Titel: Eisenhüttenwesen.Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe.
Autor: Weeren
Fundstelle: Band 307, Jahrgang 1898, S. 134
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Eisenhüttenwesen.Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe. Von Dr. Weeren in Charlottenburg. (Fortsetzung des Berichtes S. 108 d. Bd.) Mit Abbildungen. Neuerungen im Eisenhüttenbetriebe. F. Reinigungs- und Desoxydationsverfahren. Das bekannte Entschwefelungsverfahren mittels flüssigen Manganmetalles (D. R. P. Nr. 54976) hat durch den Hörder Bergwerks- und Hüttenverein, dem Inhaber des vorgenannten Patentes, eine weitere Vervollständigung erfahren. Es wird nämlich bei jenem Verfahren unter Umständen, wenn zu viel Mangan zu dem schwefelhaltigen Eisen zugesetzt wird, ein stark manganhaltiges Material erhalten. Um diesem den schädlichen Mangangehalt zu entziehen, wird dem Eisen eine entsprechende Menge Schwefelkies (FeS2), am besten, um eine möglichst schnelle und vollständige Reaction zu erzielen, in feinkörniger Form zugesetzt. Es wirken hierbei der Schwefel des Schwefelkieses und das Mangan des Eisens (Roheisen, Flusseisen oder Stahl) unter Bildung von Schwefelmangan (MnS), welch letzteres sich als Schlacke auf der Oberfläche des Eisens abscheidet, auf einander. Um aus 10 t Eisen 1 Proc. Mangan zu entfernen, sind etwa 100 k Schwefelkies erforderlich. Folgende Versuchsergebnisse liegen vor: Ein Roheisenabstich von 10 t, welcher in sorgfältiger Durchschnittsprobe ursprünglich 2,62 Proc. P, 1,90 Proc. Mn und – 0,098 Proc. S enthielt, ergab nach dem Zusätze von 70 k Schwefelkies in gleich sorgfältiger Probe 2,66 Proc. P, 1,29 Proc. Mn und 0,096 Proc. S. Ein anderer Abstich erhielt während des Fliessens etwa 100 k Schwefelkies eingestreut. Das Ergebniss war ursprünglich 2,65 Proc. P, 2,79 Proc. Mn und 0,141 Proc. S, nach der Behandlung 2,53 Proc. P, 1,77 Proc. Mn und 0,087 Proc. S. Mit ebenso grossem Erfolge ist das Verfahren bei der Erzeugung sämmtlicher Stahlsorten, besonders bei Tiegel- und Martin-Stahl angewendet worden. Ein Uebergang von Schwefel in das Eisen findet nur bei zu geringem Mangangehalte statt. Nach dem Hörder-Entschwefelungsverfahren (D. R. P. Nr. 54976) wird bekanntlich das vom Hochofen kommende Eisen vor dem Verblasen in der Birne durch Zusatz von Ferromangan entschwefelt. Eine geringe Entschwefelung findet zwar auch durch den üblichen Zusatz von Spiegeleisen oder Ferromangan am Schlusse des Converterprocesses statt, indessen genügt dieselbe nicht, um die Verwendung eines gewöhnlichen schwefelhaltigen Roheisens zu gestatten. Ein von F. Schotte in Berlin vorgeschlagenes Entschwefelungsverfahren (D. R. P. Nr. 90879) geht dahin, die Entschwefelung nach dem Entkohlen und Entphosphoren des Eisens auszuführen. Schotte verfährt in folgender Weise: Hochprocentiges Ferromangan wird gepulvert und mit Koks- oder Kohlenpulver innig gemischt; dann wird trockenes Kalkhydrat zugesetzt und nochmals gut durchgemischt. Nach Zugabe von Wasser bis zur Plasticität der Masse werden aus ihr durch starke Pressung Ziegel geformt und stark getrocknet, wodurch sie ihren Zusammenhang nicht einbüssen. Auf diese Ziegel, welche in die Giesspfanne oder in die Gussform gelegt werden, wird das entkohlte und entphosphorte Flusseisen gegossen. Auch können die Ziegel nach dem Trocknen wieder gemahlen und als Pulver dem Flusseisenstrome zugeführt werden. Die chemische Wirkung der Masse auf den Schwefel des Flusseisens erklärt Schotte folgendermaassen: In der hohen Temperatur wird unter dem reducirenden Einflüsse der Kohle – gerade wie dies im Hochofen der Fall ist – das Doppelsulfid von Calcium und Mangan gebildet; gleichzeitig wirkt der überflüssige Kohlenstoff als Kohlungsmittel, das überschüssige Mangan als Desoxydationsmittel. Das gebildete Doppelsulfid steigt an die Oberfläche des Eisenbades und kann von hier leicht entfernt werden. Gleichzeitig mit der chemischen Wirkung findet durch den aus dem Kalkhydrate entweichenden Wasserdampf ein sehr kräftiges Durchrühren des Eisens statt, wodurch nicht nur die vollkommene Entschwefelung begünstigt, sondern auch ein ganz homogenes Product erzielt wird. Die gemeinschaftliche Anwendung von Mangan und Kalk als schwefelbindende Körper ist eine überaus glückliche, indem dabei ein Doppelsulfid des Mangans und Kalkes gewonnen wird, welches im Gegensatz zum Kalksulfid sehr leichtflüssig ist und deshalb sehr vollkommen von dem Metalle geschieden werden kann. Am meisten Aehnlichkeit mit dem Verfahren von Schotte hat das des englischen Patentes Nr. 18990/1891. Auch hier wird dem zu entschwefelnden Eisen Kohle und Ferromangan zugesetzt und Kalk zugegeben; letzterer aber nur in der Absicht, die leichtflüssige Manganschlacke abzusteifen. Die Bildung von Doppelsulfiden ist deshalb ausgeschlossen. Ein eigenthümliches Verfahren von John Alexander Hunter in Philadelphia, wonach Gusseisen oder Flusseisen in härtbaren Stahl verwandelt werden soll, mag der Vollständigkeit halber angeführt werden, obwohl seine praktische Bedeutung kaum jemals in Betracht kommen dürfte. Hunter lässt die Gase, welche sich bei der Mischung von concentrirter Salzsäure, Chlorkalk und Kochsalz entwickeln, auf das umzuwandelnde Eisen während einiger Stunden einwirken, während dieses in einem geschlossenen Tiegel o. dgl. auf Gelb- bis Weissglut erhitzt gehalten wird. Soll ein kohlenstoffarmes Eisen in härtbaren Stahl übergeführt werden, so gibt Hunter zu dem Reactionsgemisch ausserdem noch Kohlenstoff, zweckmässig in Form von vegetabilischer Kohle, oder bringt die sich entwickelnden chlorhaltigen Gase vor ihrer Einleitung in den Tiegel mit der Kohle in Berührung. Nach seiner Behauptung soll durch die Einwirkung der so erzeugten Gase auf das Roheisen bezieh. kohlenstoffarme Eisen im ersten Falle eine Erniedrigung, im zweiten Falle eine Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes des behandelten Eisens erreicht werden, so dass man als jedesmaliges Product ein Eisen von stahlartiger Beschaffenheit erhält. Hunter gibt für sein Verfahren folgende Erklärung: Durch die concentrirte Salzsäure wird aus dem Chlorkalke unterchlorige Säure (HClO) frei, welche sich in Berührung mit dem hocherhitzten Eisen sofort zersetzt, wobei Sauerstoff frei wird. Dieser Sauerstoff verbindet sich mit einem Theil des Kohlenstoffes im Eisen und entfernt denselben. Das anwesende Chlor wirkt hierbei noch fördernd. Bei Mitanwendung von Kohlenstoff wirkt die unterchlorige Säure auf diesen oxydirend ein, es entsteht Kohlenoxydgas, welches eine kohlende WirkungBekanntlich vermag Kohlenoxydgas nur bei sehr niedrigen Temperaturen (unter 400° C.) unter Bildung von Kohlensäure Kohlenstoff an Eisen abzugeben. auf das Eisen ausüben soll (?). Hunter gibt an, auf diese Weise den Kohlenstoffgehalt eines Eisens von 0,32 Proc. auf 1,095 Proc. vermehrt zu haben. (D. R. P. Nr. 78851.) Robert Louis Sentinella in London empfiehlt eine aus Eisen und Kochsalz bestehende Mischung als Fluss- bezieh. Reinigungsmittel für Eisen und Stahl. Zunächst wird Schmiedeeisen (etwa 1 Centner) in einem Tiegel erhitzt, dann das Kochsalz (10 bis 20 Pfund) zugesetzt und beide bis zum Weichwerden des Eisens erhitzt und gut vermengt. Dann deckt man den Tiegel zu und steigert die Hitze, bis man das Natrium auf der Oberfläche des Metalles brennen sieht (?). Den Tiegelinhalt giesst man in Barren aus und verwendet sie als Fluss- und Reinigungsmittel für Eisen. (D. R. P. Nr. 74469.) Edward A. Uehling in Birmingham (Nordamerika) schlägt für die Behandlung von geschmolzenen Metallen mit Eisenerz, Kohle u. dgl. den in Fig. 1 dargestellten Apparat vor. Aus diesen Substanzen werden, wenn nöthig unter Zuhilfenahme geeigneter Bindemittel, Klumpen b geformt, in denen ein Kern a aus Metall befestigt wird. Die getrocknete Masse wird mittels des Kernes a an einer Welle c befestigt, die über dem Metallbade g aufgehängt und durch die Räder de von der Schnurscheibe s in schnelle Drehung versetzt werden kann. Diese Drehung wird auf den Reactionskörper b übertragen, der in dem Metallbade Strömungen erzeugt und dadurch mit immer neuen Metalltheilchen in Berührung kommt, in Folge dessen eine rasche und gleichmässige Reaction erzielt wird. (D. R. P. Nr. 87367.) Textabbildung Bd. 307, S. 136 Fig. 1.Behandlung von geschmolzenen Metallen mit Eisenerz, Kohle u. dgl. von Uehling. Calciumcarbid ist bereits bald nach seiner Wiederentdeckung durch Moissan und A. Willson für metallurgische Zwecke vorgeschlagen wordenStahl und Eisen, 1895 S. 574 Chemical News, 1895; Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1896 S. 6., insbesondere für die Entschwefelung, Desoxydation und Rückkohlung von Eisen. Alle diesbezüglichen Versuche sind aber, soweit bekannt, ziemlich resultatlos verlaufen. Von der theoretisch nicht unrichtigen Vermuthung ausgehend, dass das Calcium des Carbids das Mangan des Spiegeleisens bezieh. Ferromangans bei der Desoxydation zu ersetzen vermöchte, während der hohe Kohlenstoffgehalt des Carbids sich zu einer Rückkohlung vorzüglich eignen würde, erschien es wichtig genug, mit dem Calciumcarbid praktische Versuche anzustellen. Bedauerlicher Weise hat das Calciumcarbid die gehegten Erwartungen in keiner Weise erfüllt, wie nachstehende Versuche zeigen. Erster Versuch. 300 g Calciumcarbid in kleinen Stücken wurden in der Giesspfanne mit 136 k Flusseisen während des Ausgiessens des Metalles zusammengebracht und von dem Eisen aufgenommen. Eine Verbrennung des Carbids konnte nicht constatirt werden. Vor der Behandlung enthielt das Flusseisen 0,04 Proc. C. Nach derselben enthielt: 1) der obere Theil des Ingots 0,050 bis 0,052 Proc. C. 2) untere 0,052 0,050 Die Zerreissversuche ergaben: 1) Der obere Theil des Ingots. Festigkeit pro qmm 38,7 k Contraction 50,6 Proc. Dehnung 23,5 2) Der untere Theil des Ingots. Festigkeit pro qmm 38,7 k Contraction 53,3 Proc. Dehnung 23,1 Zweiter Versuch. 250 k Flusseisen wurden in der gleichen Weise mit 900 g Calciumcarbid behandelt. Vor der Behandlung enthielt das Flusseisen 0,04 Proc. C. Nach derselben enthielt: 1) der obere Theil des Ingots 0,065 Proc. C. 2) untere 0,065 Zur Desoxydation war Ferromangan benutzt worden. Die Zerreissversuche ergaben: 1) Der obere Theil des Ingots. Festigkeit pro qmm 39,0 k Contraction 52,0 Proc. Dehnung 20,0 2) Der untere Theil des Ingots. Festigkeit pro qmm 37,1 k Contraction 61,1 Proc. Dehnung 26,0 Diese Versuche ergeben, dass eine chemische Einwirkung durch Calciumcarbid auf Flusseisen nicht erzielt werden kann. Eine Schlackenbildung in Folge Oxydation von Calcium durch den Sauerstoff des Eisens konnte nicht constatirt werden. Beim Auswalzen des Ingots trat ein sehr starker Geruch nach Acetylen auf. Das Calciumcarbid scheint sich ohne Zerlegung nur mechanisch mit dem Eisen zu vermischen. Jean Léon Gauharou in Paris hält das Calciumcarbid schon aus theoretischen Gründen für die vorgenannten Zwecke für durchaus ungeeignet. Die etwaigen Reactionsproducte, wie Kalk, Schwefelcalcium und schwefelsaurer Kalk (Gyps), sind unschmelzbare, nicht zu verflüchtigende Stoffe, welche zum grossen Theil in dem Metalle zurückbleiben und dessen Qualität sehr nachtheilig beeinflussen. Gauharou schlägt nun vor, für die vorgedachten Zwecke Natriumcarbid zu verwenden, welches die nachtheiligen Eigenschaften des Calciumcarbids nicht besitze. Das Natrium vermag geschmolzenen Metallen den Schwefel- und Sauerstoffgehalt völlig zu entziehen, wobei Natron, Schwefelnatrium und Natriumsulfat entstehen; diese Substanzen sind im Gegensatz zu den gleichen Verbindungen des Calciums leicht flüssig und können deshalb aus dem geschmolzenen Metall leicht und vollständig abgeschieden werden. Die Anwendung von metallischem Natrium für die Reinigung geschmolzener Metalle ist ausserordentlich gefährlich, da die Reaction unter Umständen explosionsartig verläuft. Auch Soda eignet sich nicht als Reinigungsmittel, da dieselbe stets wasserhaltig ist und dieses in Berührung mit geschmolzenem Metall gleichfalls heftige Explosionen und Metallauswürfe verursacht. Ausserdem würde man eine Desoxydirung des Metalles nicht erreichen können. Natriumcarbid besitzt nach Gauharou's Untersuchungen die Vortheile des metallischen Natrium, nicht aber seine Nachtheile. Es bewirkt eine sehr energische Desulfurirung und Desoxydirung des betreffenden Metalles, ohne aber diese Reactionen explosionsartig verlaufen zu lassen. Durch die Gegenwart des Kohlenstoffes, an den das Natrium gebunden ist, verlaufen sie in durchaus ruhiger Weise. Das Natrium bindet vor allem den Schwefel- und Sauerstoff des Metalles, der Kohlenstoff des Carbids sowohl den Sauerstoff als vor allem den etwa im Metalle vorhandenen Wasserstoff unter Bildung von Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoffen. Ist das zu reinigende Metall ein kohlbares, wie z.B. Eisen, so findet gleichzeitig eine Kohlung statt. Die bei dem Reinigungsprocesse entstehenden leichtflüssigen Producte (Natron, Natriumsulfid und -sulfat) vermehren überdies die Leichtflüssigkeit aller etwa im Metall vorhandenen Schlacken und bewirken somit eine sehr vollständige Abscheidung derselben. (D. R. P. Nr. 92806.) Von der Firma Friedr. Krupp in Essen ist zur Desoxydirung von Metallen eine Legirung vorgeschlagen worden, die ausser Aluminium oder Magnesium noch Eisen, Mangan und Silicium enthält. Aluminium allein eignet sich nach den Untersuchungen der Firma für den vorliegenden Zweck in weitaus geringerem Grade als die vorgeschlagene Legirung. Aluminium vermag zwar sauerstoffhaltigem Eisen seinen Stauerstoff zu entziehen. Das entstehende Aluminiumoxyd (Thonerde) ist aber bei jener Temperatur ein unschmelzbarer Körper, der in dem gereinigten Metalle zum grossen Theil in Form eines feinen Pulvers zurückbleibt und dadurch der Festigkeit desselben Abbruch thut. Das von der Firma Krupp vorgeschlagene Verfahren bezweckt nun, die Thonerde durch gleichzeitige Hinzufügung geeigneter Stoffe leichtschmelzbar zu machen und dadurch ihre völlige Abscheidung aus dem Metalle zu erreichen. In erster Linie zeigte sich Silicium oder Bor hierfür geeignet, welche unter Sauerstoffaufnahme sich mit der vorhandenen Thonerde zu einem leichter schmelzbaren Silicat bezieh. Borat umsetzen und in einzelnen Tropfen an die Oberfläche des erheblich schwereren Metalles steigen. Da die einfachen Silicate strengflüssiger sind als die doppelt und mehrfach zusammengesetzten Silicate, so ist es von wesentlichem Vortheil, ausser dem Aluminium, für das auch Magnesium verwandt werden kann, noch einige andere Metalle, wie z.B. Mangan oder Eisen, der Legirung zuzufügen. Als besonders zweckmässiger Zusatz für Stahlgüsse hat sich eine Legirung von folgender Zusammensetzung erwiesen: 5 Proc. Aluminium, 10 Proc. Mangan, 10 Proc. Silicium und 75 Proc. Eisen. Mangan und Silicium werden in Form von Ferromangan und Ferrosilicium zugesetzt. (D. R. P. Nr. 86607.) (Fortsetzung folgt.)