Titel: Der neue Portaldrehkran für den Ostkai des Freibezirks des Stettiner Hafens.
Autor: Heinr. Rupprecht
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 8
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Der neue Portaldrehkran für den Ostkai des Freibezirks des Stettiner Hafens. Von Dipl.-Ing. Heinr. Rupprecht, Magdeburg. Der neue Portaldrehkran für den Ostkai des Freibezirks des Stettiner Hafens. Nachdem die städtische Hafendeputation in Stettin die Erweiterung der Krananlagen beschlossen hatte, erhielt die bekannte Kranbauanstalt von Ludwig Stuckenholz in Wetter a. d. Ruhr, die auch vor Jahren die gesamten, damals noch hydraulischen Portaldrehkrane für den Frei- und Holzhafen in Bremerhaven geliefert hat, den Zuschlag auf Lieferung eines elektrisch angetriebenen Vollportaldrehkranes für 10000 kg Tragfähigkeit bei 11,50 m Ausladung des drehbaren Auslegers. Der Kran sollte gemäss den Bedingungen ausschliesslich Zuleitung und Sandballast das Gewicht von 50000 kg erhalten, das sich mit 17000 kg auf das Portalgerüst und mit 33000 kg auf die Drehscheibe und die übrigen Konstruktionsteile verteilte; ein Unterschied von 3 v. H. nach ober- oder unterhalb dieser Grenzen wurde als zulässig gewährt. Die Gesamtanordnung des Kranes (s. Fig. 13) besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: aus dem feststehenden Portalgerüst und dem auf demselben gelagerten, drehbaren Kran. – Das gesamte Portalgerüst ist aus Schmiedeeisen hergestellt und besteht aus den beiden, als vollwandige Blechträger ausgebildeten Portalhauptträgern, die durch zweckmässige Versteifungen zu einem konstruktiven Ganzen verbunden sind. Oberhalb der Portalträger liegt zwischen denselben, auf der Südseite, eine bequeme Galerie, die mit kiefernen Bohlen abgedeckt ist und durch eine bequeme Handleiter mit zweiseitigen Handleisten ein sicheres Besteigen des Portales gestattet. Um auch die Zugänglichkeit des Kranes in jeder Stellung des Auslegers zu ermöglichen, ist der Laufsteg noch in entsprechender Weise über die Hauptportalträger fortgeführt und durch ein kräftiges, schmiedeeisernes Rundeisengeländer die Gefahr des Abstürzens der das Portal begehenden Bedienungsmannschaft vermieden. Nach der Landseite hin ist die Fläche zwischen den Portalhauptträgern nicht abgedeckt, um den freien Ausblick des Kranführers zwischen den Trägern hindurch auf das Arbeitsfeld nicht zu beeinträchtigen. Auf der mittleren oberen Fläche des Portals ist ein schmiedeeiserner Ring angeordnet, welcher die Laufschienen für die Drehrollen des Drehkranzes aufnimmt. Damit der Ring nirgends ganz frei liegt, ist eine Zwischenkonstruktion mit durchlaufenden Trägern zum Tragen des Ringes angeordnet, so dass Durchbiegen des Ringes durchaus vermieden ist. Gleichzeitig dient die Zwischenkonstruktion zur Lagerung des Mittelzapfens, der die Zentrierung des drehbaren Auslegers und des Rollenkranzes bezweckt. – Der drehbare Ausleger ist aus leichtem Fachwerk ausgebildet und trägt an seinem oberen Ende den zur Führung des Lastorgans dienenden Rollenkopf, dessen Besteigung durch eine zwischen den Trägern angeordnete Leiter ermöglicht ist. Er ist unmittelbar mit der mittels Laufrollen auf vorerwähntem Ring sich drehenden Drehscheibe verbunden, auf welcher in der Mitte zwischen der Trägerkonstruktion des Auslegers das Führerhaus mit den elektrischen Steuerapparaten und Antriebs-vorrichtungen sich befindet. Der vordere Teil des Führerhauses ist als vollständiger Glaskasten ausgebildet, um dem Kranführer einen bequemen Ueberblick über das gesamte Arbeitsfeld des Kranes zu gestatten; im übrigen ist das Kranhaus mit Pitchpineholz verkleidet und vollkommen dicht, um die Motoren und Antriebsteile gegen die Witterungseinflüsse zu schützen. Der Zugang istdurch zwei verschliessbare Türen ermöglicht, zu denen Aufstiege mit Handleitern vorgesehen sind. Dem Ausleger diametral gegenüber sitzt auf der Drehscheibe der aus Schmiedeeisen hergestellte Ballastkasten. Textabbildung Bd. 319, S. 8 Fig. 1. Von Interesse sind noch besonders die Antriebsmechanismen des Hub- und des Drehwerks. Als Lastorgan ist ein biegsames Stahldrahtseil gewählt, das sich auf eine gusseiserne Trommel mit vorgedrehten Rillen in einfacher Lage aufwickelt. Letztere erhält ihren Antrieb von einem 42 PS-Motor der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft zu Berlin, welcher in der Minute 700 Umdrehungen macht und durch drei Stirnradvorgelege auf die Trommel treibt. Das erste Vorgelege läuft in einem geschlossenen, mit Oel gefüllten Kasten. Das Heben der Last erfolgt mit elektrischer Energie, während das Lastsenken stromlos vor sich geht, und somit günstigster Stromverbrauch gewährleistet ist. Zu diesem Zwecke ist im zweiten Vorgelege das Ritzel desselben mit der Bremsscheibe verkeilt und beide sind lose auf der Achse laufend. Durch ein Klemmgesperre bekannter Konstruktion, das fest auf der Achse sitzt, wird die Bremsscheibe, bezw. das mit derselben fest verbundene Ritzel nur dann mitgenommen, sobald die Antriebswelle vom Elektromotor aus betätigt wird. Der Antrieb der Drehbewegung erfolgt vom Motor aus auf ein wagerecht angeordnetes Schneckengetriebe, dessen Achsialdruck durch Kugellager aufgenommen wird. Die senkrechte Schneckenradwelle ist nach unten verlängert und zu einer verzahnten Achse ausgebildet, die in einen Zahnkranz eingreift. Für letzteren wurde Triebstockverzahnung gewählt, weil dieselbe infolge der mit grösserer Genauigkeit ausführbaren Durchbildung gegenüber dem Antrieb mit gegossenen Zähnen vorteilhafter ist. Um dem bei derartigen Drehscheibenkranen in der Praxis sich häufig sehr rasch zeigenden Verschleiss des Druckrollenringes Rechnung zu fragen, ist für dessen rasche und bequeme Auswechslung gesorgt durch Herstellung desselben aus einzelnen Stahlgussegmenten, die mit dem schmiedeeisernen Träger einfach verschraubt sind. Die Zentrierung des ganzen Rollenkranzes und der oberen Drehscheibe ist durchden aus geschmiedetem Stahl hergestellten Königszapfen bewirkt, der durchbohrt ist, um somit in einfachster Weise die Stromzuführung zu erzielen. Als Zuleitung sind eisenbandarmierte Kabel von 310 qmm Querschnitt und 740 m Länge verwendet. Der Kran arbeitet mit folgenden Geschwindigkeiten und Motorenstärken: Heben vondes 10000 kg  5000 kgleeren Hakens mit 91836 mmm i. d. Min. Motor: 42 PSbei 700 Um-drehungen. Die Senkgeschwindigkeit kann bis zu 60 m in der Minute gesteigert werden. Textabbildung Bd. 319, S. 9 Fig. 2. Textabbildung Bd. 319, S. 9 Fig. 3. Das Drehen kann bis zu einer Umfangsgeschwindigkeit von 60 m in der Minute am Lasthaken bei einer Belastung von 10000 kg erfolgen mit einem Motor von 12 PS und 900 minutlichen Umdrehungen. Die Arbeitsverteilung sowie der Stromverbrauch des Kranes sind folgendermassen festgesetzt: a) Der Nutzeffekt der im Kran vorhandenen theoretischen Hubarbeit beträgt: für 10000 kg Last 63 v. H. 5000 kg 61 v. H. den leeren Haken 31,5 v. H. b) Der Stromverbrauch für den Lasthub beträgt: für 10000 kg Last 423 Wattstunden 5000 kg 212 3000 kg 90 den leeren Haken 17 c) Der Stromverbrauch für 130° Drehung beträgt: für 10000 kg Last 58 Wattstunden 5000 kg 55 3000 kg 53 den leeren Haken 50 d) Der Stromverbrauch für ein volles Kranspiel beträgt: für 10000 kg Last 550 Wattstunden 5000 kg 340 3000 kg 220 Leerlauf 150 Bezüglich des Stromverbrauchs für die Drehbewegung ist angenommen, dass ein Arbeitswinddruck von 20 kg/qm herrsche. Textabbildung Bd. 319, S. 10 Fig. 4. Portaldrehkran von Stuckenholz. Zum Schlusse seien noch über die Standfestigkeit des Kranes, der in Fig. 4 in Ansicht dargestellt ist, einige kurze Angaben gemacht. Der Kran kann noch, wenn auch mit geringer Ueberlastung, mit einem Winddruck von 50 kg/qm anstandslos mit voller Belastung arbeiten und der unbelastete Kran ist noch einem Winddruck von 200 kg/qm gegenüber ausreichend stabil. Die Grösse des Ballastes ist derart angenommen, dass bei grösster zulässiger Belastung der Schwerpunkt immer innerhalb des unterstützenden Rollenkranzes fällt, wodurchniemals eine Beanspruchung des Mittelzapfens auf Zug eintritt. Bei Ueberschreitung der grössten zulässigen Belastungen wird der Mittelzapfen allerdings etwas auf Zug beansprucht; die Kraft ist jedoch niemals grösser als das Gewicht des feststehenden Portales, sondern bleibt immer sehr erheblich darunter. Infolgedessen sind auch Textabbildung Bd. 319, S. 10 M. Schwerpunkt des Portales. S. unbelasteten Kranes. G. belasteten Kranes. W1. Angriffspunkt des Winddrucks auf den Ausleger mit Last W2. unteren Kranteil. die Fundamente des Kranes nie auf Zug, sondern immer nur auf Druck beansprucht. Die statische Berechnung ergibt folgende Werte: 1. Drehbarer Oberteil (Fig. 5). Textabbildung Bd. 319, S. 11 Durch Berechnung ist festgestellt, dass der Schwerpunkt des unbelasteten drehbaren Kranoberteils 1,0 m ausserhalb der Drehmittellinie liegt. Der Kran sucht um die Drehrolle a zu kippen: a) Berechnung für Vorwärtsfahren mit Last: (Winddruck = 50 kg/qm): Moment der Last = 10000 . 9,5 = 95000 kg/m des Winddruckes =     600 . 3,5 = 2100 =     900 . 2,5 = 2250 –––––––––––––––––––––––––––––––– Summe der Momente = 99350 kg/m. Moment des Eigengewichtes = 35300 . 3,0 = 105900 kg/m. Unterschied = 105900 – 99350 =6550 kg/m. Der Schwerpunkt des belasteten Kranes fällt also innerhalb der Drehrollen und zwar: \frac{10000\,\cdot\,11,5-35300\,\cdot\,3}{45300}=1,76\mbox{ m} von der Kranmitte entfernt. b) Berechnung für Rückwärtsfahren ohne Last (Winddruck = 200 kg/qm): Moment des Winddruckes =   3600 . 2,5 =   9000 kg/m. Eigengewichtes = 35300 . 1,0 = 35300 kg/m. Unterschied: 35300 – 9000 = 26300 kg/m. 2. Fundamentdrücke des Kranes mit Portal. a) Fundamentdrücke bei belastetem Kran (Fig. 6). α) Druck auf Fundament a =\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{17000\,\cdot\,4,6}{9,25}+\frac{45300\,\cdot\,4,07}{5,6}\,\cdot\,\frac{7,8}{9,25}=32030\mbox{ kg} β) Druck auf Fundament b: =\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{17000\,\cdot\,4,65}{9,25}+\frac{45300\,\cdot\,4,07}{5,6}\,\cdot\,\frac{1,45}{9,25}=9440\mbox{ kg}. b) Fundamentdrücke bei unbelastetem Kran und 200kg/qm Winddruck (Fig. 7): α) Druck auf Fundament a: \frac{3600\,\cdot\,7,3}{5,6}\,\cdot\,\frac{6,6}{9,25}= 3320 kg \frac{4000\,\cdot\,5,5}{5,6}\,\cdot\,\frac{1}{2}= 1950 kg \frac{35300\,\cdot\,3,8}{5,6}\,\cdot\,\frac{6,6}{9,25}= 17100 kg \frac{17000\,\cdot\,2,8}{5,6}\,\cdot\,\frac{6,6}{9,25}= 6080 kg ––––––––––––––– Zusammen: 28450 kg β) Druck auf Fundament b: \frac{3600\,\cdot\,7,3}{5,6}\,\cdot\,\frac{2,65}{9,25}= 1350 kg \frac{4000\,\cdot\,5,5}{5,6}\,\cdot\,\frac{1}{2}= 1950 kg \frac{35300\,\cdot\,3,8}{5,6}\,\cdot\,\frac{2,65}{9,25}= 6900 kg \frac{1700\,\cdot\,2,8}{5,6}\,\cdot\,\frac{4,6}{9,25}= 4210 kg ––––––––––––––– Zusammen: 14410 kg