mischt. Ein solches Gemisch konnte nach den Versuchen von Pintsch durch glühende Eisenröhren geleitet werden, ohne dass es explodirte. Auch wurde die Helligkeit der Flamme nur ganz unwesentlich durch die Beimischung beeinflusst. Ein zweites Mittel, das Acetylengas ungefährlich zu machen, besteht nach Pintsch darin, dass die für den Lichtverbrauch dienenden Aufspeicherungsbehälter mit Weichloth, welches bei 200° schmilzt, gelöthet werden. Auf einen brennenden Holzstoss geworfen, brannte das Gas einfach ab unter Auflöthen des Behälters, während ein hartgelötheter in die Luft flog, da das Hartloth bei der Zersetzungstemperatur des Acetylens noch nicht schmilzt. – Nach Weitz gibt das Acetylen auch mit Kupfer und Silber keine explosiven Verbindungen, wenn es nur sehr trocken ist. – Nach Dr. Frank kann das nicht unter Druck stehende Acetylen nur durch Zündungen mit Knallsilber und ähnlichen Substanzen zur Explosion gebracht werden. Wirklich gefahrvoll ist nach Frank nur das flüssige Acetylen, welches auf 68 at comprimirt ist und mannigfache Explosionsgefahren birgt, die selbst schon bei heftigen Stössen oder einem plötzlichen Oeffnen der bekannten stählernen Flaschenbehälter eintreten können. In flüssiger Form braucht aber das Acetylen zur Beleuchtung nicht angewandt zu werden, indem sich dasselbe in ungefährlicher Form aus Calciumcarbid mittels Wasser entwickelt. Das Carbid kann freiliegend in trockenen Räumen aufbewahrt werden. Die Darstellung des Acetylengases für die Beleuchtung ging entweder davon aus, dem Calciumcarbid das Wasser zuzuführen oder aber Calciumcarbid dem Wasser zuzusetzen. Es scheint, als ob sich von den unzähligen vorgeschlagenen Apparaten die nach dem letzteren Verfahren construirten am meisten Eingang verschaffen wollten, und in der That scheint diesen die Zukunft anzugehören. Allerdings ist es noch keiner dieser Constructionen gelungen, zur ungetheilten Anerkennung durchzudringen, und jeder Vorschlag hat noch seine Mängel gezeigt. Zu den hervorragenden Fehlern kann man die noch mangelhafte Unterbrechbarkeit der Gasentwickelung zählen, in Folge dessen sich stets unbenutzbares Acetylengas entwickelt. Dies ist z.B. bei der Trouvé-Larnpe der Fall, bei der sich auch nach Unterbrechung des Wasserzutrittes stets noch Gas entwickelt. Ein fernerer Uebelstand ist die bei der Entwickelung des Gases auftretende Wärme. Diese Uebelstände hat man dadurch zu beseitigen gesucht, dass das Calciumcarbid in kleinen Gaben dem Wasser zugeführt wird. Einrichtungen dieser Art sind in Nachstehendem erläutert. Wir gehen jetzt zur Beschreibung einiger Apparate für Acetylenbeleuchtung über, müssen aber von vornherein darauf verzichten, eine einigermaassen vollständige Beschreibung aller einschlägigen Erfindungen zu liefern. Wir werden in dieser Hinsicht unseren Bericht vervollständigen, sobald sich die Erfindung bis zu dem Grad entwickelt hat, der eine Einheitlichkeit verbürgt. Textabbildung Bd. 303, S. 296 Fig. 1.Tragbare Acetylenlampe von Trouvé. Die tragbare Acetylenlampe (Fig. 1) von Trouvé hat Aehnlichkeit mit dem bekannten Döbereiner'schen Apparat zur Entwickelung von Wasserstoff, nur sind einige Aenderungen erforderlich geworden, um dem Charakter der verwendeten Stoffe zu entsprechen. Zunächst ist, um den Wasserzutritt zu regeln, statt des unten völlig offenen Glascylinders eine Flasche D genommen worden, deren Boden mit einem kleinen Loch versehen ist. In dieser Flasche, die sich nach ihrem oberen Ende erweitert, befinden sich in einem Korb C aus Drahtgeflecht Calciumcarbonatstücke von der Qualität, wie man sie gewöhnlich im Handel findet. Der Stöpsel, eine Metallplatte B des Gefässes D ist in der Mitte durchbohrt, um ein Kupferrohr A aufzunehmen, welches mit einem Hahn und oben mit einem Gasbrenner versehen ist. Das Ganze befindet sich in dem Gefäss V, welches bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Die Thätigkeit des Apparates ist bis auf folgende Punkte identisch mit dem oben erwähnten Döbereiner'schen Apparat. Die Zersetzung des Carbonats hört nicht auf, wenn es nicht mehr in das Wasser eintaucht, da dasselbe ein sehr hygroskopischer Körper ist, und die kleine Wassermenge, welche genügte, aus den ersten Stücken Wasserstoffgas zu entwickeln, greift auch die anderen Stücke an. Ferner vollzieht sich die Gasentwickelung so lebhaft, dass ein Theil des Wassers in Dampf verwandelt wird, welcher sich nach kurzer Zeit mit dem Gas mischt und in grösserem oder geringerem Grad dem Brennen hinderlich ist. Um dem ersten Fehler vorzubeugen, hat Trouvé das Carbonat in die Form von Kuchen von geringer Dicke gebracht und dieselben durch Glasscheiben getrennt. Doch scheint der Erfolg fraglich zu sein. Sollte der Wasserdampf die oberen Kuchen angreifen, so wird man jedenfalls auf die ausgelöschte, aber noch mit Calciumcarbonat gefüllte Lampe acht geben müssen, damit etwa sich weiter entwickelndes Gas aus der Flasche D weder dem Athmen schädlich werde, noch auch eine Explosionsgefahr naherücke. Textabbildung Bd. 303, S. 297 Fig. 2.Acetylengasentwickler mit Gasometer von Trouvé. Für den zweiten Fehler hat Trouvé ein Abhilfsmittel gefunden, indem er den Wasserdampf condensirt. Zu diesem Zweck ist oben in der Flasche eine Metallplatte B angebracht und weiterhin ist in der Röhre A ein zweites, engeres Rohr befestigt, welches mit Löchern xyz an seinem oberen Ende versehen ist. Das mit Wasserdampf gemischte Gas findet so genügende Kühlflächen und das Wasser läuft in den unteren Theil des Gefässes zurück. Die Trouvé-Lampe brennt mit einer sehr hellen und ruhigen Flamme und die wenigen Mängel der Lampe wird der Erfinder im Laufe der Zeit wohl noch beseitigen. Trouvé hat mit seinem Acetylengasentwickler auch einen Gasometer (Fig. 2) in Verbindung gebracht, um sich von den zufälligen Unregelmässigkeiten in der Gasentwickelung unabhängig zu machen und zugleich mehrere Flammen unterhalten zu können. Die Anordnung ist aus der Figur vollständig ersichtlich. Einen einfachen Acetylengaserzeuger, bestehend aus einem tragbaren Behälter, dessen Einrichtung einem Gasometer ähnelt, hat D. R. Enuso in Dunedin auf Neuseeland construirt. In einem kleinen luftdichten Metallbehälter von etwa 1 l Fassung liegt ein Stück Calciumcarbid, auf welches Wasser aus dem Reservoir fällt, wodurch das Gas sich sofort entwickelt. In einigen Secunden wird der innere Behälter mit Gas gefüllt. Indem das Gas abbrennt, sinkt der Behälter und befördert durch seinen Druck einen zweiten Wasserstrahl in den Calciumbehälter, worauf sich der geschilderte Vorgang wiederholt, so dass eine constante Gaserzeugung bewirkt wird. Das so erhaltene Licht soll ausserordentlich hell brennen und die Leuchtkraft desselben soll diejenige des gewöhnlichen Leuchtgases weit übertreffen. Ein Apparat zur selbsthätigen Acetylenerzeugung ist in Le Génie civil, 1896 S. 271, beschrieben und in schematischer Figur dargestellt. Er bietet nur insofern etwas Neues, als der Gasentwickler durch eine Gummikugel abgesperrt ist; bei zunehmendem Acetylendruck wird das Wasser aus dem Entwickler selbsthätig in das Wasserreservoir zurückgedrückt. Beim Eintritt in den Gasometer wird das Gas beiläufig gewaschen. Mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt Revue industrielle die Fortschritte auf dem Gebiete der Acetylenlampen. In der Nummer vom 25. Juli 1896 wird eine Reihe von Constructionen besprochen, unter anderen die nach R. Campe. Letztere vermeidet die Benutzung einer grösseren Menge von Calciumcarbid dadurch, dass sie dasselbe in Pulverform mittels eines rotirenden selbsthätigen Füllapparats a (Fig. 1), der mit Aussparungen versehen ist, aufgibt. Dieser Aufgebeapparat ist auch noch mit einem von aussen stellbaren Schieber versehen, der jederzeit von aussen erreichbar ist und der im gegebenen Fall die ganze Zufuhr von Calciumcarbid unterbricht. Im Uebrigen hat der Apparat eine zweckmässige wohldurchdachte Form, er ist mit den nöthigen Sicherungen und Betriebserleichterungen versehen (Fig. 3). Textabbildung Bd. 303, S. 297 Acetylenapparat von Mareschal. Der Apparat von Mareschal nimmt ebenfalls Bedacht darauf, das Calciumcarbid vor zu reichlichem Wasserzutritt zu schützen (Fig. 4). Zu diesem Zweck ist eine Rankenfeder D angebracht, welche unter dem Einflüsse des Acetylendruckes im Apparat den Füllhahn R schliesst und öffnet; im letzten Falle fällt ein Theil des Carbids aus dem Behälter A durch den Trichter T und über die schräge Lederplatte S in den Gasentwickelungsraum B. Hat der Acetylendruck eine gewisse Höhe erreicht, so wird die Zufuhr des Carbidpulvers durch den Trieb am Hahn R wieder abgeschlossen. Bei der grossen Lichtstärke der Acetylenflamme war eine gründliche Aenderung der Brenner von vornherein angezeigt. Die Zeitschrift für Beleuchtungswesen sagt in ihrer Nummer vom 30. Mai darüber Folgendes: Zu den wirthschaftlichen Schwierigkeiten der Ausnutzung des Acetylens traten bisher nicht unerhebliche technische Schwierigkeiten hinzu, in erster Linie für Acetylen eine geeignete Brennerconstruction zu finden, weil die Acetylenflamme zur vollständigen und russfreien Verbrennung etwa 10- bis 15mal mehr Verbrennungsluft braucht als die gewöhnliche Gasflamme. Die gewöhnlichen Gasbrenner waren dazu absolut ungeeignet und man behalf sich zumeist damit, ein Gemisch von Acetylen und Luft zur Verbrennung zu bringen. Damit verzichtete man aber von vornherein auf die Erzielung des maximalen Leuchteffectes und begab sich in die Gefahr von Knallgasexplosionen. Merkwürdiger Weise haben aber die Beleuchtungstechniker im Allgemeinen der Construction von Acetylenbrennern so gut wie gar keine Aufmerksamkeit zugewandt. Dem Referenten ist bisher nur ein einziger brauchbarer Acetylenbrenner bekannt geworden und zwar der von Julius Schülke, der bei seiner Construction unter Berücksichtigung der specifischen Eigenschaften des Acetylens vorgegangen ist. Schülke lenkte das Hauptaugenmerk auf eine russfreie Verbrennung unter Ausnutzung der maximalen Leuchtkraft des Acetylens; er stellte also in den Vordergrund seiner Construction eine geregelte starke Luftzuführung. Sein erster Acetylenbrenner, wie er seinem englischen Patent zu Grunde liegt, ist nichts weiter als der umgekehrte Brennerring seiner Regenerativlampe. Durch diesen Brennerring C (Fig. 5) sind eine Anzahl von dünnen Röhrchen A so durchgeführt, dass auf den aus den Röhrchen austretenden Acetylenstrom beiderseitig durch Kanäle D im Ringe eine grosse Luftmenge zugeführt wird. Indem Schülke mit Hilfe eines weiten Cylinders den nöthigen Zug herbeiführt, erzielte er bei einem Brennerring mit 20 Röhrchen eine Acetylenflamme von etwa 300 bis 400 Normalkerzen. Auf demselben Grundgedanken beruht die Einlochflamme (Fig. 6). Hier treffen auf das Fig. 5. Fig. 6. Brennerröhrchen A zwei Luftströme, die durch die Kanäle D zugeführt werden. Die erreichte Intensität der Flamme beträgt etwa 20 bis 25 Normalkerzen. Textabbildung Bd. 303, S. 298 Schülke's Brenner. Bei einer weiteren Construction verlegte Schülke (D. R. P. Nr. 87781) die Luftkanäle direct in den Glascylinder, indem er Glascylinder anwandte, die an der Stelle, wo die Flamme auftritt, stark zusammengedrückt mit kleinen kreisrunden Löchern durchbohrt sind. Die interessanteste und auch einfachste Construction besteht jedoch in der büschelförmigen Anordnung zahlreicher feiner Brennerröhrchen auf einem gemeinsamen, durchbrochenen Boden. Die Acetylenflämmchen sind dabei von einer vollkommen ausreichenden Luftmenge umgeben und brennen mit hell leuchtender, russfreier, ruhiger Flamme, deren Intensität natürlich von dem Acetylenverbrauch abhängig ist. Bei dieser Brennerconstruction kann mit geringem Druck gearbeitet werden. Die Zuleitungsröhren können also sehr eng sein und die Acetylenentwickler bedürfen keiner Druckminderungsventile und ähnlicher Vorrichtungen. Textabbildung Bd. 303, S. 298 Fig. 7.Acetylenapparat von Butzke und Co. Die Berliner Gewerbeausstellung bot Gelegenheit, die Schülke'sche Acetylenbeleuchtung im Betriebe zu sehen. Der von der Firma F. Butzke und Co., Actiengesellschaft für Metallindustrie in Berlin, in den Handel gebrachte Apparat (Fig. 7) wird einstweilen in drei Grössen, für 5 bis 10 bis 20 Flammen gebaut. Es empfiehlt sich, die Aufstellung von einem tüchtigen Gasinstallateur ausführen zu lassen. Vorhandene Gasleitungen können benutzt werden, müssen aber auf Dichtigkeit sorgfältig probirt sein. Für die Gasleitungen für Acetylengas genügen viel engere Rohre als für Steinkohlengas, so würde hier ein Rohr von 10 mm Weite genügen, ein 20-mm-Rohr bei Steinkohlengas zu ersetzen. Es empfiehlt sich, eiserne oder Bleirohre, keinesfalls solche von Kupfer zu benutzen. Ueber den Gebrauch des Apparates bemerken wir Folgendes: Der leicht lösbare Verschlussdeckel des Gaserzeugers a wird geöffnet, das Calciumcarbid in die in a befindliche eiserne Mulde geschüttet und hiernach der Gaserzeuger dicht verschraubt. Der Behälter b wird mit Wasser gefüllt. Die Anfeuchtung des Carbids findet nur tropfenweis statt, der Wasserzufluss von b nach a ist sicher regulirbar und bedarf nur einmaliger genauer Einstellung. cd ist der Gassammler, er besteht aus dem äusseren, mit Ablasshahn versehenen Wasserbehälter und der in diesen eintauchenden Gasometerglocke. Letztere ist, wie auch der Entwickler a, mit Manometer ausgerüstet. Nach Aufstellung des Apparats wird die mit einem Gewicht versehene Kette über eine an dem Doppelhebelmechanismus des Tropfgefässes angeordnete Gleitrolle gelegt, wodurch das Tropfventil Wasser auf das in a eingebrachte Carbid tropfen lässt. Das sich entwickelnde Acetylengas entweicht aus a durch den Wasserabscheider e in die Gasometerglocke und hebt diese an. Hat sich die Gasometerglocke hinreichend gehoben, so gibt die Kette den Hebelmechanismus des Tropfgefässes frei, wodurch das Tropfventil geschlossen wird. Die Gasometerglocke ist genügend gross gewählt, um das sich nach Abschluss der Wasserzufuhr nachbildende Gas aufzunehmen. Sollte jedoch diese Nachentwickelung so stark werden, dass sich die Glocke über die Maximalhöhe hinaus bewegt, dann öffnet sich das Sicherheitsventil g und das überschüssige Gas entweicht ins Freie, gleichzeitig kann diesen Stand der Glocke ein elektrisches Läutewerk anzeigen. Bei Beginn des Gasverbrauchs wird sich die Glocke entsprechend senken, das Tropfventil wieder beeinflussen, wodurch die Gasentwickelung wieder beginnt. Bevor das Gas in die Gebrauchsleitung gelangt, passirt es das Reinigungsgefäss f und kommt gereinigt zur Verbrennung.