Titel: Ueber die Formgebung der Schaufeln bei Françis-Turbinen.
Autor: A. Hummel
Fundstelle: Band 311, Jahrgang 1899, S. 4
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Ueber die Formgebung der Schaufeln bei Françis-Turbinen. Eine Studie von A. Hummel, Stuttgart. Ueber die Formgebung der Schaufeln bei Françis-Turbinen. Während bei reinen Achsial- und ebensolchen Radialturbinen die Formgebung der Schaufeln genau festgelegt ist und sich theoretisch leicht verfolgen lässt, ist dies bei Françis-Turbinen, welche als eine Kombination von Radial- und Achsialüberdruckturbinen angesehen werden können, nicht der Fall. Im nachstehenden soll nach einem allgemeinen Ueberblick ein Versuch gemacht werden, einen Weg zur zeichnerischen Darstellung und praktischen Ausführung der Schaufeln anzugeben. Bei den hohen Anforderungen, welche gegenwärtig an die Leistungsfähigkeit des Turbinenbaues gestellt werden, wird neben rationellster Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Gefälles und der Wassermenge verlangt: sehr geringe Abweichung der Umdrehungszahl von der normalen bei plötzlicher, teilweiser Entlastung der Turbine, also empfindliche, leichte und rasche Selbstregulierung: bequeme Zugänglichkeit zu den wichtigsten Teilen, hauptsächlich zu den Leit- und Laufrad schaufeln; eine möglichst hohe Umdrehungszahl zur Vereinfachung des Triebwerks, und bei entsprechenden Gefallen wagerechte Anordnung der Turbinenachse, damit schwere Winkelgetriebe behufs leichteren Anschlusses an die Haupttransmission in Wegfall kommen. Bei Ueberdruckturbinen lassen sich diese Vorteile leichter als bei Druckturbinen erreichen. Erstere können als Vollturbinen ebensogut im Unterwasser, als auch in bestimmter Höhe über diesem montiert werden, wobei ein Saugrohr die aus dem Rad tretende Wassersäule ohne Luftzutritt unter den Unterwasserspiegel leitet, damit dieselbe nicht abreisst, sondern saugend zur Wirkung kommt. Demnach finden die Ueberdruckturbinen hauptsächlich Verwendung bei kleineren, veränderlichen Gefällen mit schwankendem Unterwasserspiegel, bei denen es darauf ankommt, immer möglichst viel vom jeweiligen Gefälle nutzbar zu machen. In diesem Falle wäre die Anwendung von Druckturbinen mit entsprechendem Freihängen über dem Unterwasserspiegel wegen zu grosser Gefällsverluste beim Normal- und beim Kleinwasserstand gegenüber dem ganzen Gefälle nicht angebracht. Das Wasser findet beim Zuleiten und Durchfliessen der Radkanäle bis zum Eintritt in das Unterwasser hydraulische, mit Gefällsverlusten verbundene Bewegungswiderstände, welche den Wirkungsgrad der Turbinenanlage wesentlich beeinflussen. In erster Linie ist eine gewisse Gefällshöhe für die Erhaltung der Wassergeschwindigkeit, mit welcher das Wasser unmittelbar vor der Turbine ankommt, aufzuwenden, ferner eine solche für die Ueberwindung der Reibungswiderstände im Oberwassergraben. Ausserdem kommt bei Radialturbinen noch derjenige Widerstand hinzu, welcher dadurch entsteht, dass das Wasser kurz vor seinem Eintritt in die Leitradkanäle um einen rechten Winkel abgelenkt werden muss. Alsdann ruft die Querschnittsänderung des zugeführten Wassers durch die Schaufeldicke und die Einschnürung des Strahls einen Energieverlust hervor, und hat das Auftreffen des Wassers auf die Stirnflächen der Schaufeln einen Arbeitsverlust zur Folge. Es entstehen ferner Reibungsverluste an den Schaufelwandungen und Krümmungswiderstände durch die Richtungsänderung des die Kanäle durchströmenden Wassers, weshalb die Schaufeln nicht unnötig lang und nicht zu stark gekrümmt sein dürfen. Die Querschnitts- und Geschwindigkeitsänderung des Wasserstrahls im Leit- und Laufrade bedingt eine weitere aufzuwendende Druckhöhe auf Kosten des ganzen Gefälles. Beim Durchgang durch den Spalt (Fig. 1Siehe C. Bach, Die Wasserräder.) zwischen Leit- und Laufrad erleidet der Wasserstrom eine Querschnittsverengung durch die vorübereilenden Laufradschaufeln, während bei innerem Ueberdruck eine gewisse Wassermenge durch den Spalt entweicht, ohne dass sie nutzbar gemacht wird. Damit das Wasser stossfrei in das Laufrad eintritt, sind die Schaufelwinkel so zu wählen, dass die gleichförmige Umfangsgeschwindigkeit ve des Laufrads und die relative Geschwindigkeit we des Wassers in der Schaufel der Grösse und Richtung nach die absolute Austrittsgeschwindigkeit ce aus dem Leitrad ergeben (Fig. 2). Textabbildung Bd. 311, S. 4 Fig. 1. Der Stoss des eintretenden Wasserstrahls auf die Stirnflächen der Schaufeln kann dadurch gemildert werden, dass man dieselben zweckmässig zuschärft. Dieselben Widerstände wie in den Leitradkanälen setzen sich dem durch das Laufrad fliessenden Wasser entgegen. Textabbildung Bd. 311, S. 4 Fig. 2. Die nicht nutzbar zu machende Energie des abfliessenden Wassers und damit die absolute Austrittsgeschwindigkeit ca, mit welcher das Wasser das Laufrad verlässt und welche sich aus der relativen Geschwindigkeit wa am Schaufelende und der hierzu gehörenden Umfangsgeschwindigkeit va des Laufrads zusammensetzt, sollen wegen des damit verbundenen Verlustes möglichst klein sein. Die Geschwindigkeit ca fällt am kleinsten aus und erscheint als ausschliesslich zum Abfliessen des Wassers aus dem Unterwassergraben verwendet, wenn sie senkrecht zur ganzen verfügbaren Austrittsebene des Rades steht, d.h. senkrecht zur Umfangsgeschwindigkeit va. Weitere Ursachen zu Druckhöhenverlusten führt die Regulierung mit sich. Der Wirkungsgrad sinkt sehr rasch bei Anwendung von Einlassschützen, Austrittsschützen und Drosselklappen im Zu- oder Abflussrohr, weil damit ein Teil des Gefälles direkt vernichtet wird, und die Eintrittsverhältnisse durch die gleichbleibende Umdrehungszahl des Rades sowie durch das verminderte Gefälle so geändert werden, dass das Wasser mit Stoss oder Rückschlag auf die Schaufeln auftreffen muss. Besser eignet sich zur Regulierung von Ueberdruckturbinen die Absperrung einzelner Leitradkanäle, doch lassen sich dabei Stossverluste nicht vermeiden, denn das durch die nächste offene Leitradzelle fliessende Wasser wird auf in Ruhe befindliches Wasser, herrührend von der vorhergehenden, abgesperrten Zelle, stossen und diese tote Wassermasse erst in Bewegung setzen müssen. Diese Stosswirkung lässt sich nur vollständig vermeiden durch Anordnung mehrerer Kränze im Laufrad, die entweder einzeln ganz benutzt, oder ganz abgeschlossen werden. Druckturbinen mit freier Strahlausbildung sind sehr gut regulierbar und ergeben selbst bei geringem Wasserzufluss noch einen hohen Wirkungsgrad. Es ist nicht von Einfluss auf die Wirkungsweise, ob der Wasserstrahl nur einen kleinen Teil der Schaufelräume ausfüllt, oder durch Absperren mehrerer Kanäle unterbrochen wird, da das Wasser die Kanäle stets frei durchfliessen kann und in ihnen keine toten Wassermassen stehen bleiben, solange das Turbinenrad über dem Unterwasserspiegel freihängt und Luft ungehindert in den Kanälen zirkulieren kann (Fig. 3). Textabbildung Bd. 311, S. 5 Fig. 3. Steigt nun der Unterwasserspiegel, d.h. ist das Gefälle veränderlich, so füllen sich die Lufträume in den Laufradkanälen mit Wasser, und es stellt sich durch das Stauwasser dem freien Durchfluss des Wassers ein Hindernis entgegen, wodurch der Wirkungsgrad sofort nicht unerheblich sinkt. Textabbildung Bd. 311, S. 5 Fig. 4. Dieser Nachteil lässt sich durch Fernhalten der die Lufträume ausfüllenden Wassermasse beseitigen, indem man auf dem Rücken der Schaufel ein zweites Schaufelstück, die sogen. Rückschaufel (Fig. 4) aufsetzt, so dass der Wasserstrahl die Schaufelräume ganz ausfüllt. Es wird die konstante Grösse des Querschnitts auch dadurch zu erreichen gesucht, dass der Kranz seitlich (bei a in Fig. 5) eingebaucht wird. Jedoch kann bei dieser Konstruktion mit einer solchen Ablenkung des Wasserstrahls kaum noch von einer freien Strahlausbildung gesprochen werden. Textabbildung Bd. 311, S. 5 Fig. 5. Die Druckturbinen eignen sich somit vorzugsweise für wechselnde Wassermengen bei gleichbleibendem Gefälle, die Rückschaufelturbinen für Gefälle, bei welchen mässiges Stauwasser aufzutreten pflegt. Bei bedeutenden Schwankungen des Unterwasserspiegels, besonders aber wenn man sich gegen Ueberschwemmung des Turbinenhauses sichern und leichte Reinigung der Turbinenschaufeln erzielen will, sind unter den Ueberdruckturbinen für die meisten Fälle die Françis-Turbinen am besten angebracht. Durch das Saugrohr erhält man die Turbine ohne Schwierigkeit hochwasserfrei über dem Unterwasser bei vollständiger Gefälleausnutzung und bequemer Zugänglichkeit der ganzen Turbine bei jedem Wasserstande. Bei nicht zu kleinen Gefällen lässt sich ohne besondere Schwierigkeit die Turbinenachse wagerecht über dem Maschinenhausboden anordnen und meistens ohne Zwischenräder direkt mit der Haupttransmission oder Dynamomaschine verbinden. Ueber verschiedene Aufstellungsarten der Turbinen vgl. Zeitschr. d. V. deutscher Ing., Bd. 1897 S. 792: „Neuere Turbinenanlagen“ von J. M. Voith, Heidenheim, und 1896 S. 1005. Aehnliche Verhältnisse, wie sie im vorstehenden erörtert wurden, trifft man bei Françis-Turbinen, so dass über die Bewegungswiderstände des Wassers dasselbe gilt und hier unmittelbar darauf angewendet werden kann. Textabbildung Bd. 311, S. 5 Fig. 6. Dem Laufrad fliesst das Wasser vom aussen befindlichen Leitrade radial zu, verändert seine Bewegungsrichtung um 90° und tritt gewöhnlich durch ein Saugrohr in achsialer Richtung in den Untergraben. Man erhält keine reine Radialturbine, denn die obersten Wasserelemente bewegen sich innerhalb der Laufradkanäle annähernd horizontal CD entlang (Fig. 6) wie in einer reinen Radialturbine, während die untersten Elemente ihren Weg ungefähr parallel zur Achse, nach EF wie in einer Achsialturbine, nehmen müssen und in dieser Richtung durch das Saugrohr weiterfliessen. Vom mittleren Wasserstrahl AB aus lässt sich infolgedessen die Schaufelform nicht vollständig bestimmen, wie bei Achsial- oder Radialturbinen; auch kann die Schaufelfläche CDFE keine Gerade zur Erzeugenden besitzen. Man wird vielmehr so verfahren müssen, dass man bei der Konstruktion vom mittleren Wasserfaden AB im Raum ausgeht, sodann mit mehreren mittleren Fäden zwischenliegender Wasserströme, einschliesslich der obersten und untersten Fäden entsprechend dasselbe durchführt. Da der Austritt des Wassers aus der Schaufel wegen richtigen Abflusses in allen Punkten senkrecht zur Austrittskante DBF erfolgen soll, so wäre letztere so zu wählen, dass die letzten Kurvenelemente aller Wasserfäden senkrecht auf ihr stehen. Dies lässt sich jedoch nicht leicht erreichen, es empfiehlt sich vielmehr mit Rücksicht auf die praktische Ausführung des Schaufelmodelles, die Austrittskante in eine zur Turbinenachse parallele Ebene zu legen, welche mit der Berührungsebene an die Schaufelfläche im Endpunkt B des mittleren austretenden Wasserfadens eine zu seinem letzten Kurvenelemente senkrechte Durchschnittslinie bildet. Dadurch entsteht allerdings der Nachteil, dass das Wasser die Schaufel nur in der Mitte senkrecht verlässt und die Winkel zwischen Wasserfäden und Austrittskante oberhalb der Mitte kleiner, diejenigen unterhalb grösser als 90° werden. Damit der austretende Wasserstrom keine Kontraktion erleidet, wird das Ende der Schaufeln, von oben gesehen, nach einer Evolvente gekrümmt, und nach unten zu – der achsial gedachte Teil – ein kurzes Stück gerade gelassen. Die aus den Schaufelkanälen tretenden Wasserfäden müssen annähernd durch die Turbinenachse gehen und zwar in rationeller Weise mit einer nicht viel grösseren Geschwindigkeit, als die Ueberwindung der Widerstände im Saugrohr, der Eintritt in das Unterwasser und die Erteilung der Abflussgeschwindigkeit im Untergraben bedingen. Textabbildung Bd. 311, S. 6 Fig. 7. Beim Entwurf der Schaufelung bestimmt man zuerst den Durchmesser d des Abflussrohres, wobei angenommen werden kann, dass die mittlere Wassergeschwindigkeit im letzteren nicht grösser ausfällt, als 1 m pro Sekunde, davon abweichend je nach den vorhandenen Verhältnissen, wonach auch die Grösse des Austrittswinkels a aus dem Leitrad zu wählen ist bei einem Eintrittswinkel in das Laufrad: β = 90°, sofern dies ausführbar erscheint. Nachdem der Durchmesser De des Laufrads, die Teilung und Schaufelzahl erfahrungsgemäss gewählt wurden, lassen sich die absolute und relative Eintrittsgeschwindigkeiten ce und we, die Umfangsgeschwindigkeit ve, die Tourenzahl, die Leit- und Laufradhöhe CE an der Eintrittsstelle berechnen und die einzelnen Grössen nach Bedarf abändern. Aus dem berechneten Spaltüberdruck und der relativen Eintrittsgeschwindigkeit we erhält man unter Berücksichtigung der Zentrifugalkraft die relative Austrittsgeschwindigkeit wa und aus dieser mit der zugehörigen Umfangsgeschwindigkeit den eingeschlossenen Austrittswinkel γ und die absolute Austrittsgeschwindigkeit ca, welche senkrecht zu va sein soll. Die durch den Winkel γ bestimmte mittlere Weite w der Laufradkanäle und die mittlere Geschwindigkeit wa ergeben mittels der sekundlich auszufliessenden Wassermenge als Anhalt zum ersten Entwurf die nötige Höhe DBF des Austrittsquerschnitts. Mit diesen erhaltenen Grössen kann man nach Annahme der Kurve EF den Aufriss der Schaufelform konstruieren. Kurve CD trifft man gewöhnlich als Kreisbogen, Kurve DBF als Parabel, die in D auf CD, in F auf EF senkrecht steht. Zum vollständigen Festlegen der Schaufelform ist es nötig, ausser dem mittleren Wasserfaden zwischen der Umgrenzung und dem letzteren durch wiederholtes Halbieren noch so viele Wasserfäden, als notwendig sind, zu konstruieren und mit allen so zu verfahren, wie mit dem mittleren Wasserstrahl. Die verschiedenen Umfangsgeschwindigkeiten va an den zugehörigen Austrittspunkten ergeben mit ihren relativen Austrittsgeschwindigkeiten wa durch das Geschwindigkeitsparallelogramm den jeweiligen Austrittswinkel y und die absolute Austrittsgeschwindigkeit ca. Jeder der Punkte hat einen anderen Abstand von der Achse, wodurch auch va, wa, ca und die Winkel γ verschieden gross werden, wenn ca senkrecht steht auf va. Die Ebene der Austrittskante DBF konstruiert man so, wie oben angeführt wurde, dass der mittlere Wasserstrahl die Schaufel bei B rechtwinklig verlässt. Diese Ebene weicht in der Regel um einige Grade von der Radialebene ab. Es wäre nun zu untersuchen, ob der Austrittsquerschnitt mit den berechneten Grössen ausreicht, um die gegebene Wassermenge mit der jeweiligen Geschwindigkeit durchzulassen und ob die Austrittsgeschwindigkeit des Wassers den erwähnten Bedingungen entspricht; anderenfalls wäre so lange zweckentsprechend abzuändern, bis diese Bedingungen erfüllt sind. Die der Energie des abfliessenden Wassers entsprechenden Austrittsverluste werden in der Regel zu 3 bis 4 % des ganzen verfügbaren Gefälles angenommen; nur in einzelnen Fällen, besonders wenn es sich um eine billige Kraftanlage handelt und eine reichlich bemessene Wassermenge vorhanden ist, wird es von Vorteil sein, einen grösseren Verlust zuzulassen. Besitzt die relative Austrittsgeschwindigkeit ca an den einzelnen Punkten verschiedene Grössen, so können die Austrittsverluste (siehe Bach, Wasserräder, 1886 S. 72) leicht auf folgende Weise bestimmt werden: Man trägt zur Austrittsbreite ba als Abscisse die den verschiedenen Austrittsgeschwindigkeiten ca entsprechenden Verlusthöhen \frac{{c_a}^2}{2\,g} in den betreffenden Punkten der Abscisse D, H, B, K, F als Ordinaten auf und verbindet die Endpunkte C, G, A, J, E, so stellt die Fläche CEFD den gesamten Austrittsverlust dar. Der mittlere Verlust in m Wassersäule ergibt sich zu: h_1=\frac{C\,E\,F\,D}{b_a}. (Fortsetzung folgt.)