Titel: Die Gaskraftmaschinen auf der II. Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung zu München 1898.
Autor: Fr. Freytag
Fundstelle: Band 311, Jahrgang 1899, S. 86
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Die Gaskraftmaschinen auf der II. Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung zu München 1898. Von Prof. Fr. Freytag. (Fortsetzung des Berichtes S. 71 d. Bd.) Die Gaskraftmaschinen auf der II. Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung zu München 1898. Durch äusserst sinnreiche Neuerungen bemerkenswerte Gas- und Petroleummotoren von 2 bezw. 1, 2 und 4 hatte die Maschinenfabrik Fritz Scheibler in Aachen ausgestellt. Der Konstrukteur, Zivilingenieur Capitaine in Frankfurt a. M., dem eine langjährige Erfahrung im Bau von Gaskraftmaschinen zur Seite steht, ist beim Entwürfe dieser neuen Motoren von dem Gedanken ausgegangen, eine Petroleummaschine zu schaffen, welche den Forderungen des Kleingewerbes in Bezug auf Sparsamkeit, Reinlichkeit und Sicherheit des Betriebes, wie auch in Bezug auf Wartung nach Möglichkeit Rechnung trägt. Er war der Ansicht, dass diesen Anforderungen durch eine Verminderung oder Vereinfachung der Einzelteile des Motors nur bis zu einer gewissen Grenze entsprochen werden kann, über welche hinaus dies nur auf Kosten der Vollkommenheit der Wirkung möglich ist. Aus diesem Grunde weicht der neue Motor durch eine gewisse Komplikation in der Bauart von den bestehenden Konstruktionen ab, doch ist die Zahl der Handhabungen gegenüber den letzteren vermindert worden. Da im übrigen die Einzelteile des Motors durchweg mit besonderen Hilfswerkzeugen genau und leicht auswechselbar hergestellt (1898 310 * 123), und in ihren Abmessungen so gehalten sind, dass Abnutzungen erst nach längerer Betriebsdauer eintreten können, dürfte die Vermehrung derselben kaum irgendwelche Nachteile haben, während andererseits durch dieselben erreicht wird, dass der Motor stets betriebsbereit ist und etwaige Störungen durch Undichtwerden der Petroleumpumpe, ungenügende Schmierung u.s.w., überhaupt nicht mehr eintreten können. Die allgemeine Bauart des Motors lassen Fig. 28 bis 30 erkennen. Der Kolben (Fig. 29 und 30) ist nicht in der gewöhnlichen Weise durch eine Pleuelstange mit der Kurbel in Verbindung gebracht, sondern mit dieser durch einen Doppelhebel und eine zweite Lenkstange verbunden. Die Nachteile dieser Anordnung hinsichtlich der Vermehrung der Drehpunkte sind durch Anwendung grosser Lagerflachen und damit geringer spezifischer Flächendrucke, sowie gehärteter und geschliffener Drehbolzen, ferner durch vereinfachte Nachstellbarkeit der Lagerschalen und durch selbstthätige Schmier Vorrichtungen herabgemindert. Dagegen werden hierdurch ganz bedeutende Vorteile erreicht. Zunächst wird der Seitendruck auf die Laufflächen von Cylinder und Kolben fast gänzlich aufgehoben und damit die Abnutzung dieser Teile nach Möglichkeit beschränkt, so dass ein längeres Dichthalten des Kolbens zu erwarten ist. Ferner erhält der Motor kleinere Abmessungen und es werden die Erschütterungen desselben derart vermindert, dass er ohne gemauertes Fundament und ohne jede Befestigung auf einigermassen festem und ebenem Boden bei normaler Umlaufzahl ruhig arbeitet. Die am Doppelhebel angreifenden Lenkstangen werden je durch ein Zugband und eine in dem Schlussstück des letzteren sitzende Schraube zusammengehalten. Diese legt sich mit einem scheibenartigen, am Umfange mit Sperrzähnen versehenen Bunde gegen die betreffende Lagerhälfte. Das zufällige Lösen der Schraube wird durch eine in die Sperrzähne eingreifende Klinke verhütet. Die Konstruktion und Anordnung des mit dem Verbrennungsraume in offener Verbindung stehenden Verdampfers für das Petroleum ist im wesentlichen dieselbe, wie bei den älteren Motoren Capitaine'scher Bauart. Durch das am Verdampfer angebrachte Ventil bei 2 (Fig. 31) tritt beim Saughube des Kolbens Petroleum, und bei 3 eine geringe Menge Luft, welche das Petroleum zerstäubt und auf den Innenflächen des von aussen beheizten Vergasers gleichmässig verteilt. Der bei 5 aus dem Verdampfer tretende Petroleumdampf wird durch die durch das selbstthätige Ventil G einströmende Luft in den Cylinder mitgerissen und bildet hier die zur Explosion kommende Ladung. Damit die Mischung dieser Ladung möglichst vollkommen ausfällt, ist im Kolbenboden noch ein zweites, ebenfalls selbstthätiges Luftventil 6 angebracht. Die durch dasselbe in feinen Strahlen tangential zum Kolben in den Cylinder tretende Luft fördert die Gemischbildung, ohne dass dabei die petroleumreicheren Teile des Gemenges gegen die gekühlten Cylinderwände gepeitscht werden. Textabbildung Bd. 311, S. 85 Fig. 28. Capitaine-Motor der Maschinenfabrik Scheibler. Bei der zum Heizen des Verdampfers dienenden Lampe (Fig. 31 und 32) sind, um Verstopfungen und den dadurch hervorgerufenen üblen Geruch in Wegfall zu bringen, feine Durchtrittsöffnungen für das Petroleum vermieden. Es ist ferner der Austritt einer grösseren Menge Petroleum, wie sie die Lampe jeweilig erfordert, unmöglich gemacht und damit deren Feuergefährlichkeit beseitigt; auch bilden sich keinerlei Krusten in der Lampe und sie kann nicht durch Hitze zerstört werden. Textabbildung Bd. 311, S. 86 Capitaine-Motor der Maschinenfabrik Scheibler. Zum besseren Verständnis sei auf die schematische Darstellung in Fig. 33 hingewiesen, und man vergleiche die Buchstaben mit denjenigen in Fig. 34, wodurch diese ebenfalls ihre Erklärung findet. Das aus der Sturzflasche C fliessende Petroleum tritt in einen Behälter B, von hier durch ein kleines Loch im Boden desselben in den Behälter B, woselbst sich etwaige mitgeführte gröbere Unreinigkeiten ablagern, danach in ein langes dünnes Rohr S von 2 mm lichtem Durchmesser (in Wirklichkeit in eine aus mehreren übereinander liegenden Windungen bestehende Rohrschlange), das, auf einen kleinen Raum gebracht, insofern dem elektrischen Rheostaten gleicht, als durch den Reibungswiderstand, welchen das durchfliessende Petroleum erleidet, die Fallhöhe x (Fig. 33) nahezu vernichtet wird. Das Petroleum gelangt infolgedessen nur tropfenweise in den unten am Verdampfer angebrachten Kanal, verdampft dort, mischt sich mit der bei 8 (Fig. 31) eintretenden Luft, um hierauf in den abwärts führenden Kanal zu treten, aus dem es den wagerecht angeordneten und mit einer Anzahl Oeffnungen versehenen Rohren entströmt, um sich schliesslich zu entzünden und zu verbrennen. Die mit dem Petroleumdampf die Lampenkanäle durchströmende Luft verhindert das Ansetzen sogen. Retortenkohle, was bei den allgemein verwendeten Heizlampen gewöhnlich der Fall ist. Je nachdem die Sturzflasche höher oder tiefer gestellt wird, lässt sich die Menge des zur Verbrennung kommenden Petroleums regeln. Textabbildung Bd. 311, S. 86 Fig. 31. Lampe zum Heizen des Verdampfers. Die Petroleumzufuhr in den Verdampfer geschieht durch eine, Fig. 35 bis 37 dargestellte Membranpumpe mit Rundschieber. Auf dem Ende der gleichzeitig zur Steuerung des Auslasses dienenden, durch das auf der Kurbelwelle sitzende Exzenter E mittels Sperrklinken und Sperrräder in drehende Bewegung versetzten Welle A ist eine Scheibe O mit zwei Stiften i befestigt, welche den Rundschieber S mitnehmen, so dass dieser ebenfalls eine Drehbewegung ausführt. Auf der Welle A sitzt ferner eine unrunde Scheibe C, die zur Bewegung des Hebels H und zum Zusammendrücken der Membranen M dient. Letztere bestehen aus zwei gewellten Blechscheiben, die an feste Scheiben angelötet sind. Textabbildung Bd. 311, S. 87 Lampe zum Heizen des Verdampfers. Textabbildung Bd. 311, S. 87 Fig. 34. Lampe zum Heizen des Verdampfers. Die Mengen des zu fördernden Petroleums werden durch Begrenzung des Hubes des Hebels H geregelt. Hierzu, wie auch zur gänzlichen Abstellung der Pumpe dient ein mittels Handgriffs Z drehbarer exzentrischer Bund D, gegen welchen sich die nach oben gerichtete Verlängerung des Hebels H legt. Bei jeder Umdrehung der Welle A lässt der Steuerschieber S zunächst Petroleum in das Pumpengehäuse eintreten, schliesst darauf den Einlass und öffnet den Auslass; in diesem Augenblick drückt der Hebel H die Membranen zusammen und das Petroleum wird in den Verdampfer gepresst. Textabbildung Bd. 311, S. 87 Membranpumpe für die Petroleumzufuhr. Textabbildung Bd. 311, S. 87 Fig. 37. Membranpumpe für die Petroleumzufuhr. Zur Regelung der Geschwindigkeit dient eine kleine Luftpumpe P (Fig. 38), die, ebenfalls von dem Exzenter E der Kurbelwelle bewegt, Luft durch eine Oeffnung s ansaugt und sie durch ein Kugelventilchen i wieder ausstösst. In geringem Abstande von der Oeffnung s ist eine dünne elastische Platte angebracht, welche durch eine schwache Schraubenfeder von der Oeffnung s ab- und gegen den unteren Teil einer Stellschraube t gedrückt wird. Ueberschreitet der Motor eine bestimmte Umdrehungszahl, so legt sich die Platte zur Zeit der grössten Geschwindigkeit des Luftpumpenkolbens unter Ueberwindung des entgegenwirkenden Federdruckes auf die Oeffnung s und verschliesst dieselbe. Es entsteht jetzt in dem Pumpencylinder eine Luftverdünnung, die sich durch die Leitung v auf die geschlossene Membran m überträgt und diese zurückzieht. Textabbildung Bd. 311, S. 87 Fig. 38. Geschwindigkeitsregelung. Dabei werden die mit der letzteren verbundenen Hebel ww1 so bewegt, dass der Hebel w unter den Auslassventilhebel zu liegen kommt, dessen entsprechendes Ende sich in diesem Augenblicke in der höchsten Stellung befindet und hierdurch das Auslassventil offen hält. Gleichzeitig löst der Hebel w1 eine der Sperrklinken aus, welche zur Drehung der Steuerwelle A dient, so dass die Petroleumpumpe ausser Thätigkeit kommt. Sobald die normale Umlaufzahl wieder erreicht ist, unterbleibt das Ansaugen der vor der Oeffnung s liegenden Abschlussplatte und es finden die Explosionen des Gemenges ohne Unterbrechung statt. Durch Drehung der Schraube t lässt sich die Umlaufzahl des Motors auch während des Ganges innerhalb gewisser Grenzen verändern. Die Schmiervorrichtung, mittels welcher das Oel den einzelnen Laufflächen von einem Punkte aus je nach Bedarf in grösseren oder kleineren Mengen unter Druck zugeführt wird, veranschaulichen Fig. 39 bis 41. Textabbildung Bd. 311, S. 88 Fig. 39. Schmiervorrichtung. Das Sperrrad Z mit Schnecke s wird vom Exzenter E aus mittels einer Sperr klinke in Drehung versetzt; hierdurch erhält der Ring y, der an seinem Umfange mit Schneckengängen versehen ist, in welche die Schnecke s eingreift, ebenfalls eine Drehbewegung und mit ihm ein kleiner Rundschieber, dessen mittlere Bohrung einem kleinen, leicht beweglichen Kolben k als Führung dient; derselbe kann durch eine Schraubenfeder gegen die Schieberfläche, durch den Hebel n dagegen nach der entgegengesetzten Richtung bewegt werden. Der Hebel n wird durch die Schraubenfeder bei i auf den Ring y gepresst und gleitet bei einer Drehung des letzteren auf dem gezahnten Rande desselben, wobei er gezwungen ist, die der Zahnkurve entsprechenden Bewegungen mitzumachen. In der Ruhestellung sitzt der Hebel n auf dem Zahngrunde v (Fig. 40); während der Drehung des Ringes y wird er auf die Zahnstirn x gehoben, wobei der Kolben k nach aussen bewegt und durch die Steueröffnungen in dem Drehschieber und der Schieberfläche Oel angesaugt wird. Nachdem sich die Stirnfläche x genügend weit unter dem Hebel n fortbewegt hat, fällt letzterer aus der gehobenen Lage plötzlich in die Zahnlücke v zurück und der mit ihm verbundene Kolben k drückt das angesaugte Oel aus der kleinen Bohrung durch Verteilungsröhrchen mit beträchtlichem Ueberdruck nach den einzelnen Schmier stellen. Die ausserordentlich schnelle Bewegung des Kolbens macht eine besondere Abdichtung unnötig. Die Höhe des Ueberdruckes kann durch Einstellen der Schraubenfeder r reguliert werden. Textabbildung Bd. 311, S. 88 Schmiervorrichtung. Die Motoren werden für Leistungen von 1 bis 6 mit 300 bis 240 minutlichen Umdrehungen gebaut. Die Konstruktion des ausgestellten Gasmotors von 2 entspricht im wesentlichen derjenigen des beschriebenen Petroleummotors, nur ist an die Stelle des Verdampfers ein durch einen Bunsen-Brenner erhitztes Glührohr getreten, und ferner das Luftventil als sogen. Mischventil ausgebildet, d.h. gleichzeitig auch für den Gaseinlass eingerichtet. (Fortsetzung folgt.)