Titel: Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin 1899.
Fundstelle: Band 314, Jahrgang 1899, S. 74
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Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin 1899. (Fortsetzung des Berichtes S. 60 d. Bd.) Die Internationale Motorwagenausstellung zu Berlin 1899. Die Erzeugnisse der Bielefelder Maschinenfabrik vorm. Dürkopp und Co., Bielefeld, mit Filiale in Paris unter der Firma Société Anonyme des Automobiles-Canello-Dürkopp, Paris (Courbevoie), lenkten die Aufmerksamkeit der Fachleute und der Besucher in besonderer Weise auf sich. Die technisch hervorragend und mit künstlerischem Geschmack hergestellten Fahrzeuge haben nicht nur in Berlin die höchste offizielle Auszeichnung erzielt, sondern sind bereits auf der in diesem Jahre in Paris stattgehabten Motorwagenausstellung ehrenvoll ausgezeichnet worden. Textabbildung Bd. 314, S. 73 Fig. 16.Jagdwagen der Bielefelder Maschinenfabrik. Mit welchem Ernst die Bielefelder Maschinenfabrik die Fabrikation der Motorwagen zu betreiben gewillt ist, geht daraus hervor, dass sie die Fabrikationseinrichtungen für den Bau solcher Wagen in der umfassendsten Weise getroffen hat und sich für eine durchaus rationelle Fabrikation entschied. Betrachtet man die Dürkopp'schen Wagen, so drängt sich auch dem Laien das Bewusstsein auf, dass bei diesen eleganten Motorfahrzeugen der Schein nicht trügt. Der Mechanismus ist bis ins kleinste Detail sorgfältig gearbeitet, während die Formgebung des Wagens, die geschickte Verteilung des Betriebsmechanismus harmonisch zusammenwirken und auch ästhetisch allen Anforderungen genügen. Die Bielefelder Maschinenfabrik hatte sechs grosse für den Personentransport eingerichtete Motorwagen ausgestellt und zwar folgende Arten: 1. Jagdwagen mit und ohne Sommerdach für sechs Personen eingerichtet und mit 9 bis 10 -Motor versehen (Fig. 16). 2. Zwei Viktoria-Sportwagen (Fig. 17), von welchen der eine Handrad-, der andere Hebelsteuerung besitzt; beide fassen vier Personen und waren mit 6 bis 7 -Motor ausgestattet. 3. Ein eleganter Sportwagen ohne Verdeck, dessen Karosserie ganz aus Aluminium besteht. Auch dieser Wagen ist mit einem 6 bis 7 -Motor versehen, trotzdem er nur zwei Personen fasst. 4. Zwei kleine zierliche Sportwagen für zwei Personen und mit 3 -Motor (Fig. 18). Diese letzten Wagen verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Klein und elegant vermögen sie mit ihrem 3 -Motor eine Fahrgeschwindigkeit von über 40 km innezuhalten. Sie fanden beim Publikum besonderen Anklang und wurden wiederholt bestellt, da die ganze Bauart einen durchaus vornehmen und vollendeten Eindruck machte. Der Motor der grösseren Wagen bis zu 7 EP ist aus zwei vertikalen Cylindern zusammengesetzt, während der grosse Motor bis zu 9 aus zwei aneinander gekuppelten vertikalen Cylindern mit Platina-Glührohrzündung besteht. Er ist in einem Gehäuse aus Eisenblech vorn am Wagen angebracht und vollständig eingekapselt. Seine Tourenzahl beträgt ungefähr 800 in der Minute. Das dem bekannten Panhard'schen, nicht unähnliche System zeichnet sich durch besonders ruhige und exakte Arbeitsleistung vorteilhaft aus. Auch entwickelt der Motor eine ungewöhnliche Leistungsfähigkeit. Durch Reibung am Schwungrade bezw. durch ein an der Regulatorwelle befindliches Zahnrad wird eine rotierende Pumpe in Thätigkeit gesetzt, welche bei den schwächeren Motoren die Wasserkühlung bewirkt. Textabbildung Bd. 314, S. 73 Fig. 17.Viktoria-Sportwagen der Bielefelder Maschinenfabrik. Mittels Friktion vom Schwungrade aus erfolgt die Kraftübertragung auf das Uebersetzungsgetriebe, welches eine sinnreiche Konstruktion der Ein- und Ausschaltung der verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten aufweist. Durch Ketten erfolgt die Uebertragung von den Zahnkränzen des Differentialgetriebes auf die Hinterräder. Unter dem Mittelbau des Wagens ist der Auspuff angebracht, welcher in einem Schalldämpfer lagert. Die Explosionen finden hierdurch ihren Ausgang und das bei vielen Motorwagen störende Geräusch fällt infolge des geschickten Aufbaues dieser nicht unwesentlichen Teile fast gänzlich fort. Textabbildung Bd. 314, S. 74 Fig. 18.Sportwagen der Bielefelder Maschinenfabrik. Textabbildung Bd. 314, S. 74 Fig. 19.Motorvierrad von Stoewer. Die Steuerungsvorrichtung genügt allen hohen Anforderungen; sie besitzt vor allem die wertvolle Eigenschaft, dass ein willkürliches Verstellen der Vorderräder, selbst bei einem unvorhergesehenen Anprall an grössere Strassenhindernisse nicht möglich ist. Zur Erreichung dieses Zweckes benutzt der Konstrukteur zwei mit dem Handradführungsrohr unterhalb des Wagens in Verbindung stehende Kegelräder, wovon das eine am Führungsrohr befestigt ist, während das zweite auf einer mit Schraubengewinde angeschnittenen Welle sitzend in das erste eingreift. Die Welle des zweiten Kegelrades erhält ihre Führung durch eine grosse Mutter, die auf einem mit dem Kuppelrohr verbundenen Stutzen befestigt ist. Mit dem Kuppelrohr verbunden sind ferner die beiden Vorderräder. Die Führung der Welle des zweiten Kegelrades hat also Zwangsführung, und kann infolgedessen nur dann eine Veränderung erfahren, wenn eine solche durch die Steuerrad- oder Steuerhebelbewegung absichtlich gewünscht wird. Jede Veränderung des Steuerrades bedingt eine Vor- oder Rückschraubung der grossen Mutter, die sich auf der Welle hin und her bewegen lässt. Ein unvorhergesehener Anprall kann infolgedessen keinen Einfluss auf die Vorderradstellung ausüben. Und gerade dieser Umstand ist von ausserordentlicher Bedeutung für die Sicherheit der Fahrer und des Publikums. Von der hier nur oberflächlich berührten Konstruktion der grösseren weicht der kleine Dürkopp-Wagen vollständig ab. Auch er ist nach eigenem System gebaut, indes kommt hier ein anderes Prinzip sehr vorteilhaft zur Verwertung. Bei diesem Wagen ruht der Motor unter dem Hinterteil des Wagens. Der leitende Gedanke, welcher der Konstruktion dieses Wagens zu Grunde liegt, beruht darin, den Uebertragungsmechanismus zu vereinfachen und ihn so zu gestalten, dass eine beliebige Veränderung der Fahrgeschwindigkeit in praktisch brauchbaren Grenzen möglich ist. Zu dem Behufe sind zwei Geschwindigkeitsvorgelege, eines für langsameren, das andere für schnelleren Gang vorgesehen, welche durch kräftige Friktionskuppelung mit dem Motor verbunden sind, in deren Verbindung durch die Steigerung der Geschwindigkeit des Motors die Geschwindigkeit des Gefährtes in bestimmten Grenzen (6 bis 40 km pro Stunde) beliebig verändert werden kann. Die Stärke des Motors ist so bemessen, dass bei geringer Tourenzahl desselben jede auf Landstrassen vorkommende Steigung überwunden wird. Eine selbstthätige Reguliervorrichtung verhindert, dass der Motor nicht mehr Kraft äussert, als unbedingt der jeweiligen Fahrgeschwindigkeit entspricht. Die Uebertragung der motorischen Kraft auf die Achse der Hinterräder geschieht durch Zahnräder und nicht durch Ketten. Die Cylinder, welche mit Wassermantel und besonders eingesetzten Cylinderrohren versehen sind, sind mit dem Kurbelgehäuse verschraubt. Kurbel- und Vorgelegegehäuse ist ein aus Aluminiumlegierung bestehendes Stück, welches um die Achse der Hinterräder greift, so dass eine Veränderung im Getriebe durch vorkommende Stösse absolut ausgeschlossen und eine sichere Funktion des Getriebes gewährleistet ist. Die Zündung bei diesem Motor erfolgt durch elektrische Akkumulatoren mit Induktor oder auch durch Glühzündung (Glührohre). Der Benzinbehälter ist so eingerichtet, dass eine Strecke von über 100 km durchfahren werden kann. Natürlich lässt sich diese Zahl leicht erhöhen, indem man einen grösseren Vorrat an Benzin mit sich führt. Die Kühlung des Motors erfolgt ohne Einfügung besonderer Vorrichtungen, lediglich nur durch Zirkulation, wodurch auch darin eine wesentliche Vereinfachung und absolute Sicherheit erreicht ist. Die Kühlflächen des Wasserbehälters sind reichlich bemessen. Das Gestell dieses kleinen Sportwagens der Bielefelder Maschinenfabrik besteht ganz aus nahtlosen Stahlrohren, die Räder erhalten Pneumatiks und starke Speichen aus Tiegelgussstahl. Alle arbeitenden Teile laufen in Oel und sind staubdicht verschlossen. Die Hinterradachse besitzt ein Differentialgetriebe. Die Bremsung erfolgt durch Band-, Hebel- oder Spindelbremse. Neben dem Dürkopp'schen Stand befand sich die Ausstellung der Gebrüder Stoewer, Stettin, Fabrik für Motorfahrzeuge und Fahrradbestandteile, wo man das bei Dürkopp gänzlich fehlende Motordreirad in grosser Anzahl finden konnte. Die Stoewer'schen Erzeugnisse zeichnen sich sowohl durch gediegene Konstruktion als auch geschmackvolle Ausführung recht vorteilhaft aus. Besonders sind die Stoewer'schen Motordreiräder elegant gebaut. Die Konstruktion dieses Fahrzeuges ist die allgemein übliche, ebenso sind die Akkumulatoren für die elektrisch erfolgende Zündung in der bekannten Weise an der horizontalen Rahmenstange befestigt. Dagegen ist der Motor an der Hinterachse und zwar etwas herausstehend montiert. Derselbe ist wie die meisten ebenfalls für Luftkühlung eingerichtet und zu dem Zweck mit Kühlrippen umgeben, welche horizontal um den Cylinder laufen. Textabbildung Bd. 314, S. 75 Fig. 20.Elektrisches Phaeton von Stoewer. Die Firma Gebrüder Stoewer baut auch als Spezialität elegante und trotzdem bequeme Anhängewagen, ähnlich denjenigen in D. p. J. 1899 311 141 Fig. 64. Sehr geschmackvoll sind die Korbanhängewagen, welche in Verbindung mit dem weisslackierten Motordreirad einen vornehmen Eindruck machen. Auch ein Motorvierrad (Fig. 19) mit aufgesetztem Wagen auf der Vorderachse und Sitz für den Fahrer, wie beim Motordreirad, fand ungeteilte Anerkennung. Zweckmässig gebaut ist auch das von derselben Firma ausgestellte elektrische Phaeton (Fig. 20). Der Betriebsmechanismus ist geschickt verteilt und beim ersten Anblick unsichtbar. Das Fahrzeug fasst fünf Personen, läuft geräuschlos und entbehrt jedes störenden Geruches. Mit einmaliger Ladung legt der Wagen 120 bis 130 km zurück und zwar vollständig unabhängig von Ladestationen. Daher ist seine Fahrtdauer eine unbegrenzte. Die sicher und schnell wirkende Steuerung ist für den Führer bequem angeordnet. Erwähnt sei noch das von Gebrüder Stoewer, Stettin, hergestellte, elegant ausgestattete Benzinmotorenboot. Im Mittelraum des verdeckten Fahrzeuges befinden sich die Sitzplätze; dahinter ist der Motor und der Sitz für den Fahrer untergebracht. Das Fahrzeug besitzt verschiedene Geschwindigkeiten und einfachen Antrieb. Die Adler-Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M., haben, dem Zuge der Zeit folgend, ebenfalls den Automobil-Industriezweig ergriffen und bereits auf diesem Gebiet, wie ihre ausgestellten Erzeugnisse zeigten, gute Erfolge aufzuweisen. In ihrem Stand bemerkten wir ein Motordreirad, ein ebensolches mit Personenanhängewagen, und ein drittes mit Transportwagen, mit welchem bis 200 kg befördert werden können. Das Motordreirad, sowie der Personen- als auch der Transportwagen sind in der bekannten Type gehalten. Die geschmackvoll ausgestatteten Motordreiräder der Firma entsprechen im Modell den gewöhnlichen Adler-Dreirädern Nr. 7, das selbstverständlich in bedeutend verstärkter Ausführung zur Anwendung gelangt. Das Gewicht der Motordreiräder beträgt 85 kg, wobei der Benzinmotor 1¾ leistet. Seine Tourenzahl beträgt 1500 bis 2000 pro Minute. Er arbeitet wie alle neueren Gas- und Benzinmotoren im Viertakt; Saugen, Kompression, Explosionswirkung und Auspuff vollziehen sich regelmässig in zwei Umdrehungen der Motorhauptachse. Das Benzinreservoir dient wie üblich zugleich als Vergaser und fasst 3 l, welche für eine Fahrt von 70 km reichlich genügen. Die Betriebskosten betragen für 1 km 1 Pf. Die elektrische Zündung erfolgt durch Ruhmkorff-Induktor und Trockenbatterie, die für etwa 6000 bis 7000 km ausreicht. Der Kontakt wird durch leichtes Drehen des linken Handgriffes bewirkt und auch wieder aufgehoben. Die Regulierung des Motors durch zwei kleine Hähne, Gas- und Lufthahn, ist bequem zu handhaben. Die Steuerung ist leicht und sicher. Zum Kurvenfahren dient das Differentialgetriebe, welches beiden Hinterrädern entsprechende verschiedene Geschwindigkeiten selbstthätig erteilt. Die Tretkurbel zum Antrieb des Motors durch Kette besitzt ein Sperrwerk, das sich nach einem bis zwei Hub automatisch ausschaltet. Hierdurch wird erreicht, dass auch die Kette während der Ausschaltung still steht, also kein Geräusch verursacht und sich nicht abnutzt. Die Uebersetzung ist die normale. Textabbildung Bd. 314, S. 76 Fig. 21.Motorzweirad von Schauer. Die Bremsvorrichtungen bestehen aus energisch wirkender Bremse für das Vorderrad und ebensolcher Bandbremse für die Hauptachse. Die Räder besitzen Tangentspeichen und sind mit besonders starken Pneumatiks versehen. Der Motorsattel ist bequem und gut federnd. Ingenieur F. Schauer, Berlin, hat ein neues Motorzweirad ausgestellt (Fig. 21). Wir hatten bereits Gelegenheit in D. p. J. 1899 313 111 von den Erzeugnissen Schauert zu sprechen; da aber das neue patentierte Rad ganz andere zweckmässigere und praktischere Konstruktion aufweist, lohnt es sich, auf die neue Erfindung, welche voraussichtlich eine Zukunft haben wird, zurückzukommen. Die in Fig. 21 abgebildete Ausführung unterscheidet sich von der in D. p. J. 1899 313 * 111 dadurch, dass der Motor über dem Vorderrade aufmontiert und der Benzinbehälter nebst Akkumulatorenbatterie im Rahmen angeordnet sind. Die Verteilung von Fahrer- und Motorgewicht scheint bei der nebenstehenden Anordnung eine zweckmässigere zu sein, dagegen dürfte die Steuerung des Fahrrades, da der Motor über dem Lenkrad montiert ist, an Leichtigkeit derjenigen in D. p. J. 1899 313 111 beschriebenen nachstehen. (Fortsetzung folgt.)