Titel: Feuerungstechnik.Neuere Dampfkessel.
Fundstelle: Band 309, Jahrgang 1898, S. 188
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Feuerungstechnik.Neuere Dampfkessel. (Fortsetzung des Berichtes S. 169 d. Bd.) Mit Abbildungen. Neuere Dampfkessel. Serpollet-Kessel.Vgl. 1889 272 * 359. 1890 275 * 704. 277 * 437. 1891 280 * 248. 1895 297 * 106. * 126. 298 240. 1897 306 149. Den Fortschritten dieser Kessel widmet die Zeitschrift, des internationalen Verbandes der Ueberwachungsvereine einige Worte, aus welchen hervorgeht, dass die Serpollet-Kessel, die ursprünglich nur für 2 bis 3 hergestellt wurden, heute bis zu 50 hergestellt werden. Die Ingangsetzung erfolgt durch eine Handpumpe, welche schon nach einigen Minuten durch die Dampfpumpe abgelöst werden kann. Ein einstellbarer Hahn gestattet dem Maschinisten die sofortige Regelung der Dampfentwickelung dadurch, dass er den Wasserzutritt von Voll bis Null einstellen kann, je nachdem er die Pumpe ganz oder theilweise in den Kessel oder in den Wasserbehälter zurück speisen lässt. Man rühmt dem Kessel eine grosse Sicherheit gegen Explosion nach, trotz des hohen Verwendungsdruckes. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass der Dampferzeuger nur einen sogeringen Wasserraum besitzt, dass der Volumeninhalt gleich Null ist, so dass beim Aufreissen eines Kesseltheiles die ausströmende Dampfmenge nur gering sein wird. Ein weiterer Vortheil ist die unmittelbare Erzeugung überhitzten Dampfes von einer mittleren Temperatur von etwa 320°, wodurch ein geringer Dampfverbrauch der Maschine gewährleistet ist. Versuche in dieser Richtung sollen bei einem 4pferdigen Motor einen Dampfverbrauch von 14 k und einen Kohlenverbrauch von 2 k auf 1 /Std. ergeben haben; das geringe Gewicht von Kessel und Maschine ist bedingt durch das Princip der Dampferzeugung und Dampfverwendung im überhitzten Zustande; einfach und schnell zu bewirkende Aenderung der Leistungsfähigkeit von Null bis zur Maximalgrenze. Den Vortheilen des Serpollet-Kessels stehen indessen auch Nachtheile gegenüber. Der erste Einwand ist, dass sich die schmalen Schlitze bei nicht ganz reinem Speisewasser bald verstopfen. Diesen Einwand sucht der Erfinder damit zu entkräften, dass durch die ausserordentlich heftige Durchströmung des Dampfes durch die Kesselröhren die aus dem Wasser ausgeschiedenen festen Bestände herausgeblasen werden. Diese Ansicht dürfte mit Recht auf Zweifel stossen, denn nach den Erfahrungen, die man bei den engrohrigen Siederkesseln bisher gemacht hat, ist kaum anzunehmen, dass bezüglich des Kesselsteinansatzes der Serpollet'sche Kessel eine Ausnahme machen sollte. In den meisten Fällen wird man sich also wohl dazu entschliessen müssen, gereinigtes Wasser zur Speisung zu verwenden, oder Mittel ausfindig zu machen, durch die eine Reinigung der Röhren ermöglicht wird. Empfohlen wird für den letzteren Fall, den Kessel von Zeit zu Zeit mit einer 10procentigen Salzsäurelösung auszuspülen; erfahrungsgemäss soll diese Lösung die Kesselwandungen in kurzer Frist von Kesselsteinansatz befreien, dieselben aber nicht im Mindesten angreifen. Die durch die Säure aufgelösten Theile werden durch Ausspülen beseitigt. Dass das Eisen durch die Salzsäure nicht angegriffen werden sollte, dürfte nicht zutreffen, das häufigere Ausspülen mit Salzsäure im kalten Kesselzustande kann für die Haltbarkeit des Kessels aber als bedeutungslos angesehen werden, weil man es hier mit sehr starkwandigen Rohren zu thun hat, so dass lange Zeit vergehen kann, ehe dieselben eine bedenkliche Schwächung der Wandungen erfahren werden. Verstopfungen durch Schlamm oder Kesselstein werden sich in der Regel bei den unteren Rohren, in denen das Wasser verdampft, bemerkbar machen. Die Rohre sind deshalb so gelagert, dass sie leicht ausgewechselt werden können; um ein Rohrelement zu entfernen, ist es nur nöthig, die an den Enden befindlichen beiden Muttern zu entfernen. Des Weiteren kommt die Gefahr des Verbrennens der Rohre in Betracht. Diese Gefahr besteht augenscheinlich im Augenblicke des Anhaltens des Motors, d.h. wenn der Dampferzeuger nicht gespeist wird; die Rohre sind dann den Heizgasen ausgesetzt, ohne durch eingespritztes Wasser gekühlt zu werden. Diese Gefahr wird dadurch beseitigt, dass man mit Hilfe eines Schiebers die Einwirkung der Heizgase auf die Rohre unterbricht, sowie durch Oeffnen besonderer in der Ummantelung des Kessels angebrachter Thüren den Zutritt von kalter Luft in der Höhe des Rohrsystems ermöglicht. Ein Verbrennen der Rohre erscheint leicht möglich, wenn die Heizfläche zur Dampferzeugung nicht im richtigen Verhältnisse steht, d.h. wenn die Heizfläche zu stark in Anspruch genommen wird. Bei mässiger Beanspruchung derselben und genügender Entfernung der Rohre vom Roste dürfte eine übermässige Erhitzung der Rohre jedoch kaum zu befürchten sein. Ueber den Schmierölverbrauch und die Abnutzung der reibenden Theile sind, wie bei allen Maschinen, die mit hoch überhitztem Dampfe arbeiten, die Ansichten noch sehr verschieden, ein Beweis, dass diese Frage noch nicht genügend geklärt ist. Die grosse Wandelbarkeit hinsichtlich der Grösse der Kraftleistung macht den Serpollet'schen Dampfmotor besonders geeignet zur Fortbewegung von Fahrzeugen aller Art. Die Pariser Trambahngesellschaft war die erste, welche mit dem Serpollet'schen Motor im J. 1893 Versuche anstellte. Auf der vorderen Plattform eines alten Pferdebahnwagens wurde der Dampferzeuger aufgestellt und unterhalb der Plattform der Motor angebracht. Die Bewegungsübertragung von dem Motor auf die Wagenachsen erfolgte durch eine Galt'sche Kette im Verhältniss der Geschwindigkeit von 3 zu 1. Die dreifach grössere Geschwindigkeit des Motors wurde gewählt, um ihn möglichst leicht machen zu können. Obwohl dieser erste Versuch nicht unter den günstigsten Bedingungen angestellt wurde, weil sich der Wagen zur Aufnahme des Serpollet'schen Motors nicht gerade besonders eignete, müssen doch die Ergebnisse befriedigend gewesen sein, denn dieselbe Gesellschaft bestellte bei der Serpollet'schen Gesellschaft 9 grosse Wagen zu je 50 Plätzen. Zur Zeit ist eine grössere Anzahl von Strassenbahnwagen mit diesem Dampfmotor versehen. Auch neuere Strassenbahnwagen werden mit dem Serpollet'schen Dampfmotor ausgerüstet. Dies geschieht z.B. von der Pariser Trambahngesellschaft. Diese Wagen haben 50 Plätze. Die Gesammtlast eines vollbesetzten Zuges dieser Art beträgt rund 19500 k – der Serpollet'sche Wagen allein wiegt unbesetzt 8000 k. Der auf dem ersten Versuchswagen aufgestellte Dampferzeuger hatte viereckige Form, er benöthigte einer Grundfläche von 0,720 × 0,575 m und besass eine Höhe von 1,03 m. Bei diesem Kessel sind die Rohre wagerecht und stufenweise über einander eingebaut. Das Wasser wurde unten eingespritzt und der Dampf oben entnommen. Diese an und für sich rationelle Einrichtung konnte bei den grösseren Wagen nicht beibehalten werden; man musste hier den Dampferzeuger in zwei Abtheilungen zerlegen, deren vordere Abtheilung aus dem Feuerraume mit einem wagerecht darüber gelagerten Rohrsysteme besteht, während die zweite sich dahinter anschliessende Abtheilung von einem senkrechten Rohrsysteme gebildet wird. Die Rohre sind versetzt angeordnet. Ein derartiger Kessel benöthigt einer Grundflächevon 1,75 × 0,68 m und einer Höhe von 1,08 m; er wird quer zur Wagenachse auf der Plattform angebracht. Der Kessel ist mit einer doppelten Umhüllung versehen, innerhalb deren Wänden ein Luftstrom kreist, zum Schutze der Fahrgäste gegen die Wärme. Als Heizmittel dient Koks. Der Füllungsgrad der Maschine ist so hoch, dass der Dampf noch mit Ueberhitzung ins Freie tritt. Die Kraftübertragung geschieht mittels Galt'scher Kette. Die Maschinen haben 150 mm Cylinderdurchmesser und 160 mm Hub. Im Winter wird der abgehende Dampf zur Wagenheizung verwendet. Jeder Wagen ist mit einer Schnellbremse und einer gewöhnlichen Sicherheitsbremse mit Spindel und Handrad versehen. Die Schnellbremse ist eine Bandbremse, die sowohl unmittelbar auf der Welle, als auch gleichzeitig am Umfange der Räder durch Bremsklötze zur Wirkung kommt und den Wagen schnell, dabei aber stossfrei zum Stehen bringt. Die Bremsen können sowohl von der vorderen, als auch von der hinteren Plattform aus in Thätigkeit gebracht werden. Das Anhalten geschieht für gewöhnlich durch die Schnellbremse mit dem Fusse, nöthigen Falles auch durch die Umsteuerung. Soll der Wagen zum Stillstande gebracht werden, so setzt der Maschinist die Bandbremse in Thätigkeit und führt den Umsteuerungshebel auf den todten Punkt zurück. In dieser Stellung sind die Ausströmungskanäle des Cylinders geschlossen, Kessel sowie Maschine stehen somit unter Druck, der sich angesichts der hohen Temperatur des Dampfes und der Kesselwandungen ohne besondere Wärmezuführung 10 bis 15 Minuten erhalten soll. Beim Anfahren genügt es, den Fusshebel der Bandbremse frei zu lassen und den Steuerungshebel nach vorn zu stellen. In der Regel wird die Verlangsamung der Fahrt oder das Anhalten des Wagens lediglich durch die Bandbremse bewirkt, der Maschinist hat es also nicht einmal nöthig, den Steuerhebel auf den todten Punkt zu stellen, beim Loslassen des Fusshebels läuft der Wagen sofort an. Dass der Dampfdruck während der Anhaltezeit eine übermässige Höhe nicht erreicht, wird dadurch erklärt, dass im Augenblicke des Anhaltens das im Generator eingeschlossene Wasser und der Dampf sofort überhitzt wird. Der Druck wird sich also schnell steigern, aber nur bis zu dem Grade, welcher von der Temperatur des Rohrsystems und von der Dichtigkeit des Dampfes abhängig ist. Für letztere ist wieder die im Dampferzeuger: vorhandene Wassermenge maassgebend, die ausserordentlich klein ist, woraus geschlossen wird, dass der Maximaldruck nie eine gefährliche Höhe erreichen kann.: Ueber das Gewicht der Serpollet'schen Wagen wird angegeben: Es beträgt das Gewicht eines Wagens zu 50 Plätzen leer 8000 k, besetzt 11500 k 40 6000 k,   8200 k 20 3500 k,   6000 k 15 2500 k,   3500 k Die normale Geschwindigkeit soll 16 km in der Stunde betragen; für grössere Geschwindigkeiten wird statt des Kettenantriebes directer Antrieb durch die Maschine empfohlen. (Fortsetzung folgt.)