Titel: Moderne Dampfkesselanlagen.
Autor: O. Herre
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 213
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Moderne Dampfkesselanlagen. Von O. Herre, Ingenieur und Lehrer. (Fortsetzung von S. 45 d. Bd.) Moderne Dampfkesselanlagen. B. Flammrohrkessel. Der Flammrohrkessel hat alle Vorteile des Grosswasserraumkessels mit dem Walzenkessel gemein; ausserdem zeichnet sich aber der Flammrohrkessel durch einen relativ grösseren Verdampfungsspiegel, also durch die Erzeugung trockneren Dampfes aus. Ferner ist die Anordnung der Feuerung im Flammrohr vorteilhaft, indem durch die Innenfeuerung die Ausstrahlungsverluste vermindert werden und ein Nachsaugen schädlicher Luft im ersten Zuge, dem Flammrohre, ganz beseitigt ist. Andererseits müssen jedoch die Flammrohre behufs Unterbringung der Rostfläche einen entsprechend grossen Durchmesser erhalten, was wieder auf den Durchmesser des Mantels zurückwirkt. Die notwendigen grossen Durchmesser und die ungünstige Beanspruchung der Flammrohre auf äusseren Druck führen bei höheren Dampfspannungen zu sehr schweren und daher auch teueren Kesseln, denn die Herstellungsschwierigkeiten wachsen sehr schnell mit zunehmender Blechstärke. Auch die Raumbeanspruchung, besonders im Grundriss, ist im allgemeinen eine grosse, wenn man auch durch übereinander liegende Doppelkessel diesen Uebelstand teilweise beseitigen kann. Der Flammrohrkessel wird daher besonders dort mit Vorteil zu benutzen sein, wo schwankende Dampfentnahme einen Grosswasserraumkessel notwendig macht, wo grössere Betriebspausen selten vorkommen und ein schnelles bequemes Anheizen nicht erforderlich ist, wo die Dampfspannung nicht übermässig hoch ist, wo hochwertiger Brennstoff möglichst zweckmässig verfeuert werden soll, wo auf trockenen Dampf und möglichste Dauerhaftigkeit und geringe Reparaturbedürftigkeit der Anlage zu sehen ist, und wo schliesslich der notwendige Platz vorhanden ist. Das Flammrohr ist der wichtigste Teil des Flammrohrkessels, seine wirksamste Heizfläche. Es ist daher natürlich( dass die hauptsächlichsten Unterschiede der Flammrohrkessel in der verschiedenartigen Gestaltung des Flammrohrs zu finden sind, und dass sich die Verbesserungsbestrebungen hauptsächlich mit der zweckmässigen Formgebung des Flammrohrs befassen. Die allgemein übliche Bauart des gewöhnlichen Kessels mit glatten Flammrohren zeigen die Fig. 43 bis 47, welche einen Zweiflammrohrkessel von 120 qm Heizfläche und 9 at Ueberdruck nach der Ausführung der Firma W. Fitzner, Laurahütte, darstellen. Die beiden Flammrohre haben einen Durchmesser von 920 mm, eine Blechdicke von 15 mm und sind aus je acht Schüssen zusammengesetzt, wobei in den letzten beiden Schüssen eine Verjüngung des Durchmessers von 920 auf 822 mm, bei 14 mm Blechdicke, erfolgt. Die einzelnen Schüsse sind an den Enden umgebördelt und nach Zwischenlage eines Versteifungsringes, der zugleich Stemmring ist, vernietet. In den vorderen Schüssen ist der Planrost untergebracht, der eine Länge von 1,95 m hat, so dass die ganze Rostfläche 2 . 1,95 . 0,92 = 3,388 qm beträgt. Das Verhältnis der Rostfläche zur Heizfläche ist 1 : 35,5. Der Kesselmantel hat 2,4 m Durchmesser, 11,5 m Länge und 16,5 mm Wandstärke; er ist aus acht cylindrischen Schüssen zusammengesetzt und wird an den Enden durch gekümpelte Böden abgeschlossen, die bei 3,5 m Wölbungsradius eine Blechdicke von 26 mm besitzen. Der Dampfdom hat 1 m Durchmesser und 0,9 m Höhe; im cylindrischen Teil beträgt die Wandstärke 13 mm, im Boden 17 mm. Es sind zwei Mannlöcher 300 . 400 mm vorhanden, wovon das eine oben im Mantel, das andere unten in der vorderen Stirnwand angebracht ist. Hierdurch ist sowohl der Raum über wie unter den Flammrohren für die Reinigung leicht zugänglich gemacht, während die Flammrohre in der Mitte behufs Verkleinerung des Manteldurchmessers bis auf 200 mm nahe gerückt werden konnten. Die Speisung erfolgt am hinteren Kesselende durch ein von oben eingeführtes Rohr, welches bis zum niedrigsten Wasserspiegel geführt ist. Das Speiseventil hat 80 mm lichte Weite, das Dampfabsperrventil 140 mm und das Sicherheitsventil 65 mm. Der Kessel ruht auf fünf kräftigen Füssen mit durchbrochener Wand. Die Heizgase passieren im ersten Zuge die Flammrohre, im zweiten Zuge die beiden Seiten des Mantels und im dritten Zuge den untersten Teil des Mantels. Der letztere Teil bleibt hierdurch etwas kalt, obwohl es mit Rücksicht auf die Wasserzirkulation besser wäre, wenn gerade die untersten Schichten kräftig erwärmt würden. Es wird daher vielfach der Unterzug als zweiter Feuerungszug gewählt. Ueber dem Dampfraum des Kessels ist noch eine Isolierkammer angeordnet. Die Einmauerung hat 12,8 m Länge und 4 m Breite bei 2,35 m Höhe über Flur. Für die Reinigung der Seitenzüge und des Flammrohres sind hinten zwei Einsteigeöffnungen vorgesehen, ebenso eine am vorderen Ende für den Unterzug. Die hintere Heizkammer und die Seitenzüge sind bis auf 5 m Länge mit feuerfesten Steinen ausgekleidet. Ist die Grundfläche für die Unterbringung einer bestimmten Kesselheizfläche beschränkt, so können übereinander liegende Doppelkessel nach den Fig. 48 und 49 Anwendung finden. Diese Figuren beziehen sich auf eine ebenfalls von der Firma W. Fitzner, Laurahütte, gelieferte Kesselanlage, bestehend aus vier Doppelkesseln für je 9 at Ueberdruck und 150 qm Heizfläche. Auf einen Doppelkessel entfällt eine Einmauerungsgrundfläche von 10,7 m Länge und 3,465 m Breite, also 37,08 qm Inhalt; auf 1 qm Heizfläche kommt dann eine Grundfläche von 0,247 qm. Dagegen hat der in den Fig. 43 bis 47 dargestellte Kessel einen Grundriss von 12,8 . 4 = 51,2 qm, so dass auf 1 qm Heizfläche 0,427 qm Bodenfläche entfallen. Der Unterkessel ist mit zwei gewellten Flammrohren von 700 auf 800 mm Durchmesser, der Oberkessel dagegen mit zwei glatten Flammrohren versehen, wobei die letzteren hinten 700 mm Durchmesser besitzen und sich nach vorn auf 800 mm erweitern. Die Wandstärke ist 11,5 bezw. 13 mm. Der Durchmesser des Kesselmantels beträgt oben und unten 2,1 m, die Wandstärke 15dmm; der Oberkessel besitzt einen Dampfdom von 900 mm Weite, 700 mm Höhe und 13 mm Wandstärke. Vom Dampfdom führt die Dampfleitung in den für die vier Kessel gemeinsamen Dampfsammler von 11,8 m Länge, 0,9 m Weite und 9 mm Wandstärke. Hinten besitzt der Oberkessel einen Stutzen von 700 mm Weite und 18 mm Wandstärke, der jedoch mit dem Unterkessel keine Verbindung hat, da die Kessel mit doppeltem Dampfraum arbeiten. Durch diesen Stutzen sind die beiden Röhren für die Speisung und die Dampfabführung des Unterkessels geführt. Der Stutzen, der zum Wasserraum des Oberkessels gehört, schützt besonders das Dampfrohr vor den heissen Feuergasen und sichert ausserdem die gegenseitige Lage der beiden Kessel. Die Speiseleitung mündet hinten in den Oberkessel; von hier gelangt das Wasser durch das mit dem niedrigsten Wasserspiegel des Oberkessels abschneidende Ueberlaufrohr in den Unterkessel. Textabbildung Bd. 317, S. 214 Zweiflammrohrkessel von Fitzner. Der im Wellrohr untergebrachte Planrost hat 2,1 m Länge und ∾ 3 qm Gesamtrostfläche. Das Verhältnis der Rostfläche zur Heizfläche ist hier 1: 50, demnach etwas klein, was jedoch eine naturgemässe Folge dieser Bauart ist, da sich längere Roste nicht mehr bequem bedienen lassen. Bei massiger Beanspruchung des Kessels wird sich durch die relativ grosse Heizfläche eine weitgehende Ausnutzung der Heizgase erzielen lassen; bei sehr starker Beanspruchung dagegen dürfte die relative Kleinheit des Rostes doch fühlbar werden. Nimmt man z.B. eine Verdampfung von 28 kg pro 1 qm Heizfläche und Stunde an, so würde ein Kessel 28 . 150 – 4200 kg Dampf pro Stunde erzeugen, wozu bei 7facher Verdampfung 4200 : 7 = 600 kg Kohle oder 600: 3 = 200 kg pro 1 qm Rostfläche und Stunde verbrannt werden müssten. Zu dieser hohen Beanspruchung des Rostes tritt jetzt noch die bedeutende Länge der fünf Züge, die mehr als 46 m beträgt, so dass ein sehr kräftiger Schornsteinzug erforderlich wird. Die Unterbringung reichlich bemessener Rostflächen, die bei den einfachen Flammrohrkesseln schon gewisse Schwierigkeiten verursacht, ist bei den Doppelkesseln mit Flammrohren naturgemäss noch schwieriger; man wird daher mit Rücksicht auf die meistens notwendig werdende starke Beanspruchung der Rostfläche besondere Vorsicht bei der Bestimmung der Schornsteinverhältnisse üben müssen, denn eine mangelhafte Zugwirkung kann hier sehr bedenklich werden. Textabbildung Bd. 317, S. 214 Fig. 48. Doppelkessel von Fitzner. Die Führung der Heizgase ist aus den Fig. 48 und 49 zu ersehen. Die beiden Wellrohre bilden den Zug I; die oberen glatten Flammrohre den Zug II; die Seiten- und Bodenflächen am Mantel des Oberkessels den Zug III; die Seitenzüge am Unterkessel den Zug IV und der Unterzug am Unterkessel den Zug V. Der Dampfraum des Unterkessels ist durch feuerfeste Steine von den Zügen getrennt. Die Entwässerung der Kessel erfolgt vorn durch Stutzen. Dabei liegt die Abflussleitung des Oberkessels in den Heizkanälen, was besser ganz vermieden wird. Da sich in diesem Rohrteil leicht Schlamm festsetzt, so wäre es im Interesse der Betriebssicherheit zu empfehlen, diese Rohrleitung durch Einmauerung gegen die Einwirkung der Heizgase zu schützen. Textabbildung Bd. 317, S. 215 Zweiflammrohrkessel von Fitzner. Die Anwendung von gewellten Flammrohren weist verschiedene Vorteile gegenüber den glatten Flammrohren auf. Textabbildung Bd. 317, S. 215 Fig. 49. Doppelkessel von Fitzner. Bei den glatten Flammrohren ziehen die Heizgase parallel zur Heizfläche entlang. Der mittlere Teil der Heizgase findet daher keine Gelegenheit zur raschen Wärmeabgabe, wodurch die Verdampfungsfähigkeit des Flammrohres beeinträchtigt wird. Allerdings wird dieser Nachteil etwas gemildert, indem nach dem Verlassen des Flammrohres die Heizgase durch den Richtungswechsel wieder durchwirbelt werden, so dass sich die Temperatur wieder ausgleicht. Auch die vollkommene Verbrennung kann durch die einseitige Abkühlung im Flammrohr leiden. Wenn die Heizgase den Rost verlassen und an die Heizfläche herantreten, so ist vielfach die Verbrennung noch nicht vollständig beendet. Tritt jetzt die Abkühlung vorzugsweise an den äusseren Schichten der Heizgase ein, so ist die Temperaturerniedrigung jedenfalls grösser, als wenn alle Schichten an der Wärmeabgabe gleichmässig beteiligt wären. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass die Abkühlung an einzelnen Stellen so erheblich ausfällt, dass etwa vorhandene, noch nicht vollständig verbrannte Kohlenwasserstoffe nicht mehr die zur vollständigen Verbrennung notwendigen Temperaturen vorfinden. Ein weiterer Nachteil der glatten Flammrohre ist darin zu sehen, dass bei der Erwärmung die Ausdehnung in der Längsrichtung infolge der starren Konstruktion auf die Stirnböden der Kessel übertragen wird. Hierdurch werden besonders in den an sich schon durch die Bördelung geschwächten Anschlussstellen nicht unbeträchtliche Spannungen hervorgerufen. Auch können durch die Wärmebewegungen leicht Undichtigkeiten in den Nietstellen entstehen, wenn der Kessel häufig ausser Betrieb gesetzt wird. Für die Flammrohrschüsse, die in der Nähe der Feuerung liegen, kommt noch der Umstand in Betracht, dass sich die obere Hälfte des Flammrohres stärker erwärmt und ausdehnt als die untere Hälfte, so dass auch hierdurch Spannungen entstehen, wenn nicht eine gewisse Kompensation vorhanden ist. Textabbildung Bd. 317, S. 215 Fig. 50. Wellrohr nach dem System Morison. Diese Nachteile vermeidet das Wellrohr zum grössten Teile. Bei demselben werden die Heizgase durch die vor- und zurückspringenden Wellen in Wirbelungen versetzt, welche veranlassen, dass auch die zuerst in der Mitte befindlichen Heizgase an die Heizfläche gelangen; es ist klar, dass hierdurch die Verdampfungsfähigkeit des Flammrohres vermehrt werden muss. Die Durchwirbelung begünstigt auch die vollkommene Verbrennung. Infolge der Mischung finden die noch nicht vollständig verbrannten Bestandteile leichter den notwendigen Sauerstoff, auch wird die relativ höhere Temperatur die Verbrennung leichter ermöglichen. Infolge der Wellen ist das Flammrohr aber auch elastischer; es vermag die mit der Erwärmung verbundene Ausdehnung besser zu kompensieren, so dass die Stirnwände nur geringe Spannungen erfahren. Diese Eigenschaft ist um so wichtiger, je grösser und häufiger die Betriebsschwankungen sind, und je stärker der Kessel forciert wird. Schliesslich geben die Wellen dem Flammrohr auch eine grössere Festigkeit, so dass die besonderen Versteifungen der glatten Flammrohre überflüssig werden. Das Blechwalzwerk Schulz-Knaudt in Essen liefert Wellrohre nach dem System Morison und vollständige Wellrohrkessel als Spezialität. Die glatten Rohre werden in der Längsnaht geschweisst und dann auf besonderen Walzen mit den Wellen versehen. Fig. 50 zeigt die Abmessungen des Wellenprofils nach dem System Morison, während die Fig. 51 bis 54 die Bauart der Seitrohrkessel mit Wellrohr wiedergeben. Die seitliche Anordnung des Wellrohres hat den Vorteil, dass durch dieselbe die Wasserzirkulation begünstigt wird, indem die dünnere Wasserschicht der einen Seite schneller durchwärmt wird als die stärkere der anderen Seite. Das Wasser steigt an der schmalen Seite in die Höhe und sinkt auf der gegenüberliegenden herunter. Diese Wasserbewegung wird noch durch die besondere Art der Einmauerung unterstützt. Die Heizgase ziehen nach ihrem Austritt aus dem Wellrohre auf der Seite des kleineren Wasserquerschnittes nach vorn und auf derjenigen des grösseren Wasserquerschnittes wieder nach hinten, um dann durch den Kaminschieber in den Fuchs zu entweichen. Ein Oberzug ist nicht vorhanden. Um die Innenreinigung des Kessels bequemer ausführen zu können, sind unten am Mantel auf der breiteren Seite Tritteisen angenietet. Textabbildung Bd. 317, S. 216 Seitrohrkessel mit Wellrohr von Schulz-Knaudt. Die Heizkanäle sind durch eine Einsteigeöffnung auf der Rückseite des Kesselmauerwerkes zugänglich. Dort befindet sich auch ein Schauloch. Die hauptsächlichsten Verhältnisse der Seitwellrohrkessel nach den üblichen Ausführungen enthält die folgende Tabelle: Bezeichnungder Type DurchmesserdesWellrohres Durch-messer desMantels Kessellänge Heizfläche Wasserraum Dampfraum Spiegelfläche mm mm m qm cbm cbm qm ABC 1250/1350 2200   8,7510,0010,80 758693 16,7019,1020,60 5,706,507,00 15,617,819,2 MNO 1100/1200 2000   6,00  7,50  8,70 435463 10,3012,9015,00 2,603,103,50   9,011,213,0 RST 950/1050 1800   4,50  6,00  7,50 304050   6,08  8,2010,32 1,762,262,76   6,4  8,510,6 UVW 800/900 1600   4,00  5,00  6,00 202632   4,50  5,60  6,70 1,501,802,10   5,2  6,5  7,8 Die Firma Schulz-Knaudt führt ihre Wellrohrkessel auch mit einer rauchverhütenden Feuerung eigenen Systems aus; es sei in dieser Beziehung auf den Bericht des Verfassers: Moderne DampfkesselfeuerungenAuch als Sonderabdruck käuflich; Verlag der Polytechnischen Buchhandlung R. Schulze in Mittweida. in D. p. J. 1900 315 * 746 verwiesen, wo zwei Wellrohrkessel mit dieser Feuerung dargestellt und beschrieben sind. Zahlreiche Versuche mit Wellrohrkesseln haben nicht nur eine hohe Verdampfungsfähigkeit, sondern auch eine vorzügliche Ausnutzung des Brennstoffes ergeben. Nachstehend seien die Ergebnisse eines Verdampfungsversuches an der Kesselanlage des städtischen Elektrizitätswerkes in Nürnberg wiedergegeben, welche von dem dortigen Dampfkessel-Revisionsverein ausgeführt wurdenZeitschrift des Bayerischen Dampfkessel-Revisionsvereins, 1898 Nr. 3.. Durch den Versuch sollte ermittelt werden, ob bei den im städtischen Elektrizitätswerk Nürnberg aufgestellten Dampfkesseln, wenn sie mit einer Dampfleistung von etwa 18 kg pro 1 qm Heizfläche und Stunde beansprucht und mit Ruhrkohle geheizt werden, der Dampfpreis sich nicht höher stellt, als wenn böhmische Braunkohle von 5600 W.-E. mit 70 % Wirkungsgrad in der Dampfkesselanlage verheizt würde. Eine böhmische Braunkohle von 5600 W.-E. verdampft bei 70 % Ausnutzung \frac{5600\,\cdot\,0,7}{636,7}=6,16 kg Wasser von 0° in Dampf von 100° C. Da der Preis dieser Kohle im vorliegenden Falle mit 150 M. für 10000 kg loco Kesselhaus angegeben ist, würde sich ein Dampfpreis (Kohlenkosten pro 1000 kg Dampf) von 2,44 M. ergeben. Um diesen Dampfpreis nicht zu überschreiten, müssen daher mit 1 kg Ruhrkohle bei einem Preise von 226,60 M. für 10000 kg Kohle loco Kesselhaus wenigstens 6,16\,\cdot\,\frac{226,6}{150}=9,30 kg Dampf von 100° aus Wasser von 0° erzeugt werden. Von den zehn unter sich gleichen, in zwei Gruppen von sechs und vier Stück zusammengebauten Dampfkesseln war für den Versuch der zwischen dem ersten und dritten Kessel der ersten Gruppe liegende Kessel Vereins-Nr. 6508 gewählt worden. Sämtliche Kessel sind von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg gelieferte, mit Planrostinnenfeuerung versehene Seitwellrohrkessel von 10 at Betriebsdruck, deren wesentliche Abmessungen sich beziffern wie folgt: Länge des Kessels 10,5 m Durchmesser des Kesselmantels 2,2        „              „   Wellrohres 1,25/1,35 Benetzte Heizfläche 90 qm Rostfläche 2,12 Wasserraum 18,7 cbm Dampfraum 6,6 Verdampfungsoberfläche 17 qm Die Bauart und Einmauerung des Kessels entsprach ziemlich vollständig den Fig. 51 bis 54. Zur Heizung diente eine Ruhrfettkohle (Nuss I) von Zeche Holland, Schacht III, deren Heizwert nach dem Untersuchungsberichte der Grossh. chem.-techn. Prüfungs- und Versuchsanstalt zu Karlsruhe im Mittel aus der analytischen und kalorimetrischen Bestimmung 7759 W.-E. betrug; die Zusammensetzung der ursprünglichen Kohle war folgende: Kohlenstoff 81,63 % Wasserstoff 4,67 Sauerstoff und Stickstoff 4,89 Schwefel 0,99 Asche 4,76 Wasser 3,06 Der Versuch fand im wesentlichen nach den vom Verein deutscher Ingenieure und dem Verbände der Dampfkesselüberwachungsvereine aufgestellten Grundsätzen statt und verlief ohne jede Störung. Das Speisewasser wurde gewogen und dem Kessel in nahezu kontinuierlicher Weise zugeführt. Um einen Wärmeübergang aus einem der Nachbarkessel in den Versuchskessel zu verhindern, wurde das Dampfabsperrventil des letzteren etwas gedrosselt und der Druck im Kessel etwas höher gehalten als in den Nachbarkesseln. Kohlen und Herdrückstände wurden ebenfalls gewogen. Die Feuerungsuntersuchung erfolgte gleichzeitig am Ende des Flammrohres und am Kesselende in der Weise, dass sowohl mittels Aspiration sich über je etwa 2 Stunden erstreckende Durchschnittsproben, als auch eine grosse Zahl von Momentanproben entnommen und mittels Orsat-Apparates auf Kohlensäure und Sauerstoff untersucht wurden. Zur Bestimmung der Rauchgastemperatur diente ein Quecksilberthermometer, zur Zugmessung ein einfaches Wassermanometer. Der Kessel war innen und aussen gereinigt 4 Tage vor dem Versuche angeheizt worden. Die Heizung während des Versuches erfolgte durch den Lehrheizer des Blechwalzwerkes Schulz-Knaudt in Essen. Die Leitung und Ausführung des Versuches lag in den Händen des Vereins, welcher die erforderlichen Instrumente gestellt und drei seiner Beamten dazu abgeordnet hatte. Die Ergebnisse des Versuches sind in der nebenstehenden Zusammenstellung verzeichnet, aus welcher zu ersehen ist, dass der Kessel bei der verlangten Beanspruchung (etwa 18 kg Dampf pro Stunde und 1 qm Heizfläche) pro 1 kg der verheizten Ruhrkohle 9,33 kg Dampf von 100° aus Wasser von 0° erzeugte. Hieraus berechnet sich der Dampfpreis zu 2,43 M., also nicht höher, als wenn Braunkohle von 5600 W.-E. bei 70 % Wirkungsgrad der Kesselanlage verheizt würde. Der Wirkungsgrad von 76,6 % bei einer Verdampfung von 18,7 kg pro 1 qm Heizfläche und Stunde ist jedenfalls ein vorzüglicher; ähnliche Ergebnisse wurden bei anderen Verdampfungsversuchen gewonnen. An der Kesselanlage der Gelsenkirchener Strassenbahn wurde im November 1896 bei einer Beanspruchung von 25,65 kg pro 1 qm Heizfläche und Stunde 75,5 % Wirkungsgrad und bei einer Beanspruchung von 36,34 kg noch ein Wirkungsgrad von 70,8 % erzieltZeitschr. d. Ver. deutsch. Ing., 1897 S. 561.. Der Wellrohrkessel der Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt a. M. 1891 ergab bei einer Beanspruchung von 25 kg einen Wirkungsgrad von 73,5 % und bei einer Beanspruchung von 17,5 kg sogar 79 % WirkungsgradIbid. 1894 S. 1111.. Heizfläche des VersuchskesselsRostflächeVerhältnis der Rostfläche zur Heizfläche 90,0   qm2,12     „1 : 42,4 23. Sept.1897 Dauer des VersuchesBrennmaterial: Ruhrfettkohle Nuss I von Zeche         Holland, Schacht III    verheizt im ganzen          „       in der Stunde          „       „    „        „     auf 1 qm Rostfläche          „       „    „        „       „  1   „   HeizflächeHerdrückstände: im ganzen    in Prozenten des verheizten Brennmaterials    Verbrennliches (Kohlenstoff) in denselbenSpeisewasser: verdampft im ganzen    verdampft in der Stunde            „        „    „       „     auf 1 qm Heizfläche    TemperaturDampfspannung    ErzeugungswärmeHeizgase: Kohlensäuregehalt am Flammrohr-    ende    Kohlensäuregehalt am Kesselende    Sauerstoffgehalt am Flammrohrende               „                „   Kesselende    Temperatur am KesselendeVerbrennungsluft: Temperatur    Vielfaches der theoretischen Luftmenge am Flamm-    rohrende    Vielfaches der theoret. Luftmenge am KesselendeZugstärke: WassersäuleMauerwerktemperatur: Rückseite, zunehmend von                                        Kesseldecke,       „         „Verdampfung: a) 1 kg Brennmaterial ver-    dampfte Wasser    b) dgl. berechnet auf Dampf von 100° aus    Wasser von 0°Brennmaterialpreis: für 100 kg im KesselhausWärmepreis: für 100000 W.-E.Dampfpreis: für 1000 kg Dampf nach a)                    „   1000   „      „        „    b) Std.kg%kg° C.atW.-E.%° C.mm°C.kgM.Pf.M. 10,01838,0183,886,72,0483,54,5421,6216808,01680,818,711,29,165016,513,12,255,87307,024,01,151,447,581 bis 9356 „ 629,1459,332,26629,22,482,43 Wärmebilanz W.-E. % Nutzbar gemacht zur DampfbildungVerloren:    a) in den Herdrückständen durch unverbrannte Teile    b) im Kamin durch die freie Wärme der Rauchgase    c) durch Strahlung, Leitung, Russ und unverbrannte        Gase u.s.w. (Rest) 5944781114623 76,61,014,48,0 Summe = Heizwert des Brennmaterials 7759 100 (Fortsetzung folgt.)