Titel: Ueber das Kohlrausch'sche Petrolätherthermometer.
Autor: Rudolf Mewes
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 785
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Ueber das Kohlrausch'sche Petrolätherthermometer. Von Rudolf Mewes, Ingenieur und Physiker. Ueber das Kohlrausch'sche Petrolätherthermometer. Die Kälteindustrie hat sich in dem Zeitraum von wenigen Jahrzehnten ausserordentlich entwickelt, so dass schon längst das Bedürfnis nach Thermometern, welche in gleich bequemer Weise wie die Quecksilberthermometer bis ungefähr 300° über Null selbst für Temperaturen bis – 200° unter Null sich verwenden lassen, in Wissenschaft und Technik sich fühlbar gemacht hat. In erhöhtem Masse ist dies geschehen, nachdem durch das Linde'sche Luftverflüssigungsverfahren sämtliche permanente Gase verflüssigt und dadurch Temperaturen von – 200° C., ja selbst – 250 bis – 260° C. erzeugt worden sind und ohne Schwierigkeit wieder erzeugt werden können. Die diesbezüglichen Bestrebungen, welche von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt mit allen Kräften und Mitteln gepflegt und gefördert worden sind, haben schliesslich dadurch zum gewünschten Ziele geführt, dass Prof. F. Kohlrausch Petroläther als die geeignete Fällflüssigkeit für so tiefgradige Thermometer erkannte und an der Physikalisch-technischen Reichsanstalt die zur Herstellung derartiger Petrolätherthermometer erforderlichen Beobachtungen über die Volumänderungen des Petroläthers mit sinkender Temperatur bis zu – 188,8° C. anstellen liess. Veröffentlicht sind die diesbezüglichen Beobachtungsergebnisse in den Annalen der Physik und Chemie, Neue Folge, 1897 Bd. 60 in Ueber ein Thermometer für sehr tiefe Temperaturen und über die Wärmebewegung des Petroläthers. Von F. Kohlrausch. Die Beobachtungen von Kohlrausch sind in der nachstehenden Tabelle enthalten, in welcher v0 das Volumen des Thermometergefässes beim Eispunkt und v0/q das Verhältnis des mittleren Querschnittes der Kapillare zu diesem Volumen, v das beobachtete Volumen bei der Temperatur t in Teilen des Volumens bei 0° bedeutet. Der Siedepunkt des gereinigten Petroläthers (vollkommen wasserfrei) liegt bei + 33°, die Dichte desselben ist bei +17° = 0,6515. I. Tabelle von Kohlrausch.           Nr. 2   v0 = 690 cmmv0/q = 370     t             v           Nr. 3   v0 = 976 cmmv0/q = 830        Mittelwerte, um die  Glasausdehnung vermehrt      t –188,8°   0,7964 – 187,7°   0,7969 – 187,7°   0,7983 –188,0°     85,0°   0,7916 –   79,9    0,9069 –   79,9     0,9054 –   79,9     0,9065 –   79,9   193,1     0,9037 –   49,7    0,9396 –   47,7     0,9395 –   49,7     0,9396 –   49,7   223,3     0,9376       0,0    1,0000       0,0     1,0000       0,0     1,0000       0,0   273,0     1,0000 +   22,7    1,0319 +   22,7     1,0326 +   22,7     1,0322 +   22,7   295,7     1,0330 +   26,0    1,0365 +   26,0     1,0379 +   26,0     1,0372 +   26,0   299,0     1,0382 +   30,4    1,0439 +   30,9     1,0451 +   30,7   303,7     1,0456 Die Kontraktion, welche schliesslich bei – 188° erreicht wird, ist eine ausserordentlich starke, da bei dieser Temperatur das Volumen nur ⅘ von demjenigen bei 0° und nur ¾ von demjenigen bei + 30° beträgt, während Quecksilber bei einer Temperaturerhöhung von – 40 bis + 360° sich nur um 1/14 seines ursprünglichen Volumens ausdehnt. Die mittleren Ausdehnungskoeffizienten sind nach Kohlrausch die in der folgenden Tabelle angegebenen. II. Tabelle der mittleren Ausdehnungskoeffizienten des Petroläthers. β α β \frac{1}{V_0}\,.\,\frac{\Delta\,V}{\Delta\,t} \frac{1}{V_m}\,.\,\frac{\Delta\,V}{\Delta\,t} 0° – 188,0° 0,00111 – 188,0 – 80,0° 0,00104 0,00121 0  –   80,0 0,00121 –   80,0 – 50,0 0,00112 0,00121 0  –   50,0 0,00125 –   50,0 +   0,0 0,00125 0,00129 0  +   22,7 0,00145 ±     0,0 + 22,7 0,00145 0,00143 0  +   26,0 0,00147 +   22,7 + 30,7 0,00158 0,00152 0  +   30,7 0,00148 Zu der vorstehenden Tabelle, welche ebenso wie die I. Tabelle aus den Annalen der Physik und Chemie entnommen ist, bemerkt der Verfasser a. a. O.: „Eine einigermassen einfache Formel, die Beobachtungen darzustellen, habe ich nicht gefunden.“ Und doch gibt es eine sehr einfache Formel, welche die Beobachtungen genau wiedergibt, nämlich die von mir aufgefundene allgemeine Zustandsgleichung der Stoffe v1– x = (v0x) (1 +α)t, worin x das Molekülvolumen und log (1 + α) = 0,0011 ist. Dass dies thatsächlich der Fall ist, beweisen die in den nachstehenden Tabellen nach dieser Formel berechneten Volumina vt. t VolumenbeobachtetvonKohlrausch VolumenberechnetvonMewes Differenz – 188,8°–   79,9–   49,7       0,0+   22,7+   26,0+   30,4 0,79640,90690,93961,00001,03191,03651,0439   0,798550,90290,93731,0000  1,03127  1,03608  1,04242 + 0,00215– 0,00400+ 0,00229± 0,00000– 0,00063– 0,00042– 0,00148                x = 0,47log (1 + α) = 0,0011              v0 = 690 cmm           v0/q = 370 t VolumenbeobachtetvonKohlrausch VolumenberechnetvonMewes Differenz – 187,7°–   79,9–   47,7      0,0+   22,7+   26,0+   30,9 0,79690,90540,93951,00001,03261,03791,0451   0,79436  0,90089  0,938431,0000  1,03202  1,03683  1,04404 – 0,0025– 0,0045+ 0,0011   0,0000– 0,0006  – 0,00107  – 0,00106                x = 0,45898log (1 + α) = 0,0011              v0 = 976 cmm           v0/q = 830 t VolumenbeobachtetvonKohlrausch VolumenberechnetvonMewes Differenz –187,7°–   79,9–   49,7       0,0+   22,7+   26,0 0,79830,90650,93961,00001,03221,0372 0,79990,90310,93741,00001,03131,0360 + 0,0016– 0,0034– 0,0022± 0,0009– 0,0000– 0,0012                 x = 0,47117log (1 + α) = 0,0011 Die beobachteten und berechneten Werte würden sich noch genauer gedeckt haben, wenn nicht von vornherein log (1 + α) =0,0011 als richtiger Wert angenommen und mit Hilfe dieses Wertes dann erst der benutzte Mittelwert für x berechnet worden wäre, sondern wenn man nach der Methode der kleinsten Quadrate sowohl für x wie auch für α die wahrscheinlichsten Werte aus den Beobachtungen ermittelt worden wären. Indessen geht schon aus den hier berechneten Werten durch einen Vergleich mit den übrigens in den tieferen Temperaturen auch noch nicht ganz sicheren Zahlen die Richtigkeit meiner theoretischen Formel deutlich hervor. Für Interessenten bemerke ich noch, dass derartige tiefgradige Petrolätherthermometer von C. Richter in Berlin, Thurmstrasse 4, angefertigt werden.