Titel: Die Kraftstation II der Grossen Leipziger Strassenbahn.
Autor: Kurt Bräuer
Fundstelle: Band 318, Jahrgang 1903, S. 168
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Die Kraftstation II der Grossen Leipziger Strassenbahn. Von Ingenieur Kurt Bräuer, Lehrer am Technikum Mittweida. (Schluss von S. 154 d. Bd.) Die Kraftstation II der Grossen Leipziger Strassenbahn. Der Ekonomiser. Die Wärme der Abgase aus den Kesseln und dem Ueberhitzer wird zur Vorwarnung des Speisewassers in einem Ekonomiser verwertet, der vom Neusser Eisenwerk vorm. Rud. Daelen in Heerdt bei Neuss geliefert worden ist. Die ganze Anlage besteht aus zwei Apparaten von je 320 Röhren, die dazu dienen, stündlich 16000 l Speisewasser von 30° auf 100° zu erwärmen. Dabei ist vorausgesetzt, dass die Heizgase mit 300° C. in den Ekonomiser eintreten. Beide Apparate können sowohl einzeln, als auch zusammen arbeiten. Jeder Ekonomiser besteht aus drei Abteilungen, nämlich 8 × 12, 8 × 12 und 8 × 16 Rohren. Die letzte Abteilung von 128 Rohren liegt zunächst am Kessel. Wegen der Ausdehnung der einzelnen Apparate sind zwischen diese kupferne Kompensationsrohre oben und unten eingeschaltet. Textabbildung Bd. 318, S. 167 Fig. 17. Russchaber. Die acht vertikalen Rohre jeder einzelnen Rohrreihe sind unten und oben in gemeinsamen Horizontalrohren abgedichtet,die wiederum unter sich durch gemeinschaftliche Sammelrohre für Wasserein- und –austritt verbunden sind. Die Vertikalrohre haben etwa 100 mm lichten Durchmesser bei 2860 mm Länge, so dass also ein Rohr etwa 1 qm Heizfläche hat. Textabbildung Bd. 318, S. 167 Fig. 18 u. 19. Antrieb der Russchaber. Ein Register – das sind acht Rohre mit ihrem Ober- und Unterteil – fasst etwa 210 l Wasser. Der freie Querschnitt zwischen diesen acht Rohren beträgt 2 qm. Da nun die Rauchkanäle bezw. Drehklappen einen Durchgang von 1,6 × 1,7 = 2,72 qm haben, so muss zwischen Mauerwerk und dem Rohrsystem ein Deflektor – d. i. eine Drehklappe – von 2,9 × 0,3 m eingeschaltet werden. Zur Vermeidung der Russablagerung auf den Rohren und der dadurch bedingten Verringerung der Leistungsfähigkeit der Ekonomiser sind um die Rohre auf- und abgehende Russchaber herumgelegt, die den Russ beständig abkratzen (Fig. 17). Dieser fällt in die darunter liegenden Russkammern, aus denen er ohne Schwierigkeit entfernt werden kann. Der Antrieb der Schaber ist in Fig. 18 und 19 besonders dargestellt. Die Schaber hängen an Verbindungsbalken – diese an Ketten – und werden durch verzahnte Kettenrollen auf- und abgetrieben. Diese Rollen sind mit Schneckenrädern in einem Stück gegossen und werden von Schnecken angetrieben. Der Antrieb der Schnecken erfolgt – unter Vermittelung durch ein Kegelräder-Wendegetriebe – von einem Elektromotor. Der Energiebedarf ist etwa 2 PS. Das Umkuppeln und damit die Bewegungsumkehrung der Schaber erfolgt durch einen gewichtsbelasteten Hebel, der selbsttätig abwechselnd nach der einen und anderen Seite gelegt wird. Der Zwischenmechanismus ist in der Abbildung deutlich zu erkennen. Die Vertikalrohre sind oben und unten schwach konisch abgedreht und sitzen ohne weitere Dichtung in ihren Ober- und Unterteilen. Die Oberteile sind mit konischen Deckeln versehen, die mit Klauenschrauben festgeknebelt und abgedichtet werden; sie sind also leicht zugänglich. Die Apparate arbeiten nach dem Gegenstromprinzip. Alle 640 Rohre fassen 80 × 210= 16800 l Wasser, die bei etwa 16800 l stündlicher Wasser Verdampfung ungefähr eine Stunde brauchen, um den Apparat zu durchströmen. Bei den Abnahmeversuchen wurden die gewährleisteten Zahlen wesentlich überschritten. Es war: Wassereintritt 22° C., Wasseraustritt 120° C. (entsprechend einer Dampfspannung von etwa 2 Atm.), Erwärmung 98° C., Kohlenersparnis 15,85 v. H. Der Einbau des Ekonomisers bedeutet demnach einen wesentlichen wirtschaftlichen Erfolg. Die Anordnung der Rauchkanäle ist so getroffen, dass die Heizgase auch ohne den Ekonomiser zu durchstreichen in den Schornstein gelangen können. Die Beschaffung des Speisewassers. Die zum Kesselspeisen bezw. zum Ersatz des durch Verdunsten im Kühlwerk verloren gehenden Einspritzwassers benötigte Wassermenge wird aus dem neben dem Maschinenhaus belegenen 40 m tiefen Brunnen mittels Luftdruck in ein Brunnenwasserbassin gefördert. Die zur Erzeugung der Pressluft dienenden Kompressoren sind im Keller des Maschinenhauses aufgestellt und werden mittels Riemen und Deckenvorgelege von einem Elektromotor angetrieben. Die kurz über dem Wasserspiegel in das Steigrohr des Brunnens eingeführte Pressluft saugt das Wasser an und hebt es in das Brunnenwasserbassin. Die Anlage liefert stündlich 7 cbm Wasser und ist gebaut von der Luftdruckwasserhebungsgesellschaft Krause u. Co. in Berlin. Das zur Speisung der Kessel dienende Wasser wird aus dem Bassin von zwei ebenfalls im Keller des Maschinenhauses aufgestellten Rohwasserpumpen, System Worthington, von je 12 cbm Stundenleistung in ein grosses, im Pumpenraum aufgestelltes Hochreservoir gehoben, von dem es dann den Speisewasserreinigern zufliesst. Die Wasserreinigung und Kesselspeisung. Um das Ansetzen von Kesselstein zu vermeiden, sind im Pumpenraum zwei Wasserreiniger von je 7 cbm Stundenleistung aufgestellt. Sie sind geliefert von der Firma Hans Reisert in Köln und nach den Patenten Dervaux-Reisert ausgeführt. Die Konstruktion der Apparate ist in Fig. 2023 dargestellt, die Anordnung der Anlage aus Fig. 2 ersichtlich. Die Füllungsmittel sind: Kalkhydrat für alle doppelkohlensauren Salze und calcinierte Soda für schwefelsaure und andere Verbindungen. Der Apparat besteht im wesentlichen aus einem aufrecht stehenden, konischen Gefäss, dem Kalksättiger, dessen engster Querschnitt sich unten befindet, dem Verteilungsapparat mit dem Sodabehälter C, dem Kalkmilchbehälter J und dem Regulierbehälter R, dem mit C in Verbindung stehenden Siphon N, dem Reaktionsraum D mit dem Rohr E und dem Ablaufrohr G, dem Filter F. Die vor einer Arbeitsschicht im Behälter J durch Ablöschen und Verdünnen von gebranntem Kalk erzeugte Kalkmilch wird durch Hahn K und Rohr k unten in den Kalksättiger eingeführt, nachdem man vorher die ausgelaugten Kalkreste durch Hahn L entfernt hat. Eine stets gleichbleibende, genau eingestellte Wassermenge fliesst durch Hahn V und Rohr v unter die vorher eingeführte Kalkmasse und wirbelt diese stets auf. Das Wasser nimmt den Kalk mit in die Höhe, bis die Wassergeschwindigkeit infolge der zunehmenden Querschnittserweiterung so gering wird, dass die Kalkteilchen nicht mehr folgen. Das Wasser, das sich vollständig mit Kalk gesättigt hat (im Verhältnis 1 : 778), verlässt vollständig klar den Sättiger und fliesst durch Rohr U ab. Die zurückfallenden Kalkteilchen werden immer wieder von dem Wasserstrom erfasst und bis zur völligen Erschöpfung ausgelaugt. Aus dem Sättigungsraum tritt das Wasser in das zentrale Rohr des Reaktionsraumes D. In dieses fliesst aus dem Abteil C unter Vermittlung von Siphon N eine Sodalösung und aus dem Abteil R das zu reinigende Rohwasser (das diesem Abteil aus dem vorher erwähnten Hochreservoir zufliesst, in das es von den Rohwasserpumpen gedrückt wird). In diesem Abteil setzt sich ein Teil des ausgefallenen Schlammes nieder und wird von Zeit zu Zeit durch den Hahn W abgelassen. Das Wasser steigt stetig im Raume D in die Höhe und fliesst von oben herab durch das Rohr G über das Filter F, um darauf durch das Rohr Z und das Ventil T den Reiniger vollständig klar zu verlassen. Das Filtermaterial wird nicht erneuert, sondern von Zeit zu Zeit ausgewaschen. Dies geschieht in folgender Weise: Man öffnet Hahn X, schliesst Hahn Y, so dass das Rohwasser nicht mehr in den Behälter R, sondern von unten in das Filter treten muss. Darauf wird der Luftdruckapparat in Tätigkeit gesetzt, der Luft gleichmässig verteilt, durch das Filter drückt, wodurch das Filtriermaterial gründlich aufgewühlt und der Schlamm losgerissen wird. Das rückströmende Wasser nimmt diesen mit und führt ihn durch das Schlammabzugrohr in den Schlammkanal. Nach einigen Minuten stellt man den Luftdruckapparat ab und lässt das Wasser noch so lange nachströmen, bis es klar geworden ist. Schliesslich setzt man die Hähne X und Y wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück. Aus dem Reiniger gelangt das Wasser in einen vor dem Pumpenraum befindlichen Behälter, aus dem zwei direkt und vierfach wirkende Worthington-Pumpen, sowie zwei Restarting–Injektoren saugen. Jede Pumpe kann stündlich 12 cbm Wasser gegen 10 Atm. Ueberdruck fördern. Der Pumpenabdampf kann entweder direkt in das Freie entweichen oder durch einen Schaffstädt-Vorwärmer, der in die Speisedruckleitung zwischen Pumpen und Ekonomiser eingeschaltet ist, geleitet werden. Die Rohrleitungen. Besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt ist der Durchbildung und Anlage der Rohrleitung gewidmet worden. a) Die Hauptdampfleitung. Die Dampfsammler der Kessel geben ihren Dampf an ein gemeinsames Rohr a ab, das entweder direkt zu den Maschinen oder erst durch den Ueberhitzer b führt. Die Zuleitung q zu den Maschinen ist als Ringleitung ausgeführt, sodass jeder einzelne Kessel und jede einzelne Maschine ausgeschaltet werden kann, ohne den Dampfstrom zur Verbrauchsstelle zu unterbrechen. Wie aus dem Rohrplan Fig. 1 u. 2 zu ersehen ist, sammelt sich der Dampf aus allen Kesseln in einem über diesen liegenden Rohre von 200 mm lichter Weite, geht von hier durch den Ueberhitzer und dann in den im Kesselhause liegenden Zweig der Ringleitung, die er entweder in der Richtung im Sinne des Uhrzeigers (von oben auf die Leitung gesehen) oder entgegengesetzt durchströmen kann. Die Hauptdampfleitung ist unter Flur verlegt, die Ventile sind durch über diesem liegende Handräder zu bedienen. b) Die Frischdampf leitung zu den Pumpen und Injektoren. Textabbildung Bd. 318, S. 169 Wasserreiniger, System Dervaux-Reisert, von Reisert. Diese sind ebenfalls als Ring- bezw. Doppelleitungen ausgeführt und zwar werden die Kondensatoren and Rohwasserpumpen von einer Leitung e3, die Speisepumpen und Injektoren von einer anderen e von der ersten unabhängigen Leitung gespeist.Von dieser letzten zweigt ein Dampfrohr nach den Wasserreinigern ab zum Betriebe des Luftapparates bei der Filterreinigung. c) Die Speisedruckleitungen. Von den Rohwasserpumpen l geht eine Druckleitung t nach dem im Pumpenraume aufgestellten Hochbehälter k, wobei dieses Wasser, wie schon erwähnt, durch den Abdampf der Kondensatoren und Rohwasserpumpen vorgewärmt werden kann. Die Speisedruckleitung nach den Kesseln ist eine Doppelleitung. Der eine Zweig d1 führt durch den Ekonomiser nach einem Oberkessel jedes Kessels, der andere d geht direkt von den Pumpen in den anderen Oberkessel. Die Leitung ist mit einem Sicherheitsventil versehen. d) Die Abdampfleitungen. Die Abdampfleitungen e2 sowohl der Hauptmaschinen als der Kondensatoren x und Pumpen u sind mit Wechselventilen ausgerüstet. Die Hauptmaschinen können – wie schon oben erwähnt – mit Kondensation, sowie erforderlichenfalls mit Auspuff arbeiten. Der Pumpenabdampf kann entweder ebenfalls ins Freie entweichen, oder geht durch Schaffstädtsche Vorwärmer y und h. Die ölhaltigen Kondenswässer gehen in den Oelabscheider. Alle reinen Kondenswässer aus der Frischdampfleitung, den Wasserabscheidern i vor den Maschinen und den Hochdruckzylindermänteln werden durch eine Vorrichtung, deren Plan in Fig. 24 wiedergegeben ist, den Kesseln direkt wieder zugeführt, wodurch eine wesentliche Ersparnis bedingt ist. Textabbildung Bd. 318, S. 170 Fig. 24. Rückleitung der Kondenswässer zu den Kesseln. Die Niederschlagwässer treten, unter dem Dampfdruck stehend, in ein Rohr d von 50 mm lichter Weite, von hier gelangen sie in zwei Sammeltöpfe h, von denen jeder einzeln absperrbar ist, und werden von dem Dampfdruck in zwei über den Kesseln im Kesselhause angebrachte Apparate b gehoben. Von hier aus werden sie durch Frischdampf direkt in die Dampfsammler zurückgeführt. Auch die Kondenswasserrückleitung g ist als Doppelleitung ausgeführt. Um bei etwa eintretendem Versagen beider Apparate das sich sammelnde Wasser loswerden zu können, ist an die Sammeltöpfe ein Rohr k angeschlossen, das zum Brunnenwasserbassin führt. Auch das Kondenswässer aus den Niederdruckzylindermänteln wird in dieses Bassin abgeleitet. Die Rohre sind, soweit sich dieses machen liess, unter Flur gelegt; im Maschinenraum liegen sämtliche Rohrleitungen im Keller. In Fig. 24 bedeutet ferner: a: Die Frischdampfleitung zu den Apparaten b, c: Die Hauptdampfleitung sämtlicher Kessel, e: Sammelrohr für das Kondenswässer des Niederdruckmantels, f: Kondenswässer vom Hochdruckmantel, g:            „            „   Niederdruckmantel. Der Laufkran im Maschinenraum. Dieser hat eine Spannweite von 15,55 m, 10000 kg Tragfähigkeit, eine Hubhöhe von 6 m und wird vom Maschinenhausflur durch Handketten bedient. 2. Der elektrische Teil. Die Dynamomaschinen. Wie schon bei der Beschreibung der Dampfmaschinen erwähnt worden ist, sind die Dynamomaschinen mit diesen direkt gekuppelt, machen also 120 Umläufe in der Minute. Es kommen 6polige Nebenschlussmaschinen der bekannten U-E-G-Strassenbahntype zur Verwendung, die bei 550 Volt Klemmenspannung normal je 225 Kilo-Watt leisten. Der Anker ist mit Stabwickelung versehen, die in Nuten eingelegt ist. Zur Stromabnahme dienen Kohlenbürsten. Die Ankerwellen sind durch abziehbare, auf gusseisernen Fundamentplatten ruhende Aussenlagerböcke unterstützt. Die reine Nebenschlusswickelung wurde gewählt, weil die. Maschinen parallel mit einer Bufferbatterie auf die Aussenstrecke arbeiten, die plötzliche Stromstösse, wie sie beim gleichzeitigen Anfahren mehrerer Wagen entstehen, aufnimmt, in diesem Fall wäre also Verbundwickelung zwecklos. Die Bufferbatterie. Diese ist von den Akkumulatorenwerken Oberspree nach dem Majertschen System gebaut und besteht aus 275 Elementen mit einer Kapazität von 800 Amperestunden bei 1 stündiger Entladung. Zum Aufladen der Batterie, das etwa alle 6 Wochen erfolgt, ist eine Zusatzmaschine aufgestellt, die in Hintereinanderschaltung mit einer Dampfdynamo die Ladestromstärke der Batterie von 450 Ampere bei einer Maximalspannung beider Maschinen von 600 Volt abzugeben vermag. Die Batterie ist in dem an das Maschinenbaus anstossenden zweistöckigen Akkumulatorenhause aufgestellt.