Titel: Die Elektrolyse der Alkalichloridlösungen in der industriellen Praxis.
Autor: C. Häussermann
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 470
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Die Elektrolyse der Alkalichloridlösungen in der industriellen Praxis. Von Prof. Dr. C. Häussermann, Stuttgart. Die Elektrolyse der Alkalichloridlösungen in der industriellen Praxis. Wiewohl man schon seit geraumer Zeit weiss, dass die Chloride der Alkalimetalle durch den Gleichstrom unter Bildung sehr verschiedenartiger Produkte zersetzt werden können, so ist es doch erst im Laufe des letzten Dezenniums gelungen, diese eigenartige Wirkung der Elektrizität gewerblich zu verwerten. Allerdings musste jeder Versuch, die älteren, rein chemischen Methoden zur „Salzzersetzung“ durch elektrochemische verdrängen zu wollen, völlig aussichtslos erscheinen, so lange die Dynamomaschine nicht erfunden war. Aber auch nachdem billige Stromquellen zur Verfügung standen, bedurfte es noch vielfacher Bemühungen, bis die Schwierigkeiten, welche sich der Uebertragung der zunächst im Laboratorium ausgearbeiteten Verfahren in die Fabrikpraxis entgegenstellten, endgültig überwunden waren. Nachdem jetzt dieses Ziel erreicht ist, erscheint eine gedrängte Darstellung des gegenwärtigen Standes der „elektrolytischen Salzzersetzung“ auch in dieser Zeitschrift um so mehr gerechtfertigt, als die „Salzelektrolyse“ sehr tief greifende Umwälzungen auf einem wichtigen Gebiete der chemischen Grossindustrie hervorgerufen hat. In Anbetracht der Thatsache, dass sich die elektrochemische Technik unbeeinflusst von jeder Theorie in vollkommen selbständiger Weise entwickelt hat, wurde auch im nachstehenden den theoretischen Betrachtungen über die physikalisch-chemischen Vorgänge bei der Elektrolyse kein breiterer Raum gewährt. Nur soweit es zur Klarlegung einzelner Erscheinungen erforderlich erschien, ist die elektrolytische Dissociationstheorie herangezogen worden, während im übrigen durchaus der Standpunkt des Technologen festgehalten wurde. Wie vor Eintritt in die Beschreibung der Verfahren zur Herstellung der hier in Betracht kommenden Produkte hervorgehoben werden muss, leiten die Alkalimetallchloride, wie die meisten übrigen Elektrolyte, die Elektrizität nur, wenn sie sich im flüssigen Zustand befinden. Verflüssigt man die genannten Chloride durch Zufuhr von Wärme und leitet man dann den Strom durch die geschmolzene Masse, so scheidet sich an der Kathode Metall und an der Anode Chlor ab; die Schmelzflusselektrolyse der Alkalichloride ist jedoch bis jetzt nicht mit dauerndem Erfolg im grossen durchgeführt worden und bleibt deshalb hier unberücksichtigt. Auch der Durchgang des Stromes durch die wässerige Lösung des Chlorkaliums oder des Chlornatriums hat die Wanderung des Metalls nach der Kathode und des Halogens nach der Anode zur Folge. Es gelingt aber nur bei Einhaltung bestimmter Vorsichtsmassregeln, Metall als solches abzuscheiden, weil Kalium und Natrium unter gewöhnlichen Verhältnissen sofort auf das als Lösungsmittel für die Salze benutzte Wasser einwirken und dabei unter Wasserstoffgasentwickelung Alkalihydrate liefernAus einer Lösung von Chlorlithium in Pyridin scheidet sich an der Kathode metallisches Lithium ab (Chemiker-Zeitung, Rep. 1900 S. 98).. Soferndie Alkalihydrate mit dem an der Anode frei werdenden Chlorgas zusammentreffen, gehen sie in Hypochlorite über, welch letztere dann ihrerseits einer nachträglichen Umwandlung in Chlorat bezw. in Perchlorat fähig sind. Die Behauptung, dass elementares Alkalimetall unter allen Umständen als primäres Produkt der Elektrolyse auftritt, ist allerdings nicht ganz streng bewiesen; immerhin erklärt sich aber die Entstehung so verschiedenartiger Endprodukte aus einem und demselben Ausgangsmaterial auf Grund dieser Annahme am leichtesten. In Bezug auf die allgemeinen Gesichtspunkte, welche für die Konstruktion und Betriebsweise der zur Salzelektrolyse bestimmten Apparate ausschlaggebend sind, ist folgendes zu bemerken: Das zur Aufnahme der Salzlösung dienende Gefäss, welches in Verbindung mit den Elektroden und den sonstigen Erfordernissen ein elektrolytisches „Bad“ oder eine „Zersetzungszelle“ bildet, muss, falls es mit Hypochlorit oder mit Chlorgas in unmittelbare Berührung gelangt, stets aus chlorbeständigem Material – am besten aus Steinzeugmasse oder aus Cement u.s.w. – hergestellt werden. Anderenfalls kann es aus Guss- oder Schmiedeeisen bestehen. Für die Anode kommt ausschliesslich Platin bezw. eine Legierung von Platin mit 10 % Iridium, sowie graphitische Kohle in Betracht; die zuletzt genannte Substanz ist jedoch bloss bedingungsweise verwendbar, weil sie von Chlorsauerstoffverbindungen rasch angegriffen wird und nur dem reinen Chlorgas eine Zeit lang widersteht. Sehr viel grösser ist der Spielraum bei der Wahl des Materials für die Kathode, indem hierfür die Mehrzahl der metallisch leitenden Stoffe benutzt werden kann. Ob man die Salzlösung im verdünnten oder im konzentrierten Zustand elektrolysiert, ist für die Natur der resultierenden Endprodukte ziemlich belanglos. Weil aber die Lösungen der Alkalichloride, wie diejenigen der meisten übrigen Elektrolyte um so besser leiten, je konzentrierter sie sind, so verwendet man möglichst gesättigte Salzlösungen, falls auf Alkalihydrat und Chlorgas oder auf Chlorat gearbeitet werden soll, während sich speziell für die Herstellung von Natriumhypochlorit eine etwa 10%ige Chlornatriumlösung wirtschaftlich am vorteilhaftesten erwiesen hat. Von grösserem Einfluss als die Konzentration ist die Temperatur: handelt es sich darum, nur Hypochlorit zu erzeugen, so ist jede Erwärmung der Flüssigkeit thunlichst zu vermeiden, da sonst mehr oder weniger beträchtliche Verluste an dem bereits gebildeten Produkt stattfinden. Wenn man dagegen Alkalihydrat und Chlorgas oder Chlorat erhalten will, so ist es von Vorteil, die Flüssigkeiten im heissen Zustand der Wirkung des Stroms auszusetzen, da der Widerstand der Elektrolyte mit steigender Temperatur abnimmt. Damit der Prozess der Elektrolyse vor sich geht, muss die Spannungsdifferenz zwischen der Kathode und der Anode – die sogen. Bad- oder Klemmenspannung – mindestens auf die Höhe der Zersetzungsspannung der Alkalichloride = 2,2 Volt gebracht bezw. auf dieser Höhe gehalten werden. Unterhalb dieses Grenzwertes findet kein Stromdurchgang statt; eine Erhöhung der Badspannung hat zwar eine Vermehrung der in der Zeiteinheit nach den Elektroden wandernden Teilchen, aber auch eine steigende Entwickelung von Joule'scher Wärme zur Folge. Der Spannungsaufwand, welcher für die Durchführung der praktisch bewährten Verfahren erforderlich ist, beträgt 4 bis 5 Volt pro Bad, während die Stromdichte, d.h. die Zahl der Ampère, welche pro 1 qm der wirksamen Kathoden- oder Anodenoberfläche die Strombahn passieren, innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt. Da die Stromstärke in allen aufeinander folgenden Leiterquerschnitten stets die gleiche bleibt, so lassen sich erforderlichenfalls ungleiche Stromdichten dadurch erzielen, dass man in einem und demselben Bad Elektroden von verschieden grosser Oberfläche verwendetBei Versuchsarbeiten bezieht man die Stromdichte gewöhnlich auf 1 qdm.. Textabbildung Bd. 315, S. 470 Fig. 1 Textabbildung Bd. 315, S. 470 Fig. 2 Textabbildung Bd. 315, S. 470 Fig. 3 Das Verhältnis zwischen der Stromstärke einerseits und der in Freiheit gesetzten Metall- und Chlormenge andererseits, ist durch das Faraday'sche Gesetz festgelegt und liefert 1 Ampère-Stunde theoretisch 1,459 g Kalium bezw. 0,859 g Natrium und 1,322 g Chlor. Die thatsächlich erreichbaren Ausbeuten bleiben aber hinter den auf Grund dieser Zahlen berechneten um 10 bis 50 % zurück, weil stets Nebenreaktionen stattfinden, welche zwar durch geeignete Massnahmen hintangehalten, jedoch nicht vollständig verhindert werden können. Trotzdem lassen sich die Hypochlorite, die Chlorate und die Perchlorate der Alkalimetalle, sowie die Alkalihydrate und das freie Chlor vorteilhafter auf elektrolytischem Weg als durch Umsetzungen im Sinne der alten chemischen Verwandtschaftslehre herstellen und erklärt sich diese Thatsache durch die relative Einfachheit und Billigkeit des elektrischen Betriebes, sowie dadurch, dass die sonst auftretenden wertlosen oder gar lästigen „Fabrikationsrückstände“ ganz in Wegfall kommen. Unter welchen besonderen Bedingungen die Alkalichloridlösungen behufs Gewinnung der oben genanntenProdukte der Elektrolyse unterworfen werden, geht aus den sich anschliessenden Einzelbeschreibungen hervor. a) Hypochlorit. Das Natriumhypochlorit wird in gleichem Sinn wie Chlorkalk zum Bleichen von pflanzlichen Fasermaterialien benutzt und kommt zu diesem Zweck stets in Form sehr verdünnter Lösungen zur VerwendungKaliumhypochlorit findet zur Zeit keine gewerbliche Verwendung.. Veranlasst durch die Beobachtung, dass das zuerst genannte Agens bessere Resultate als Chlorkalk liefert, arbeiten einzelne Bleichereien schon seit einer Reihe von Jahren mit Natriumhypochloritlösung, welche sie durch Umsetzen von Chlorkalk- mit Sodalösung gewinnen (sogen. Chlorsoda). In den letzten Monaten ist eine grössere Anzahl von Etablissements dieser Art dazu übergegangen, die Bleichflüssigkeit auf elektrolytischem Weg im eignen Betrieb herzustellen. Die elektrolytische Erzeugung von Natriumhypochlorit aus wässeriger Kochsalzlösung beruht auf der Wechselwirkung zwischen Natronhydrat und Chlor bei niedriger Temperatur und geht in der Weise vor sich, dass das an der Kathode sekundär gebildete Natronhydrat in der Flüssigkeit diffundiert und so nach der Anode gelangt, an welcher sich das Chlor ansammelt. Beide Körper wirken dann unter teilweiser Rückbildung von Chlornatrium im Sinn der atomistischen Gleichung: 2 NaOH + 2 Cl = NaOCl + NaCl + H2O aufeinander ein. Um eine gute Stromausbeute zu erzielen, muss namentlich dem Umstand, dass das Hypochlorit ein leicht veränderlicher Körper ist, Rechnung getragen werden und sind mit Rücksicht hierauf von verschiedenen Erfindern eigenartige Bäder zur elektrolytischen Herstellung von Bleichflüssigkeit konstruiert worden. Da über die Brauchbarkeit der von Haas und OettelD. R. P. Nr. 101296., von HaasD. R. P. Nr. 105054., von StelzerD. R. P. Nr. 111574., von VogelsangDie Chemische Industrie, 1899 S. 265., von P. SchoopD. P. A. (Sch.) Nr. 14989, Kl. 12., von StelzerD. P. A. (St.) Nr. 5819, Kl. 12. u.a. zu diesem Zweck vorgeschlagenen Apparate bis jetzt nur wenig verlautet hatDie von einigen Erfindern wegen des billigeren Preises benutzten Kohlenanoden haben sich nicht bewährt., während sich der Kellner'sche Elektrolyser mehr und mehr in die Praxis einführt, so wird hier nur die zuletzt genannte Vorrichtung berücksichtigt und an Hand von Abbildungen erläutert. Der wesentlichste Teil des Kellner'schen Elektrolysers, welcher in Fig. 1 im halbgeöffneten Aufriss, in Fig. 2 in der Seitenansicht und in Fig. 3 in der Aufsicht abgebildet ist, stellt ein prismatisches Steinzeuggefäss dar. Dasselbe ist mit zwei Ansätzen a und b zum Aufhängen, zwei cylindrischen Stutzen e und f für die Zuleitung und zwei rechteckigen Stutzen c und d für die Ableitung der Salzlösung versehen und ausserdem zur Aufnahme einer grösseren Anzahl von Elektroden bestimmt. Die beiden endständigen Elektroden, durch welche der Strom zu- und abgeleitet wird, bestehen aus einem Gewebe von Platiniridiumdraht; alle übrigen Elektroden (10 oder 20, je nach der Grösse des Steinzeuggefässes bezw. je nach der Leistungsfähigkeit des Elektrolysers) werden dagegen aus Glasplatten gebildet, welche auf beiden Flächen mit Platiniridiumdraht umwickelt sindD. R. P. Nr. 104443. Anstatt die Glasplatten mit Draht zu umwickeln, kann man sie auch mit einem Gewebe aus der genannten Legierung derart bespannen, dass der Metallbelag der einen Fläche mit dem der anderen Fläche stromleitend verbunden ist.. Jede dieser Platten ist für sich in die an den Längsseiten des Gefässes vorgesehenen Auszackungen eingesetzt und seitlich durch Grummistreifen abgedichtet. Die zwischen je zwei Platten befindlichen schmalen Zwischenräume werden durch die cylindrischen Stutzen c und f von unten her mit Salzlösung angefüllt und stellen dann, da keine der Platten mit der anderen in metallischer Verbindung steht, eine entsprechende Anzahl von hintereinander geschalteten Bädern mit doppelpoligen Elektroden oder sogen. Mittelleitern dar. Sobald an den endständigen Elektroden eine ausreichende Spannungsdifferenz wirkt, geht ein Strom durch die ganze Reihe der Bäder, indem der Drahtbelag der einen Fläche sämtlicher Elektroden positive, jener der anderen Fläche negative Elektroden bildet. Diese Anordnung gewährt u.a. den Vorteil, dass eine grosse Anzahl von Bädern auf einer verhältnismässig kleinen Grundfläche aufgestellt werden kann, und dass die dem raschen Verschleiss ausgesetzten Metallkontakte, welche zur Verbindung von in gewöhnlicher Weise hintereinander geschalteten Einzelbädern erforderlich sind, vollständig in Wegfall kommen. Für den Kellner'schen Elektrolyser hat sich eine Spannung von etwa 5 Volt pro Bad als die vorteilhafteste erwiesen und benötigt demgemäss ein Apparat mit 10 Bädern = 50 Volt, ein solcher mit 20 Bädern = 100 Volt Betriebsspannung. Bei Verwendung einer Salzlösung, welche etwa 110 kg in 1 cbm enthält, beträgt die Stromstärke in einem Apparat von gewöhnlichen Abmessungen etwa 120 Ampère, falls die Temperatur der Flüssigkeit 15 bis 20° nicht wesentlich übersteigt. Um der schon nach kurzer Zeit eintretenden Erwärmung vorzubeugen, muss die Flüssigkeit während der ganzen Dauer der Elektrolyse energisch abgekühlt werden. In dieser Absicht setzt man gleich bei Beginn der Operation die Zentrifugalpumpe g in Bewegung. Die dadurch aus h angesaugte und gehobene frische Salzlösung tritt durch die Stutzen e und f in den Elektrolyser ein, verdrängt die daselbst befindliche Lösung und fliesst dann, wie diese, durch die Stutzen c und d über, um sich in dem Reservoir h anzusammeln. In dem letzteren, in welches eine von kaltem Wasser durchströmte Bleischlange eingesetzt ist, kühlt sich die Flüssigkeit ab, bevor sie von neuem dem Elektrolyser zugeführt wird. Man setzt die Zirkulation so lange fort, bis der gewünschte Gehalt an bleichendem Chlor erreicht ist, und befördert schliesslich die fertige Lösung durch Umstellen des in die Druckleitung eingeschalteten Dreiwegehahns i nach dem Vorratsgefäss. Durch ausgiebige Kühlung wird nicht nur die Umwandlung von Hypochlorit in Chlorat, sondern auch die an der Kathode stattfindende Rückbildung von Chlorid aus Hypochlorit erschwert. Allerdings wirkt der kathodische Wasserstoff auch bei niedriger Temperatur reduzierend auf Hypochlorit ein; die hohe Stromdichte, welche durch die kleine Oberfläche der Kathoden gesichert ist, hat aber zur Folge, dass der grössere Teil des Wasserstoffs in Blasenform entweicht, bevor er mit dem Hypochlorit in Berührung gelangtNäheres über die verschiedenen bei der elektrolytischen Herstellung von Bleichflüssigkeit in Betracht kommenden Verhältnisse vgl. F. Foerster, Die Chemische Industrie, 1899 S. 501, 534; ferner Sieverts, Zeitschrift für Elektrochemie, Jahrg. 6 S. 364, 374; Lorenz und Wehrlin, ibidem S. 389, 410, 419, 445, 461.. Enthält die Salzlösung, wie dies in der Regel der Fall ist, nennenswerte Mengen von Kalk in Form von Gips u.s.w., so bedecken sich die Kathoden mit einer allmählich stärker werdenden Schicht von Kalkhydrat, wodurch der Stromdurchgang erschwert wird. Es erscheint dann angezeigt, die Stromrichtung zu wechseln und dadurch das Kalkhydrat in Form von Hypochlorit oder Chlorat in Lösung zu bringen. Bei dem Kellner'schen Elektrolyser kann dieser Wechsel ohne weiteres vorgenommen werden, weil die beiderseitigen Elektroden aus Platiniridium bestehen. Die sofort nach Ingangsetzung des Apparates an der Anode bemerkbare schwache Chlorgasentwickelung hört auf, sobald eine erhebliche Menge von Alkali in der Lösung diffundiert ist, und an Stelle des Chlors entweichen dann einzelne Bläschen von Sauerstoffgas. Da Hypochlorit durch anodischen Sauerstoff zu Chlorat oxydiert wird, so ist auch für die Anode eine hohe Stromdichte angezeigt. Durch alle diese Vorgänge wird aber der für die Hypochloritbildung verwandte Teil des Stroms in dem Mass herabgedrückt, als die Menge des Hypochlorits zunimmt, und bei einem Gehalt der Lösung von etwa 25 g „bleichendem Chlor“ pro 1 l tritt ein Gleichgewichtszustand ein, bei welchem auch bei fortgesetztem Elektrolysieren keine weitere Zunahme erfolgtAuch das Natriumhypochlorit ist ein Elektrolyt und liefert daher, wenn es der Wirkung des Stroms ausgesetzt wird, Zersetzungsprodukte.. Hierdurch wird jedoch die Verwendbarkeit der Flüssigkeit zu Bleichzwecken nicht beeinträchtigt, indem zum Bleichen meistens Lösungen benutzt werden, welche nur 1 bis 5 g „bleichendes Chlor“ pro 1 l enthalten. Dagegen eignet sich die elektrolytische Bleichflüssigkeit wegen ihrer geringen Konzentration und der allen Hypochloritlösungen eigentümlichen Neigung zur allmählichen Selbstzersetzung nicht für den Versand und sind deshalb die Bleichereien u.s.w. genötigt, ihren Bedarf selbst herzustellen. Als besondere Vorzüge der elektrolytischen Bleichflüssigkeit sind ihre neutrale Beschaffenheit und ihr relativ hohes Entfärbungsvermögen zu nennen, während als Anhaltspunkt für die Berechnung der Herstellungskosten die Angabe dienen kann, dass zur Erzeugung von 30 kg bleichendem Chlor, welche etwa 100 kg Chlorkalk entsprechen, ungefähr 500 PS/Stunden (21 PS × 24 h) aufzuwenden sindBei guter Kühlung erzielt man in dem Kellner'schen Elektrolyser einen Nutzeffekt von etwa 50 % der Theorie auf die Stromstärke bezogen.. b) Chlorat und Perchlorat. Die Chlorate lassen sich wegen ihrer Fähigkeit, Sauerstoff abzugeben, unter Umständen vorteilhaft als Verbrennungs- oder Oxydationsmittel verwenden und wird insbesondere das Kaliumchlorat in der Zündwarenfabrikation, in der Feuerwerkerei, in der Heilkunde, sowie als Hilfsmittel zur Erzeugung von Alizarin und von Anilinschwarz benutzt, für welch letztere Zwecke es auch durch Natriumchlorat ersetzt werden kann. Bis vor einem Dezennium stellte man das ehedem allein wichtige Kaliumchlorat im Grossbetrieb ausschliesslich durch Behandeln von heisser Kalkmilch mit Chlorgas und darauf folgendes Umsetzen des so gewonnenen Calciumchlorats mit Chlorkalium her, wobei jedoch erhebliche Verluste an wertvollem Kalisalz nicht zu vermeiden sind. Anfangs der 90er Jahre begannen dann Groll und Montlaur Chlorkalium fabrikmässig mit Hilfe des elektrischen Stromes in Chlorat überzuführen und schon nach kurzer Zeit erwies sich ihr Verfahren als lebensfähig. Nachdem dann bald darauf Oettel gezeigt hatte, dass die ursprünglich für erforderlich erachtete Trennung des Kathodenraums vom Anodenraum überflüssig istNach Zeitschrift für Elektrochemie, 6. Jahrg. S. 472, hat O. Carlson schon früher eine diesbezügliche Beobachtung gemacht (vgl. The Engineering and Mining Journal, Nr. 67 S. 677)., konnte die Apparatur wesentlich vereinfacht werden und ordnet man jetzt stets eine grössere Anzahl von Elektroden aus Platiniridiumblech als Mittelleiter in der unter „Hypochlorit“ beschriebenen Schaltweise innerhalb eines aus Cement hergestellten Zersetzungsgefässes an. Wenn man eine Chlorkaliumlösung für sich der Elektrolyse unterwirft, so ist die Ausbeute an Chlorat stets verhältnismässig gering, weil ein Teil des zunächst gebildeten Hypochlorits durch den kathodischen Wasserstoff reduziert wird, bevor der Uebergang in das beständigere Chlorat erfolgt ist. Ob Chlorat, wie behauptet wird, auch direkt aus Chlorid durch elektrolytische Oxydation entsteht, kann dahingestellt bleiben; in der Hauptsache geht die Chloratbildung jedenfalls über das Hypochlorit hinweg unter dem Einfluss der Wärme und des anodischen Sauerstoffs von stattenFoerster und Sonneborn, Zeitschrift für Elektrochemie, 6. Jahrg. S. 597.. Nimmt man nur auf die Wirkung der Wärme Rücksicht und trägt man der Thatsache Rechnung, dass die durch Temperaturerhöhung hervorgerufene Umwandlung des Hypochlorits in Chlorat immer von einer Sauerstoffgasentwickelung begleitet ist, so gelangt man zu folgender Formulierung des Vorganges: 3 KOCl = KClO3 + 2 KCl 2 KOCl = 2 KCl + O2. Bei der elektrolytischen Chloratdarstellung arbeitet man mit so hohen Stromdichten, dass das Temperaturoptimum von etwa 60° ohne Zufuhr äusserer Wärme erreicht wird. Auch setzt man der Badflüssigkeit freies oder kohlensaures Alkali oder Erdalkali zu, weil sich gezeigt hat, dass auf diese Weise die Ausbeute wesentlich erhöht werden kannAuch ein Zusatz von Thonerde soll im gleichen Sinne wirken (D. R. P. Nr. 110420).. Dabei macht sich an der Anode das Auftreten von Ozon bemerkbar, während an der Kathode Wasserstoff entwickelt wird, welcher ausser Hypochlorit auch Chlorat zu reduzieren vermag. Nach den Beobachtungen von E. MüllerZeitschrift für Elektrochemie, 5. Jahrg., S. 469, siehe auch Brochet, Chemisches Zentralblatt, 1900 I. 452, 842. lässt sich die reduzierende Wirkung des kathodischen Wasserstoffs dadurch auf einen sehr kleinen Betrag herabsetzen, dass man die Auflösung des Chlorids bei Beginn der Elektrolyse mit ein wenig Kaliumchromatlösung versetzt. Das Kaliumchromat spielt in diesem Fall die Rolle eines Sauerstoffüberträgers und bewirkt indirekt, indem es Wasserstoff bindet, eine erhebliche Steigerung der Chloratausbeute, ohne dabei selbst eine sichtbare Veränderung zu erleiden. Sobald der Gehalt der Lösung an Chlorat auch bei fortgesetzter Elektrolyse nicht mehr zunimmt, unterbricht man die Operation und lässt erkalten. Das hierbei ausfallende, schwer lösliche Kaliumchlorat wird von der Mutterlauge, welche noch viel unverändertes Chlorkalium enthält und wieder zu einer neuen Operation verwendet wird, getrennt und durch Umkrystallisieren gereinigtUm das Ausfallen des schwer löslichen Kaliumchlorats im Bad zu verhindern, kann man auch so verfahren, dass man zunächst auf Natriumchlorat arbeitet und dieses ausserhalb des Bades mit einer Chlorkaliumlösung umsetzt (Zeitschrift für Elektrochemie, 6. Jahrg. S. 481).. Im Gegensatz hierzu resultiert bei der Darstellung des Natriumchlorats eine Flüssigkeit, aus welcher sich beim Eindampfen zunächst das unveränderte Chlornatrium ausscheidet, während das Natriumchlorat, weil sehr leicht löslich, in der Mutterlauge verbleibt und aus dieser erst nach stärkerem Konzentrieren auskrystallisiert. In Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Aufwand an elektrischer Energie und der Ausbeute an Chlorat ist zu bemerken, dass seither zur Erzeugung von 1 kg Kaliumchlorat etwa 24 PS/Stunden erforderlich waren. Durch Benutzung des von E. Müller angegebenen Kunstgriffs dürfte es gelingen, dieselbe Chloratmenge mittels etwa 12 PS/Stunden zu produzieren bezw. die Leistungsfähigkeit der bestehenden Anlagen auf das Doppelte zu steigern. Dadurch scheint das Schicksal der alten, in England grossgewordenen Arbeitsweise endgültig besiegelt und der elektrolytischen Chloratindustrie eine grosse Zukunft gesichert. Allerdings hat, wie nicht unerwähnt bleiben darf, die neue Arbeitsweise thatsächlich nur da festen Fuss fassen können, wo, wie in der Schweiz, in Südfrankreich, in SchwedenIn Schweden kann man 1 elektrische PS pro Jahr von den Kraftstationen zum Preis von 40 bis 60 Mark mieten (Zeitschrift für Elektrochemie, 6. Jahrg. S. 471). und NorwegenAuch in Norwegen kann man 1 elektrische PS pro Jahr für 40 bis 45 M. erhalten (Die Chemische Industrie 1900, S. 122). u.s.w. grosse Wasserkräfte zur Verfügung stehen. Was die Perchlorate anbelangt, so können diese Verbindungen durch weitergehende elektrolytische Oxydation der Chlorate bezw. aus Chloriden erhalten werden; doch ist bislang nicht bekannt geworden, welche äussere Bedingungen hierfür am günstigsten sind. Die Perchlorate geben ihren Sauerstoff weniger leicht ab als die Chlorate, und werden hauptsächlich an Stelle von Chloraten zu Feuerwerksmischungenbenutzt, weil derartige Gemenge weniger empfindlich gegen Stoss und Schlag, und daher ungefährlicher als die Chloratgemenge sind. c) Alkalihydrate und Chlorgas. Die Alkalihydrate oder kaustischen Alkalien werden ausser zur Fabrikation vieler chemischer Produkte namentlich auch zur Herstellung von Seife, zum Entkalken von Wasser, zum Entfetten von roher Baumwolle etc. benutzt, während das Chlorgas zur Erzeugung von Chlorkalk und anderen Chlorpräparaten Verwendung findet. Seither wurden die Alkalihydrate in der Weise hergestellt, dass man die Lösung der betreffenden Karbonate in der Siedehitze mit Kalkhydrat versetzte, worauf man die Lauge von dem ausgefallenen Calciumkarbonat trennte und eindampfteNatronhydrat wird fabrikmässig auch durch Glühen eines Gemenges von Natriumkarbonat mit Eisenoxyd und Auslaugen der geglühten Masse mit Wasser gewonnen.. Für die Gewinnung des Chlorgases ging man von der Salzsäure aus und behandelte diese im flüssigen oder im gasförmigen Zustand mit geeigneten Dehydrierungsmitteln wie Mangansuperoxyd oder atmosphärischer Luft bei Gegenwart eines als Sauerstoffüberträger wirkenden Kupfersalzes. Mit diesen Methoden vermögen die elektrolytischen bei rationeller Ausgestaltung der Verfahren sehr erfolgreich zu konkurrieren, und ist die vollständige Verdrängung der ersteren durch die letzteren nur eine Frage der Zeit. Da der Bedarf an Alkalien und Chlorgas denjenigen an Natriumhypochlorit, Chlorat und Perchlorat weit übersteigt, so kommt dem in Rede stehenden Zweig der elektrochemischen Industrie, welcher sich dank dem Vorgehen der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron in Frankfurt a. M. zuerst im Deutschen Reich kräftig entwickelt hatLunge, Zeitschrift für angewandte Chemie 1896, S. 517., eine grosse wirtschaftliche Bedeutung zu. Dabei hat sich gezeigt, dass unter günstigen örtlichen Verhältnissen der Betrieb auch mittels Dampf kraft lohnend sein kann, zumal wenn es sich um die Gewinnung von Kalihydrat handelt, während sich die auf Natronhydrat arbeitenden Werke allerdings mit wenigen Ausnahmen Wasserkräfte gesichert haben. Die Methode zur elektrolytischen Gewinnung von Alkalihydrat und Chlorgas ist im Prinzip einfach, indem diese Produkte immer resultieren, wenn man den Strom durch die Lösung der Alkalichloride leitet und dafür Sorge trägt, dass die Produkte, welche an den beiderseitigen Elektroden zur Abscheidung gelangen, nicht aufeinander einwirken, sondern getrennt aus dem Bad entfernt werden. Dieser Forderung lässt sich auf mannigfache Weise gerecht werden; doch haben sich von den vielen hierfür vorgeschlagenen Verfahren nur die im nachstehenden beschriebenen mit dauerndem Erfolg in die Praxis einzuführen vermocht. α) Quecksilberverfahren. Die in diese Gruppe gehörenden Verfahren beruhen darauf, dass metallisches Quecksilber aus einer Alkalichloridlösung, sofern es in einer solchen als Kathode wirkt, Kalium bezw. Natrium unter Amalgambildung aufnimmt und dass das Amalgam beim Behandeln mit Wasser unter Rückbildung von Quecksilber und unter Wasserstoffgasentwickelung Alkalilauge liefertMittels einer Kathode aus flüssigem Blei (oder Zinn) kann aus geschmolzenem Alkalichlorid eine Legierung von Blei mit Alkalimetall, z.B. Bleinatrium, gewonnen werden, welches, mit Wasser behandelt, Natronlauge entstehen lässt. Die hierauf gegründeten Verfahren zur elektrolytischen Gewinnung von Alkali und Chlor haben sich jedoch in der Praxis nicht bewährt.. Da das als Lösungsmittel für das Chlorid dienende Wasser auch während des Stromdurchgangs allmählich auf das Amalgam einwirkt, so muss das letztere möglichst schnell der Wirkung der Salzlösung entzogen werden. Aus diesem Grunde wenden die meisten Erfinder eine Kathode aus fliessendem Quecksilber an und führen das Metall so schnell durch das Bad hindurch, dass das austretende Amalgam nur einige Hundertstel Prozent Alkalimetall aufnehmen kann und deshalb vollkommen dünnflüssig bleibtBei einem Gehalt von etwa 1 % Alkalimetall ist das Alkaliamalgam bereits butterförmig, bei 2 % fest.. Dank der grossen Leitfähigkeit des Quecksilbers kann man hierbei mit Stromdichten bis zu 5000 Amp. und mehr arbeiten, ohne dass Störungen zu befürchten sind. Auf sämtliche zum Zweck der Amalgamerzeugung vorgeschlagenen Apparate, von welchen einzelne mit komplizierten Bewegungsmechanismen versehen sind, einzugehen, erscheint weder notwendig noch nützlich; es dürfte vielmehr vollkommen genügen, den ebenso einfachen als zweckentsprechenden Apparat zur kontinuierlichen Elektrolyse von Salzlösungen mittels Quecksilberkathode, welcher der Firma Solvay und Co. in Brüssel patentiert istD. R. P. Nr. 104900., an Hand einer schematischen Abbildung zu beschreiben. Das in Fig. 4 im Längsschnilt, in Fig. 5 in der Aufsicht dargestellte Bad besteht aus Steinzeug und ist derart eingerichtet, dass der Boden des Gefässes auch dann mit Quecksilber bedeckt bleibt, wenn der Zufluss des Metalls zufällig unterbrochen wird. Der Apparat kann erforderlichen Falles behufs Reinigung vollständig entleert werden, indem man ihn durch Anziehen einer unter dem Boden befindlichen Schraube in eine geneigte Lage bringt. Der Eintritt des Quecksilbers vollzieht sich an dem einen, der Austritt des Amalgams an dem entgegengesetzten Ende. Innerhalb des Bades ist ein Ueberlauf angeordnet, über welchen das spezifisch leichtere und deshalb auf. der Oberfläche des Quecksilbers sich ansammelnde Amalgam hinwegfliesst. Um die Bewegung des Amalgams zu unterstützen, wird die Salzlösung in der gleichen Richtung durch das Bad hindurchgeführt. Als Anoden dienen Kohlenstäbe, welche gasdicht durch den Deckel hindurchgeführt und oberhalb desselben metallisch miteinander verbunden sind. Eine im Deckel des Bades vorgesehene Oeffnung steht durch eine Rohrleitung mit dem Raum in Verbindung, welchem das sich entwickelnde Chlorgas zugeführt wirdDie Art und Weise der Verwendung des auf elektrolytischem Weg gewonnenen Chlorgases zur Chlorkalkfabrikation etc. bietet keine Besonderheiten, wenn man einen etwaigen Kohlensäuregehalt vorher entfernt.. Das Auslaugen des aus dem Bad ausgetretenen Amalgams stellt eine besondere Operation dar, welche erhebliche Schwierigkeiten bietet, wiewohl sich das Amalgam in Berührung mit Wasser ohne weiteres Zuthun zersetzt. Während aber die Einwirkung des Wassers bei gewöhnlicher Temperatur nur sehr langsam erfolgt, findet in der Wärme eine so lebhafte Gasentwickelung statt, dass ein Teil des Quecksilbers in einzelne Partikelchen zerrissen wird, welche sich nicht mehr miteinander vereinigen und so zu empfindlichen Verlusten Veranlassung geben. Die Notwendigkeit, ebensoviel Amalgam in der Zeiteinheit zu zersetzen, als neu gebildet wird, hat zur Konstruktion von zweizeiligen Bädern mit Quecksilber bezw. Amalgam als Mittelleiter geführt. Die eine Zelle enthält ausser einer konzentrierten Salzlösung das als Kathode wirkende Quecksilber und eine mit dem positiven Pol der Stromleitung verbundene Platte aus Kohle; in der anderen Zelle spielt das mit Wasser bedeckte Amalgam die Rolle der Anode gegenüber einer mit dem negativen Pol der Stromleitung verbundenen EisenplatteWegen des besseren Leitvermögens verwendet man an Stelle von reinem Wasser verdünnte Alkalilauge.. Unter diesen Verhältnissen geht das Alkalimetall an der Anode in Form von Alkalihydrat in Lösung und das Wasserstoffgas entweicht an der Eisenplatte, ohne mit dem Quecksilber in Berührung zu gelangenGenauer ausgedrückt, findet in der zweiten Zelle eine Elektrolyse von Alkalihydrat oder eine „Wasserzersetzung“ statt.. Textabbildung Bd. 315, S. 473 Fig. 4 Textabbildung Bd. 315, S. 473 Fig. 5 Textabbildung Bd. 315, S. 473 Fig. 6 Trotzdem funktioniert eine derartige Kombination nicht ohne weiteres in befriedigender Weise, und zwar hauptsächlich aus folgendem Grund: Der anodische Sauerstoff findet in der zweiten Zelle etwas weniger als die äquivalente Menge Alkalimetall vor, weil ein, wenn auch nur sehr kleiner Teil des Amalgams bereits in der ersten Zelle durch das Wasser der Salzlösung zersetzt worden ist. In Ermangelung von Alkalimetall wird eine entsprechende Menge von Quecksilber oxydiert, und das auf diese Weise entstandene Oxyd überzieht dann das Metall mit einerdünnen Haut, wodurch seine Wiederverwendung erschwert wird. Von den verschiedenen Mitteln, welche zur Behebung dieses Uebelstands vorgeschlagen worden sind, hat sich das von Kellner angegebene am besten bewährt. Dasselbe besteht darin, dass zwischen Amalgam und Eisen eine sogen. Sekundärelektrode eingeschaltet wird. Auf diese Weise entsteht ein kurz geschlossenes Element Amalgam-Alkalilauge-Eisen, welches zu wirken aufhört, sobald alles Alkalimetall gelöst ist. Ein derartig eingerichteter Apparat ist in Fig. 6 schematisch dargestellt. Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist der Boden des Apparats, dessen Umfassungswände aus Steinzeug bestehen, schwach geneigt, so dass das in die erste Zelle eintretende Quecksilber selbstthätig nach der zweiten Zelle überfliesst und dann aus dieser austritt, worauf es mittels einer Pumpe oder mittels einer anderen geeigneten Vorrichtung gehoben und wieder in die erste Zelle zurückbefördert wird. Die Alkalilauge wird dann entweder bis auf einen bestimmten Prozentgehalt an Alkalihydrat konzentriert und als solche in den Handel gebracht oder in gewöhnlicher Weise auf festes Hydrat verarbeitet. β) Diaphragmenverfahren. Textabbildung Bd. 315, S. 474 Fig. 7 Textabbildung Bd. 315, S. 474 Fig. 8 Textabbildung Bd. 315, S. 474 Fig. 9 Bei den Diaphragmen verfahren kommt eine poröse Scheidewand zur Anwendung, durch welche das Bad in einen Kathoden- und in einen Anodenraum zerlegt wird. Diese Scheidewand hat den Zweck, die Diffusion der in Lösung befindlichen intakten Moleküle aus einem Raum in den anderen thunlichst zu verhindern. Die die Scheidewand durchsetzenden Poren oder Kanäle müssen aber trotzdem weit genug sein, um den Spaltstücken der Moleküle, den sogen. Jonen, welche die Elektrizität durch die Flüssigkeit hindurch nach den beiderseitigen Elektroden transportieren, den Durchgang zu gestatten, ohne dass derWiderstand des Bades um mehr als einige Milliohm erhöht wird. Den hierdurch gekennzeichneten Grad von Porosität besitzen zwar verschiedene Materialien, so insbesondere gebrannte, unglasierte Thonkörper, wie solche seit langer Zeit in Form von cylindrischen Zellen für Bunsenelemente etc. Verwendung finden. Diaphragmen aus Thon, Asbest und ähnlichen Materialien haben sich aber nur gegen Säuren beständig erwiesen; sobald sie zur Elektrolyse von Alkalichloridlösungen benutzt werden, ist ihre Lebensdauer nur sehr kurz, weil die im Kathodenraum sich bildende Alkalilauge namentlich in der Wärme zersetzend auf die Thonsubstanz einwirkt und dadurch den Zusammenhang des Gebildes zerstört. Auch wird die Lauge durch die in Lösung gegangenen Partien mehr oder weniger stark verunreinigt, wogegen das im Anodenraum frei werdende Chlorgas auf Thon etc. nicht einwirkt. Am brauchbarsten haben sich bis jetzt Scheidewände aus poröser Cementmasse erwiesenKellner, Zeitschrift für angewandte Chemie 1899, S. 1080., deren Herstellung in der Weise erfolgt, dass man Cement statt mit reinem Wasser mit einer Salzlösung unter Zusatz von Salzsäure anrührt, worauf man die Mischung in geeignete Formen giesst und in diesen abbinden lässt. Dann werden die Cementkörper herausgenommen, getrocknet und schliesslich behufs Entfernung der löslichen Salze mit Wasser ausgelaugtD. R. P. Nr. 34862. Eine nähere Beschreibung des Verfahrens findet sich in Haber's Grundriss der technischen Elektrochemie auf theoretischer Grundlage, Leipzig 1898, woselbst auch die übrigen für Diaphragmen in Vorschlag gebrachten Materialien eingehend gewürdigt sind.. Die Gestalt des Diaphragmas richtet sich nach der Gestalt des zu seiner Aufnahme bestimmten Zersetzungsgefässes. Sofern dieses – wie dies wohl in der Regel der Fall sein wird – ein viereckiges Reservoir aus Guss- oder Schmiedeeisen darstellt, gibt man dem Cementkörper die Form einer Wanne und setzt dann diese isoliert in das Reservoir, dessen Umfassungswände gleichzeitig die Kathode bilden. Als Anode dient ein in die Wanne eingesetzter Block aus graphitischer KohleVon Platiniridiumanoden wird man in den meisten Fällen wegen ihres hohen Preises trotz ihrer grossen Vorzüge absehen., welche in geeigneter Weise mit der Stromleitung verbunden wird. Der Anodenraum ist durch einen mit mindestens drei Oeffnungen versehenen Deckel aus Steinzeug, Cement etc. abzudichten. Durch die eine Oeffnung ist das obere Ende des Kohlenblockes gasdicht durchgeführt, die zweite Oeffnung ist als Füllöffnung vorgesehen und die dritte Oeffnung dient als Abzugsöffnung für das Chlorgas. Das Abdichten des Kathodenraums erweist sich dann als unerlässlich, wenn man das gewissermassen als Nebenprodukt auftretende Wasserstoffgas verwerten will. Mit Rücksicht auf das geringe Leitvermögen der Kohle und auf das kleine Volumen der Poren des Diaphragmas empfiehlt es sich, mit niedriger Stromdichte (100 bis 200 Amp.) zu arbeiten. Da aber Kohlenanoden nur in massig grossen Abmessungen erhältlich sind, so muss, falls Ströme von beträchtlicher Stärke ausgenutzt Werden sollen, eine grössere Anzahl von nebeneinander geschalteten Bädern aufgestellt werden. Um an Raum und an Material zu sparen, verwendet man an Stelle mehrerer Einzelbäder ein grösseres Reservoir und bringt in diesem eine entsprechende Anzahl von fertig montierten Diaphragmenwannen unter, deren Kohlenblöcke in Parallelschaltung miteinander verbunden werden. Dann hängt man zwischen je zwei Wannen eine eiserne Platte ein, um eine der Anodenfläche entsprechende Kathodenfläche zu erzielen, worauf der Anoden- wie der Kathodenraum mit einer konzentrierten Salzlösung beschickt und der Stromkreis geschlossen werden kann. Ein derartiges, isoliert aufgestelltes, mit Dampfmantel und Ablasshahn versehenes Bad ist in Fig. 7 im Längsschnitt, in Fig. 8 im Querschnitt und in Fig. 9 in der Aufsicht abgebildet. Hält man die Temperatur des Bades vermittelst der angedeuteten Heizvorrichtung auf 80 bis 90°, so beträgt der Spannungsabfall zwischen den beiderseitigen Elektroden etwa 3,5 bis 4 Volt und hieraus ergibt sich ohne weiteres, wieviel Bäder hintereinander zu schalten sind, falls die zur Verfügung stehende Spannung grösser sein sollte. Infolge des Stromdurchgangs nimmt die Kathodenflüssigkeit eine allmählich wachsende Alkalinität an, wogegen der Salzgehalt der Anodenflüssigkeit stetig abnimmt. Um denselben auf der ursprünglichen Höhe zu halten, gibt man durch das in den Anodenraum hinabreichende Thonrohr von Zeit zu Zeit festes Salz ein, welches sich, wenn auch langsam, selbstthätig löst. Die Stromausbeute entspricht nur bei Beginn der Operation der für Alkalihydrat und Chlorgas berechneten; sie geht schon nach kurzer Zeit zurück und schliesslich findet so gut wie keine Neubildung von Alkali mehr statt, während das an der Anode sich entwickelnde Gas immer reicher an Sauerstoff wird. Als Ursache dieser Erscheinung ist die neben der „Salzelektrolyse“ verlaufende „Wasserzersetzung“ anzusehenNäheres über die hierher gehörenden Vorgänge, sowie Ober die Wirkungsweise der Diaphragmen siehe F. Förster und F. Jorre, Zeitschrift für anorganische Chemie 23, 158.. Solange die Badflüssigkeit nur Chlorid enthält, beschränkt sich die Wirkung des Stroms im wesentlichen auf die Beförderung von Metall- und Chlorjonen nach den betreffenden Elektroden; in dem Mass, als Alkalihydrat gebildet wird, nimmt aber auch dieses an der Stromleitung teil, indem es ein Elektrolyt von annähernd gleicher Leitfähigkeit wie das Chlorid ist. Die Spaltstücke des Alkalihydratmoleküls, Metall- und Hydroxyljonen, liefern aber an den Elektroden nur Wasserstoffgas und Sauerstoffgas. Diese nicht beabsichtigte Wirkung des Stroms, welche auch bei den früher besprochenen Prozessen der Hypochlorit- und Chloratbildung eine Rolle spielt, hat, abgesehen von anderen sehr erheblichen Nachteilen, zur Folge, dass der Nutzeffekt um so mehr sinkt, je länger die Elektrolyse fortgesetzt wird. Man muss deshalb die Operation unterbrechen, sobald die leicht zu ermittelnde Stromausbeute unter einen gewissen Grenzwert sinkt oder, was dasselbe ist, sobald der Prozentgehalt der Kathodenflüssigkeit an Alkalihydrat einen bestimmten Grenzwert, welcher sich nach den örtlichen Verhältnissen richtet, übersteigt. Ist dieser Punkt erreicht und das Bad ausgeschaltet, so muss man die Kathodenflüssigkeit, trotzdem sie noch sehr viel unverändertes Chloridenthält, aus dem Bad abziehen und durch frische konzentrierte Chloridlösung ersetzen. Dann engt man die Lauge – am besten in Vakuumverdampfapparaten – stark ein, wobei Chlorkalium bezw. Chlornatrium wegen ihrer Schwerlöslichkeit in konzentrierten Laugen bis auf einen kleinen, die Verwendungsfähigkeit des Endprodukts nicht beeinträchtigenden Rest ausfallen. Nach dem Aussoggen der Chloride wird die Lauge in der unter α) angedeuteten Weise weiter verwertet. γ) Glockenverfahren. Von der bereits erwähnten Thatsache ausgehend, dass sich die Konzentration der die beiderseitigen Elektroden umgebenden Flüssigkeiten infolge des Stromdurchgangs erheblich ändert, ist es neuerdings dem Oesterreichischen Verein für chemische und metallurgische Produktion in Aussig a. d. E. gelungen, ein Verfahren auszuarbeiten, bei welchem zur Trennung der Kathoden- und Anodenlauge lediglich der Unterschied in dem spezifischen Gewicht der beiden Flüssigkeiten benutzt wirdEngelhardt, Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, 1899 Nr. 18.. Textabbildung Bd. 315, S. 475 Fig. 10 Die schon früher von anderer Seite angestellten Versuche, Alkali und Chlor ohne amalgambildende Kathode und ohne Diaphragma zu scheiden, scheiterten hauptsächlich daran, dass die von den Elektroden sich ablösenden Gase die Beschickung des Bades durcheinander wirbeln und so die einzelnen Schichten verhindern, sich zu sondern. Zwar kann die Gasentwickelung an der Kathode ausser durch Zuhilfenahme von Quecksilber auch dadurch unterdrückt werden, dass man Kupferoxyd verwendet, welches im kompakten Zustand wie Mangan- oder Bleisuperoxyd metallisch leitet und dabei im Sinn eines Depolarisators Wasserstoff zu binden vermag. Die Rück Verwandlung des dabei entstehenden Kupfers in Kupferoxyd ist jedoch zu umständlich, als dass eine auf die depolarisierende Wirkung dieses Oxyds gegründete Arbeitsweise für den Grossbetrieb in Betracht kommen könnte. Den bei Anwendung eiserner Kathoden auftretenden Schwierigkeiten lässt sich nun nach der Patentschrift der genannten FirmaEngl. Patent Nr. 16129. Im Auszug: Zeitschrift für Elektrochemie, Jahrg. V, S. 407. Vom deutschen Patentamt ist bislang ein Patent noch nicht erteilt worden. durch die in Fig. 10 schematisch abgebildete Badkonstruktion begegnen. „Die aus Kohlenstäben zusammengesetzte Anode befindet sich innerhalb einer Glocke aus Steinzeug, deren untere Kante in ziemlicher Tiefe unter der Anode liegt. Auf beiden Seiten der Glocke ist je eine als Kathode wirkende Eisenplatte angebracht, welche mit der anderen ausserhalb des Bades durch einen Kupferstab verbunden ist. In dem zwischen der Glockenkante und dem unteren Ende der Anode befindlichen Baum, welcher für den Erfolg des Verfahrens von grösster Bedeutung ist, bildet sich während der Elektrolyse eine Flüssigkeitsschicht in der Weise, dass die Anodenflüssigkeit über die Kathodenflüssigkeit zu liegen kommt. Letztere nimmt von oben nach unten an Stärke zu und erreicht ein Maximum an der Glockenöffnung und im übrigen Kathodenraum ausserhalb der Glocke. Im weiteren Verlauf der Elektrolyse nähert sich die trennende Schicht, die sowohl chlor- wie alkalifrei ist, allmählich der Anode. Um die hierdurch auftretenden Störungen zu vermeiden, wird kontinuierlich oder in kurzen Zwischenräumen konzentrierte Salzlösung durch ein mit der Glocke verbundenes Rohr zugeführt. Die Menge der zuzuführenden Salzlösung richtet sich nach der Geschwindigkeit der aufwärts strebenden Salzlösung, welche ihrerseits von der jeweiligen Stromstärke abhängig ist. Hält man die Lage der mittleren trennenden Schicht unverändert, so fliesst auch die AlkalilösungDie Aufarbeitung dieser Lauge, welche neben unverändertem Chlorid 100 bis 150 g Alkalihydrat im Liter enthält, erfolgt in der beim Diaphragmenverfahren angedeuteten Weise. durch einen Ueberlauf aus dem Bad mit derselben Geschwindigkeit ab, mit welcher die Salzlösung in den Anodenraum eintritt.“ Im weiteren besagt die Patentschrift nur, dass der Apparat in verschiedener Weise modifiziert werden kann, ohne dass jedoch darauf aufmerksam gemacht wird, auf welche Punkte es besonders ankommt. Vermutlich muss man das Chlorgas kontinuierlich aus der Glocke abpumpenbezw. in dieser dauernd ein, wenn auch schwaches, Vakuum aufrecht halten. Dass das Verfahren lebensfähig ist, geht daraus hervor, dass eine aus einer grösseren Anzahl von Bädern bestehende Anlage seit mehr als Jahresfrist in durchaus befriedigender Weise arbeitet und bei einem Aufwand von 600 PS entsprechend 350 Kilowatt am Schaltbrett durchschnittlich pro 24 Stunden 3000 kg Kalihydrat entsprechend 3333 kg 90%ige Handelsware oder 2200 kg Natronhydrat entsprechend 2300 kg 96%ige Handelsware neben 2000 kg Chlor entsprechend 5400 kg Chlorkalk mit einem Gehalt von 35 bis 36 % bleichendem Chlor liefert. In Bezug auf die Stromausbeute, welche die drei beschriebenen Verfahren gewähren, ist zu bemerken, dass diese beim Quecksilberverfahren etwa 90 %, beim Diaphragmenverfahren 80 bis 85 % und beim Glocken verfahren 85 bis 90 % der Theorie beträgt, während pro Bad 4 bis 5 Volt vernichtet werden. Trotz der höheren Stromausbeute gestaltet sich aber das Arbeiten mit Quecksilber nicht vorteilhafter als mit Diaphragma oder mit Glocke, und selbst der Umstand, dass im ersten Fall direkt chloridfreie und konzentrierte Alkalilauge erhalten wird, ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung für die Frage, ob das Quecksilberverfahren den beiden anderen erheblich überlegen ist. Es kommen eben für die Rentabilität eines Betriebes auch noch die Kosten der AnlageAnlagen, welche mit weniger als 1000 PS arbeiten, erscheinen im allgemeinen von vornherein heute nicht mehr konkurrenzfähig., der Reparaturen u.s.w. in Betracht, und von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet dürfte sich das Glocken verfahren als das vorteilhafteste erweisen.