Titel: Ueber die Vergasung des Hauskehrichts.
Autor: A. Bujard
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 461
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Ueber die Vergasung des Hauskehrichts. Von Dr. A. Bujard. Ueber die Vergasung des Hauskehrichts. Der technischen Verwertung und gleichzeitigen Entfernung oder Vernichtung des Kehrichts wendet sich wegen der Unhaltbarkeit der bestehenden Zustände die Aufmerksamkeit der Stadtverwaltungen und ihrer Technikerin besonderem Masse zu. Auch in Stuttgart ist man schon seit etwa 8 Jahren dieser Präge näher getreten. Man hat sich über die Zusammensetzung des Kehrichts über die Dauer eines ganzen Jahres orientiert und im Jahre 1895 etwa 20 t solchen Kehrichts nach Hamburg abgehen lassen, um denselben in den dorten durch die städtische Baudeputation gütigst zur Verfügung gestellten Horsfallöfen zu verbrennen. Hierbei sind die einzelnen Abfuhrwagen derart gewählt worden, dass die Gesamtmasse als eine gute Durchschnittsprobe des Stuttgarter Haus- und Strassenkehrichts betrachtet werden konnte. Bezüglich der Zusammensetzung des Kehrichts wird bemerkt, dass während der Tage, an welchen der nach Hamburg verladene Kehricht gesammelt wurde, die Oefen der Wohnungen infolge kühler Witterung (die Versuche fielen auf den Monat Oktober) geheizt werden mussten, so dass ein grösserer Gehalt an Kohle und Koks zu erwarten war. Wie spätere zahlreichere mechanische Kehrichtanalysen übrigens zeigten, ist der Gehalt an Kohle und Koks überhaupt sehr schwankend und es ist nicht immer der Fall, dass derjenige Monat, in dem am stärksten geheizt wird, auch den Prozentgehalt des Kehrichts bezüglich dessen Grösse beeinflusst. Der in Hamburg verbrannte Kehricht hatte folgende Zusammensetzung: Proz. Feuchtigkeit 15,9 Kohlenteile 10,7 Schlacke und halbverbrannte Kohle 6,0 Steine, Glas, Steingut 8,6 Stroh, Häute, Knochen, sonstige pflanzliche    und tierische Abfälle 5,5 Papier, Lumpen und Holz 0,5 Grober Siebdurchfall    (dessen Glühverlust 18,5 %) 30,0 Feiner Siebdurchfall    (dessen Glühverlust 27 %) 22,0 Verlust 0,8 ––––– 100,0 Zum Glühverlust im Siebdurchfall ist zu bemerken, dass derselbe grösstenteils als Kohle und andere verbrennliche Substanzen aufzufassen ist, denn mit blossem und bewaffnetem Auge sind diese Materialien in dem Siebdurchfall zu erkennen. Obige Angaben beziehen sich auf lufttrockenen Kehricht. Englischer Sommerkehricht hat nach Angabe eines dortigen Sachverständigen nicht unter 10 % Kohlenreste, die Berliner fanden den Kohlengehalt ihres Kehrichts (Müll) bei ihren Versuchen stets unter 1 %Müllverbrennungsversuche, Bohm und Grohn, Berlin 1897.. Die genaue Menge des in Hamburg verbrannten Kehrichts hat 21840 kg betragen, entsprechend 40 cbm im aufgelockerten Zustand. Es ist nun nicht meine Absicht, das Ofensystem und den Gang der Verbrennung genau zu schildern, alles dies ist bekannt und a. a. O. mehr als genügend der Litteratur übergeben worden, doch sei der Betrieb, wie er sich für den Stuttgarter Kehricht gestaltet hat, kurz angegeben. Die Dauer der Verbrennung obiger Kehrrichtmenge in zwei Horsfallzellen betrug 33 Stunden, das sind pro 24 Stunden in einer Zelle rund 8 t. Die Temperatur der Abgase im Raum oberhalb des Rostes war 400° C., im gemeinschaftlichen Rauchkanal der Zellen 350 ° C. Der Rost wurde mit Luftgebläse angefacht, die Luftmenge pro 1 Sekunde und 1 Zelle war 0,65 cbm, die maximale Luftpressung unter dem Rost 20 mm Wassersäule. Die Verbrennungsrückstände bestanden aus 8724 kg Schlacke, 1867 kg Asche (die Menge der Flugasche wurde wegen zu geringer Menge nicht bestimmt) oder 9,2 cbm Schlacke und 1,8 cbm Asche. Die Verbrennungsrückstände betrugen daher 48 % des Kehrichtgewichtes, bezw. 37 % des Kehrichtvolumens. Die weitere Verarbeitung der Rückstände auf der Schlackenbrech- und Siebanlage ergab folgendes: 216027608500 kg feinesmittleresgrobes Korn 160 Siebrückstände. Die chemische Zusammensetzung eines guten Durchschnittsmustersder feingemahlenen Schlacke zeigt nachstehende Analyse. In 100 Gewichtsteilen der lufttrockenen Schlacke wurden gefunden: Hygroskopisches Wasser       1,650 % CalciumoxydMagnesiumoxydSchwefelsäure (SO3)ChlorKaliumoxydNatriumoxydKohlensäure   0,070  0,006  0,180  0,027  0,074  0,039Spur Wasserlöslich:      0,396 % KohlensäurePhosphorsäureKieselsäure und SandCalciumoxydMagnesiumoxydEisenoxyd und ThonerdeKohle   0,880  1,92068,090  5,540  0,53015,470  4,300 Wasserunlöslich:     96,730 % Festgebundenes Wasser, verbrennl. Sub-stanz, Spur Kohlensäure im löslichen Teil        und Verluste bei der Analyse       1,224 % ––––––––––– 100,00 % Hiernach enthält die Schlacke keinerlei verwertbare Bestandteile. Ein gewisser Düngwert ist ihr nicht abzusprechen, allein Eingang in den Düngerhandel dürfte sie bei ihrer Geringwertigkeit wohl nicht finden. Ihre Verwertbarkeit wird sich daher wohl auf die Verwendung zu Schotter-, Ausfüllmaterial und Beton beschränken, die Verwertung als Düngemittel aber höchstens lokaler Natur sein. Ausnutzbar ist beim Kehrichtverbrennungsbetrieb die erzeugte Wärme. Dieselbe wird zur Heizung von Dampfkesseln verwendet. Mittels des gewonnenen Dampfes wird der Ventilator, die Schlackenbrech- und Sortiermaschine getrieben und das elektrische Licht zur Beleuchtung der Anstalt erzeugt. Als vor einigen Jahren die Notiz durch die Tagesblätter ging, in Wien seien Versuche im Gang, den Kehricht zu vergasen, wandte man sich auch bei uns dieser Frage zu, um zu sehen, wie sich hierbei der Stuttgarter Kehricht verhält, und es war nun zunächst zu studieren, wieviel Gas, von welcher Beschaffenheit und unter welchen Bedingungen man dasselbe erhält. Neu war ja die Vergasung als solche nicht, denn Abfälle zu vergasen, ist nichts Neues, man konnte daher auch hoffen, irgend ein eventuell günstiges Resultat zu bekommen. Da damals von städtischer Seite eine Versuchsgasbereitungsanlage nicht zur Verfügung stand, wurden sorgfältig entnommene Durchschnittsproben von Kehricht in einem gut gedichteten Schwarzblechcylinder in einem dem Laboratorium zur Verfügung stehenden grossen Verbrennungsofen für Elementaranalyse vergast. Das Gas wurde durch Waschvorrichtungen geleitet und in Gasometern aufgefangen. Von den Kehrichtproben wurde jeweils eine mechanische Analyse hergestellt, um ein Bild über die Bestandteile derselben zu haben; ferner wurde das Volumen des Kehrichts ermittelt, sowie die erhaltene Gasmenge und der Vergasungsrückstand. Mit dem Gas wurde eine vollständige Analyse durchgeführt und dessen Verhalten beim Brennen und zum Auerstrumpf geprüft. Das Ergebnis dieser Versuche ist in der nachfolgenden Zusammenstellung niedergelegt. Nachdem am 1. November 1899 das Gaswerk Stuttgart in städtischen Besitz übergegangen war, habe ich zu den weiteren Versuchen die im Gaswerk Gaisburg vorhandene kleine Versuchsgasanstalt benutzt. Dieselbe besteht aus einem kleinen Retortenofen mit einer Retorte, Skrubber und Reiniger und einem 14 cbm fassenden Gasbehälter. Neben dem Gasbehälter befindet sich ein Photometerraum, sowie ein kleines Laboratorium, woselbst das aus den Probekohlen gewonnene Gas untersucht werden kann. An diesen Ofen liessen wir einen Kehrichtwagen anfahren, in welchem der Haus- und Strassenkehricht in verschiedenen Strassen gesammelt worden war. Die Menge des Kehrichts hat 1,32 cbm, das Gewicht 800 kg betragen. Laboratoriumsversuche. Zusammensetzung desKehrichts in Vol.-Proz. I. II. III. IV. V. Kohle   8,5 12,6 10,0   9,5 0 Halbverbrannte Kohle, Koks 18,1   5,0   4,5   8,5 10,2 Stroh, Holz, Papier, Lumpen   2,2   1,1   3,2   2,6   3,5 Knochen, sontige tierische,  sowie pflanzliche Abfälle 19,4 12,0 30,6 23,5 18,6 Metall   7,7   0,5   3,0 Steine, Scherben, Schlacken   0,6   3,6 11,9 17,7 14,1 Grober Siebdurchfall 26,2 43,4 32,0 35,5 40,0   darin Glühverlust in Proz. 20,0 22,0 32,0 37,0 30,0 Feiner Siebdurchfall 16,0 21,1 8,0   2,7 12,2   darin Glühverlust in Proz. 10,0 15,0 21,0 35,0 20,0 Verlust   1,3   0,7 Gewicht der zur Vergasung  genommenen Menge in  Kilogramm   1,2   1,3   1,45     1,33     1,14 Volumen derselben in Litern   1,8   2,2 2,2     2,13     1,86 Menge des erhaltenen Gases  in Litern 32,0 15½ 34,0 Verun-glücktwegenUn-dicht-heit,man er-hielt nureinenTeil desGases 30,5 Gewicht des bei der Ver-gasung verbleibend. Rück-standes in Kilogramm     0,95     1,05   0,8   0,67 Volumen desselben in Litern   1,5   1,6   1,7   1,11 Zusammensetzung desGases in Vol.-Proz. Kohlensäure 30,7 35,8 41,6 45,0 45,8 Schwere Kohlenwasserstoffe  u. sonst in SO3 absorbier-  bares   3,4   1,4   3,6   2,0   2,6 Sauerstoff   0,4   5,4 0   0,8 0 Kohlenoxyd 13,3 12,2 12,4   8,0   8,2 Sumpfgas (Methan) 21,2   6,9 16,6 13,9 13,3 Wassserstoff 20,3 21,5 21,0 26,0 25,3 Stickstoff 10,7 16,8   4,2   4,3   4,8 Schwefelwasserstoff Spur 0 0 vorh. Spur Verhalten beim Entzünden Schw.leucht.Flamme BlaueFlamme Blaueflamme BlaueFlamme Schw.Flamme Verhalten zum AuerstrumpfAbsorbierte man die Kohlensäure zuvor durch Vorlage von mit Kalilauge beschickten Absorptionsgefässen, so kam der Auerstrumpf in den meisten Fällen zum hellen Leuchten. Schw.Leucht. Schw.Glühen. Schw.Leucht. Schw.Glühen Schw.Glühen Geruch Wider-lich Wider-lich Die Zusammensetzung des Kehrichts war folgende: Proz. Kohle     2,5 Koks     1,5 Papier und Lumpen     2,3 Holz     1,5 Knochen, sonstige tierische und pflanz-    liche Abfälle   10,7 Steine, Scherben   19,5 Metalle (Blechabfälle, Draht, Konserven-    büchsen etc)     3,0 Siebdurchfall   57,6 Verlust     1,4 ––––– 100,0 Mit je 50 kg Kehricht wurde nun die Retorte beschickt. Die Vergasungszeit hat durchschnittlich 4 Stunden betragen. Die Ausbeute jeder Charge an Gas war nicht Laboratoriumsversuche. Zusammensetzung desKehrichts in Vol.-Proz. VI. VII. Kohle   2,1   4,0 Halbverbrannte Kohle, Koks 15,8   8,7 Holz, Papier, Lumpen, Stroh   3,4   2,6 Knochen, sonstige tierische  und pflanzliche Abfälle 21,6 18,4 Steine, Scherben, Schlacken 11,5   7,0 Metall 0   1,7 Grober Siebdurchfall 36,9 40,4   darin Glühverlust in Proz. 29,5 30,0 Feiner Siebdurchfall   9,4 18,4   darin Glühverlust in Proz. 16,0 20,0 Vergaste Kehrichtmenge in  Kilogramm     1,25   1,3 Volumen derselben in Litern     2,16   2,4 Erhaltene Gasmenge in Litern 50,5 65,0 Vergasungsrückstand in Kilo-  gramm     0,81   0,8 Volumen desselben in Litern   1,5   1,6 Zusammensetzung desGases in Vol.-Proz. Gas getrennt auf-gefangen. Vergasungbei hellroter Glut I. 34½ l II. 16 l Kohlensäure 35,4 17,8 24,8 Schwere Kohlenwasserstoffe,  empyreumatische Stoffe   6,4   1,6   2,8 Sauerstoff 0   0,4   4,8 Kohlenoxyd 14,0 25,4 14,2 Sumpfgas 11,2   8,4   6,5 Wasserstoff 26,2 32,8 29,4 Stickstoff   6,8 13,6 17,5 Schwefelwasserstoff Vorhand 0 0 Verhalten bei Entzünden Blaue,schwachleuchtendumsäumteFlamme BlaueFlamme Blaue Flamme Verhalten zum Auerstrumpf Leuchtetim Auer-brennerschwach Schwach Schwach gleichmässig. Die einzelnen erhaltenen Gasmengen waren folgende: Uebertrag: 42,15 cbm   4,25 cbm   5,40   5,25   5,02   5,35   4,64   5,20   5,06 5,0   4,88 6,0   5,60   4,82   5,21   6,28   5,12 ––––––––––– –––––––––––– 42,15 cbm 83,08 cbm 50 kg Kehricht gaben demnach im Mittel 5,19 cbm Gas. In den 16 Chargen zu je 50 kg wurden 83,08 cbm erhalten. Der Koksverbrauch zur Retortenfeuerung betrug 948 kg. Die Ofentemperatur wurde annähernd mit den Wiborgh'schen Thermophonen bestimmt und zu 950 bis 1120° C. gefunden, die Retortentemperatur wurde nach derselben Methode zu 920 bis 980 ° C. gemessen. Während dieser Vergasung wurde die Zusammensetzung des Gases, und zwar des vor dem Skrubber abgenommenen Rohgases und des die Reinigungsapparate passiert habenden Gases, das wir der Kürze halber Reingas nennen wollen, festgestellt. Die Untersuchung erstreckte sich auf die Ermittelung der Kohlensäure, der schweren Kohlenwasserstoffe, des Sauerstoffs, Kohlenoxyds, Methans, Wasserstoffs und Stickstoffs; bei der Untersuchung des Gases in kürzeren Zeitperioden, zwischen einzelnen Chargen beschränkte man sich auf die Ermittelung von Kohlensäure, Kohlenoxyd und Sauerstoff. Es wurde ferner geprüft auf Schwefelwasserstoff und Ammoniak und des weiteren das spezifische Gewicht, sowie der Heizwert des Gases ermittelt, ersteres mit Schilling's Apparat, letzterer mit dem Junkers'schen Kalorimeter. Die Analyse selbst erfolgte nach der gewöhnlichen Methode mittels Hempel'scher Pipetten, die Untersuchung des Gasrestes durch die Explosionsanalyse. Untersuchung des Kehrichtgases. a) Rohgas.     In Vol.-Proz. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Kohlensäure 20,4 18,2 17,4 26,0 22,0 20,2 19,6 Kohlenoxyd   8,0 17,4 17,4 22,6 27,7 28,2 30,2 Sauerstoff   1,8   2,0   3,2 0   0,4   0,2   0,4 b) Reingas (die einzelnen Nummern decken sich naturgemäss nicht mit denjenigen des Rohgases).     In Vol.-Proz. 1. 2. 3. 4. 5. Kohlensäure 11,0 16,2 22,4 23,0 25,7 Kohlenoxyd 21,2 12,2 17,2 23,2 26,0 Sauerstoff   2,8   2,8   3,0   0,4   0,2 Vollständige Analyse des Rohgases. II. Charge Kohlensäure 22,9 Schwere Kohlenwasserstoffe   0,3 Sauerstoff   1,3 Kohlenoxyd 30,9 Methan   5,3 Wasserstoff 32,9 Stickstoff   6,4 Vollständige Analyse des Reingases (direkt hinter dem Reiniger entnommen). II. Charge IV. Charge Kohlensäure 19,6 19,9 Schwere Kohlenwasserstoffe   1,4   1,5 Sauerstoff 0   0,5 Kohlenoxyd 34,8 43,3 Methan   6,2   5,2 Wasserstoff 36,1 19,3 Stickstoff   1,9 10,3 Schwefelwasserstoff war nur in Spuren nachweisbar (im Roh- und Reingas). Ammoniak war im Reingas in Mengen vorhanden, die nicht quantitativ bestimmt wurden, weil beim Durchleiten von 500 l des Gases durch eine ¼ Normalsäure beim nachherigen Titrieren keine Ammoniakaufnahme bemerkt werden konnte. Das Gas brannte mit nicht leuchtender Flamme und gelblichem Saum; der Leuchtwert ist daher gleich Null. Es bringt Auerlicht zu schwachem, für Beleuchtungszwecke aber wertlosem Glühen; entfernte man aber die Kohlensäure durch Vorlage von mit Kalilauge beschickten Absorptionsgefässen, so kam das Auerlicht zum hellen Leuchten. Der nutzbare Heizwert wurde zu 2854, 2850, 2930, 2780 und 2960 W.-E., im Mittel also zu 2874 W.-E. pro 1 cbm gefunden. Wie die vorstehende Aufstellung zeigt, wurde der Kohlensäure-, Kohlenoxyd- und Sauerstoffgehalt während der ganzen, etwa 64 Stunden dauernden Vergasungsperiode 15mal ermittelt. Zusammengefasst ergeben sich folgende Werte: Vol.-Proz. Vol.-Proz. Kohlensäure 11,0 bis 26,0 im Mittel 20,4 Kohlenoxyd   8,0 43,3 24,0 Sauerstoff 0   3,2 somit stets wenig. Die Rückstände aus den 800 kg Kehricht, die eine graue, mit Scherben etc. durchsetzte Masse darstellen, wogen 503 kg und haben somit 62,8 % betragen. Die 503 kg nahmen einen Raum von 0,61 cbm ein. Versuche mit Hauskehricht (ohne Strassenkehrichtbeimischung). Die Zusammensetzung des benutzten Hauskehrichts in lufttrockenem Zustand war folgende: Proz. Kohle     3,2 Koks   12,0 Schlacken   19,1 Holz und Stroh, Papier     1,6 Steine, Scherben etc     1,8 Metall (Blech, Draht etc)     0,1 Knochen, sonstige tierische und pflanz-    liche Abfälle   20,1 Siebdurchfall   41,4 Verlust     0,7 ––––– 100,0 Die Vergasung dieses Kehrichts erfolgte wie beim erstenmal. Vergast wurden 700 kg in 14 Chargen zu je 50 kg in 20 Stunden. Die Vergasungsdauer der einzelnen Chargen war somit wesentlich kürzer als beim ersten Versuch. Hatte schon zwar die Zusammensetzung des Hauskehrichts allein auf eine geringere Gasausbeute schliessen lassen, als dies beim ersten Versuch der Fall gewesen, so hatten wir trotzdem eine grössere Ausbeute an Gras als die erhaltene erhofft. Retorten- und Ofentemperatur waren dieselben. Aus den 700 kg Kehricht entsprechenden 1,4 cbm wurden 14,43 cbm Gas erhalten. Vergasungsrückstände ergaben sich 482 kg = 68,8 %. Die Analysen des Gases gaben folgendes Resultat: Rohgas: I. Charge VII. Charge VIII. Charge Kohlensäure 16,0 28,2 28,0 Kohlenoxyd 30,6     7,21   2,6 Sauerstoff   0,4 0   0,2 Reingas: II. III. IV. VII. VIII. Charge Kohlensäure 21,6 27,2 28,0 28,0 28,0 Kohlenoxyd 17,6 10,2   6,8   4,4   5,0 Sauerstoff   0,2   0,2 0 0 0 Analyse des Reingases, VI. Charge. Vol.-Proz. Kohlensäure 20,8 Schwere Kohlenwasserstoffe    3,4 Sauerstoff 0 Kohlenoxyd 20,2 Methan    8,9 Wasserstoff 34,8 Stickstoff 11,0 Bezüglich Brennbarkeit ergab sich dasselbe Resultat wie beim ersten Versuch. Der Heizwert wurde während der Vergasung 5mal ermittelt. Hierbei erhielt man folgende Zahlen: 2760, 2830, 2790, 2800, 2880, d. i. im Mittel 2814 W.-E. pro 1 cbm Gas. Aus den beiden Versuchen in grösserem Massstab wurden noch insgesamt erhalten 36 kg Teer und 127 1 Ammoniakwasser von 2,5 ° Bé. Vergleicht man diese Versuche mit den kleinen Laboratoriumsversuchen, so fällt sofort das Zurückgehen im Gehalt an Kohlensäure auf. Dies ist jedenfalls darauf zurückzuführen, dass wir höhere Temperaturen bei der Retortenvergasung hatten, als wir beim Versuch im kleinen erzielen konnten. Aus diesen Versuchen geht nun mit Bestimmtheit hervor, dass es möglich ist, aus dem Stuttgarter Hauskehricht ein verwertbares Heizgas zu gewinnen. Die Zusammensetzung des Kehrichtgases ist jedoch in der Praxis zur Zeit wohl eine ziemlich wechselnde. Störend ist der hohe Kohlensäuregehalt, der nur durch die umständliche Kalkreinigung auf ein annehmbares Mass zurückgeführt werden kann, während die grosse Menge von Kohlenoxyd und Wasserstoff an die Zusammensetzung des Wassergases erinnert. Der hohe Kohlenoxydgehalt ist jedenfalls auf den hohen Wassergehalt des Kehrichts zurückzuführen und auch die Grosse des Wasserstoffgehaltes wird hierdurch beeinflusst. Zahlen aus solchen Versuchen können je nach der Beschaffenheit des Kehrichtmaterials und je nach der Anordnung der Versuchsbedingungen wieder anders ausfallen, weshalb es mir auch nicht in den Sinn kommt, etwa eine vergleichende Rentabilitätsberechnung zwischen der Kehrichtvergasung in einer bestehenden Steinkohlengasanlage und etwa der Kehrichtbeseitigung nach Horsfall anstellen zu wollen. Einige Anhaltspunkte für die Kehrichtvergasung dürfte aber die nachfolgende Aufstellung, welcher die bei der Haus- und Strassenkehrichtvergasung gewonnenen Werte zu Grunde gelegt sind, immerhin geben. Sie zeigt auch, welche Mengen Vergasungsmaterial in Stuttgart unter Umständen in Betracht kommen und welche Mengen allerdings hygienisch völlig einwandsfreien Rückstand man erhält. Der Anfall an Kehrichtgas würde unter Zugrundelegung der beim Versuch gefundenen Zahlen etwa 2 Millionen Kubikmeter pro Jahr betragen. Der Kohlengasverbrauch ist hier zur Zeit etwa 11 Millionen Kubikmeter. Dies ergäbe eine Beimengung von 15,4 % Kehrichtgas. Der Jahresanfall an Kehricht beträgt  zur Zeit hier 24000000 kg, dies auf 365 Tage verteilt, gibt pro  Tag rund 66000 kg. Ein Retortenofen mit 7 Retorten gewöhnlicher Grösse vergast in 24 Stunden bei 4stündiger Destillationsdauer 7 × 6 × 130 = 5460 kg Kehricht = 568 cbm Rohgas. Durch Entfernung der Kohlensäure mittels Kalkreinigung wird diese Menge etwa um ⅕ geringer, so dass nach der Reinigung noch 455 cbm gereinigtes Gas verbleiben. Obige 24000000 kg Kehricht geben somit rund 2 Millionen Kubikmeter gereinigtes Gas. An Rückständen sind hierbei täglich, einschliesslich des ausgebrauchten Kalkes für die Reinigung, rund 49 bis 52 Tonnen, die abgeführt werden müssten, zu erwarten. An eine besondere Verwertung des Gases durch Verteilung desselben an Konsumenten, insbesondere als Heiz- und Kraftgas, ist wohl hierorts nach Sachlage nicht ernstlich zu denken und auch der Beimischung zum Leuchtgas möchte ich nicht das Wort reden, denn hier fände ein ununterbrochener Betrieb und deshalb eine konstante undnicht unbeträchtliche Beimischung eines Gases von nur der Hälfte Heizwert und von verhältnismässig wechselnder Zusammensetzung statt, nicht zu vergleichen mit der sich als Aushilfe wohl zunächst in den Leuchtgasanstalten einstellenden Beimischung von Wassergas, die man ausserdem in geringeren Prozentsätzen stattfinden lassen kann. Dagegen wäre eine Verwertung in der Richtung wohl nicht ausgeschlossen, dass man das Kehrichtgas an Ort und Stelle als Kraftquelle zur Erzeugung von Elektrizität benutzt und diese an benachbarte industrielle Anlagen und Stadtteile abgibt. Zum Schlusse dieser Veröffentlichung hebe ich ausdrücklich hervor, dass ich die ausgeführten Versuche durchaus nicht für vollständig halte, sondern sie nur als einen Beitrag zum Studium der Kehricht Vergasung aufgefasst wissen möchte. An diese Versuche gehört zunächst ein grösserer Versuch etwa in einem 7-Retortenofen, auf eine längere Zeitperiode sich erstreckend, angereiht. Ferner wäre es interessant, kleinere Versuche mit Kehricht in verschiedenem Feuchtigkeitszustand vorzunehmen und die Rückstände, sowie den abgeschiedenen Teer auf ihre Bestandteile zu untersuchen, um auch die Frage der Verwertung der Abgänge und Nebenprodukte prüfen zu können. Chemisches Laboratorium der Stadt Stuttgart, im Juli 1900.