Titel: Weizenmühle für 120 Sack tägliche Leistung mit z. T. automatischem Mahlverfahren und Bremsuntersuchung einer Françis-Turbine.
Autor: Wilh. Müller
Fundstelle: Band 312, Jahrgang 1899, S. 23
Download: XML
Weizenmühle für 120 Sack tägliche Leistung mit z. T. automatischem Mahlverfahren und Bremsuntersuchung einer Françis-Turbine. Von Wilh. Müller in Cannstatt. (Schluss des Berichtes S. 6 d. Bd.) Weizenmühle für 120 Sack tägliche Leistung. Mühleneinrichtung. Das Werk zeichnet sich durch grosse Einfachheit und Uebersichtlichkeit aus. Im Erdgeschoss liegt die Haupttransmission zum Antrieb der 4 Doppelwalzenstühle (Fig. 7) und 4 Mahlgänge, der Dynamomaschine für elektrische Beleuchtung, sowie je 1 Spreu- und Staubcylinder für Gerb- und Koppgang. Auf dem Walzenboden befinden sich 3 Schrotstühle, System Daverio, mit je 2 Paar übereinander liegenden 600 mm langen Hartgusswalzen von 220 mm Durchmesser mit selbstschmierenden Lagern. Jeder Stuhl besitzt 2 Antriebscheiben, die Zahnräder arbeiten geräuschlos, da die Winkelzähne infolge der eigenartigen Form der Räder verdecke immer in Oel laufen. Die Speisung erfolgt wie üblich durch eine Speisewalze und Schieber, das reineinstellen des Schiebers geschieht mittels der beiden Schrauben F (Fig. 8). Für Griesse muss der Schieber gegen die Mitte der Speisewalze nach Stellung d verschoben werden, damit erstere beim Stillstand der Walze nicht durchfliessen. Für Kleie dagegen muss der Schieber entgegengesetzt nach Stellung g am Umfang abschliessen. Textabbildung Bd. 312, S. 23 Fig. 7. Vierwalzenstuhl. Textabbildung Bd. 312, S. 23 Fig. 8. Speisung und Reguliereinrichtung der Walzenstühle. Die oberen Hartgusswalzen sind fest gelagert und können die unteren Walzen mittels Exzenterhebels M ein- und ausgerückt, somit auch der nötige Druck gegeben werden. Um eine Abnutzung der Riffel zu verhüten, sollen beim Leergang die Walzen so ausgerückt sein, dass keine Berührung derselben mehr stattfindet, was durch das Gehör leicht vernehmbar ist. Mahlt eine Seite der Walzen mehr wie die andere, so kann dieselbe mittels der Handrädchen B reguliert werden. Die Drehung derselben nach rechts bewirkt ein Zusammengehen der Walzen. Die Doppelmuttern H dienen dazu, der Feder die gewünschte Steifigkeit zu geben. Textabbildung Bd. 312, S. 23 Fig. 9. Horizontalkolonne. An die Schrotstühle schliessen sich 1 Glattstuhl gleicher Grösse in ähnlicher Konstruktion, ferner 2 Mahlgänge, 1,20 m Steindurchmesser, mit Riemenantrieb und französischen Steinen an; auf gleichem Boden befindet sich für die Fruchtputzerei 1 Gerb- und 1 Koppgang gleicher Mahlung, ebenfalls mit Riemenantrieb, 1 Geschwindigkeitsanzeiger und 2 Absacktrichter der beiden Mehlmischmaschinen, von welchen eine für helle und eine für dunklere Mehle bestimmt ist. Der zweite Boden (Mehlboden) enthält die Vorratskästen und Zuführungsrohre für die Mahlmaschinen, 2 Einleertrichter für beide Mehlmischmaschinen und in der Fruchtputzerei 1 horizontale Getreideputzmaschine (Horizontalkolonne, Fig. 9) zur intensiven Reinigung des Getreides. Sie ist nach dem Prinzip einer Sichtmaschine mit entsprechend stärker gehaltenen Dimensionen konstruiert, wobei der Mantel mit starkem Stahldrahtgewebe bespannt ist. Durch Drehen des Mantels und Schlägers nach derselben Richtung wird das Getreide sowohl unter sich, als auch an dem Gewebe energisch abgerieben, wobei das Bärtchen, sowie anhaftender Schmutz entfernt werden. Die Maschine hat 2 getrennte Luftsauger. Schwerere Verunreinigungen fallen zu Boden und werden abgesackt, leichtere in die Staubkammer geblasen; ferner dient 1 Magnetapparat bekannter Bauart zum Aufhalten von Eisenteilen. Textabbildung Bd. 312, S. 23 Fig. 10. „Universal“-Griess- und Dunstputzmaschine. Auf dem dritten (Dunst- und Griess-) Boden vermittelt eine Längstransmission den Antrieb sämtlicher Hilfsmaschinen, des Sackzugvorgeleges und der in der Fruchtputzerei befindlichen selbstthätigen Gerbmaschine. Während bei Anwendung einer gewöhnlichen Gerb- oder Schältafel Spitzen (Raden), Spreu u.s.w. mittels Handsieb vom geschälten Getreide ausgeschieden werden müssen, vereinfacht letztere Maschine die Arbeit dadurch, dass dieselbe den Dinkel (Spelz) nach Verlassen des Gerbgangs von Spreu, Spitzen und Raden selbstthätig in viel kürzerer Zeit ebensogut sortiert, als diese Arbeit von Hand ausgeführt werden kann. Hier befinden sich noch die beiden Rund- und Langkörnertrieure und eine Getreidebürste zum Nachputzen und zum Entfernen der Schalenteilchen, welche sich nach dem Netzen und bei längerem Transport des Getreides noch loslösen. Im Dachstock hat für das Mahlverfahren eine „Universal“-Griess- und Dunstputzmaschine mit 6 Abteilungen Platz gefunden (Fig. 10). Das Prinzip derselben ist kurz folgendes: Mittels eines Ventilators wird Luft durch die auf einem Abreiter liegenden Griesse hindurchgesaugt. Die Kleienteilchen sammeln sich durch die rüttelnde Bewegung des Siebs obenauf und werden infolge der Pressung des Windes mitgerissen. Die mit Kleie erfüllte Luft durchstreicht sodann mit grosser Geschwindigkeit mehrere Kanäle und wird durch eine darauffolgende plötzliche Expansion gezwungen, Staub und Kleie fallen zu lassen. Letztere werden mit Hilfe von Bürsten aus der Maschine herausgeschafft. Die Griesse fallen durch das Sieb in 2 Schnecken. Der Zulauf zu denselben wird mittels Klappen derart geregelt, dass die Griesse je nach ihrer Qualität in die eine oder andere Schnecke gelangen. Die Speisung erfolgt durch eine Walze mit Regulierschieber. Da eine regelmässige Speisung grossen Einfluss auf die Güte der Arbeit der Maschine hat, so ist über der Speisewalze ein kleiner Vorratskasten angeordnet, welcher Unregelmässigkeiten im Zulaufe der ungeputzten Griesse ausgleicht. Auf demselbem Boden befinden sich 3 Quadratplansichter (Fig. 11), deren geringer Raumbedarf angenehm absticht gegen die zahlreichen für den gleichen Verwendungszweck nötigen Sichtmaschinen in anderen Mühlen. Textabbildung Bd. 312, S. 24 Der Sichterkasten ist in 4 festen Ständern durch Kugelgelenkstangen aufgehängt, wodurch eine leichte Beweglichkeit erzielt wird. Die 4 Eckständer, sowie der mittlere Ständer, der das Schwungrad mit Kurbelzapfenlager und Antriebscheibe trägt, sind auf einem gemeinschaftlichen kräftigen Holzrahmen befestigt. Es genügt also bei der Montage, den Holzrahmen mit dem Fussboden zu verbinden. Textabbildung Bd. 312, S. 25 1 Bürstentetacheur nach bekanntem Modell ist vor den Plansichter eingeschaltet. Die Sackaufzugmaschine mit Riemenantrieb und 1 Fruchtnetzapparat (Fig. 12), der sich selbstthätig regelt und in seiner Leistung vom einfallenden Getreidestrom abhängt, vervollständigen die Einrichtung. Zur Fruchtreinigung dient noch eine sogen. Zickzackmaschine (Fig. 13), die aus mehreren Rüttelsieben und 2 voneinander unabhängig regelbaren Ventilatoren besteht. Dieselbe arbeitet staubfrei, da der eine Ventilator schon Staub und Spreu absaugt, ehe das Getreide auf die Rütte siebe kommt. Letzter haben verschieden Lochungen und scheiden sowohl grobe Verunreinigungen als auch feinen Sand ab. Sie erhalten ihre Bewegung durch 2 gegeneinander versetzte Schubstangen, wodurch ein ruhiger Gang der Maschine erzielt ist. Beim Auslaufe wird das Getreide nochmals durch einen zweiten Ventilator energisch abgesaugt. Ferner dient noch ein Tarar (Stein- und Erdeausleser) dazu, aus dem Getreide auf trockenem Wege Steine und Erdteilchen von der Grösse der Getreidekörner zu entfernen, welche durch Siebvorrichtungen nicht ausgeschieden werden können. Der Stein- und Erdeausleser besteht aus einem rechteckigen Kasten, der sich in einer bestimmt geneigten Lage hin und her bewegt. Das Getreide tritt in der Mitte des Kastens und auf der ganzen Länge desselben in die Maschine ein, stösst infolge der Hin- und Herbewegung an den dreieckigen Prismen an und wird dadurch allmählich dem Auslaufe zugeführt. Steine und Erde sinken zu Boden und machen wegen der schrägen Lage des Kastens den entgegengesetzten Weg des Getreides. Die Regerung der Maschine erfolgt durch Verstellen eines beim Getreideauslauf befindlichen Schiebers. Nebenbei steht noch eine kleine Quetschwalze für Mais und Hafer, um dem gegenwärtig starken Bedürfnis nach geschroteten Futtermitteln entsprechen zu können. Textabbildung Bd. 312, S. 26 Fig. 11. Quadratplansichter. 5 doppelte und 8 einfache Transporte befördern das Mahlgut zum Teil vom Erdgeschoss, zum Teil vom ersten, zweiten und dritten Boden aus auf die verschiedenen Maschinen. Eine Scheidewand durch das ganze Gebäude trennt in sämtlichen Stockwerken die Fruchtputzerei von der eigentlichen Mühle. Mahlverfahren. Das vollständig automatische Mahlverfahren eignet sich unseres Erachtens für mittlere und kleinere Mühlen mit mehr Mehlsorten nicht gut, besonders bei wechselnder Kraft (Kraftschwankungen wirken zum Teil wie Mischungsschwankungen). Für süddeutsche Binnenmüllerei ist es nicht zweckmässig, weil dieselbe je nach Konjunkturen und Ernten sehr verschiedene Weizensorten mahlen muss, wodurch das Ergebnis der Zusammenstellungen verschiedener Mahlprozesse oft wesentlich verändert wird und nicht in den Normalien der automatischen Müllerei verbleibt, die wenig schwankende Normalmischungen – für einen Posten eigentlich unveränderliche – verlangt. Für die Mühle in Calw ist deshalb folgendes Vermahlungsdiagramm zu Grund gelegt worden (Fig. 14). Textabbildung Bd. 312, S. 26 Fig. 12. Fruchtnetzapparat. Ungeputzter Weizen, Kernen und Dinkel werden im Erdgeschoss eingeschüttet, mittels Schlepptransport auf eine Vorputzmaschine für Silo (Zickzack) gebracht, wobei die Rüttelsiebe je nach dem Produkt, das auf die Maschine kommt, ausgewechselt werden; von hier geht das Getreide in 3 Silos (aus Holz), wovon je einer für Weizen, Kernen und Dinkel bestimmt ist. Die Getreideputzerei besteht der Reihenfolge nach aus nachstehenden, im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Maschinen: 1 Zickzack Modell S, 2 Rundkörnertrieure auf einem Gestelle montiert, 1 Horizontalkolonne, Gerb- und Koppgang mit Gerbmaschine, 2 Staubcylinder, 1 Getreidebürste, 1 Netz- und 1 Magnetapparat. Dinkel geht vom Silokasten unmittelbar auf den Gerbgang und durch den Staubcylinder, von da auf die Gerbmaschine und wird abgesackt. Kernen läuft über Tarar, Zickzack, zwei Trieurcylinder, Gerbgang nebst Staubcylinder, von hier in Horizontalkolonne, Koppgang nebst zugehörigem Staubcylinder, durch Bürste, Magnet- und Netzapparat und hierauf zum einen oder anderen Abstehkasten über dem ersten Schrot. Der Weizen passiert, von seinem Silo ausgehend, die Fruchtputzerei wie folgt: Tarar, Zickzack, Trieure, Kolonne, Koppgang, Cylinder, Bürste, Magnet- und Netzapparat, Abstehkästen. Geschrotet wird mit 3 geriffelten Vierwalzenstühlen und zwar je ein Schrot mit einem Walzenpaar. Das Auflösen und Ausmahlen geschieht mit einem Vierwalzenglattstuhl, einem Weiss- und einem Schwarzgang. Zur Sichterei dienen 2 vier- und 1 zweiteiliger Plansichter 1500 × 1500. Jeder Quadratplansichter hat 5 Sieb- und 4 Bodenrahmen, ersetzt damit nicht nur die Vorcylinder als Griess- und Mehlcylinder bei der Schroterei und die üblichen Sichtmaschinen, Rundsichter und Beutlerei-Sichterei beim Auflösen und Ausmahlen, sondern ergibt auch, was Sichtung und Sortierung anbelangt, ein vorzügliches Mahlprodukt. Textabbildung Bd. 312, S. 26 Fig. 13. Zickzackmaschine. In der Calwer Mühle arbeitet sowohl bei der Schroterei als beim Glattstuhl je ein Walzenpaar auf einen Viertelplansichter und erfolgt die Sichtung in nachstehender Weise: Der erste Siebrahmen stösst den Schrot ab, der unmittelbar über das nächste Walzenpaar zur folgenden Schrotpassage geht. Was durchfällt, kommt auf den zweiten Siebrahmen, der den Griess bis zu Nr. 45 aufwärts abstösst. Was hier durchfällt, gelangt auf einen Boden- oder Sammelrahmen und von hier auf 2 Mehlsiebrahmen, unter denen jeweils ein Sammelrahmen angebracht ist, der das Mehl, das durchgefallen ist – für jeden Schrot besonders – einem Mehlauslauf zuführt. Der Abstoss vom achten Rahmen – der Siebrahmen ist – d. i. der Griess zwischen 45 und 90 und was bei diesem Rahmen durchfällt, kommt auf den letzten Sammel- rahmen, der den Dunst seinem Auslauf zuführt. Jede Abteilung hat also ihren eigenen Abstoss (Schrot), 2 Griessausläufe und 1 Mehl- und mindestens 1 Dunstauslauf. Die Griesse vom zweiten, dritten und vierten Schrot gehen in zwei Kästen für feinen und einen für gröberen Griess und werden von hier aus geputzt. Was nicht ganz sauber ist, geht unmittelbar wieder in seinen vorherigen Kasten zurück; die Griesse von den übrigen Schroten und Ueberschlägen, die nachzuputzen sind u.s.w., werden unmittelbar auf die Maschine aufgeschüttet. Die vollständige Griess- und Dunstputzerei besorgt eine sechsfache Griess- und Dunstputzmaschine. Die 2 Viertelplansichter für den Glattstuhl haben je 1 Griess- und 1 Dunst- bezw. 2 Danstrahmen und 2 Mehlsiebrahmen, also je 4 Ausläufe. Da die eine Hälfte des Stuhles auch zum Mahlen benutzt wird, geht das Mahlgut desselben, bevor es auf den Sichter gelangt, durch den Bürstendetacheur. Der Schwarz- und der Weissgang arbeiten je auf einen halben Plansichter mit 8 Ausläufen, also 4 für den einen und 4 für den anderen Gang. Zur Mischung sind 2 Scheiben-Mehlmischmaschinen aufgestellt. Bei dieser Neueinrichtung ist auf alles Rücksicht genommen worden, was die Erfahrung als erprobt und zweckmässig empfiehlt. Das Erdgeschoss wurde auf Hochwasserstand von 1882 gelegt, wodurch gleichzeitig eine Verladerampe für An- und Abfuhr geschaffen wurde. Bezüglich der Grössenverhältnisse des Mühlgebäudes, dessen Grundfläche 21 × 14 m beträgt, mögen noch folgende Zahlen Platz finden. Ueber dem 3,25 m hohen Erdgeschoss erheben sich 3 Stockwerke mit je 3,05 m, Kniestock und Dachstuhl zusammen mit 6,15 m, so dass die Gebäudehöhe bis zum First rund 19 m beträgt. Die Umfassungswände sind massiv in Backsteinmauerwerk bis zum First ausgeführt, die Fassade zeigt durch den Wechsel in der Farbe der zur Verwendung gekommenen Bausteine eine einfache, doch angenehm ins Auge fallende Gliederung; durch ausreichende Anzahl und Grösse der Fenster kann das Tageslicht von allen Seiten in die Arbeitsräume treten. Infolge planmässiger Anordnung der Maschinen und Apparate ist der verfügbare Raum in vorzüglicher Weise ausgenutzt; die Gesamteinrichtung nimmt fast ausschliesslich nur die eine Längshälfte des Mühlenraumes in Anspruch, so dass genügend freier Platz für Bedienung der Maschinen, Verkehr, Lagerung der Mahlprodukte und Vorräte verbleibt. Als Arbeitspersonal reichen ein Obermüller und drei Mahlburschen vollständig aus. Wasserleitung ist in allen Stockwerken zum Schutz gegen Feuersgefahr eingerichtet. Textabbildung Bd. 312, S. 27 Fig. 14. Vermahlungsdiagramm. Folgende Firmen waren beim Neubau beteiligt: Baumeister Krauss-Calw. Hochbau und Wasserbau; J. M. Voith-Heidenheim: Turbine; Mühlenbauanstalt G. Daverio-Zürich: Walzenstühle, Müllereimaschinen und Projektierung der maschinellen Einrichtung; M. Müller-Cannstatt: Transmissionen, Mahlgänge, Mühlrequisiten; Mühlenzimmermeister Kugler-Burgstall: Gerbmaschine und Holzarbeiten; Maschinenfabrik Esslingen, Filiale Cannstatt: Elektrische Beleuchtung. Die Gesamtkosten des Neubaus und der Einrichtungen belaufen sich auf ca. 95000 Mk.