Titel: Neuere Dampfmaschinen.
Fundstelle: Band 304, Jahrgang 1897, S. 5
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Neuere Dampfmaschinen. Mit Abbildungen. Neuere Dampfmaschinen. 1) Dampfmaschinen mit geradliniger Kolbenbewegung. a) Einfach wirkende Dampfmaschinen. Derartige, zumeist in stehender Anordnung ausgeführte Dampfmaschinen arbeiten, da heftige Stösse und Erschütterungen ihrer Einzeltheile wegen der nur einseitigen Wirkung des Dampfes ausgeschlossen sind, in der Regel mit hohen Umdrehungszahlen und haben in der Neuzeit für elektrische Lichtbetriebe eine grosse Verbreitung gefunden. Textabbildung Bd. 304, S. 5 Fig. 1.Schnell laufende, einfach wirkende Verbundmaschine von Peache. Fig. 1 veranschaulicht eine schnell laufende, einfach wirkende Verbundmaschine von J. C. Peache, welche nach Mittheilungen in The Engineer vom 6. December 1895 S. 550 aus zwei in Tandem über einander liegenden Cylindern besteht, deren einander zugekehrte Enden offen bezieh. nicht mit Deckeln versehen sind. In den hierdurch gebildeten Raum strömt zum Zwecke directer Heizung der Cylinderwandungen durch eine auf der Abbildung nicht ersichtliche kleinere Oeffnung frischer Kesseldampf, der, um etwaige Stösse und deren nachtheilige Folgen beim Hub Wechsel zu verhindern, mit einem Drucke gleich dem Producte aus der Spannung des Kesseldampfes und dem Unterschiede der Kolbenflächen beider Cylinder beständig nach abwärts wirkt. (Bei der bekannten Willans-Maschine, über welche 1893 288 * 220 berichtet wurde, ist dasselbe durch Anordnung eines Luftcylinders erreicht.) Auch bei der Steuerung werden in Folge eines auf den Kolbenschieber des Niederdruckcylinders stetig ausgeübten Dampfdruckes Stösse beim Hubwechsel vermieden. Der letztgenannte Schieber, wie auch der mit ihm auf gemeinschaftlicher Stange sitzende Kolbenschieber des Hochdruckcylinders erhalten ihre Bewegungen in einfachster Weise mittels Schwinge und Lenkstange vom Kurbelstangenkopfe aus. Der Kesseldampf strömt zunächst über den Hochdruckkolben und veranlasst, unter Mitwirkung des zwischen beide Kolben eingeschlossenen Dampfes, den Abwärtshub desselben. Nähern sich die Kolben ihren unteren Endstellungen, so strömt der über dem Hochdruckkolben wirksam gewesene Dampf inmitten des zugehörigen Schiebers unter den Niederdruckkolben, und die Maschine vollführt ihren Aufwärtshub. Sind die Kolben wieder in ihrer auf der Abbildung ersichtlichen oberen Endstellung angelangt, so entweicht der Dampf in Richtung der angegebenen Pfeile ins Freie. Um die Wirkung des zwischen beiden Kolben eingeschlossenen Dampfes auf den Kurbelzapfen zu vergrössern, ist, wie auch behufs Erreichung einer besseren Dampfvertheilung, die Mitte der Kurbelwelle, ähnlich wie bei der Westinghouse-Maschine, etwas aus der Mittellinie der Cylinder herausgelegt. Eine von Davey, Paxman and Co. in Colchester gebaute derartige Maschine setzt sich aus drei gleich grossen Tandemmaschinen zusammen, von denen jede unabhängig von der anderen auf eine gemeinschaftliche, in einer geschlossenen Kammer mit Schmierflüssigkeit sich bewegende Schwungradwelle mit drei um 120° gegenseitig versetzten Kurbeln arbeitet. Die Maschine hat Cylinder von 254 bezieh. 381 mm Durchmesser für 254 mm Kolbenhub und entwickelt mit 325 Umdrehungen in der Minute 220 effective An Dampf soll die Maschine nur etwa 10 k für effective und Stunde erfordern. Der mechanische Wirkungsgrad der Maschine wurde zu 0,88 ermittelt. Die von Eickershoff entworfene Maschine „Triumph“ der Triumph Compound Engine Co. in Cincinnati veranschaulicht die Bulletin de la Société d'Encouragement, August 1894 S. 515, entnommene Abbildung (Fig. 2). Zur Dampfvertheilung dienen zwei nahezu entlastete Kanalschieber C, welche von dem durch die Oeffnung i in den Schieberkasten tretenden Kesseldampf umgeben sind. Die oberen Oeffnungen c1 der Schieber haben eine grössere Breite als die unteren Oeffnungen c2. Beide Schieber sind mit demselben Schwinghebel M verbunden, der durch ein Excenter m auf und abwärts bewegt wird. Der Arbeitsdampf strömt durch den unteren Kanal b1 des rechtsseitigen Cylinders in den durch die Kolben DD1 gebildeten ringförmigen Raum unter den Kolben D und treibt beide Kolben nach aufwärts. Am Ende dieses Hubes tritt der Dampf durch c2cc1 über die obere Fläche des Kolbens D und bewirkt, indem er sich zum zweiten Mal arbeitsverrichtend ausdehnt, die Abwärtsbewegung der beiden Kolben. Haben dieselben ihre unteren Endstellungen erreicht, so strömt frischer Kesseldampf in den auf der Abbildung links gezeichneten Cylinder und verursacht die Aufwärtsbewegung der in diesen befindlichen beiden Kolben, während der vordem über dem Kolben D wirksam gewesene Dampf auf dem Wege dc1ee1 ins Freie entweicht. Textabbildung Bd. 304, S. 6 Fig. 2.Eickershoff's Maschine „Triumph“. Wie ersichtlich, ist die Maschine durch Kuppelung zweier Wolf'scher Cylinder um 180° entstanden. Hervorgehoben wird noch der ruhige und gleichförmige Gang der Maschine. Eichershoff construirte auch Maschinen ohne Schieber mit Dampfvertheilung durch die Arbeitskolben (Thurston, Tratté de la machine à vapeur, Bd. 1 S. 158). Eine einfach wirkende Kraftmaschine, welche neben den gebräuchlichen Auslassvorrichtungen noch ein zweites Auslassorgan aufweist, wobei letzteres auf Oeffnung belastet ist und selbsthätig wirkt, wurde Wilhelm Schmidt in Wilhelmshöhe bei Kassel unter Nr. 78809 im Deutschen Reiche patentirt. Wie Fig. 3 ersichtlich, Fig. 3. ist a der Kraftcylinder, b der Kolben und x die Hauptauslassöffnung für die verbrauchten Betriebsgase, c ist das zweite Auslassorgan, welches in dem oberen Theile des Kraftcylinders angeordnet ist und mit dem Compressionsraum g durch die beiden Oeffnungen ii1 in Verbindung steht. Textabbildung Bd. 304, S. 6 Fig. 3.Einfach wirkende Kraftmaschine von Schmidt. Da nun dieses Nebenauslassorgan durch die Feder n stets von seinem Sitz s abgedrückt wird – die Regulirschraube gestattet die Einstellung – so wird bei der gezeichneten Stellung des Kolbens der Betriebsdampf sowohl durch die Hauptöffnungen x, als auch durch die Oeffnung i1 entweichen, so dass der gesammte zurückgedrängte Dampf durch die Oeffnung o nach aussen tritt. Nachdem der Kolben die Oeffnung x geschlossen hat, wird der Dampf lediglich durch die Oeffnung i1 ausgetrieben, worauf, sobald auch diese vom Kolben überdeckt ist, die Compression eintritt. Letztere bewirkt dann, da sie die Federkraft überwindet, den Schluss des Organes c. Im todten Punkt tritt unter fortgesetzter Niederhaltung des Nebenauslassorgans der neue Betriebsdampf in den Kraftcylinder und treibt den Kolben wieder nach unten. Das Auslassorgan c bleibt in Folge des inneren Ueberdruckes stetig geschlossen, und erst im Augenblick, wenn der Kolben die Oeffnung x freigibt, tritt in Folge Ausgleiches zwischen dem Inneren des Cylinders und der Aussenluft ein Anheben des Ventils und Oeffnen des Nebenauslasses ein. Auf diese Weise wird zu hohe Compression vermieden; ausserdem bewirkt aber das Nebenauslassorgan noch eine Regulirung. Ueberschreitet nämlich der Kolben eine bestimmte Geschwindigkeit, so wird, wenn das Organ c durch die Stellschraube entsprechend eingestellt ist, der Austrittsquerschnitt des Hilfsorgans nicht genügen, um den Dampf ungedrosselt entweichen zu lassen. Es wird vielmehr die Drosselung so stark werden, dass im Inneren des Cylinders ein Ueberdruck eintritt, welcher mit Hilfe der Oeffnung i das Organ c derart belastet, dass der Federdruck überwunden und das Ventil geschlossen wird. Nachdem dieses erfolgt, tritt dann die Compressionsperiode ein und zwar bei der Mittelstellung des Kolbens, also früher wie gewöhnlich. Die Compression wird natürlich durch diesen früheren Schluss bedeutend erhöht und die Schnelligkeit der Maschine herabgemindert. Bei der in Fig. 3 ersichtlichen Maschine ist auch das Einlassventil auf Oeffnung belastet. Diese Einrichtung ist Gegenstand des Patentes Nr. 76651 und wurde 1895 296 * 53 beschrieben. Die Combination des auf Oeffnung belasteten Hilfsauslassorgans mit dem auf Oeffnung belasteten Einlassorgan ist insofern für die Regulirung der Maschine von Bedeutung, als das Hilfsauslassorgan eine frühzeitige Compression bei zu schnellem Gange herbeiführt, während andererseits das Einlassorgan eine zu hohe Ueberschreitung der Compression verhindert, indem sich dasselbe von seinem Sitz abhebt und dem zu hoch comprimirten Dampf gestattet, in das Dampfrohr z überzutreten. Es ergänzen sich also beide Anordnungen in wesentlichem Maasse. Das Einlassorgan lässt sich in gewöhnlicher Weise auch als Schieber ausbilden und sitzt dann seitlich am Cylinder, während sich das, wie früher, als Ventil ausgebildete Hilfsauslassorgan am Kopfe desselben befindet. Auch hier ist das Hilfsauslassorgan stets auf Oeffnung belastet, doch ist eine mechanische Schliessung desselben durch den Kolben vorgesehen, indem dieser, wenn er in die oberste Stellung gelangt, gegen das Hilfsventil stösst und es fast vollständig schliesst. Der vollständige Schluss durch den Kolben wird deshalb nicht vorgenommen, weil hierzu eine mathematisch genaue Abmessung nöthig wäre, wenn man nicht einen Anprall befürchten wollte. Die Schliessung des Auslassorgans wird vielmehr durch den neu eintretenden Dampf bewirkt. Eine schnell laufende Verbundmaschine von L. Demerliac mit nur einem einzigen Steuerorgan für den Hoch- und Niederdruckcylinder veranschaulichen die Revue industrielle vom 8. Juni 1895 S. 221 entnommenen Abbildungen (Fig. 4 und 5). Textabbildung Bd. 304, S. 7 Schnell laufende Verbundmaschine von Demerliac. Die beiden Cylinder liegen concentrisch in einander, derart, dass der Niederdruckkolben auf einem den Hochdruckcylinder bildenden T-formig gestalteten Rohre gleitet, welches, damit die Achsen beider Cylinder genau zusammenfallen, mit einem oberen Flansch genau in die Bohrung des grösseren Cylinders eingepasst ist. Behufs guter Führung und um schnelle Abnutzungen der reibenden Flächen zu vermeiden, ist der Hochdruckkolben P von bedeutender Länge; am Zapfen A desselben greift die zugehörige Lenkstange an. Der untere Theil des grossen Kolbens P1 bildet ein einfaches langes Rohr, welches auf dem mittleren Rohre gleitet. An zwei seitlichen, diametral gegenüber liegenden Zapfen A1A2 greifen Pleuelstangen an, welche den Niederdruckkolben mit der Kurbelwelle verbinden. In dem aus Gusseisen gefertigten cylindrischen Schiebergehäuse, dessen unterer Flansch K gleichzeitig den Cylinderdeckel bildet, ist ein hin und her schwingender Schieber D untergebracht, welcher den Eintritt frischen Dampfes in den Hochdruckcylinder, die Ausströmung des wirksam gewesenen Dampfes aus dem Niederdruckcylinder und ferner den Uebertritt des Dampfes aus dem einen in den anderen Cylinder regelt. Der Schieber erhält seine Bewegungen am zweckmässigsten von einem mittels Schwungradregulator auf veränderlichen Hub und Voreilwinkel eingestellten losen Excenter E oder, wie Fig. 4 ersichtlich, von einem festen Excenter aus. Im letzteren Falle arbeitet der gewöhnliche Kugelregulator auf ein Drosselorgan. Die Schwungradwelle hat drei Kröpfungen; an der mittleren greift die Stange des Hochdruckkolbens an, während die beiden seitlichen, um 180° gegen die erstere versetzten Kröpfungen mit den Zapfen A1 A2 des Niederdruckkolbens verbunden sind. Die Welle führt sich in zwei langen, an dem geschlossenen und bis auf eine gewisse Hohe mit Oel angefüllten Maschinenständer befestigten Lagern. Zwei Schwungräder dienen zur Abgabe der von der Maschine entwickelten Arbeit. Die Gewichte der beiden Kolben, der Kurbelwelle und der Lenkstangen gleichen sich gegenseitig aus. Da der Dampf stets in gleicher Richtung auf die Kolben wirkt, sind, wie schon hervorgehoben; heftige Stösse beim Hub Wechsel ausgeschlossen, es können aber auch keine seitlichen Erschütterungen auftreten, da die Bewegungen beider Kolben in derselben Achse erfolgen. Die Maschine arbeitet in Bezug auf letzteres wie eine doppelt wirkende Maschine mit nur einer einzigen Kurbel. Unter Hinzufügung eines dritten Cylinders kann die Maschine auch mit dreifacher Expansion des Kesseldampfes arbeiten. Eine einfach wirkende, für ein Packetboot bestimmte Vierfach-Expansionsmaschie von Fouque zeigen die Le Génie Civil, 1897 S. 27 entnommenen Abbildungen (Fig. 6 bis 8). Die Maschine setzt sich aus zwei seitlichen Cylindern FF1 mit je einem Doppelkolben und einem zwischenliegenden grossen Cylinder zusammen, in welchem letzteren der Dampf noch Arbeit verrichtet, nachdem er zuvor eine dreimalige Expansion in den ersteren erfahren hat. Die beiden seitlichen Cylinder arbeiten nach demselben Princip; es genügt deshalb, die Dampfvertheilung in dem einen derselben zu erläutern. Der Kesseldampf strömt in den Schieberkasten H (Fig. 8), sowie durch Kanal 1 des Cylinders in den durch beide Kolben gebildeten ringförmigen Raum desselben und treibt den Kolben nach abwärts. Hat derselbe seine untere Endstellung erreicht, so bringt der Schieber I den Kanal 1 mit dem Ausströmkanal C in Verbindung und es strömt der Dampf bei der Aufwärtsbewegung des Kolbens durch letzteren in den oberen Schieberkasten C, und nachdem der darin befindliche Schieber K den Kanal 2 geöffnet hat, durch diesen in den zweiten Cylinder B, um auf die kleinere Kolbenfläche zu wirken. Hierauf gelangt der Dampf, nach dem inzwischen der Schieber K den Kanal 2 mit demjenigen D in Verbindung gebracht hat, durch letzteren in den Schieberkasten D, in welchem sich ein Schieber L bewegt, und nachdem dieser den Kanal 3 geöffnet, in den Cylinder A gegen die untere Fläche des Kolbens. Nach erfolgter Arbeit in diesem Cylinder tritt der Dampf auf dem Wege RP durch ein Rohr in den Schieberkasten V des grossen mittleren Cylinders bezieh. durch die vom Schieber Y abwechselnd geöffneten Kanäle 4 5 in diesen selbst, schliesslich durch den Ausströmkanal X desselben in einen Condensator. Die Anordnung eines vierten Cylinders gestattet auch, jeden der Cylinder FF1 für sich, sowie den grossen doppelt wirkenden Cylinder mit frischem Kesseldampf zu betreiben und damit die Leistung der Maschine ganz bedeutend zu erhöhen. Ein derartiger Motor brauchte, nach unserer Quelle, mit vierfacher Expansion des Dampfes von 11 at Spannung arbeitend, für 1 indicirte und Stunde 9 k Dampf (!). Textabbildung Bd. 304, S. 8 Einfach wirkende, für ein Packetboot bestimmte Vierfach-Expansionsmaschine von Fouque. Textabbildung Bd. 304, S. 8 Fig. 9.Schnell laufende Dampfmaschine von Chandler. Die schnell laufende Dampfmaschine von Chandler arbeitet in ähnlicher Weise wie die bereits erwähnte Willans-Maschine (1893 288 * 220). Eine derartige, Fig. 9 ersichtliche, 120pferdige Dreifach-Expansionsmaschine hat nach Mittheilungen in dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Mai 1896 S. 714, drei über einander stehende Cylinder von 280, 395, 560 mm Durchmesser und 330 mm Kolbenhub, deren Kolben auf gemeinschaftlicher Stange befestigt sind; die Führung der letzteren erfolgt durch ein cylindrisches Gleitstück im unteren Theile der Maschine. Zur Dampfvertheilung dienen vier auf gemeinschaftlicher Stange sitzende Kolbenschieber, welche von einem einzigen Excenter bewegt werden. Die Ueberführung des Arbeitsdampfes von dem einen in den anderen Cylinder geschieht mittels entsprechend angeordneter Oeffnungen in der auf der Abbildung ersichtlichen Weise. Der letztere Kolbenschieber regelt die Ausströmung des Arbeitsdampfes in der Weise, dass unter dem Kolben des grossen Cylinders beständig eine gewisse Dampfmenge zur Aufnahme der beim Hubwechsel stattfindenden Stösse verbleibt. Bei Versuchen, welche mit einer gleich grossen Maschine angestellt wurden, entwickelte dieselbe nach Engineering vom 24 Januar 1896 S. 118 mit einer Dampfspannung von 11,50 at, einem Vacuum von 0,5 m im Condensator und 220 Umdrehungen in der Minute 114,78 indicirte . Hiervon entfallen auf den Hochdruckcylinder 31,13, auf den Mitteldruckcylinder 40,36 und auf den Niederdruckcylinder 43,29 . An Dampf wurden 6,7 k für 1 indicirte und Stunde verbraucht. (Fortsetzung folgt.)