Titel: Die Stapelläufe der Kriegsmarinen im Jahre 1901.
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 54
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Die Stapelläufe der Kriegsmarinen im Jahre 1901. Die Stapelläufe der Kriegsmarinen im Jahre 1901. Das Wachstum oder die Stärkeverhältnisse der Kriegsmarinen aus den Stapelläufen eines Jahres berechnen zu wollen, geht nicht an, aber immerhin geben diese Statistiken einen Anhalt für den mehr oder minder regen Eifer, die Stärken der Flotten zu heben, auch geben sie Anhalt für die Richtungen, welche in den verschiedenen Marinen zur Zeit als massgebend auftreten. Im allgemeinen bieten die Stapelläufe im Jahre 1901 kurz folgendes Bild. Es herrscht in den grösseren wie in den kleineren Seestaaten das Bestreben, möglichst viele gefechtsstarke Schiffe, Linienschiffe und Panzerkreuzer, zu besitzen, und der ehemals vielgerühmte geschützte Kreuzer mit einem Deplacement von 3000 bis 4000 t wird fast gar nicht mehr gebaut; für Stationszwecke hält man kleinere, billigere Schiffe als ausreichend. Mit Ausnahme der Vereinigten Staaten baut kein Staat Fahrzeuge von ausgesprochenem Monitor-Typ. Die Torpedoboote in den Grössen unter 100 t sind so gut wie überwunden, Boote von 150 t werden in beschränkter Zahl beschafft. Das Torpedofahrzeug, Torpedobootjäger, Torpedobootzerstörer, in Deutschland kuzweg Torpedoboot genannt, bewegt sich in Deplacements von 200 bis 400 t, und in den Marinen der Vereinigten Staaten, Englands und namentlich Frankreichs ist das Unterseeboot als neue, aber noch ganz ungenügend erprobte Seewaffe hinzugekommen. Das Vertrauen auf die Torpedowaffe, ausser in der Verteidigung und als Waffe des Schwächeren, ist weiter im Sinken begriffen. Die Hoffnungen auf grosse Erfolge mittels zahlreicher, schneller, billiger Kreuzer von bescheidenen Abmessungen ist sehr erheblich geschwunden. Einige Marinen, wie die Japans, haben auffallend im Bauen eingehalten; auch die der Vereinigten Staaten ist dahin zu zählen, in welcher am Schluss des Jahres nicht weniger als 11 längst bewilligte und benannte Linienschiffe und grosse Panzerkreuzer, noch nicht 10 % gefördert, teilweise noch überhaupt nicht in Angriff genommen sind. Man baut dort besonders eifrig die Torpedoflotte aus, von der 16 Torpedobootzerstörer und 16 Torpedoboote in Bau oder Ausrüstung sich befinden, doch ist das darauf zurückzuführen, dass die Staatenflotte bis zum Jahre 1900 fast gar keine solchen Fahrzeuge besessen hat. Das Deutsche Reich steht, was Stapelläufe anbelangt, im Jahre 1901 an der Spitze aller Seemächte, mit Ausnahme von England, das allerdings immer noch in unerreichbarer Höhe thront. Abgesehen von Torpedofahrzeugen und Booten haben die einzelnen Mächte 1901 folgende Schiffe zu Wasser gebracht. Deutsches Reich: Vier Linienschiffe von je 11800 t Deplacement, 126,85 m lang, 20,7 m breit, 7,6 m Tiefgang, mit 1200 qm Panzerschutzfläche, sechs Cylinder-, acht Thornykroft-Schultz-Wasserrohrkesseln, 15000 PS starken Maschinen, drei Schrauben, armiert mit vier 24 cm, sechzehn 15 cm, sechzehn 8,8 cm SchnellladernAlle Geschütze der abgelaufenen Schiffe kann man mit mehr oder weniger Recht als „Schnelllader“ bezeichnen. Die über 20 cm Kaliber feuern ein bis zwei Schuss in der Minute, die 15 cm bis acht Schuss, die leichteren weit mehr., zwölf 3,7 cm Maschinengeschützen, acht 0,8 cm Maschinengewehren, also mit 50 Geschützen, sowie mit vier Torpedolancierrohren. Die Schiffe sollen 19 Meilen (à 1852 m) in der Stunde laufen können. Es liefen ab: Wettin (D.), auf Stapel gelegt am 10. Oktober 1899, am 6. Juni auf der Werft F. Schichau in Danzig, fertig Oktober 1903. „Zähringen“ (E.), begonnen am 21. November 1899, am 12. Juni auf der Germaniawerft von F. Krupp in Gaarden bei Kiel, fertig August 1902. „Schwaben“ (G.), begonnen November 1900, am 19. August auf der Kaiserlichen Werft Wilhelmshaven, fertig November 1903, und „Mecklenburg“ (F.), begonnen am 15. Mai 1900, am 9. November beim Vulkan in Bredow bei Stettin. – Panzerkreuzer „Prinz Adalbert“, 8868 t gross, mit drei Schrauben, 16000 PS starken Maschinen, 21 Meilen Fahrt, armiert mit vier 21 cm, zehn 15 cm, zwölf 8,8 cm, zehn 3,7 cm Schnellladern, vier Maschinengewehren, acht Torpedolanciarrohren, wurde am 21. Juni auf der Germaniawerft zu Wasser gebracht. – Von leichten Schiffen kam nur Kanonenboot „Panther“ (A.) auf der Kaiserlichen Werft in Danzig am 31. März zum Ablauf. Das Fahrzeug verdrängt 900 t Wasser, hat zwei Schrauben, Maschinen von 1300 PS und eine Armierung von zwei 10,5 cm Schnellladern, acht Maschinengeschützen. Das wären vier Linienschiffe von 46400 t, ein Panzerkreuzer von 8868 t, ein Kanonenboot von 900 t, zusammen sechs Schiffe von 56168 t Deplacement. England liess sechs Linienschiffe gleichen Typs von 84000 t, zehn Panzerkreuzer dreier Klassen von 119600 t und drei kleine Schiffe von 2430 t, zusammen 19 Schiffe und Fahrzeuge von 206030 t Wasserverdrängung ablaufen. Von einem Wettbauen kann sonach deutscherseits nicht die Rede sein. Zu weiterer Aufklärung sei bemerkt, dass England gegenwärtig im Bau fünf Linienschiffe von 79000 t, sieben Panzerkreuzer von 68600 t, und zwei grosse geschützte Kreuzer von 11760 t, zusammen 14 Schiffe von 159260 t hat, gegen Deutschlands zwei Linienschiffe von 26000 t („H“ und „J“) und dem Panzerkreuzerersatz „König Wilhelm“ von 8868 t, zusammen drei Schiffe von 34868 t. Im Jahre 1900 liefen an Linienschiffen und grossen geschützten Kreuzern in Deutschland drei („Kaiser Barbarossa“, „Witteisbach“, „Prinz Heinrich“) von 31820 t ab, in England dagegen nur zwei Panzerkreuzer („Aboukir“, „Hugue“) von 24000 t, so dass an Schlachtschiffen Deutschland 1900 sogar mehr vom Stapel gelassen hat als England. Für 1899 stellen sich die Zahlen so: England sechs Schiffe von 109900 t, Deutschland zwei mit 22304 t; für das Jahr 1898 England zehn Schiffe von 118650 t, Deutschland zwei von 11770 t. Von 1895 bis 1897 liefen auf britischen Werften 26 grosse Schiffe von 398750 t Deplacement vom Stapel, gegen sechs in Deutschland von 49980 t Deplacement. Vom Jahre 1895 bis zum Januar 1902 stellen sich die Zahlen der Stapelläufe in England auf 60 Schiffe von 774900 t, in Deutschland auf 19 Schiffe von 172042 t, so dass England in dem Zeitraum der letzten sieben Jahre auf seinen Werften für eigene Rechnung fast das Fünffache geleistet hat – das möge man in Deutschland wohl bedenken. Die sechs englischen Linienschiffe deplacieren 14000 t, sind, wie alle Engländer, Zweischraubenschiffe, besitzen Maschinen von rund 18000 PS Leistung und tragen die übliche Armierung, bestehend aus vier 30,5 cm und zwar Drahtgeschützen, die in der Minute bequem einen Schuss abgeben können, also in Deutschland als Schnelllader bezeichnet werden würden, zwölf 15,2 cm, zwölf 7,6 cm, sechs 4,7 cm Schnelllader, acht Mitrailleusen und vier Lancierrohre. Uebrigens haben nach Fertigstellung dieser Schiffe 27 englische Linienschiffe fast gleiche Armierungen; sie repräsentieren eine formidable Macht. Es liefen ab: „Albemarle“ und „Montague“ am 5. März zu Chatam und Devonport; „Duncan“ am 21. März bei den Tames Iron Works in Blackwall; „Russell“ am 19. Februar bei Palmers, Yarrow on Tyne; „Cornwallis“ am 17. Juli, bei den Tames Iron Works; „Exmouth“ am 31. August bei Laird Birkenhead. Die zehn Panzerkreuzer bilden, wie erwähnt, drei Gruppen. Zwei, „Baccante“, abgelaufen am 28. Februar bei Brown and Co. und „Euryalus“ am 20. Mai bei Vickers Maxim, Barrow in Furness, sind 12000 t gross, sollen mit Maschinen von 21000 PS 21 Meilen laufen und werden im wesentlichen mit zwei 23,4 cm, zwölf 15,2 cm und vierzehn 7,6 cm bestückt. Weitere vier, „Good Hape“, abgelaufen am 28. Februar bei der Fairfield Comp. in Glasgow; „Drake“ am 5. März im Pembroke Arsenal; „Leviathan“ am 3. Juli in Glasgow; „King Alfred“ am 28. Oktober bei Vickers Maxim, sind 14100 t gross und erhalten Maschinen von 30000 PS, die ihnen 23 Meilen Schnelligkeit geben sollen. Die Armierung ist gegen die vorige Klasse um vier 15,2 cm vermehrt, so dass sie sechzehn 15,2 cm führen. Gegen die 1897 abgelaufenen, 14200 t grossen geschützten Kreuzer „Powerfull“ und „Terrible“ bedeuten sie zweifellos einen Fortschritt, obwohl ihre Armierung im Verhältnis zum Deplacement wohl noch stärker hätte sein können, eine Ansicht, die auch in englischen beteiligten Kreisen viele Anhänger gefunden hat. Die dritte Gruppe der Panzerkreuzer, ebenfalls vier Schiffe stark, besteht aus „Kent“, abgelaufen am 5. März im Portsmouth Arsenal; „Bedford“ am 31. August zu Glasgow; „Essex“ am 29. September zu Pembroke; „Monmonth“ am 13. November, London and Glasgow Comp., in Govan. Sie sind nur 9800 t gross, mit 22000 PS starken Maschinen, erhalten vierzehn 15,2 cm, zehn 7,6 cm Geschütze, also keine eigentlichen schweren Geschütze überhaupt, und sollen, wie die vorigen, 23 Meilen machen können. Sechs weitere sind im Bau, sechs kommen auf Stapel. – Von den drei anderen Schiffen ist eines die 1070 t grosse Sloop „Fantome“, abgelaufen im Sheerness Arsenal am 20. März, die anderen beiden sind die 180 t grossen Flusskanonenboote „Teal“ und „Morhen“. Am nächsten Deutschland steht Russland, das alle seine Kräfte auf die Ostseeflotte konzentriert, da es gegenüber den mehr und mehr lächerlichen Flottenverhältnissen am Goldenen Hörn unnötig ist, die Schwarze-Meerflotte noch zu verstärken, abgesehen davon, dass die Entscheidung um Konstantinopel kaum im Schwarzen Meer fällt. Russlands Ostseeflotte sendet mit geringen Ausnahmen alle gefechtsstarken Schiffe nach Ostasien, wo es Port Arthur mächtig ausbaut und dort bereits soweit vorgeschritten ist, dass im verflossenen Jahre, am 12. August, der dort gebaute, 231 t grosse Torpedobootzerstörer „Baklan“ ablaufen konnte. Da die russischen Ostseewerften den Anforderungen der aufstrebenden Marine nicht gewachsen sind, lässt Russland viel im Ausland – in Deutschland, Dänemark, Frankreich und in den Vereinigten Staaten – bauen, von England bezieht nur die Freiwillige Flotte im Schwarzen Meer, die jedoch unter Marineoffizieren steht und die Kriegsflagge führt, Schiffe. Im Jahre 1901 sind, ausser Torpedofahrzeugen und Booten, fünf Schiffe von 49642 t Deplacement abgelaufen. Davon sind drei Linienschiffe: „Cäsarewitsch“, zu Wasser gebracht am 23. Februar zu La Sayne bei Toulon, begonnen 1898, „Borodino“, abgelaufen am 8. September auf der Admiralitätswerft zu St. Petersburg, und „Imperator Alexander III.“, abgelaufen am 2. August auf der Baltischen Werft, ebenda. Der Auftrag für „Cäsarewitsch“ an eine französische Werft rief natürlich im Lande westlich der Vogesen das übliche Freudegefühl wach, und man ist sicherlich bemüht, aus diesem Schiffe etwas ganz besonderes zu machen, ein Versuch, der gerade den Franzosen bei ihren grossen Panzern in letzter Zeit vielfach, zum Gaudium der Gegner grosser „Mastodonts“, den Anhängern der jeune école, kläglich misslungen ist. „Cäsarewitsch“ ist bei 13110 t Deplacement 118,5 m lang, 23 m breit, taucht 7,9 m, hat, im Gegensatz zu den drei nächst älteren Linienschiffen, zwei, nicht drei Schrauben erhalten und soll mit 16300 PS 18 Meilen laufen. Die Pläne sind von Lagane, dem Konstrukteur zu La Sayne, und die Ablieferung ist für September 1902 in Aussicht genommen. Das Schiff erhält 20 Wasserrohrkessel, Typ Belleville, denen man in Frankreich und auch anderswo keineswegs so schlechte Eigenschaften zuschreibt, wie in England, wo sie übrigens nach Schiffbau vom 23. November 1901 mit 893900 PS 1899 eingebaut wurden, während zehn andere Nationen zusammen nur wenig mehr, nämlich 980820 PS beschafften, davon Frankreich nur 371320 PS. Die Armierung des „Cäsarewitsch“ besteht aus vier 30,5 cm, zwölf 15,2 cm, zwanzig 7,5 cm, zwanzig 4,7 cm, sechs 3,7 cm und den üblichen zwei Bootsgeschützen, in Summa 64 Geschützen, sehr ähnlich der Bestückung ganzer Reihen englischer Linienschiffe. Dazu kommen sechs Lancierrohre für 14 an Bord befindliche Torpedos, und ausserdem soll das Schiff einen Schutz gegen Torpedos erhalten, der viel besprochen ist, aber recht geheim gehalten zu werden scheint. Er soll angeblich darin bestehen, den Torpedo an um das Schiff laufenden Wänden, die vom eigentlichen Körper abgespreizt werden können, explodieren zu lassen (D. p. J. 1900 315 * 227), eine Anordnung, welche naturgemäss die Fahrtgeschwindigkeit und Manövrierfähigkeit stark beeinträchtigen muss, aber wohl etwas schützen kann, wenn nämlich diese Wand gerade aufgespannt ist, wenn das Schiff torpediert wird, und der Torpedo gerade die Stelle trifft, wo die Wand aufgespannt ist, denn selbstredend kann nur ein Teil des lebenden Werkes des Schiffes mit derartigen Vorrichtungen versehen werden. Die beiden anderen in Petersburg abgelaufenen Linienschiffe, „Borodino“ und „Alexander III.“, sind Schwestern von 13516 t Deplacement mit gleich starken Maschinen wie „Cäsarewitsch“ und auch gleicher Armierung. Sie sollen als Torpedoschutz eine 3,7 cm starke Einrichtung erhalten, welche Schiffbau vom 8. Oktober 1901 als „Wallgangschott“ bezeichnet. Beide Schiffe sollen 1903 für Probefahrtendbereitgestellt sein. Es sei hier eingeschaltet, dass nur in Deutschland der Name der Schiffe zum erstenmal genannt wird, wenn sie ablaufen. In anderen Ländern gibt man ihnen häufig schon den Namen, bevor sie noch bewilligt sind und beginnt vielleicht ein Jahr später erst mit ihrem Bau. Dadurch werden Laien häufig über die thatsächliche Stärke der Flotten getäuscht, wie das öfters bei deutschen Reichstagsabgeordneten vorgekommen ist, die beispielsweise im Reichstag das Linienschiff „Brennus“ der Flotte Frankreichs mit 18 Meilen Fahrtgeschwindigkeit erwähnten, als „Brennus“ auf Stapel gekommen war. Die Linienschiffe der Vereinigten Staaten, „Virginia“ und „Nebrasca“, die Panzerkreuzer „California“ und „South Dakota“, die geschützten Kreuzer „St. Louis“, „Milwaukee“ und „Charleston“ sind noch gar nicht begonnen, aber ihre Namen sind seit einem Jahr bekannt, die Panzerkreuzer führt Jahrbuch des deutschen Flottenvereins, 1901, abgeschlossen Oktober 1900, bereits als – im Bau an. Nimmt man eine Bauzeit von 1½ Jahr an, so hätte ein benanntes deutsches Schiff einen Vorsprung in betreff der thatsächlichen Fertigstellung nach der Namengebung von wenigstens 2 Jahren. Die anderen beiden 1901 abgelaufenen Russen sind der geschützte Kreuzer „Bogatyr“, Stapellauf am 30. Januar auf der Vulkanwerft in Bredow bei Stettin, und der geschützte Kreuzer „Bojarin“, der bei Burmeister und Wein zu Kopenhagen am 6. Juni zu Wasser gelassen wurde. Die Pläne des 6700 t grossen „Bogatyr“ entstammen einem Konkurrenzausschreiben, und das Schiff hat bei 20000 PS über 23 Meilen Fahrt geleistet. Der Zweischraubenkreuzer, der nicht weniger als sechs Scheinwerfer besitzt und bei welchem Nickelstahl als Baumaterial in reichem Masse zur Anwendung gekommen ist, trägt eine Armierung von zwölf 15 cm, 45 Kalmber lang, zwölf 7,5 cm L/50, sechs 4,7 cm Hotchkiss, zwei 3,7 cm und zwei 6,5 Baganowski-Geschütze. Der zweite in Deutschland gebaute russische Kreuzer „Bojarin“ ist nur 3200 t gross, soll bei 11500 PS 22 Meilen laufen und ist armiert mit sechs 12 cm, zwölf 4,7 cm, 3,7 cm und Mitrailleusen. – Russland hatte sich für eine kurze Zeitperiode beim Bau seiner Linienschiffe und Kreuzer dem Dreischrauben System zugewandt, drei Linienschiffe, zwei Panzerkreuzer und drei grosse geschützte Kreuzer entstanden, jedoch scheint dieses System, welchem Deutschland sich voll und ganz zugewandt hat, und wo man anscheinend recht zufrieden dareinschaut, in Russland ebensowenig Anklang gefunden zu haben wie in den Vereinigten Staaten, wo man nach einem Versuch mit den Handelszerstörern „Columbia“ und „Minneapolis“, die jedoch nicht daran denken können, einen modernen Schnelldampfer erfolgreich zu jagen, davon abkam. Nur Frankreich hat sich – merkwürdigerweise – auch zum Dreischraubensystem bekannt, zehn seiner neuesten Schlachtschiffe, teils noch in Bau und Ausrüstung, so auch die 14865 t grossen „République“ und „Patrie“, haben oder erhalten drei Schrauben, desgleichen 17 Panzerkreuzer, sieben geschützte Kreuzer, so dass also Deutschland und Frankreich in diesem Falle und alleinstehend vor allen anderen seefahrenden Stationen, gänzlich einig zu sein scheinen. Frankreich folgt Russland mit fünf Schiffen von 41404 t Deplacement; ein Linienschiff befindet sich nicht darunter, wohl aber ein fast historisches Fahrzeug, der hölzerne Transportaviso „Vaucluse“, welchen man, nachdem er 15 Jahre auf der Werft gelegen hat, zu Roquefort glücklich am 17. April hat ablaufen lassen. Der ganz und gar nicht zeitgemässe Bau bildet ein Unikum in der französischen Marine. Die anderen vier Schiffe sind der Panzerkreuzer „Desaix“, 7710 t, abgelaufen am 21. März zu Saint Nazaire; „Sully“, 10014 t, am 10. Juni bei den Forges et Chantiere de la Méditerranée la Sayne bei Toulon; „Dupetit Thouars“, 9517 t, am 5. Juli im Toulon Arsenal und „Léon Gambetta“, 12550 t, am 26. Oktober im Arsenal zu Brest. Sie sind recht verschieden, sollen aber alle mit ihren drei Schrauben, drei Maschinen, welche 17000 bis 24000 PS, je nach Deplacement, leisten sollen, 21 Meilen machen können und führen als schwere Artillerie die neuesten Modelle der Kaliber 19,4 cm, 16,5 cm, 10 cm, 6,5 cm, sowie die 4,7 cm und 3,7 cm anderer Flotten. Die Bestückung der französischen Schiffe ist von jeher eine recht reichliche gewesen; „Léon Gambetta“, von dem noch zwei Schwestern im Bau liegen, zwei demnächst in Angriff genommen werden, hat vier 19,4 cm, sechzehn 16,5 cm, vierundzwanzig 4,7 und 3,7 cm und 5 Torpedolancierstationen. Frankreich baut unruhig, ein Schiff gleicht selten dem anderen, es scheinen die Meinungen derartig schnell wechselnd zu wirklichem Einfluss zu gelangen, dass ein besonnenes, stetiges Ausbauen einmal gefasster Pläne zu den Unmöglichkeiten gehört. Die Erfahrungen mit den meisten grossen Kreuzern, so mit „d'Entrecasteaux“ in Ostasien und namentlich mit der 11330 t grossen „Jeanne d'Arc“ bei den Probefahrten sind keine glänzenden gewesen, und die einst allgemein anerkannte hohe Leistungsfähigkeit französischer Schiffskonstrukteure ist in letzter Zeit, seit einem Jahrzehnt etwa, arg ins Schwanken geraten, was sich auch bei den Plänen für schnelle Dampfer der Handelsmarine zeigt, in welcher die Flagge Frankreichs gar nicht versuchen darf in Konkurrenz mit den Schnelldampfern der Hamburg-Amerika-Linie und des Norddeutschen Lloyd zu treten, was übrigens in Frankreich auch bekannt ist und im Parlament mehrfach bedauernd zur Sprache gebracht wurde. In Italien liefen zwei Linienschiffe während des verflossenen Jahres vom Stapel, „Regina Margherita“ am 30. Mai zu Spezzia und nach 3jähriger Bauzeit – Italien baut langsam – „Benedetto Brien“ am 7. November zu Castellamare. Die Schiffe haben 13426 t Deplacement, 28 Wasserrohrkessel, Typ Niclausse, erhalten Maschinen von 19000 PS und sollen mit ihnen 20 Meilen laufen. Die Panzerung besteht zum Teil aus Nickelstahl und die formidable Armierung setzt sich zusammen aus vier 30,5 cm, vier 20,3 cm, zwölf 15,2 cm, sechzehn 7,6 cm, zwei 7,5 cm, acht 4,7 cm und vier Maschinengewehren nebst vier Torpedolancierrohren. Von 1891 bis 1901 ist, ausser diesen beiden, nur ein einziges Linienschiff, „Ammiraglio di Saint Bon“, vom Stapel gelaufen, die Flotte, einst der des Deutschen Reiches überlegen, ist längst überholt und bleibt mehr und mehr zurück. Auf Italien folgt Schweden mit drei Küstenpanzerschiffen, „Wasa“, gebaut zu Finnboda, Malmö, „Tapperheten“ zu Gothenburg und „Aeram“ zu Stockholm. Schweden wie Norwegen bemühen sich ihre Flotte auf der Höhe zu halten. In Schweden geschieht dies, in Norwegen, wo man sich im Schatten der errungenen „reinen Flagge“ sonnt, wird viel geredet und projektiert, wenig gethan. Die Schiffe sind nur 3650 t gross, erhalten zwei Schrauben, Maschinen von 5400 PS, die ihnen 15 Meilen Fahrt geben, und werden armiert mit zwei 21 cm, sechs 15 cm, zehn 5,7 cm, zwei 3,7 cm nebst zwei Lancierrohren. Seit 1891 sind ausser diesen beiden sechs ähnliche Panzer zum Ablauf gekommen, in Norwegen, welches im verflossenen Jahre keinen Stapel lauf eines grösseren Schiffes zu verzeichnen hat, vier, also die Hälfte. In Norwegen hat die Ansicht Platz gegriffen, dass sich die Küstenbildung besonders zur Verteidigung durch Unterseeboote eignet, was bei den Fjorden auch zutreffend ist. Abgesehen davon, dass ein Gegner Norwegens schwerlich in die Fjords ohne Vorsichtsmassregeln einlaufen wird, erfordert eine wirksame Verteidigung aber zahlreiche unterseeische Fahrzeuge. Vorläufig ist man dabei – vier zu beschaffen. In den Niederlanden, für Japan, Brasilien, Argentinien, Chile, in Spanien und Oesterreich-Ungarn sind keine Stapelläufe von Panzern und grossen Kreuzern zu verzeichnen, ebensowenig in der Türkei, woselbst aber ein bedeutsames Ereignis eingetreten ist. Den alten Panzer „Messudieh“ von 9120 t hat das Etablissement Ansaldo, Sestriponente bei Genua, umgebaut und neu bestückt. Er hat jetzt zwei Schrauben, kann 15 Meilen laufen und trägt jetzt zwei 23 cm L/45 Drahtgeschütze, zwölf 15,2 cm, vierzehn 7,6 cm, zehn 5,7 cm und zwei 4,7 cm, alles neueste Modelle. Der Umbau kostet etwa vier Millionen Mark, ob die bezahlt sind, scheint fraglich, denn der seit fast 2 Jahren an der Germaniawerft zu Gaarden zum Umbau liegende Panzer „Assar-i-Tefik“ ist noch gar nicht in Angriff genommen worden, weil – die Türkei nicht zahlt. Portugal brachte das 530 t grosse Kanonenboot „Tejo“ in Lissabon am 27. Oktober von der Werft. Es soll mit 7000 PS nicht weniger als 25 Meilen laufen und wird armiert mit einer 7,6 cm, sechs 4,7 cm, drei Lancierrohren. Von den aussereuropäischen Flotten hat nur die der Vereinigten Staaten Zuwachs durch Stapelläufe erhalten; vier Schiffe von 31175 t liefen abDazu kommt Linienschiff „Missouri“ von 12230 t, abgelaufen am 28. Dezember zu Navport News.. Linienschiffe „Maine“ am 27. Juli bei Cramp and Sons, Philadelphia, begonnen am 15. Februar 1899, dem Jahrestag des Untergangs der früheren „Maine“ im Hafen von Havana, und „Ohio“ amd18. Mai bei den Union Iron Works, San Francisco, dessen Kielstreckung am 22. April 1899 erfolgte. In den Vereinigten Staaten stehen die Ansichten über den Wert der Doppeltürme für die Hauptgeschütze, welche in einer Turmanlage zwei 30,5 cm, darüber wiederum zwei 20,3 cm führen, stark angegriffen da; erst der Kampf gegen einen vollwertigen Gegner kann die Lösung bringen, denn diese übermässige Verstärkung des Bugfeuers scheint zu einer Zeit, wo der Dampf eine grosse Manövrierfähigkeit gestattet, zu Gunsten der Gesamtwirkung der Artillerie doch über das Ziel hinauszuschiessen. Kaiser Wilhelm II. hat in einem Vortrag vor der Schiffbautechnischen Gesellschaft 1901 das wirkungsvolle Bugfeuer der Flotte der Liga in der Schlacht bei Lepanto (7. Oktober 1571) betont. Ein genaues Studium dieser Schlacht bestätigt das, aber einmal war die Artillerie der christlichen Galeeren an Material überlegen, ferner besser bedient und durch Abschneiden der Schiffsschnäbel wirkungsvoller gemacht, und andererseits brachte nicht die Artillerie die Entscheidung, denn die Ueberlegenheit der Ligaflotte, so durch die durchweg stärkeren spanischen Galeeren, den Besitz von sechs schweren Schiffen, war von vornherein vorhanden, durch Geschützfeuer sanken sehr wenige Galeeren der Türken, die Entscheidung im Zentrum, im Kampf der Flaggschiffe wurde nicht durch Geschützfeuer, sondern durch Entern herbeigeführt. – „Maine“ und „Ohio“ erhalten diese Doppeltürme nicht, ihre vier 30,5 cm Hauptgeschütze stehen in Türmen auf der Kiellinie. Ausserdem führen sie bei rund 12400 t Deplacement sechzehn 15,2 cm, sechs 7,6 cm, acht 5,7 cm, sechs 3,7 cm nebst nur zwei Maschinengewehren, zwei Lancierrohren. Sie sollen mit 16000 PS 18 Meilen Fahrt erreichen. Das dritte abgelaufene Schiff ist der Monitor „Florida“, der am 27. November auf der Werft zu Elizabethport (Lewis Nixon Yard, Elp., N. J.) den Helling verliess. Die starke Armierung bei geringem Deplacement, kleiner Zielfläche und verhältnismässig schwerem Panzergeschütz verschafft den Monitors immer neue Freunde, namentlich da sie auch billig sind. Man opfert dafür Schnelligkeit und Seetüchtigkeit nebst Aktionsgebiet in hohem Grade. „Florida“ trägt bei nur 3235 t Deplacement und 3,8 m Tauchung zwei 30,5 cm, vier 10,2 cm, drei 5,7 cm, sechs 3,7 cm Geschütze. Ausserdem lief am 20. September bei den Bath Iron Works der 3200 t grosse geschütze Kreuzer „Cleveland“ ab. Ihm und seinen noch im Bau liegenden fünf Schwestern gibt man, da sie als Stationsfahrzeuge dienen sollen, und keine besonders grosse Gefechtskraft gegen zur See starke Nationen entfalten sollen, nur Maschinen von 4700 PS, die 16 Meilen Fahrt dauernd garantieren. Bestückt wird „Cleveland“ mit zehn 12,7 cm, acht 5,7 cm, zwei 3,7 cm und vier Maschinengewehren. Diese Schiffe haben 9000 Meilen Aktionsgebiet gegen 5500 der deutschen Klasse „Freya“ von 5650 t, 5000 der Klasse „Gazelle“ von 2650 t, 3500 der Klasse „Bussard“ von 1575 bis 1600 t. England ist bestrebt, so stark zu sein, jeder denkbaren Koalition entgegentreten zu können. Frankreich baut nicht planvoll und ist trotz der grossen, gern bewilligten Summen in Gefahr, sehr viel altes Material in nächster Zeit zu besitzen. Russland strebt mächtig auf, und auch die Vereinigte Staaten-Flotte baut fleissig mit reichen Mitteln, obwohl sich bei ihr dieselbe Erscheinung wie in Frankreich zeigt. Das Deutsche Reich baut wie England nach bestimmten Zielen, ist bereits so weit, grosse Einheitlichkeit der Typen zu besitzen, und wird bei steter Benutzung aller erprobten Neuerungen in verhältnismässig kurzer Zeit eine achtunggebietende Flotte geschaffen haben, die allerdings weit davon entfernt sein wird, den Kampf um die Weltherrschaft aufnehmen zu können, zu welcher Aufgabe man sie in manchen Kreisen Deutschlands heute schon verwendet sehen möchte.