Titel: Der Wasserrohrkessel Typ Belleville.
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 351
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Der Wasserrohrkessel Typ Belleville. Der Wasserrohrkessel Typ Belleville. Die Verwendung der Wasserrohrkessel in den Kriegsmarinen hat sich durch die fortwährend gesteigerten Ansprüche an die Panzerung – als Verteidigungsmittel –, die Bewaffnung – als Angriffsmittel – und nicht zum Geringsten an die Maschinenkraft – als Bewegungsmittel – und die dadurch bedungene höhere Dampfspannung immer mehr zur Notwendigkeit gemacht, einmal durch das kleinere Gewicht, welches 1 qm Heizfläche gegenüber dem Walzenkessel von gleicher Spannung erfordert, sodann durch die Schnelligkeit, mit welcher der Wasserrohrkessel dienstbereit, d.h. unter Dampf gestellt werden kann. Aber ohne Kampf hat sich diese Verwendung nicht vollzogen und ein solches Stück Kampf sehen wir sich wiederum vor unseren Augen in England abspielen. Nachdem in England die oben erwähnten gesteigerten Anforderungen eine Reihe eingehender Versuche mit Wasserrohrkesseln verschiedener Herkunft gezeitigt hatten, als deren Endergebnis schliesslich der französische Belleville-Kessel in der englischen Kriegsmarine zum grössten Verdruss seiner englischen Mitbewerber eingeführt wurde, entstanden bald aus den mannigfachsten Gründen Klagen über die gewählte Gattung, die einenteils ihren Grund hatten in dem vergeblichen Mitbewerb englischer Werke, Yarrow, Thornycroft, Babcock und Wilcox u.s.w., andererseits auch in den grossen Summen, welche die Ausführungsgebühr für diese Kesselgattung von England nach Frankreich führten. Die Gesellschaft Delaunay-Belleville und Cie., St. DenisEngineering, 8. März 1901.,schloss zuerst am 30. September 1893 mit Maudslay Sons und Field, London, einen Vertrag, wonach dieser die alleinige Vertretung der Belleville-Gesellschaft für das vereinigte Königreich übertragen wurde. Die Ausführungsgebühr wurde auf 22 Franken = 17,80 Mk. für jeden Quadratmeter Heizfläche festgesetzt, mit einer Vertretungsgebühr für Maudslay von 20%. Am 4. Oktober 1894 wurde durch einen zweiten Vertrag bedungen, dass die Belleville-Gesellschaft mit der englischen Admiralität unmittelbar verhandeln dürfe und dass Maudslay für jeden Quadratmeter Heizfläche, der bestellt würde, den Betrag von 3,20 Mk. erhalten sollte. Da die Schlachtschiffe bis zu 4000 qm, die Kreuzer teilweise über 6500 qm Heizfläche besitzen, so belaufen sich diese Abgaben für: 6 Schlachtschiffe der Canopusklasse auf je 2738 £ zus. 14428 £ 6             „            „  Formidableklasse auf je 3008 18048 6             „            „  Duncanklasse auf je 3506 21036 6 Kreuzer der Cressyklasse auf je 4173 25038 4        „      „  Drakeklasse auf je 5832 23328 8        „      „  Kentklasse auf je 4076 32608 ––––––––––––––––––––––––––– Zusammen 134486 £ Diese Angaben beziehen sich auf Schiffe, welche zur Zeit in Bau begriffen sind und lassen die Schiffe „Powerful“ und „Terrible“, bei denen die Gattung zuerst eingeführt wurde, sowie die acht Schlachtschiffe der Diademklasse, die drei der Hermesklasse, sowie kleinere Bauten unberücksichtigt. Die englische Admiralität zahlte bereits in der Zeit vom 20. Dezember 1896 bis zum 24. Dezember 1899 für Ausführungsgebühren an die Belleville-Gesellschaft 100172 £ oder rund 2050000 Mk., welche Summe sich bis heute verdoppelt haben dürfte. Im Juli 1900 gab GoschenEngineering, 15. März 1901., damals erster Lord der Admiralität, dem allseitigen Drängen nach und es wurde ein Prüfungsausschuss eingesetzt, dessen Mitglieder aus den tüchtigsten Fachmännern Englands ausgewählt wurden und deren Namen hier folgen mögen: Compton Domvile, Vizeadmiral, Vorsitz, Jos. A. Smith, Maschineninspektor der königl. Marine, John List, leitender Maschineningenieur der Castle-Linie, James Bain, leitender Maschineningenieur der Cunard-Linie, J. T. Milton, Oberingenieur in Lloyds Register zur Beaufsichtigung von Schiffen, Dr. A. B. W. Kennedy und Dr. John Inglis, Mitglieder des weltbekannten Maschinen- und Schiffbauwerkes A. und J. Inglis an der Clyde; als gemeinsame Schriftführer wurden bestellt: Montague E. Browning, leitender Ingenieur, W. H. Wood, Oberingenieur, beide in der köngl. Marine. Die dem Ausschuss gestellten Aufgaben waren: festzustellen, ob Wasserrohrkessel für Kriegsmarinezwecke den Walzenkesseln vorzuziehen seien; wenn ja, ob die Belleville-Gattung für die englische Kriegsmarine die beste sei. Ebenfalls sind vom Ausschuss Vorschläge in dieser Sache im allgemeinen zu machen, sowie die Ergebnisse der eigenen Erfahrung der einzelnen Mitglieder und der anzustellenden Untersuchungen der Admiralität zugänglich zu machen. Als Endergebnis einer Reihe eingehender Untersuchungen wurde Ende Februar ein vorläufiger Bericht dieses Ausschusses der Admiralität eingereicht, der folgende Punkte festlegt: 1. Der Wasserrohrkessel ist namentlich vom militärischen Standpunkte aus für die Kriegsschiffe dem Walzenkessel überlegen, seine sichere brauchbare Herstellung vorausgesetzt. 2. Die Belleville-Gattung hat keine derartigen Vorzüge gegenüber anderen Kesselgattungen, um ihn für die königl. Marine als beste Gattung empfehlen zu können. 3. Belleville-Kessel sollen in Zukunft nicht mehr bestellt werden und, wo es der Stand der Arbeit für die im Bau begriffenen Schiffe zulässt, rückgängig gemacht werden. Im übrigen aber dürfen dieselben sowohl für die im Bau begriffenen Schiffe, deren Fertigstellung keine Verzögerung erleiden darf, als auch für die mit denselben bereits ausgerüsteten Schiffe beibehalten werden. 4. Ferner empfiehlt der Ausschuss den Babcock- und Wilcox-Kessel, den Niclause-Kessel, den Dürr-Kessel und den Yarrow-Weitrohrkessel, welche alle bereits eingehenden und zufriedenstellenden Versuchen seitens der königl. Marine unterworfen wurden, zur Einführung, sei es aller vier Gattungen gleichzeitig oder einer Auswahl aus denselben. 5. Die zwei Schaluppen und der Kreuzer II. Klasse, welche mit Babcock-Wilcox-Kesseln, sowie die Schaluppe und der Kreuzer I. Klasse, welche mit Niclause-Kesseln ausgerüstet werden, sind schleunigst fertigzustellen, damit ihr Wert für Kriegszwecke sobald wie möglich festgestellt werden kann. Namentlich schon deshalb, weil die neueren Babcock- und Wilcox-Kessel in der Bauart wesentlich von denen in dem „Sheldrake“ eingebauten abweichen. 6. Dürr- und Yarrow-Kessel sollen umgehend bestellt werden, um nochmals unter Aufsicht des Ausschusses zwecks ihrer Brauchbarkeit für Kriegszwecke geprüft zu werden. Zu dem Ende sollen dem Ausschuss zwei Kreuzer, nicht kleiner wie die Medeaklasse, mit stehender dreifacher Expansionsmaschine, für alle notwendig werdenden Veränderungen und für längere Probefahrt auf hoher See zur Verfügung gestellt werden, da die Versuchsergebnisse an Torpedobooten sich als unzuverlässig erwiesen haben. 7. Zu Punkt 1 hat sich als besonders wichtig für Kriegszwecke herausgestellt: a) Schnelles Dampfmachen und damit auch die Möglichkeit die Zahl der Kessel unter Dampf schnell zu vermehren. b) Herabminderung der Gefahr für das Schiff bei Verletzung der Kessel durch Geschosse. c) Leichte und schnelle Herausnahme und Ersetzung der Kessel aus dem Schiff ohne Verletzung des Decks oder des Rumpfes. Diesen Anforderungen entsprechen die Wasserrohrkessel in weit höherem Masse wie die Walzenkessel, und sind diese Vorzüge derart wichtig, dass dieselben die grössere Sparsamkeit im Kohlen verbrauch und in der Unterhaltung mehr wie aufwiegen. 8. Punkt 2 wurde vom Ausschuss festgelegt nach eingehender Untersuchung der Kessel auf einer Anzahl Kriegsschiffe der königl. Marine, darunter „Diadem“, „Niobe“, „Europa“, „Hermes“, „Powerful“, „Furious“ und „Ariadne“, und fusst auf Mängel, welche durch Oberingenieure der Schiffe und andere Beamte der Admiralität und der Werften, welche Gelegenheit hatten, sich mit den Belleville-Kesseln zu befassen, erwiesen wurden. 9. Folgende Punkte sind namentlich am Belleville-Kessel zu tadeln: a) Der mangelhafte und unbestimmbare Wasserumlauf, verursacht durch den Widerstand in den langen RohrschlangenNach Busley-beträgt die Rohrlänge zwischen Speisekasten und Dampfsammler 30 bis 45 in. Z. V. D. I., 1896, S. 1042., welche zwischen dem Speisekasten und dem Dampfsammler eingebaut sind, sodann durch die Reibung in den Verbindungs- und Umkehrkapseln, sowie durch die kleinen Bohrungen in den Nippeln zwischen Speisekasten und Rohrgliedern, welche letztere der leichten Verstopfung halber eine grosse Gefahr in sich schliessen. b) Die Notwendigkeit einer selbstthätigen Speisevorrichtung von sehr empfindlicher und verwickelter Beschaffenheit. c) Der grosse Ueberschuss zwischen Speisepumpen- und Kesseldruck. d) Die Notwendigkeit eines beträchtlichen Ueberschusses an Kesseldruck gegenüber dem Arbeitsdruck in der Dampfmaschine. e) Die ungenaue Angabe des Wasserstandes im Kessel durch die Wasserstandsgläser, die schon zu ernsten Unglücksfällen Anlass gab. f) Der Unterschied in der Wassermenge, welche bei verschiedener Beanspruchung der Heizfläche im Kessel vorhanden ist, während die Wasserstandsgläser auf gleicher Höhe bleiben. g) Die Notwendigkeit, selbstthätig wirkende Abscheider vorzusehen, um zu verhindern, dass bei plötzlicher starker Dampfentnahme Wasser übergerissen wird. h) Der beständige Uebelstand, den der Wasserverlust aus den undicht gewordenen Nickelblechdichtungen zwischen den Rohrgliedern und dem Speisekasten mit sich bringt. i) Die Wahrscheinlichkeit, dass die oberen Röhren der einzelnen Glieder durch Verrosten dienstuntauglich werden, ein Fehler, welcher die Vorwärmeröhren, wo solche in den Kesseln eingebaut sind, noch häufiger befällt. k) Die grösseren Unterhaltungkosten gegenüber dem Walzenkessel, welche mit zunehmendem Kesselalter wachsen dürften. 1) Die Verdampfungsanlage für Frischwasser, welche diese Kessel gegenüber den Walzenkesseln erfordern, sowie ihr grösserer Kohlen verbrauch, selbst im gewöhnlichen Friedensdienst, machen grösstenteils die bei der Einführung ins Auge gefassten Gewichtsersparnisse hinfällig; ja es fragt sich sogar, ob mit Rücksicht auf den grösseren Kohlenverbrauch und den dadurch bedingten kleineren Bewegungskreis von einem Vorteil überhaupt gesprochen werden könnte. Der Ausschuss ist ohne weitere Versuchserfahrung nicht in der Lage, zu sagen, wie weit die obigen Punkte auch auf andere Kesselgattungen Anwendung finden. 10. Zur Zeit der Einführung der Belleville-Kessel auf „Powerful“ und „Terrible“ war dieser Kessel der jedenfalls bei weitem geeignetste für die königl. Kriegsmarine, damals waren eben nur Wasserrohrkessel mit weiten Rohren in grösserem Massstab hinsichtlich ihrer Seefähigkeit, sowie der gebräuchlichen Arbeitsbedingungen geprüft. 11. Mit Rücksicht auf die in Punkt 9 erwähnten Missstände hätte es vor allen Dingen einer weit besseren Unterweisung des Maschinenraumstabes hinsichtlich der Eigenart der Belleville-Kessel bedurft, als sich im Laufe der Feststellung gegenüber dem Ausschuss ergeben hat. 12. Angesichts der schnellen Zerstörung der Vorwärmerrohre auf mehreren Schiffen hat es der Ausschuss ernstlich in Erwägung gezogen, ob nicht die Mehrleistung für 1 t Kesselgewicht, welche durch die Vorwärme bei verstärktem Betriebe erzielt werde, im grossen ganzen zu teuer erkauft sei. Nach angestellten Erhebungen haben nämlich die Kessel der Powerful-Gattung ohne Vorwärmer gerade so günstig gearbeitet als diejenigen der Gattung mit Vorwärmern. Dabei ist erstere leichter verständlich in der Anordnung und fast frei von der Gefahr der Rohrzerstörung, welche sich schon wiederholt, so namentlich auf der „Europa“, als verhängnisvoll erwies. Textabbildung Bd. 316, S. 353 Fig. 1.Längsschnitt. Soweit durchführbar, empfiehlt daher der Ausschuss für die neuen Schiffe die Rückkehr zur älteren Anordnung ohne Vorwärmer, Vergrösserung des Verbrennungsraums durch Höherheben der RohrgliederUeberall, wo man die Heizgase möglichst früh zerteilen kann, entsteht ein Vorteil in der Ausnutzung der Wärme, der durch Höherheben verloren geht; dazu kommt noch, dass die Gase in diesen Kesseln fast senkrecht aufsteigen, während sie im Walzenkessel wagrecht geführt werden und umkehren. (Ein gewisser Abstand der tiefstgelegenen Heizfläche vom Rost ist einzuhalten! D. R.) und Vergrösserung des Dampfsammlers, der vor allem im Inneren begehbar sein müsste. 13. Die Frischwasserdestillation, sowie die Hilfseinrichtungen verbrauchen auf Kriegsschiffen sowohl im Hafen wie auf See einen grossen Kohlen Vorrat; für diese Zwecke schlägt der Ausschuss den Walzenkessel als geeignetsten Dampferzeuger vor. Spricht auch manches gegen die Anordnung von Walzen- und Wasserrohrkessel nebeneinander, so wiegen doch die daraus entspringenden Vorteile die Nachteile mehr wie auf, namentlich auch dadurch, dass der Walzenkessel im Behinderungsfalle der Verdampferanlage destilliertes Wasser liefern könnte. – Für alle Schiffe mit grösserem Kraftbedarf sollten daher für den Betrieb der Hilfsmaschinen Walzenkessel beschafft werden. 14. Der Ausschuss benachrichtigt den ersten Lord der Admiralität, dass für die unterbrochenen Versuche an Bord des Kreuzers „Minerva“ nach der ersten Woche des April sowohl an Bord der „Minerva“ wie der „Hyacinth“ vergleichende Versuche hinsichtlich Kohlen- und Wasserverbrauch stattzufinden haben. Textabbildung Bd. 316, S. 353 Fig. 2.Vorderansicht. Während dieser Versuche ist für beide Schiffe eine Volldampffahrt zwischen Portsmouth und Gibraltar und zurück vorgesehen. Soweit der vorläufige Bericht des Ausschusses, zu dem das Ausschussmitglied Jos. A. Smith als dienstthuender Ingenieur der königl. Marine etwas in Sonderstellung tritt. Punkt 3 soll nach seiner Ansicht lauten: 3. a) Der Belleville-Kessel hat seine Mängel, ist aber nach eigener Erfahrung des Berichterstatters, sowie nach dem Urteil von Ingenieuren, welche denselben auf im Dienst befindlichen Schiffen unter ihrer Wartung hatten, ein guter Dampferzeuger, der sich auch im Betriebe zufriedenstellend bewähren wird, sofern auf seine Wartung und Instandhaltung nur die nötige Sorgfalt verwandt wird, welcher eine genügende Erfahrung zur Seite steht. Es hat sich ferner auch durch Besichtigung der Kessel auf dem Dampfboot „Laos“Ein 2-Schrauben-Frachtdampfer, 8. November 1896 von Stapel gelassen. Länge 141,66 m, Breite 15,5 m, Tiefe i/R. 11 m, 8400 t Verdrängung, 7200 PSi bei 100 Umdrehungen in der Minute und 12,25 kg/qcm Eintrittsspannung. 12 Belleville-Kessel mit Vorwärmer, bei welchen auf der Probefahrt stündlich 140 bis 150 kg Kohle auf 1 qm Rostfläche verbrannt und 1300 bis 1400 kg Dampf erzeugt wurde. Die erreichte Geschwindigkeit betrug dabei 18,25 Knoten oder 21 Meilen = 33,76 km stündlich. – der Messageries maritimes-Gesellschaft gehörig –, welches zur Zeit der Besichtigung länger als 3 Jahre, ohne der Reparatur zu bedürfen, den regelrechten Verkehr zwischen Marseille und Yokohama versehen hatte, bestätigt, dass dem frühzeitigen Verfall der Rohre durch Rosten, welcher in einigen Fällen festgestellt wurde, durch sorgsame Behandlung vorgebeugt werden kann. Bei der ausgedehnten Verwendung, welche die Belleville-Kessel in der königl. Kriegsmarine bereits fanden, und angesichts der Thatsache, dass jetzt drei oder vier weitere Gattungen von Wasserrohrkesseln vorhanden sind, welche zum mindesten gleich gute Erfolge versprechen, sollten künftig oder wenigstens bis zum vollständigen Abschluss der Versuche des Ausschusses keine Belleville-Kessel in Aussicht genommen werden. Textabbildung Bd. 316, S. 354 Fig. 3.Schnitt durch den Speisekasten. Nickelblechdichtung; Speisekasten. Es liegt jedoch keine Notwendigkeit vor, die Fertigstellung von Schiffen, für welche Belleville-Kessel vorgesehen waren, durch Beschaffung einer anderen Kesselgattung zu verzögern. – Soweit der Bericht. Textabbildung Bd. 316, S. 354 Anordnungen im Schiff. Längsschnitt; Querschnitt; Grundriss; Planschnitte. Wir haben bei der Wichtigkeit der Frage – die doch schliesslich in der Brauchbarkeit des Wasserrohrkessels überhaupt gipfelt – geglaubt, diesen Bericht möglichst vollständig bringen zu sollen, weil er uns das vorläufige Endergebnis der Untersuchungen einer Anzahl der tüchtigsten englischen Ingenieure bringt; zugleich lassen wir zum besseren Verständnis einige Abbildungen des Kessels, wie derselbe ohne Vorwärmer auf der „Terrible“ und „Powerful“ eingebaut wurde, folgen. BusleyZeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1896 S. 1038. bezeichnetin seinem sehr wertvollen Bericht „Die Wasserrohrkessel der Dampfschiffe“ die Belleville-Kesselanlagen mit allen ihren Einzelheiten als ein wahres Kunstwerk und hat damit sicher das Richtige getroffen. Daher die befriedigenden Erfolge auf Schiffen mit einer gut geschulten und noch besser überwachten Bedienung, wie solche bei grossen Schiffahrtsgesellschaften vorhanden ist, und die Misserfolge in der englischen Kriegsmarine. Ueber die Verhältnisse der Maschinenbedienung in derselben bringt D. B. Morison in einem Vortrag, gehalten vor der Gesellschaft der Maschinen- und Schiffbauer Schottlands, einige bemerkenswerte Schlaglichter. Nachdem er auf die Verwundbarkeit des weitverzweigten, durch England beherrschten Gebietes, auf die Abhängigkeit Englands von überseeischen Nahrungsmitteln, den engen Zusammenhang zwischen Seehandel und blühendem Gewerbe verwiesen, behandelt er die Frage der Stellung der Maschineningenieure auf den englischen Kriegsschiffen – als deren Vorkämpfer er schon häufig in den Vordergrund trat –. Bitter beklagt er, dass die englische Admiralität, selbst angesichts der neuerlichen Vorkommnisse auf Schiffen mit Belleville-Kesseln, noch immer nicht im stande sei, einzusehen, dass die grossen Fortschritte in der Entwickelung der Maschine und ihrer mannigfachsten Anwendung in all und jeder Form, verbunden mit dem gesteigerten Kesseldruck auch an die Bedienung Anforderungen stellt, die es bedingt, die ersten Kräfte des Ingenieurberufes für dieselbe verfügbar zu machen. Alle in dieser Hinsicht gemachten Schritte leiden an Halbheit und zeigen, dass man nur notgedrungen und ungern nachgegeben hat. Schiffe mit Wasserrohrkesseln erfordern 30 bis 40% mehr Bedienung durch Heizer, abgesehen von denen, die man für Ersatz in Krankheitsfällen vorzusehen hat, ausserdem sollte die Mannschaft in jeder Weise geschult und ihrer Aufgabe gewachsen sein. Thatsächlich aber ist dieselbe nicht nur vollständig ungenügend vorgebildet, sondern auch in viel zu kleiner Zahl vorhanden. Um die Schiffe der englischen Kriegsflotte seeklar zu machen, sind nach Zugeständnis der englischen Admiralität für die Bedienung erforderlich: 1255 Ingenieure, 3277 Maschinenraum- und 29387 Kesselraum-Mannschaften, dabei ist aber kein Ersatz für Krankheits- und Kriegsfall inbegriffen; vorhanden sind nun 961 Ingenieure, 3024 Maschinenraum- und 21472 Kesselraum – Mannschaften. Es fehlen daher, wenn man das erforderliche Mehr für Krankheit auf 7%, und dasjenige für Kriegsfälle auf 20% festsetzt, 536 Ingenieure, 1138 Maschinenraum- und 15848 Kesselraum – Mannschaften. Der zur Zeit ins Auge gefasste Plan, Ingenieure für zeitweiligen Dienst einzustellen, für welche eine Vorprüfung stattfinden soll, findet Morison's Beifall durchaus nicht, denn hier sollen im Schiffsdienst unerfahrene Kräfte den erfahreneren Bedienungsmannschaften vorgesetzt werden, anstatt dass man diesen letzteren mehr Aussicht auf Vorwärtskommen eröffne; das Endergebnis kann nur verderbenbringend sein. Am deutlichsten ist die Gefahr, die in der ungenügenden Bedienung des Maschinen- und Kesselraums liegt, bei dem Kreuzer II. Klasse „Hermes“ hervorgetreten, der sich mittels einer Maschinenkraft von 10000 PSi durch zwei Schrauben bewegt, während der Dampf durch 18 Belleville-Kessel bei einem Druck von 20 at geliefert wird. Ausser den Hauptmaschinen sind folgende 47 Hilfsmaschinen vorhanden: 4 Umlaufpumpen, 2 Dynamoanlagen, 2 Luftverdichtungsanlagen, 6 Speisepumpen, 4 Lenz-Pumpen, G Lüftungsanlagen, 6 zweicylindrige Asche-Winden, 2 Destillieranlagen, 1 zweicylindrige Steuermaschine, 1 Kühlanlage, 2 Heisswasserpumpen, 6 Maschinen für künstlichen Zug, 2 Drehmaschinen, 2 zweicylindrige Kohlenwinden, 1 Ankerlichtmaschine. Die Maschinenraumbesatzung war wie folgt: 1. Ingenieuroffiziere: 1 Oberingenieur, 1 Ingenieur, 2 Unteringenieure, davon der eine mit 2 Jahren Fahrzeit, der andere unmittelbar vom Keyham-College eingestellt. 2. Maschinenraumbedienung: 2 Obermaschinisten, 4 Maschinisten III. und IV. Klasse, 3 Untermaschinisten IV. Klasse (ohne Berechtigung für Ueberwachung des Kesselraums und gewöhnlich nur mit 1jähriger Fahrzeit). Nur ein Maschinist kannte bereits die Belleville-Kessel und das Schiff aus Erfahrung. Der Obermaschinist war Kesselschmied; ein Maschinist war Grobschmied, einer Kupferschmied, die übrigen Schlosser; nur drei Mann hatten bereits zur See gefahren. 3. Kesselraumbedienung: 6 Oberheizer, 16 Heizer I. und II. Klasse, 72 Heizer; etwa 30% war noch nicht zur See gewesen und völlig ausser stände, ihre Obliegenheiten zu erfüllen, sowie den körperlichen Anstrengungen nicht gewachsen. Man war bei der Besetzung davon ausgegangen, dass ein Mann für jeden Kessel genüge, und dass er ausser dem Heizen auch noch das Heranziehen der Kohlen besorgen könne, eine Annahme, die ohne Vorgang sich als ein beklagenswerter Irrtum erwies. „Hermes“ wurde den südafrikanischen Truppenschiffen als Begleitschiff beigegeben, und da die Besetzung im Maschinenraum ungenügend sowohl in der Zahl wie in der Leistungsfähigkeit war, so folgten kleineren und grösseren Unfällen im Maschinen- und Kesselraum bald eine vollständige Erschöpfung der wenigen erfahrenen Kräfte. Der Oberingenieur wurde ernstlich krank und die leitenden Ingenieure und Maschinisten arbeitsunfähig, während sich jetzt erst Unfälle auf Unfälle ereigneten, bis der Zustand in der ganzen Abteilung einem vollständigen Zusammenbruch glich. Dem Versuch, durch die höhere Autorität eines in den Kesselraum beorderten Seeleutnants die Bedienung zur Aufbietung ihrer letzten Kräfte anzuspornen, bereiteten heisse Asche und heisses Wasser unter den Füssen und kochendes Wasser und ausströmender Dampf von oben ein baldiges Ende und zeigte, dass letztere Dinge auch für Leute einen Schrecken in sich bergen, die vielleicht gewohnt sind, die Zerstörung des Schiffes durch Geschosse mit philosophischer Ruhe zu ertragen. Trotzdem nun die Admiralität solche Fälle vor Augen hat, denn der Fall des „Hermes“ steht nicht vereinzelt da, beharrt dieselbe dennoch bei ihrem unbegreiflichen und unerträglichen Fatalismus. Morison sagt unter anderem: Es heisst das Geld des Staates zum Fenster hinauswerfen und das öffentliche Vertrauen betrügen, wenn man Schiffe baut, ohne dafür zu sorgen, dass dieselben, wenn fertig, so weit menschliche Kenntnis und Voraussicht reichen, auch genügend bemannt sind. Nur Schiffe bauen bedingt noch lange nicht die Schaffung einer Seemacht, welche ausserhalb der Welt von Papier und Tinte irgend welche Bedeutung hat. So lange keine Anzeichen dafür vorhanden sind, dass verständige Massregeln getroffen werden, um die vorhandenen Schiffe auch thatsächlich leistungsfähig zu machen, ist es Narrheit, über den Wert der grösseren Sicherheit des Volkswohls, herbeigeführt durch Vermehrung der Schiffszahl, Betrachtungen anzustellen. Wenn die jetzt im Bau begriffenen Schiffe fertig sind, wird es unter obwaltenden Verhältnissen unmöglich sein, ihnen die so unbedingt nötigen Ingenieuroffiziere, Maschinisten und Heizer – mit der für ihre Obliegenheiten nötigen Erfahrung – zu verschaffen, durch welche diese Schiffe erst zu wertvollen Gefechtseinheiten werden. Spricht sich in dieser Weise eine bedeutende englischePersönlichkeit, die das Vertrauen aller Fachkreise geniesst, mit Rücksicht auf die Belleville-Kessel aus, so vertritt auch noch die am meisten betroffene Partei – die Belleville-Gesellschaft – der Admiralität gegenüber auf Grund von Vergleichen zwischen den unzähligen bewährten Ausführungen von Belleville-Kesseln und denjenigen, an welchen sich die Anstände ergaben, den Standpunkt, dass in erster Linie schlechte und nicht sachgemässe Arbeit, sodann unverständige und nicht genügend geleitete Bedienung die Ursache für dieselben sind. Dadurch sei auch die Dauer der Kessel beeinflusst, deren Reparatur im allgemeinen leicht und billig sei. Es liegen in dieser Sache dem EngineeringEngineering, 12. April 1901. zwei Briefe Belleville's an die englische Admiralität vor, welche inhaltlich wiedergegeben werden. Bemerkenswert ist daraus folgendes: Das Wasser durchläuft die Rohre nach Versuchen in den Werkstätten der Gesellschaft 6- bis 10mal. Der kleine Durchmesser der Nippel am Speisesammler bedingt eine gleichmässige Verteilung des Wassers, die Bohrung von 40 mm, wie solche für grössere Schiffe zur Verwendung kommt, ist grösser wie der innere Durchmesser der Umlaufrohre auf Torpedobootkesseln. Die selbstthätige Speisung hat bei allen Wasserrohrkesseln, des geringen Wassergehaltes halber, ihre Berechtigung und ihre Vorteile; auf Schiffen der Messageries maritimes z.B. sind mehrfach, entgegen der Vorschrift, die Wasserstandshähne ganz abgestellt gewesen und hat die selbstthätige Speisung den normalen Wasserstand aufrecht erhalten. Für die sichere Zuführung der Speisewassermenge in die einzelnen Kessel – ohne Rücksicht auf kleine Druckschwankungen, die ihren Grund in der ungleichmässigen Beschickung und Reinigung der Roste haben – ist der Drucküberschuss in der Speiseleitung gegenüber dem Kesseldruck von grossem Vorteil. Die Druckverminderung des Dampfes zwischen Kessel und Maschine, die man anfangs auch in der französischen Marine beanstandete, hat sich so gut bewährt, dass dieselbe jetzt auch bei anderen Wasserrohrkesseln als der Belleville-Gattung durchgeführt ist. Eine eigene Verdampf er anläge ist für die Belleville-Kessel so wenig notwendig, wie für entsprechend andere Kessel, sobald fehlerhafter und übermässiger Wasserverlust, veranlasst durch mangelhafte Arbeit und Bedienung, vermieden wird. Für den Kohlenverbrauch, der sich ohne bestimmte Verbrauchsangaben kaum behandeln lässt, ist massgebend, dass die Spalten der englischen Normalroststäbe mit 15 mm, bei einer Stärke des Stabes von ebenfalls 15 mm, in Anbetracht der verwendeten Kohle jedenfalls zu gross sind. Es fallen zu viel Kohlen unverbrannt durch, und durch die Lücken tritt zu viel schädliche Luft ein. Dieser Fehler ist aber bereits bei Versuchen an Land – also bevor sie noch ins Schiff kamen – mit zwei Kesseln des „Powerful“ durch einen Ingenieur der Belleville-Gesellschaft nachgewiesen. Eine Höherlegung der Rohrglieder kann in Anbetracht des Kohlenmaterials – Fettkohle – nur nachteilig wirken, weil dadurch die ausstrahlende Fläche vergrössert, die Hitze im Verbrennungsraum unterhalb der Rohre zwar vermehrt, aber der Verdampfung entzogen wird. Mit Entschiedenheit tritt Belleville für die Vorwärmer ein, die nicht nur im Friedensbetrieb, sondern namentlich im Kriegsfall bei grosser Dampfentnahme eine grössere Sparsamkeit im Kohlen verbrauch und damit einen grösseren Wirkungskreis für das Schiff bedingen. Für den Hilfskessel ist es ziemlich bedeutungslos, ob er walzenförmig oder anders gestaltet ist, von grösserer Bedeutung ist jedenfalls die Verminderung der Anzahl der Hilfsmaschinen und der Länge der Dampfzuleitungsrohre, von grösster Bedeutung aber die Verwendung der Elektrizität für Hilfszwecke, wo nur immer angängig. – Soweit Belleville selbst. Aendert nun auch im allgemeinen derselbe nicht mehr das Schicksal seines Kessels in der englischen Kriegsmarine, welches durch den Vorbericht so gut wie besiegelt sein dürfte, so muss doch anerkannt werden, dass dieser Kessel eine Ausnutzung des in Schiffen verfügbaren Raumes für Unterbringung von Heizfläche zeigt, mit welcher er wiederholt anderen Kesseln als Muster, diente, vor allem aber, dass er ein durch 50jährige Erfahrung technisch durchdachter Dampferzeuger ist, der für Einführung der Wasserrohrkessel in der Marine sein bleibendes Verdienst behält, wenn auch anerkannt werden muss, dass er für seine Bedienung zu kunstvoll zusammengebaut ist, wenigstens wenn englische Verhältnisse fürBeschaffung derselben in Betracht kommen. Im übrigen gilt auch hier der Grundsatz, dass alles Bessere der Feind des Guten ist, und da für Seezwecke vor allen Dingen möglichste Einfachheit in der Ausführung und Bedienung verlangt werden muss, so wird der Belleville-Kessel sich diesen Anforderungen, in welchen ihn andere Wasserrohrkessel bereits übertroffen haben, anpassen müssen, oder er wird Platz machen müssen. Der Wasserrohrkessel im allgemeinen aber wird seinen Vorrang gegenüber dem Walzenkessel behaupten.