Titel: Die heutigen Gas- und Erdölmotoren und ihre Bedeutung für die Industrie.
Autor: Max Ensslin
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 234
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Die heutigen Gas- und Erdölmotoren und ihre Bedeutung für die IndustrieErweiterung der Antrittsvorlesung, gehalten am 26. Januar 1900 in der Aula der königl. Technischen Hochschule in Stuttgart.. Von Max Ensslin, Privatdozent an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Die heutigen Gas- und Erdölmotoren und ihre Bedeutung für die Industrie. Die Gas- und Erdölmotoren sind noch sehr jung. Zwar reicht der Gedanke, die Explosivkraft einer Pulverladung oder einer Mischung von Gas und Luft als Triebkraft zu verwenden, weit zurück; insbesondere ist das Bestreben, die Ausdehnung eines Gasgemisches bei seiner Verbrennung zu motorischen Zwecken nutzbar zu machen, schon über ein Jahrhundert alt. Aber seit eine gangbare Maschine geschaffen wurde, sind erst 40 Jahre verflossen. Im Jahre 1860 baute der Franzose Lenoir die erste betriebsfähige Leuchtgasmaschine, im Jahre 1872 der Amerikaner Brayton den ersten betriebsfähigen Petroleummotor. Diese Maschinen nutzten das teure Leuchtgas und dasteure Petroleum noch recht schlecht aus. Die Lenoir'sche Maschine brauchte 2700 bis 3500 l Leuchtgas, der Brayton-Motor 800 bis 900 g Petroleum für 1 PS und Stunde. Schon 7 Jahre nach Erbauung der Lenoir'schen Maschine glückte ein grosser Fortschritt, indem es Otto und Langen. in Deutz gelang, den Leuchtgasverbrauch bedeutend zu ermässigen. Die sogen. atmosphärische Maschine von Otto und Langen brauchte nur noch 750 l Leuchtgas für 1 PS und Stunde, das ist rund der vierte Teil von dem, was Lenoir's Maschine gebraucht hatte. Leider besass die atmosphärische Maschine die lästige Eigenschaft eines überaus geräuschvollen Ganges, so dass die Erfinder selbst den Bau derselben verliessen und zu einem anderen System übergingen: zum Viertakt. Und so glücklich war die Wahl Otto's, dass der neue, geräuschlose Otto'sche Motor das Vorbild geworden ist, nach welchem von da ab fast sämtliche Gas- und Erdölmotoren gebaut wurden. Das Jahr 1876, das Geburtsjahr des Otto'schen Viertaktmotors, bildet recht eigentlich den Beginn des modernen Gasmaschinenbaues. Bis zum heutigen Tag ist an dem Otto'schen Viertakt nichts Grundsätzliches geändert worden, und sämtliche Erfolge, welche der Gasmotor heute zu verzeichnen hat, hat er in der klassischen Form errungen, welche ihm durch Otto im Jahre 1876 verliehen worden ist. Bauart und Wirkungsweise des Viertaktmotors sind sehr einfach. In dem Cylinder bewegt sich, gasdicht abschliessend, ein einfach wirkender Kolben hin und her. Die Bewegung desselben wird, wie bei einer Dampfmaschine, durch Schubstange und Kurbel auf eine Welle übertragen, auf der Schwungrad und Riemenscheibe sitzen. In dem Cylinderkopf sind zwei Oeffnungen angebracht, die durch Ventile nach Bedarf geöffnet und geschlossen werden. Durch das eine – das Einströmventil – tritt Gas und frische Luft in den Cylinder, durch das andere – das Auspuffventil – wird das verbrannte Gas ins Freie ausgestossen. Vor dem Einströmventil befindet sich noch ein drittes Ventil – das Brennstoffventil –, welches das Ausströmen des Brennstoffes in die Atmosphäre verhindert und nur dann geöffnet wird, wenn eine frische Ladung von Brennstoff und Luft in den Cylinder gelangen soll. An dem Cylinderkopf sitzt ferner eine Zündvorrichtung, mittels deren das Gas- und Luftgemisch im Cylinder entzündet wird. Der Cylinder ist von einem Wassermantel umgeben und wird von kaltem Wasser umflossen, welches die Cylinderwand soweit abkühlt, dass die Schmierung noch sicher wirkt. Die Kühlung muss ausserdem verhüten, dass sich im Cylinderinnern glühende Stellen bilden, an denen sich das Gas- und Luftgemisch schon vorher entzünden könnte, ehe die Zündvorrichtung in Thätigkeit tritt. Ein Geschwindigkeitsregler sorgt für Erhaltung einer unveränderlichen Umdrehungsgeschwindigkeit. Der Arbeitsgang des Viertaktmotors vollzieht sich auf vier Kolbenhüben oder vier Takten; daher der Name Viertakt. Beim ersten Takt, dem Ansaugehub, geht der Kolben nach aussen. Einströmventil und Brennstoffventil sind geöffnet, das Auspuffventil geschlossen. Der Kolben saugt durch das offene Einströmventil gleichzeitig Luft und Brennstoff an; dabei mischen sich die letzteren und bilden ein zündfähiges Gemenge. Mit Beginn des zweiten Taktes, des Verdichtungshubes, werden Einström- und Brennstoffventil abgesperrt. Das im Cylinder eingeschlossene Brennstoffluftgemisch wird durch den nach innen gehenden Kolben verdichtet. Zu Anfang des dritten Taktes, des Arbeitshubes, wird das verdichtete Gemisch mittels der Zündvorrichtung entzündet. Das Gemisch flammt auf und erzeugt dabei plötzlich einen kräftigen Druck hinter dem Kolben. Die Flamme pflegt meist bald zu erlöschen, nachdem der Kolben nur wenig aus seiner innersten Stellung herausgerückt ist. Die hochgespannten Verbrennungsgase treiben den Kolben nach aussen und leisten Arbeit, indem sie sich ausdehnen und ihre Spannkraft zum Teil verlieren. Gegen das Ende des Arbeitshubes öffnet sich das Auspuffventil und lässt die Verbrennungsgase ins Freie ausströmen. Während des vierten Taktes, des Auspuffhubes, geht der Kolben wieder nach innen und schiebt die Verbrennungsgase vor sich her durch das offene Auspuffventil in die Atmosphäre. Damit ist der Viertakt beendigt; dem ersten Viertakt folgen genau gleich beliebig viele andere, indem immer wieder frisches Gemisch angesogen und verdichtet wird, verbrennt und Arbeit leistet und indem schliesslich die verbrannten Gase ausgetrieben werden. Das ist die Arbeitsweise, welche die meisten heute im Gang befindlichen Gas- und Erdölmotoren vollführen. Die Idee derselben wurde erstmals im Jahre 1862 von dem Franzosen Beau de Rochas ausgesprochen und demselben patentiert; aber sie wurde nicht ausgeführt und blieb 14 Jahre lang vergessen, bis sie von Otto, unabhängig von Beau de Rochas, wieder erfunden wurde. Otto gebührt das Verdienst, den Viertakt in die Praxis eingeführt zu haben. Vergleichen wir nun die Viertaktarbeitsweise mit dem Arbeitsgang der Dampfmaschine. Die Dampfmaschine leistet auf jeden Hub Arbeit, einmal auf der einen, dann auf der anderen Seite des Kolbens; sie arbeitet im Eintakt. Im Viertaktmotor dagegen wird nur alle vier Takte Arbeit geleistet, stets auf einer Kolbenseite. Die Leistungsfähigkeit des Viertaktmotors ist nicht so weit ausgenutzt, als diejenige der Dampfmaschine. Das wird insbesondere bei grossen Motoren fühlbar. Dem Schwungrad des Viertaktmotors fällt ferner eine viel schwerere Aufgabe zu als demjenigen der Dampfmaschine. Alle vier Takte erhält es einen mächtigen Antrieb, der den Gang des Motors plötzlich zu beschleunigen sucht. Ohne dass seine Umdrehungsgeschwindigkeit allzusehr steigen darf, muss dabei das Schwungrad die ganze während der drei folgenden Takte zu leistende Arbeit, d.h. die Nutzarbeit, die Arbeit zum Ansaugen und Verdichten frischen Gemisches und zum Austreiben der Verbrennungsprodukte in Form von lebendiger Kraft in sich aufspeichern. Dazu ist ein schweres Schwungrad nötig, ein viel schwereres, als bei einer im Eintakt arbeitenden Maschine. Naturgemäss wird die Schwere des Schwungrades eines Viertaktmotors erst bei grossen Motoren in voller Schärfe auffallen. Der Viertaktmotor hat also, im Vergleich zur Eintaktmaschine, einen grossen Cylinder und ein schweres Schwungrad. Bei grossen Viertaktmotoren wird insbesondere der Wunsch rege werden, die Leistungsfähigkeit der Cylinder besser auszunutzen und das Schwungradgewicht zu vermindern. In letzterer Hinsicht ist ein einfaches und meist angewandtes Mittel, zwei Viertaktmotoren miteinander auf eine Welle arbeiten zu lassen, indem abwechslungsweise bei einer Umdrehung der eine, bei der nächsten der andere Arbeit leistet; damit erhält man allerdings ein leichteres Schwungrad, aber die Leistungsfähigkeit der Cylinder ist noch ebenso schlecht ausgenutzt, wie vorhin. Weshalb lässt man nun den Gasmotor nicht ebenso arbeiten, wie die Dampfmaschine? Weshalb macht man den Kolben nicht doppelt wirkend? Weshalb verdoppelt man nicht die Anzahl der Arbeitsleistungen auf einer Kolbenseite? Lenoir hat seinen Leuchtgasmotor nach dem Vorbild der Dampfmaschine im Eintakt arbeiten lassen. Schon im ersten Leuchtgasmotor war also das Ideal der Dampfmaschine verwirklicht. Trotzdem hat der Otto'sche Viertaktmotor später alle Eintakt- und Zweitaktmotoren verdrängt und steht heute noch an der Spitze der Gasmotoren, obwohl es seit der Erbauung des Otto'schen Motors bis heute nicht an Versuchen gefehlt hat, wenigstens den Zweitakt im Gasmotor zur Einführung zu bringen. Das lässt auf grosse Schwierigkeiten schliessen, die sich dem Uebergang vom Viertakt zum Zweitakt entgegenstellen. Will man den Zweitakt dadurch erreichen, dass man den Kolben des Gasmotors doppelt wirkend macht und beide Kolbenseiten im Viertakt arbeiten lässt, so stösst man auf Betriebsschwierigkeiten. Der Kolben wird infolge der hohen Temperatur bei den Verbrennungen sehr heiss. Ist nun der Kolben auf der einen Seite offen, wie dies beim Viertaktmotor der Fall ist, so steht die Hinterseite des Kolbens stets mit der Luft in Berührung; die Luft kühlt den Kolben. Auch rückt derselbe mit jedem Auswärtsgang aus der heissen Verbrennungszone des Cylinders heraus in die kühleren Teile des letzteren und kann an diese Wärme abgeben. Dabei findet auch die Schmierung des Kolbens statt, von einer Stelle der Cylinderwand aus, welche vor dem Hinzutritt heisser Verbrennungsgase geschützt ist. Macht man den Kolben doppelt wirkend, so fallen die beiden ebengenannten kühlenden Einflüsse weg; er wird nicht allein verhindert, seine Wärme abzugeben, sondern erhält durch die Zündungen auf der Rückseite noch mehr Wärme als vorher und wird so heiss, dass ein Festbrennen der Kolbenringe in ihren Nuten und Undichtwerden des Kolbens zu befürchten ist; die Schmierlöcher in der Cylinderwand kommen in Verbindung mit dem Verbrennungsraum; Zubrennen derselben macht die Schmierung unwirksam. Diesen Uebelständen kann entgegengetreten werden, indem man den Kolben von innen kühlt und schmiert. Die bis jetzt vorliegenden konstruktiven Lösungen dieser Aufgabe sind jedoch verwickelt, kostspielig und nicht genügend betriebssicher. Auch die Stopfbüchse im Cylinderdeckel, welche gegen hochgespannte und hocherhitzte Gase abdichten muss, hat Schwierigkeiten bereitet; aber es ist gelungen, dieselben zu überwinden. Zweitaktmotoren mit doppelt wirkendem Kolben sind schon gebaut worden; dass sie weitere Verbreitung gefunden haben, ist nicht bekannt. Der einfach wirkende Kolben des Viertaktmotors ist viel betriebssicherer. Eine zweite Art, die Leistung des Viertaktmotors zu verdoppeln, besteht darin, dass man den einfach wirkenden Kolben beibehält, denselben jedoch alle zwei Takte Arbeit verrichten lässt. Während bei dem Zweitaktmotor mit doppelt wirkendem Kolben beide Kolbenseiten im Viertakt arbeiten, wird bei dem Zweitaktmotor mit einfach wirkendem Kolben das Viertaktprinzip selbst abgeändert. Der Gedanke, von welchem dabei ausgegangen wird, erhellt aus dem Folgenden. Der Viertaktmotor führt bei dem ersten und letzten Takt, dem Ansauge- und Auspuffhub, die Verrichtungen einer Pumpe aus. Beim ersten Takt saugt er Luft und Gas in den Cylinder, beim letzten drückt er die Verbrennungsgase ins Freie hinaus. Das eigentliche Arbeitsspiel ist auf den zweiten und dritten Takt, den Verdichtungs- und Arbeitshub, beschränkt. Der Cylinder des Viertaktmotors ist also abwechslungsweise bei einer Umdrehung Pumpencylinder, bei der anderen Arbeitscylinder. Darin liegt ein Widerspruch: Der Arbeitscylinder mit seinem Getriebe muss kräftig dimensioniert werden, um die hohen Drucke bei der Verbrennung aushalten zu können; der Pumpencylinder samt Getriebe kann dagegen leichtere Abmessungen erhalten, da in ihm nur die bei fast atmosphärischem Druck vor sich gehende Ansauge- und Auspuffarbeit verrichtet wird. Dass nun im Viertaktcylinder mit dem schweren Getriebe die leichte Pumparbeit beim Ansaugen und Auspuff geleistet wird, ist ein Miss Verhältnis. Das hat den Anstoss gegeben, die Verrichtungen des einen Viertaktcylinders in zwei getrennten Cylindern vorzunehmen, in einem kräftig zu haltenden Arbeitscylinder und in einem leicht zu haltenden Pumpcylinder. Zur Ersparung eines besonderen Gestänges für die Pumpe kann dieselbe in Tandemstellung hinter den Arbeitscylinder gelegt werden. Ueberdies steht nichts im Weg, die Pumpe doppelt wirkend zu machen. Der Arbeitscylinder kann jetzt alle zwei Takte, d.h. bei jeder Umdrehung Arbeit leisten; der Pumpencylinder muss ihm nur im geeigneten Augenblick frisches Gemisch zuführen. Das muss auf dem letzten Teil des Arbeitshubes und auf dem ersten Teil des Verdichtungshubes geschehen, damit kurz nach Beginn des Verdichtungshubes der Cylinder mit frischer Ladung versehen ist. Etwas vor Beendigung des Arbeitshubes lässt man die Verbrennungsgase auspuffen. Die Pumpe fördert dann frische Luft und Gas in den Arbeitscylinder, wodurch die Verbrennungsgase vollends aus dem letzteren hinausgefegt und durch frisches Gemisch ersetzt werden. Je nachdem die Verbrennungsgase durch Gemisch oder durch Luft allein aus dem Arbeitscylinder hinausgeblasen werden, unterscheidet man zwei Zweitaktsysteme: 1. den Zweitakt mit Gemischausblasung und Gaszufuhr vor Beginn der Verdichtung; 2. den Zweitakt mit Luftausblasung und Gaszufuhr nach Beginn der Verdichtung. Der Zweitakt mit Gemischausblasung erfordert neben dem Arbeitscylinder nur einen Hilfscylinder, in dem Gemisch angesogen wird. Dieses System hat den Vorzug, dass die Gemischbildung mit derselben Vollkommenheit vorgenommen werden kann, wie im Viertaktmotor, indem die Mischung von Luft und Gas während der Zeit zweier Takte, während des Ansauge- und Verdichtungshubes, vor sich gehen kann. Man ist aber jetzt gezwungen, die Verbrennungsgase aus dem Arbeitscylinder mit Gemisch auszutreiben. Es gelingt auf diese Art, zwar den Arbeitscylinder zu Beginn der Verdichtung mit gut vorbereitetem Gemisch zu füllen, aber nur um den Preis, dass während des Ausblasens frisches Gemisch mit den Auspuffgasen entweicht. Dieser Verlust wird vermieden bei dem Zweitakt mit Luftausblasung. Derselbe erfordert neben dem Arbeitscylinderzwei Hilfspumpen, eine Ausblaseluftpumpe und eine Gaspumpe. Die Luftpumpe liefert die Ausblaseluft zum Hinausfegen der Verbrennungsgase. Erst nach Beendigung des Ausblasens, also erst mit Beginn der Verdichtung, tritt das Gas aus der Gaspumpe in den Arbeitscylinder. Die Gemischbildung hat sich nun während des Verdichtungshubes allein zu vollziehen und kann nie die Vollkommenheit erreichen wie im Viertaktmotor. Von der Innigkeit der Mischung aber hängt in hohem Mass die Güte der Verbrennung ab. Es bleibt also bei den beiden Zweitaktsystemen die Wahl zwischen einem Hilfscylinder und dem Verlust von frischem Gemisch mit den Auspuffgasen einerseits, und zwischen zwei Hilfscylindern und dem Verlust durch mangelhafte Verbrennung infolge schlechter Mischung andererseits. Also in beiden Fällen ein Verlust, von dem der Viertaktmotor frei ist. Noch ungünstiger gestalten sich die Verhältnisse für den Zweitaktmotor dadurch, dass der mechanische Wirkungsgrad schlechter ist, als derjenige des Viertaktmotors. Da während eines Zweitaktspieles dieselben Verrichtungen in zwei (oder gar drei) Cylindern vollzogen werden müssen, welche während eines Viertaktes in einem Cylinder ausgeführt werden, so wird die Reibungsarbeit auf ein Arbeitsspiel beim Zweitakt grösser als beim Viertakt. Prof. Witz in Lille hat z.B. für einen Zweitaktmotor, System Bénier, einen mechanischen Wirkungsgrad von nur 53 % gefunden, während die Viertaktmotoren meist etwa 80 % zeigen. Alles in allem genommen, stehen die beiden zuletzt besprochenen Zweitaktsysteme dem Viertaktmotor gegenüber mit einem höheren Gasverbrauch für 1 PS und Stunde und mit einem geringeren Gewicht der Maschine und insbesondere des Schwungrades. Die Frage beim Uebergang vom Viertakt zum Zweitakt ist also die: Lässt sich durch Einführung des Zweitaktes soviel an Gewicht ersparen, dass man andererseits einen grösseren Gasverbrauch in Kauf nehmen kann? Trotz andauernder und angestrengter Bemühungen ist es noch nicht gelungen, einen Zweitaktmotor zu bauen, der als gleichwertiger Ersatz des Viertaktmotors gelten könnte oder gar einen Schritt über den Viertaktmotor hinaus bedeuten würde. Weiter unten wird nochmals kurz auf den Zweitaktmotor zurückzukommen sein. Der Viertaktmotor nimmt heute noch die erste Stelle unter den Gasmotoren ein. Aus dem Vergleich mit den besprochenen Zweitaktsystemen gehen die Vorzüge des Viertaktes, auf denen seine heutige Stellung beruht, deutlich hervor. Vor dem Zweitaktmotor mit doppelt wirkendem Kolben hat er die Betriebssicherheit, vor dem Zweitaktmotor mit einfach wirkendem Kolben die Einfachheit und hohe Wärmeausnutzung voraus. Der hohen Wärmeausnutzung in den Viertaktmotoren wollen wir jetzt besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir betrachten der Reihe nach den Betrieb mit Leuchtgas und Petroleum, dann den Betrieb mit Kraftgas und endlich den Betrieb mit Hochofengas, und jedesmal die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Betriebe. Zuerst der Betrieb mit Leuchtgas und Petroleum. Während die grössten besten Dampfmaschinen nur 13 % der in der Kohle verfügbaren Wärme in Nutzarbeit umwandeln, werden in den besten heutigen Leuchtgasmotoren 28 % der Leuchtgaswärme in Nutzarbeit umgesetzt, also mehr als das Doppelte wie in den Dampfmaschinen. Den ungeheuren Fortschritt, den der Gasmotor in der Ausnutzung des Leuchtgases seit Lenoir gemacht hat, zeigt die Gegenüberstellung des Verbrauchs der ersten Lenoir'schen Maschine und der besten heutigen Viertaktmotoren: Der Verbrauch für 1 PS und Stunde betrug ehemals 2700 bis 3500 l, heute 450 l. Nicht ganz so günstig steht der im Otto'schen Viertakt arbeitende Petroleummotor da; aber auch er übertrifft mit einer Wärmeausnutzung von 18 % die besten Dampfmaschinen noch beträchtlich. In dem Diesel'schen Petroleummotor ist infolge der Einführung eines für die Verarbeitung von flüssigen Brennstoffen besonders geeigneten Viertaktprinzips ebenfalls eine Wärmeausnutzung von 28 % erreicht worden, wie im Otto'schen Leuchtgasmotor. Auch der Petroleummotor ist seit Brayton bedeutend vervollkommnet worden: Der Brayton-Motor verbrauchte für 1 PS und Stunde 800 bis 900 g, eine gute im Otto'schen Viertakt arbeitende Maschine braucht etwa 350 g, der Diesel-Motor sogar nur 230 g Petroleum. So stehen denn die Leuchtgas- und Petroleummotoren heute auf einer hohen Stufe der Wärmeausnutzung; sie übertreffen darin die besten Dampfmaschinen um mehr als das Doppelte. Können nun unter diesen günstigen Umständen die Gas- und Erdölmotoren die Dampfmaschine nicht ersetzen? Im allgemeinen nicht, dazu ist vor allem, wenn zunächst von anderem abgesehen wird, das Leuchtgas und das Petroleum viel zu theuer, im Verhältnis zur Kohle. 2 cbm Leuchtgas stellen eine Wärmemenge von 10000 Kai. dar und kosten hier 24 Pf. 1 kg Petroleum stellt ebenfalls eine Wärmemenge von 10000 Kai. dar und kostet hier ebenfalls 24 Pf. 1 kg Ruhrnusskohle stellt eine Wärmemenge von etwa 7800 Kai. dar und kostet hier etwa 2,65 Pf. 10000 Kal. dieser Kohle kosten also \frac{2,65\,.\,10000}{7800}=3,4 Pf.. 10000 Kai. in Form von Leuchtgas und Petroleum sind somit hier gleich teuer, und \frac{24}{3,4}, d. i. etwa 7mal so teuer als 10000 Kai. in Form guter Steinkohle. Nun ist allerdings die Wärmeausnutzung in den Leuchtgas- und Erdölmotoren doppelt so gross wie in der Dampfmaschine, mit anderen Worten, man braucht für 1 PS und Stunde in den Leuchtgas- und Erdölmotoren nur etwa halb so viel Brennstoff (in Kalorien ausgedrückt) wie in den Dampfmaschinen; aber dieser Brennstoff ist 7mal teurer. Die Pferdekraft der Leuchtgas- und Erdölmotoren wird also trotz der vorzüglichen Wärmeausnutzung in diesen Motoren immer noch \frac{7}{2}=3,5\mbox{mal} so teuer sein, als die Pferdekraft der besten Dampfmaschinen. Der wirtschaftliche Wert einer Maschine hängt eben nicht allein von der Vortrefflichkeit der Wärmeausnutzung ab. Sonst hätte z.B. der Diesel-Motor in Deutschland eine viel weitere Verbreitung finden müssen, als er sie thatsächlich findet. Der Leuchtgas- und Petroleummotor ist also nicht anzuwenden, wenn die Kosten des Brennstoffes ins Gewicht fallen, wie z.B. bei grossen Betriebsmaschinen, welche viel Brennstoff brauchen. Grosse Leuchtgas- und Petroleummotoren arbeiten trotz der hohen Wärmeausnutzung wirtschaftlich unvorteilhaft. Die Anwendung der Leuchtgas- und Erdölmotoren ist auf solche Fälle beschränkt, in denen wenig Brennstoff gebraucht wird, also auf kleine Kräfte und häufig unterbrochene Betriebe, auf Fälle, in denen die hohen Brennstoff kosten zurücktreten hinter den Vorzügen der Motoren: ihrer steten Betriebsbereitschaft, ihrer einfachen Wartung, ihrem geringen Raumbedarf, ihrem leichten Gewicht und ihrem billigen Preis. Man findet Leuchtgas- und Erdölmotoren in der Praxis in Grössen bis zu 20 PS, meist unter 12 PS; sie haben sich in diesen Grössen ein ansehnliches Verwendungsgebiet erobert. Mit Leuchtgasmotoren werden kleine Wasserhaltungen, kleine elektrische Beleuchtungsanlagen, kleine Betriebe, wie Buchdruckereien, Fleischereien, Bäckereien und viele andere sehr gerne betrieben. Der Leuchtgasmotor muss an die Leuchtgasleitung angeschlossen werden und ist aus diesem Grunde fast nur als ortsfeste Maschine im Gebrauch. Die Versuche, das Gas durch Verdichtung transportfähig zu machen und Fahrzeuge damit zu betreiben, haben bis jetzt keinen rechten Erfolg gehabt. Die flüssigen Brennstoffe dagegen sind ihrer leichten Transportfähigkeit wegen besonders zum Betrieb von Fahrzeugen und fahrbaren Motoren geeignet, z.B. zum Betrieb von Strassenfuhrwerken zur Beförderung von Personen und Gütern, zum Betrieb von landwirtschaftlichen Maschinen, Feuerspritzen, Säge- und Spaltmaschinen, elektrischen Beleuchtungswagen, Booten und ähnlichem. Wenn nun auch die Leuchtgas- und Erdölmotoren als Kleinmotoren und für lokomobile und automobile Sonderzwecke grosse Verbreitung gefunden haben, so ist doch ihre allgemeinewirtschaftliche Bedeutung als Kleinmotoren eine untergeordnete und verhält sich zu derjenigen gross er Motoren etwa wie die Bedeutung des Kleingewerbes zur Grossindustrie, oder wie die Bedeutung der Strassenfuhrwerke zur Eisenbahn. Aber der Gasmotor ist über die Bedeutung eines Kleinmotors weit hinausgewachsen. Das führt uns auf den Betrieb mit billigen Brennstoffen, zunächst mit Kraftgas. Der Erdölmotor scheidet von jetzt ganz aus der Betrachtung aus, da er in Deutschland nur mit teuren Oelen betrieben werden kann, ausgenommen an den wenigen unbedeutenden Fundstellen von Erdöl. Man hat den Gasmotor unabhängig gemacht von dem Anschluss an das Rohrnetz der Leuchtgasfabriken, welche das Gas zu Beleuchtungszwecken herstellen und ihm aus diesem Grunde Eigenschaften verleihen müssen, welche für motorische Zwecke entbehrlich sind; das sind insbesondere die Leuchtkraft und der hohe Heizwert, Eigenschaften, die eine kostspielige Herstellung des Leuchtgases bedingen. Der Engländer Dowson hat Gaserzeuger oder Generatoren gebaut, d.h. Oefen, in denen aus Kohlen Gas gewonnen wird lediglich zu Kraftzwecken, das sogen. Kraftgas, nach seinem Erfinder auch Dowson-Gas genannt. Die Gaserzeugungsanlage steht bei dem Gasmotor, wie der Dampfkessel bei der Dampfmaschine. Sie ist eine Gasfabrik im kleinen. Der Raumbedarf derselben ist nicht grösser, als der einer Dampfkesselanlage; der hohe Schornstein fällt weg. Das Kraftgas besitzt ähnlich dem Leuchtgas die Eigenschaft, im Gasmotor mit hoher Wärmeausnutzung zu verbrennen und übertrifft das Leuchtgas weit durch seine Billigkeit. Damit, dass dieses billige Gas sich im Motor als verwendbar erwiesen hatte, war die Schranke gefallen, welche der Ausbildung des Gasmotors für grosse Kraftleistungen gezogen war. Man ging jetzt an den Bau grösserer Maschinentypen von 40 bis 200 PS und erzielte sehr schöne Erfolge mit ihnen. Pumpwerke und elektrische Zentralen für Kraft- und Lichterzeugung sind heute schon in grösserer Zahl im Betrieb. Das sind Gebiete, welche früher der Dampf unbestritten beherrscht hatte. Und der Kraftgasmotor zeigt sich auf dem neugewonnenen Feld der Dampfmaschine technisch gewachsen, wirtschaftlich überlegen. Die Arbeitsabgabe des Gasmotors wurde früher ausschliesslich durch Aussetzer geregelt: Wenn der Arbeitsbedarf sinkt, und der Motor seine normale Geschwindigkeit überschreiten will, stellt der Geschwindigkeitsregler die Gaszufuhr zum Cylinder ganz ab, bis die normale Geschwindigkeit wieder erreicht ist. Diese Regelungsweise hat insbesondere bei kleiner Leistung des Motors einen recht ungleichmässigen Gang zur Folge. In neuerer Zeit wird der Gasmotor ähnlich wie die Dampfmaschine geregelt, indem ununterbrochen Arbeit geleistet wird und die Grösse der Arbeitsleistung dem augenblicklichen Arbeitsbedarf angepasst wird. Die Gleichförmigkeit des Ganges lässt sich – allerdings nur unter Anwendung schwerer Schwungräder – beim Viertaktmotor so hoch machen, als zur Erzeugung von ruhigem elektrischem Licht und zur Parallelschaltung von Drehstromgeneratoren nötig ist. Bei einem 150pferdigen Eincylindermotor weicht nach Angabe von Oberingenieur Ebbs in Nürnberg die grösste Schwankung der Umdrehungsgeschwindigkeit von der mittleren Geschwindigkeit um 1 : 120 ab. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kraftgasmotors liegt in der Billigkeit des Betriebes, ermöglicht durch die Verarbeitung billigen Gases. Eine Reihe von Versuchen an ausgeführten Kraftgasanlagen gibt hierfür Zeugnis. So die folgenden: Das Wasserwerk der Stadt Basel wird mit 150pferdigen Kraftgasmotoren betrieben; das Kraftgas wird aus Koks gewonnen. Prof. Meyer in Göttingen fand den Verbrauch für 1 PS und Stunde zu 768 g Koks von 7200 Kal./kg, entsprechend einer Umsetzung von 11,5 % der im Koks enthaltenen Wärme in Nutzarbeit. Die elektrische Zentrale der zentralen Zürichbergbahn arbeitet mit etwa 45pferdigen Motoren; das Kraftgas wird aus Anthracit erzeugt. Nach den Versuchen von Prof. Meyer war der Verbrauch für 1 PS und Stunde 640 g Anthracit von 7872 Kal./kg, entsprechend einer Umsetzung von 12,6 % der im Anthracit enthaltenen Wärme in Nutzarbeit. Dieses Ergebnis reicht hinsichtlich der Wärmeausnutzung an die besten Ergebnisse mit grossen Dampfmaschinen heran. Die jüngstens erbauten Kraftgasanlagen weisen sogar noch günstigere Verbrauchszahlen auf. Im Elektrizitätswerk Trossingen bei Rottweil braucht der 90pferdige Motor bei Vollbelastung 480 g Anthracit für 1 PS und Stunde, entsprechend einer Wärmeausnutzung von 16,5 %. Damit ist die Dampfmaschine bereits übertroffen, vollends wenn man bedenkt, dass die Dampfmaschine in der Grösse von 90 PS noch nicht die günstige Wärmeausnutzung von 13 % ergibt, sondern nur etwa 8%. Der Verbrauch in einem kleineren Elektrizitätswerk in Wolmirstädt beträgt nach Körting bei voller Leistung 420 g, bei halber 580 g Anthracit; ein Zeichen, dass die Kraftgas anläge auch bei kleinerer Leistung noch vorzüglich arbeitet. Die wirtschaftliche Ueberlegenheit des Kraftgasbetriebes über den Dampfbetrieb ist ausser Zweifel, wenn es sich um Betriebe wie Pumpwerke und elektrische Zentralen und um Kraftleistungen von 40 bis 200 PS handelt. Immerhin muss hervorgehoben werden, dass die Kraftgaserzeuger zur Zeit nur Anthracit und Koks vergasen, also nur gute und teure Kohlensorten. Das war jedenfalls mit ein Grund, weshalb man bis vor wenigen Jahren sich noch nicht veranlasst fühlte, Motoren von über 200 PS zu bauen. Es bildet jedoch einen notwendigen Schritt in der Entwickelung des Kraftgasbetriebes, dass auch billige Brennstoffe zur Vergasung herangezogen werden. Das Gelingen der hierauf gerichteten Bestrebungen kann nur eine Frage der Zeit sein. Den stärksten Anstoss zu seiner Weiterentwickelung hat der Gasmotor empfangen durch seine Einführung in den Hüttenbetrieb, durch die Verwendung der Hochofengase. Die Abgase, welche aus einem Hochofen entweichen, enthalten ziemlich viel brennbare Bestandteile, nicht viel weniger als das Dowson-Gas. Von dem letzteren entwickelt 1 cbm bei der Verbrennung 1100 bis 1200 Kai., während 1 cbm Hochofengas dabei ungefähr 900 Kai. frei werden lässt. Die Hochofengase liess man früher als wertlos unbenutzt ins Freie entweichen. Nachdem ihre Heizkraft erkannt war, wurden sie zur Vorwärmung der Luft, welche der Hochofen braucht, sowie zum Heizen von Dampfkesseln verwendet. Ganze Reihen von Dampfkesseln liegen meist in der Nähe der Hochöfen und weitverzweigte Leitungen verteilen den Dampf von dieser Dampf zentrale aus an die einzelnen Dampfmaschinen. Hier im Hüttenbetrieb, bisher einer Domäne des Dampfes, soll nun der Gasmotor seinen Einzug halten. Der Hüttenmann wird es freudig begrüssen, wenn die grossen Dampfkesselbatterien mit ihrer ungeheuren Explosionsgefahr so weit als möglich verschwinden, und ebenso die langen Dampfleitungen, welche infolge der Kondensation des Dampfes eine stete Quelle von Verlusten bilden. Der grosse Kraftbedarf der Hütten ist nur durch grosse Maschinen zu bewältigen. Die grössten bisherigen Gasmotoren von 200 PS reichen hier lange nicht aus. Die Gasmotorenfabriken sehen sich also vor die Aufgabe gestellt, möglichst grosse Motoren zu bauen. Die Aufgabe ist denn auch kräftig in die Hand genommen worden, nachdem sich gezeigt hat, dass der Betrieb des Gasmotors mit Hochofengas durchaus befriedigend von statten geht und dass die Wärmeausnutzung eine ganz vorzügliche ist. Prof. Witz in Lille hat einen eincylindrigen Hochofengasmotor von 180 PS in den Werken von Cockerill in Seraing gebremst und gefunden, dass derselbe 19,5 % der im Hochofengas enthaltenen Wärme in Nutzarbeit verwandelt. Prof. Meyer hat an einem 65pferdigen Eincylindermotor in Differdingen eine Wärmeausnutzung von sogar 25 % festgestellt, mit einem Gas, welches man ehemals als wertlos ins Freie hatte entweichen lassen. Infolge dieser Erfolge waren im April vorigen Jahres 25 grosse Hochofengasmotoren mit insgesamt 12740 PS von deutschen Hüttenwerken in Auftrag gegeben. Die grössten derselben seien hier angeführt: Die Deutzer Gasmotorenfabrik hatte vier Motoren von je 1000 PS in Auftrag. Eine Maschine hat vier gleiche Cylinder, welche auf eine gemeinsame Welle arbeiten, und je 250 PS entwickeln. Während 250 PS die höchste Leistung war, die bisher aus einem Viertaktcylinder bezogen wurde, hat die Société Cockerill in Seraing das kühne Unternehmen gewagt, einen Eincylindermotor von 500 bis 600 PS zu bauen. Die Maschine läuft seit November 1899 zur vollen Zufriedenheit. Die Bedeutung dieses Unternehmens liegt in dem Nachweis, dass Gasmotorencylinder bis zu dieser Grösse noch betriebsfähig sind. Durch Vereinigung von vier solchen Eincylindermotoren entsteht ein 2000- bis 2400pferdiger Motor. Es ist von Interesse, die Grössenverhältnisse des 500pferdigen Eincylindermotors kurz ins Auge zu fassen. Es beträgt der Cylinderdurchmesser 1300 mm, der Hub 1400 mm und die Umdrehungszahl in der Minute 80 bis 90. Die 4,4 m lange Treibstange ist 300 mm stark. Die Kurbelwelle mit 460 mm Durchmesser wiegt 20 t; das Schwungrad hat einen Durchmesser von 5 m, sein Gewicht ist 35 t. Zu solch ungewöhnlichen Abmessungen und Gewichten führt die Anwendung des Viertakts bei grossen Eincylindermotoren. Es erweckt den Anschein, als ob hier die Grenze nicht mehr fern sei, von der ab die Anwendung des Viertakts aufhört, wirtschaftlich zu sein. Hier erhebt sich mit allem Nachdruck die Frage des Zweitakts, nach einem Motor, der bei gleicher Stärke kleineren Cylinder und leichteres Schwungrad aufweist. Auf die Schwierigkeiten, welche der Einführung des Zweitakts entgegenstehen, ist schon hingewiesen worden; es ist zu befürchten, dass der Gasverbrauch des Zweitaktmotors wesentlich höher wird als der des Viertaktmotors. Im Hüttenbetrieb nun ist die Grösse des Gasverbrauchs von untergeordneter Bedeutung, da das Hochofengas im Ueberschuss zu Gebot steht; das ist ein besonders günstiges Moment für die Einführung des Zweitakts bei dem Hochofengasmotor; dazu kommt noch, dass die Luft zum Ausblasen des Zweitaktcylinders unmittelbar aus der Gebläseleitung entnommen werden kann, die an jedem Hochofen vorhanden ist. Dass bei Einführung des Zweitakts im Kraftgasbetrieb wesentlich grössere Schwierigkeiten zu überwinden sind, ist nicht zu verkennen. Schon vor mehr als einem Jahre wurde im Hörder Eisenwerk in Westfalen ein 600pferdiger Zweitaktmotor, System Oechelhäuser, in Betrieb gesetzt. Die Maschine besteht aus zwei gleichen 300pferdigen Motoren, deren Kurbeln um 180° versetzt sind. Die ganze Maschine arbeitet daher im Eintakt. Jeder der beiden Motoren hat einen an beiden Enden offenen Cylinder, in dem sich zwei einfach wirkende, im Zweitakt arbeitende Kolben gegeneinander bewegen. In der Cylinderachse liegt die Hilfspumpe, deren Kolben doppelt wirkend ist und auf der einen Seite Ausblaseluft, auf der anderen Gemisch ansaugt und in den Arbeitscylinder drückt. Der Oechelhäuser'sche Motor gehört zu der ersten Klasse der Zweitaktmotoren mit Gemischausblasung. Bevor die letztere beginnt, wird ein kräftiger Luftstrahl durch den Arbeitscylinder gejagt, wodurch die heissen Verbrennungsgase zum Teil hinausgefegt werden. Der Rest derselben und die Ausblaseluft werden hierauf mit frischem Gemisch ausgetrieben. Der kaum zu vermeidende Verlust, der durch Entweichen frischen Gemisches in den Auspuff entsteht, ist beim Betrieb mit Hochofengas nicht schwer zu nehmen. Die Gemischausblasung gewährt dagegen den Vorteil, dass der Arbeitscylinder vor Beginn der Verdichtung mit frischem, gut vorbereitetem Gemisch angefüllt werden kann, und das ist eine Vorbedingung für die Entwickelung einer grossen Maschinenleistung. Grosse Maschinenleistung ist aber für den Hochofengasmotor von weit höherer Bedeutung, als geringer Gasverbrauch. Betriebserfahrungen und Versuche über die Grösse der Leistung des Oechelhäuser'schen Motors sind bis jetzt noch nicht bekannt gegeben worden. Nach einer Aussage von Körting bedeutet der Oechelhäuser'sche Motor einen Erfolg der Zweitaktbestrebungen. Die Aufgabe, welche der Hüttenbetrieb dem Gasmotorenbau gestellt hat, der Bau grosser Grasmotoren, ist also in der Lösung begriffen und nach den günstigen Erfahrungen, welche bisher mit Hochofengasmotoren bis 200 PS vorliegen, steht zu hoffen, dass auch die Typen bis etwa 1000 PS ohne grosse Schwierigkeit zur Zufriedenheit der Industrie ausgebildet werden. Damit ist zunächst dem Hüttenbetrieb ein beträchtlicher Nutzen entstanden, der in dem teilweisen Ersatz der Dampfkessel und Dampfmaschinen durch Gasmotoren gelegen ist. Ein weiterer Nutzen steht noch in Aussicht. In den Gasen, die aus einem Hochofen abziehen, ist ein Kraftvorrat aufgespeichert, welcher nach den Berechnungen von Ingenieur Lürmann den unmittelbaren Kraftbedarf zum Betrieb dieses einen Hochofens um mehr als das Dreifache übersteigt. Würde der überschüssige Teil der Hochofengase in Gasmotoren verbrannt, so könnten in ganz Deutschland ½ Million mehr Pferdestärken gewonnen werden, als wenn mit dem Gas Dampfkessel geheizt und Dampfmaschinen getrieben würden. Der Gewinn von ½ Million PS kommt einem jährlichen Geldgewinn von etwa 44 Millionen Mark für die deutschen Eisenhütten gleich. Wenn davon thätsächlich auch nur die Hälfte erreicht würde, so bedeuteten auch 22 Millionen Mark noch einen ausserordentlich hohen Gewinn. Der Bau grosser Gasmotoren ist nun nicht allein für die Hüttenbetriebe von Nutzen, er hat allgemeinere Bedeutung; die Rückwirkung auf den Kraftgasbetrieb kann nicht ausbleiben. Die grossen Gasmotoren werden auch ausserhalb der Hüttenwerke in der Industrie Eingang finden. Je grosser die Kräfte werden, die aus Kraftgas erzeugt werden sollen, desto dringender erhebt sich die Forderung, das Kraftgas selbst so billig als möglich herzustellen, z.B. wie schon erwähnt, aus billigen Brennstoffen. Man muss sich aber hüten, der Ansicht Platz zu geben, als ob der Gasmotor die Dampfmaschine überall ersetzen könnte; davon ist, in seiner heutigen Form wenigstens, keine Rede. Es gibt noch keinen Gasmotor, der umsteuerbar ist, den man willkürlich vorwärts und rückwärts laufen lassen kann. Die Schwierigkeit liegt darin, dass umsteuerbare Maschinen, wie Lokomotiven, Walzenzugmaschinen, Fördermaschinen, Schiffsmaschinen, unter Belastung anlaufen müssen. Das ist mit der Dampfmaschine möglich, mit dem Gasmotor dagegen nicht. Die Dampfmaschine erhält ihre Triebkraft von aussen, aus einem Dampfkessel, in welchem dieselbe in Form von Spannkraft aufgespeichert ist. Diese ganze Spannkraft steht zum Anlassen der Dampfmaschine bereit. In dem Gasmotor dagegen wird die Triebkraft im Innern des Cylinders erzeugt aus dem Gasgemisch, welches der Kolben selber erst in den Cylinder ansaugen muss. Soll der Gasmotor in Gang gesetzt werden, so muss zuerst durch irgend ein Hilfsmittel dem Schwungrad ein Antrieb erteilt werden, damit der Kolben Gemisch ansaugt und verdichtet; bei den folgenden Umdrehungen wird eine der angesogenen Gemischmenge entsprechende, begrenzte Arbeit im Cylinder entwickelt, durch welche der Motor auf seine normale Geschwindigkeit beschleunigt wird; erst jetzt darf der Motor belastet werden. Nur in einem besonderen Fall wird der Gas- und Erdölmotor zum Antrieb von Maschinen verwendet, welcheumgesteuert werden und unter Belastung anlaufen, wenn es sich nämlich um kleine Kräfte handelt, wie z.B. bei Automobilen, kleinen Lokomotiven, kleinen Booten. Der Antriebmotor läuft ununterbrochen in einem und demselben Sinne um; das Anfahren geschieht, indem man eine Kuppelung, welche den Motor mit dem Triebwerk verbindet, langsam einrückt und die im Schwungrad aufgespeicherte lebendige Kraft zur Ingangsetzung benutzt; das Anhalten erfolgt nach Ausrücken dieser Kuppelung. Die Umsteuerung ist ins Triebwerk verlegt. Diese mittelbare Lösung der Aufgabe der Umsteuerung führt bei grossen Kraftleistungen zu schwerfälligen und unbrauchbaren Konstruktionen. Als weitere Eigentümlichkeit haftet dem Gasmotor im Gegensatz zur Dampfmaschine an, dass er nicht überlastet werden kann. Das im Motorcylinder befindliche Gas- und Luftgemisch übt die stärkste Explosionswirkung aus, wenn das Mischungsverhältnis ein derartiges ist, dass bei der Verbrennung Gas und Luft gerade aufgezehrt werden, dass also nach der Verbrennung weder Gas noch Luft überschüssig ist. Mehr Gas und weniger Luft in den Cylinder zu saugen ist wertlos, weil dann ein Teil des Gases wegen Luftmangels nicht verbrennt. Die Gasmenge, die man in einem gegebenen Cylinder verbrennen kann, ist eine begrenzte, und damit auch die Arbeit, die man aus dem Motor zu beziehen im stände ist. Wird dem Motor eine grössere Arbeitsleistung zugemutet, als diese, so bleibt er stehen. Eine Dampfmaschine dagegen kann man weit über die normale Leistung hinaus belasten, wenn man grössere Füllung gibt. Die Maschine verträgt das gut, sie braucht nur mehr Dampf. Zur Zeit wird also der Gasmotor der Dampfmaschine nur einen Teil ihres Anwendungsgebietes streitig machen können; ausgeschlossen sind alle Betriebe, in denen der Motor unter Belastung anlaufen muss, und in denen eine Ueberlastung zu erwarten steht. Auf dem Gebiet aber, auf welchem der Gasmotor mit der Dampfmaschine in Wettbewerb treten kann und bereits getreten ist, also zum Betriebe elektrischer Zentralen, von Gebläsen, Pumpwerken und ähnlichem, wird er immer weitere Verbreitung finden. Fassen wir zusammen: Der Otto'sche Viertaktmotor bildet die Grundform der heutigen Gas- und Erdölmotoren. Mit Gasen betrieben, gleichgültig ob Leuchtgas, Kraftgas oder Hochofengas, wird er in der Güte der Wärmeausnutzung von keinem Motor eines anderen Systems übertroffen; mit Petroleum betrieben, nur vom Diesel-Motor. Der Leuchtgas- und Erdölmotor hat als Kleinmotor in Kleinbetrieben und für Lokomobile und Automobile weite Verbreitung gefunden. Der Kraftgas- und Hochofengasmotor wird zur Zeit als Grossgasmotor ausgebildet und ist als solcher in einer Reihe von Fällen mit der Dampfmaschine in erfolgreichen Wettbewerb getreten. Für den Bau grosser Gasmotoren ist der Ersatz des Viertakts durch den Zweitakt von grosser Wichtigkeit. In der Befähigung, das billige Kraftgas und Hochofengas mit vorzüglicher Wärmeausnutzung zu verarbeiten und grosse Kräfte zu entwickeln, liegt die wirtschaftliche Bedeutung des Gasmotors und seine Zukunft.