Titel: J. E. Reinecker in Chemnitz-Gablenz und einiges über seine Werkzeugmaschinen.
Autor: W. Gentsch
Fundstelle: Band 311, Jahrgang 1899, S. 165
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J. E. Reinecker in Chemnitz-Gablenz und einiges über seine Werkzeugmaschinen. J. E. Reinecker in Chemnitz-Gablenz und einiges über seine Werkzeugmaschinen. Ohne die Werkzeugmaschinen ist der gesamte Maschinenbau heutzutage undenkbar; die Leistungsfähigkeit in ökonomischer Beziehung und die Genauigkeit der Arbeit verweisen auf den Ersatz der Handarbeit durch die den Regeln der Kinematik selbstthätig folgende Vorrichtung zur Bearbeitung des Metalles. Die Anfänge nicht allein, sondern auch eine beispiellos rasche Entwickelung dieses Zweiges des allgemeinen Maschinenbaues sind ohne Zweifel in den Vereinigten Staaten zu suchen, in dem Lande, Welches die Massenfabrikation wohl zuerst gepflegt hat. In Deutschland hat der auf die Ausspielung von Maschinengegen die Menschenarbeit hinzielende Gedanke von nationalökonomischer Bedeutung erst später an Allgemeinheit gewonnen, und erst in der neuesten Zeit ist es deutschen Konstrukteuren vorbehalten gewesen, sich auf einen selbstständigen, von amerikanischen Gewohnheiten unabhängigen Standpunkt zu stellen. Zu denjenigen Firmen, welche sich zuerst von fremden Einflüssen zu emanzipieren verstanden, zuerst den praktischen Anforderungen mit wissenschaftlich durchgebildeten Maschinen und Instrumenten gerecht zu werden bestrebt gewesen sind, gehört J. E. Reinecker in Chemnitz-Gablenz. Im Jahre 1859 als einfache Zeugschmiederei gegründet, zählt die Firma jetzt zu den einflussreichsten auf ihrem Gebiete; der Flächenraum ihrer Werkstätten hat im vergangenen Jahre 17330 qm, die Arbeiterzahl 805 erreicht, von der Gesamtanlage der neuen Fabrik in Gablenz bei Chemnitz gibt Fig. 1 Aufschluss. Insbesondere ist aus derselben zu ersehen, dass der eigentliche Fabrikationsraum in nur einem Stockwerk ausgeführt ist und einen leicht übersichtlichen Säulenbau darstellt, welcher in einfachster Weise je nach Bedarf sich vergrössern lässt. Wie es das Ideal in den Maschinenbauwerkstätten zu werden Verspricht, so ist auch Reinecker bestrebt gewesen, in seinem Betriebe den elektrischen Gruppenantrieb zu kultivieren. Die durch Drahtgitter abgegrenzten Werkmeisterzimmer befinden sich inmitten des Maschinensaales innerhalb der zugehörigen Abteilungen. Fig. 2 gibt die Aufstellung der Universalfräsemaschinen, Fig. 3 die Anordnung eines Kreisseiltriebes wieder. Die Fräserei steht mit ihren Vorzügen so ziemlich an der Spitze der Werkzeugmaschinenarbeit; sie hat aber Zweifellos auch manche Umwälzung in den Arbeitsmethoden der Werkstätten hervorgerufen. Im allgemeinen lassen sich in dieser Beziehung zwei Gruppen unterscheiden: in der einen erfordert die Bearbeitung einzelner Stücke mittels des Fräsers Maschinen von vielseitiger Anwendbarkeit, aber nur eine verhältnismässig geringe Anzahl einfacher Fräser; in der anderen Gruppe hat man für massenweise Herstellung meist kompliziert gestalteter Teile einfache Maschinen mit einer grossen Anzahl von Spezialfräsern, Einspannvorrichtungen u.s.w. im Betrieb. Die eng gezahnten Fräser, welche bei jedesmaligem Durchgänge nur leichte Schnitte zu machen im stände gewesen, sind durch die hinterdrehten Fräser verdrängt Worden. Diese letzteren bedeuten einen grossen Schritt voraus in der Fräserei; sie bewältigen schwere Schnitte, erheischen dafür allerdings kräftig gebaute Maschinen. In amerikanischen Werken lässt man die Fräser mitunter mit sehr grossen Geschwindigkeiten arbeiten, welche zumeist unsaubere Ergebnisse liefern, so dass thatsächlich sich ein Nachhobeln erforderlich macht, und der durch die erste Operation erhoffte Gewinn im wesentlichen aufgezehrt wird. Reinecker empfiehlt als Zahl der Umdrehungen des Fräsers: bei Gussstahl oder Gusseisen =\frac{5000}{\mbox{ Fräserdurchmesser in mm}} Schmiedeeisen =\frac{5000 bis 6000}{\mbox{ Fräserdurchmesser in mm}} hartem Messing oder Rot-     guss =\frac{8000 bis 10000}{\mbox{ Fräserdurchmesser in mm}} Der Vorschub pro Minute kann bei hartem Gusseisen, Schmiedeeisen und Stahl 15 bis 30 mm, bei hartem Messing, Rotguss u.s.w. bis zu 50 mm betragen. Diese Angaben schliessen natürlich nicht aus, dass man gelegentlich in weichem Material mit grösserem Vorschub, bis zu 100 mm pro Minute, arbeitet. In allen Fällen ist ein rechtzeitiges Nachschleifen der Zähne unerlässlich, wenn nicht anders das Werkzeug vorzeitig unbrauchbar werden soll. Der hinterdrehte Fräser gestattet die Herstellung beliebiger Profile in vollkommener Gleichmässigkeit und selbst bei kleineren Mengen in lohnender Weise; seine eigentümliche Konstruktion gestattet ein Nachschleifen der Zähne, ohne dass eine Veränderung des Schnittprofiles eintritt. Freilich muss das Schleifen mit der Schmirgelscheibe derart erfolgen, dass die Schleiffläche genau nach dem Mittelpunkt des Fräsers verläuft. Die Zähne des nach Fig. 4 nachgearbeiteten Werkzeugs würden dieser Bedingung demnach nicht entsprechen. Das Nachhärten kommt in Wegfall. Reinecker hat noch einen weiteren Schritt vorwärts gethan, indem er den Fräser schräg hinterdreht und so praktisch für alle Profile einen günstigen Schnitt zu erzielen in der Lage ist, ohne die Aufspannung des Fräsestückes ungünstig gestalten oder die Operation trennen zu müssen. Nach Angabe der Firma geschieht die Hinterdrehbewegung beim schräg hinterdrehten Fräser nicht im rechten Winkel zur Fräserachse, sondern in einem beliebigen anderen Winkel, der sich aus dem jeweiligen Profile insofern bestimmt, als er dem mittleren Günstigkeitswinkel für jede Stelle des Profiles entspricht. Für besonders schwierige Profile, bei welchen mit einem schrägen Hinterdrehwinkel wohl für einen Teil des Profiles ein günstiges Resultat erreicht werden, für einen anderen Teil dagegen die Wirkung desselben ungünstig sein würde, teilt man zweckmässig den Fräser in zwei Teile, die in Art einer Klauenkuppelung einander überdecken, und von denen der eine nach rechts, der andere im gleichen Winkel nach links hinterdreht ist. Zur Herstellung hinterdrehter Fräser dient eine Drehbank, bei welcher der Support nicht nur in senkrechter Richtung zur Drehachse des Arbeitsstückes, sondern in jeder beliebigen schrägen Richtung zu derselben beim Arbeiten selbstthätig hin und her bewegt wird; der das Arbeitsstück aufnehmende Bolzen ist mit der Drehbankspindel lösbar oder fest verbunden und im Reitstock sicher gelagert. Textabbildung Bd. 311, S. 166 Fig. 1. Gesamtanlage der Reinecker'schen Werkzeugmaschinenfabrik in Gablenz bei Chemnitz. Bei den Reinecker'schen Universal-Fräsemaschinen ist auf die Stabilität ein Hauptgewicht gelegt, und die Lagerung der haltenden Teile, des Werkzeuges und des Werkstückes als eine sichere zu bezeichnen. Der Teilkopf ist besonders ausgebildet. Während bei den früheren Teilköpfen eine Reihe von Wechselrädern für die Spiralnuten, dagegen Teilscheiben für die Teilung verwendet wurden, sind hier Wechselräder sowohl für die Spiralbewegung, als auch für die Teilung angewendet. Ein Differentialgetriebe ist derart angeordnet, dass mit Hilfe desselben die die Spirale und auch die die Einteilung bewirkende Bewegung unabhängig voneinander auf die Spindel des Teilkopfes übertragen werden. Behufs Weiterstellung hat der Arbeiter hier nur eine volle Kurbelumdrehung auszuführen. Auch der Spindelkopf bietet Interessantes. Es sind in demselben zwei senkrecht zu einander angeordnete Spindeln gelagert, von denen die eine schnell, die andere langsam rotiert; die erstere wird durch Kegelräder, die letztere durch Schneckentrieb angetrieben, so dass ein ruhiger Gang erübrigt. Die Drehbarkeit des Spindelkopfes am Gehäuse ermöglicht die Verwendung der Spindeln in jeder beliebigen Winkelstellung zwischen der Horizontalen und der Vertikalen. Textabbildung Bd. 311, S. 167 Fig. 2. Reinecker's Universalfräsemaschinen. In geschickter Weise ist auch auf die Universalfräsemaschinen eine Tischbewegungsvorrichtung übertragen worden, welche sich für Planfräsemaschinen bewährt hat. Es handelt sich um die Anwendung einer ganz kurzen Spindel bezw. einer Art Schnecke von grossem Durchmesser, welche drehbar, aber unverschiebbar zwischen zwei Lagern sitzt, und in eine über die ganze Länge des Fräseschlittens sich erstreckende schalenförmige Mutter eingreift. Eine derartige Triebvorrichtung besitzt sehr grosse Arbeitsflächen, so dass ein geringer Druck auf dieselben gesichert ist, und noch den Vorteil, dass lästige Torsionsbeeinflussungen, die bei Spindelbetrieb sich durch federnde bezw. sprungweise Bewegung des Fräseschlittens in sehr unangenehmer Weise für Werkstück und Werkzeug bemerkbar machen können, nicht auftreten. Eine derartige Fräsemaschine schwerer Bauart zeigt Fig. 5; der Längstisch hat eine Aufspannfläche von 2500 × 500 mm und einen Selbstgang von 2000 mm, während der letztere für den Quertisch mit 800 mm und den Vertikaltisch mit 500 mm bemessen ist. Ein kleiner Drehkran dient namentlich zum Ansetzen des Universalkopfes, des Gegenlagerbockes und zum Aufbringen nicht allzu schwerer Arbeit. Der Teilkopf hat 250 mm Spitzenhöhe, die grösste Spitzenweite zwischen Teilkopf und Reitstock ist 1750 mm und das Gewicht der Maschine beträgt 8600 kg. Textabbildung Bd. 311, S. 168 Fig. 3. Reinecker's Kreisseiltrieb. Eine verhältnismässig neue und noch wenig bekannte Parallelfräsemaschine führt Fig. 6 vor. Um einen vollkommenen Parallelismus zweier Flächen an einem Gegenwände zu erhalten, werden beide Flächen mittels zweier gegeneinander einstellbarer Fräser gleichzeitig bearbeitet, so dass ein Umspannen sich erübrigt. Textabbildung Bd. 311, S. 169 Fig. 4. Fräser. Die Zahnstangenfräsemaschinen haben zumeist in ihrer Verwendung Schwierigkeiten gezeigt. Wenn man das in Frage kommende Verhältnis von Antrieb und Werkzeug berücksichtigt, so hat man bei den bekannt gewordenen älteren Ausführungsweisen die in Fig. 7 angedeutete Anordnung, bei welcher ein Antriebsschneckenrad und der Fräser auf einer gemeinsamen Welle sitzen, die parallel der Zahnstange gelagert ist. Es ist dann ohne weiteres klar, dass man in diesem Falle stets in die schwere Wahl zwischen einem kleinen Schneckenrad und einem grossen Fräser treten muss. Das erstere bedingt dann hohe Raddrücke mit deren schädlichen Folgen, der letztere gestaltet sich kostspielig. Auch hier hat Reinecker in einfachster Weise dadurch Wandlang geschaffen, dass er die Welle, welche Antrieb und Werkzeug trägt, zur Bahn der Zahnstange schief gestellt hat (Fig. 8). Durch diese Schrägstellung ist ermöglicht, das Schneckenrad zweckmässigst zu vergrössern und den Fräser gleichzeitig klein zu bemessen. Die praktische Ausführung dieser Idee ist aus Fig. 9 ersichtlich, welche eine Maschine zum Fräsen Von 200 bis 300 mm breiten Zähnen mit 45 bis 60 mm Teilung darstellt. Es lassen sich auf ihr in 10stündiger Arbeitszeit 3½ bis 4 m Zahnstangen von 45 mm Teilung Und 120 mm Breite aus dem vollen Gusseisen fräsen. Textabbildung Bd. 311, S. 169 Fig. 5. Reinecker's Fräsemaschine. Im Gegensatze zu der älteren Annahme, es sei in der Natur des Schneckentriebes begründet, dass derselbe einen geringen Wirkungsgrad behalten müsse, haben bekanntlich teuere ForschungenD. p. J. 1898 307 152. ergeben, dass richtig gearbeitete Schneckenräder auch hohe Wirkungsgrade erzielen können, dass also der Schneckentrieb einer allgemeineren Verwendung zugänglich ist. Man verfährt bislang bei Herstellung der genannten Art Räder in der Weise, dass man den Schneckenfräser von oben in das zu fräsende Rad einteilt und dann stetig tiefer stellt, so lange, bis der richtige Achsenabstand erreicht ist. Demgegenüber schlägt Reinecker folgenden Weg ein, um das theoretisch richtige Schneckenrad zu erzeugen. Der Schneckenradfräser wird nämlich von Anfang an in den richtigen Achsenabstand vom Schneckenrad eingestellt und seitlich, d.h. axial, gegen das zu fräsende Rad verschoben, bis er mit demselben sich in vollem Eingriff befindet. Bei der diesem Verfahren dienenden Maschine sitzen auf gemeinsamer Achse das erzeugende und das zu fräsende Schneckenrad, denen bezw. eine treibende Schnecke und ein Fräser zugehören; die Schnecke führt bei der durch Hebel vermittelten axialen Verschiebung des Fräsers eine mit gleicher Winkelgeschwindigkeit (bezogen auf das von der Schnecke getriebene Rad) erfolgende Verschiebung aus. Anstatt mit Hebeln lässt sich die axiale Verschiebung des Fräsers und der treibenden Schnecke durch Schraubenspindeln und Mutter, Zahnstangen und Getriebe o. dgl. in Verbindung mit Wechselrädern vermitteln. Nach diesen Normen ist auch die in Fig. 10 dargestellte Universalschneckenradfräsemaschine ausgeführt, welche für Räder bis zu 750 mm Durchmesser bestimmt ist. Textabbildung Bd. 311, S. 169 Fig. 6. Reinecker's Parallelfräsemaschine. Textabbildung Bd. 311, S. 169 Fig. 7. Zahnstangenfräser. Textabbildung Bd. 311, S. 169 Fig. 8. Reinecker's Zahnstangenfräser. Zu den unentbehrlichen Hilfsmitteln der Fräserei zählen die Schleifmaschinen, mit denen die Instandhaltung der Fräser zu bewirken ist. Von dem nach Mitte der achtziger Jahre fast allgemeinen Gebrauch, die Schneiden mit dem Umfange eines Schleifrädchens zu bearbeiten, sagte sich Reinecker wohl zuerst los, indem er dazu überging, die später durchweg zur Anwendung gelangte Tellerscheibe zur Erzeugung schöner, kräftiger Schneiden zu benutzen, ein Weg, der einerseits Schleiffehler ausschliesst, anderseits aber eine gedrungene, kräftige Bauart der Schleifmaschinen zulässt. Textabbildung Bd. 311, S. 170 Fig. 9. Reinecker's Zahnstangenfräsemaschine. Textabbildung Bd. 311, S. 170 Fig. 10. Reinecker's Schneckenfräsemaschine. Die letzteren sind im wesentlichen genügend bekannt; das Schleifen eines spiralgenuteten hinterdrehten Fräsers unter Anwendung des Teil- und Spiralkopfes ist aus Fig. 11 ersichtlich. Textabbildung Bd. 311, S. 170 Fig. 11. Schleifen eines spiralgenuteten hinterdrehten Fräsers. Von anderen Spezialitäten J. E. Reinecker's möchte ich die Drehbänke für Gewindebohrer hervorheben, welche die Herstellung eines exakten Gewindes unabhängig von der Geschicklichkeit des Arbeiters ermöglichen. Bei diesen Maschinen ist der Support zur selbstthätigen Aussergangsetzung desselben derartig angeordnet, dass er nach Zurücklegung eines beliebigen Weges selbstthätig die Auslösung einer die Einwirkung des Antriebsriemens auf das Arbeitsstück vermittelnden Kuppelung bewirkt und dadurch den Stillstand des Arbeitsstückes verursacht. Eine senkrecht gegen die Leitspindel verschiebbare Mutter, welche durch eine Schiene oder einen Riegel in den Gängen der Spindel gehalten wird, wird nach Zurückschieben des Riegels aus den Gängen der Spindel durch Federn herausgedrückt, so dass eine selbstthätige Auslösung dieser Mutter bei der Bewegung des Supports durch Anstoss an einen Knaggen erübrigt. Endlich ist ein schrägliegendes Lineal zur seitlichen Verstellung des Reitstockes vorhanden. Die Schlittenanordnung der Gewindebohrerdrehbank ist ohne weiteres aus Fig. 12 zu entnehmen. Textabbildung Bd. 311, S. 170 Fig. 12. Reinecker's Schlittenanordnung der Gewindedrehbank. W. Gentsch.