Titel: Neuerungen im Wagenbau.
Autor: Kurt Arndt
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 358
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Neuerungen im Wagenbau. Von Dr. Kurt Arndt. (Fortsetzung von S. 340 d. Bd.) Neuerungen im Wagenbau. Was das Wägen selber anlangt, so pflegt man nur bis zu Hundertstel Gramm abwärts in Gewichtsstücken auf die Schale zu legen. Die Milligramme stellt man durch Aufsetzen eines Reiters auf den Wagebalken dar. Der aus Draht gezogene Reiter ist 10 Milligramm schwer, belastet also, über der Endschneide auf den Balken gesetzt, ihn mit 10 mg. Wird er halbwegs zwischen Mittel- und Endschneide aufgesetzt, so übt er dasselbe Drehmoment aus wie 5 mg auf der Wageschale. Nun ist der Balken oder ein mit ihm starr verbundenes Reiterlineal mit einer Dezimalteilung versehen, deren Anfangspunkt in der Mitte des Balkens und deren Endpunkt über der Endschneide liegt. So kann man durch Aufsetzen an entsprechender Stelle bequem die Milligramm und ihre Zehntel darstellen. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 16. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 17. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 18. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 19. Zweckmässig ist es, die Teilung mit der Maschine herzustellen und zwar nicht durch Striche, sondern durch Einkerbungen; dann kann der Reiter leicht und unverrückbar genau auf die Teilpunkte gesetzt werden. Bunge und andere lassen die Teilung über der linken Endschneide beginnen, so dass also die unbelastete Wage nur im Gleichgewicht ist, wenn der in diesem Falle 5 mg schwere Reiter auf dem Nullpunkt der Teilung steht. Ich möchte dagegen einwenden, dassman hier beim Wägen mit dem Reiter einen doppelt so langen Weg zurücklegen muss, wie bei der von der Mitte ausgehenden Teilung, was mir unbequem scheint. Die Grösse der einzelnen Skalenteile genügt bei der gewöhnlichen Teilungsweise vollkommen und Verwechslungen von + und – beim Wägen, die Bunge befürchtet, sind wohl nicht anzunehmen, da man ja den Reiter immer auf ein und dieselbe Seite des Balkens aufzusetzen pflegt. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 20. Einen anderen Vorschlag möchte ich aber machen, nämlich die Teilung nur in ganzen Milligramm, also nur in 10 Teilen, nicht, wie üblich, in 100 Teilen darzustellen. Es ist sicherer und bequemer, die Zehntel Milligramm aus dem Unterschiede des Zeigerausschlages nach der rechten und nach der linken Seite zu ermitteln, als wenn man durch kleine Verschiebung des Reiters mühselig den Zeiger auf die Mittellage einstellt. Textabbildung Bd. 319, S. 358 Fig. 21. Es genügt, die Empfindlichkeit der Wage zu bestimmen (und von Zeit zu Zeit nachzuprüfen) und den Reiter auf die ganzen Milligramme einzustellen. Schlägt dann der Zeiger um einen Bruchteil des Ausschlages, den 1 mg Uebergewicht verursacht, nach der einen Seite mehr aus, so ergeben sich daraus sofort die Zehntelmilligramme, die zu dem aufgelegten Gewichte hinzuzurechnen oder von ihm abzuziehen sind. Voraussetzung ist, dass der Schwingungsmittelpunkt der auf beiden Seiten gleichmässig belasteten Wage nicht durch irgend welche Störungen während des Gebrauches verschoben ist. Diese Voraussetzung gilt aber für jede Art der Wägung. Textabbildung Bd. 319, S. 359 Fig. 22. Textabbildung Bd. 319, S. 359 Fig. 24. Streng genommen ändert sich der Schwingungsmittelpunkt zwischen jeder Arretierung und Auslösung der Wage, weil ja die Schneiden keine mathematischen Linien sind; deshalb muss man öfter die Lage dieses Punktes zum Nullpunkt der Skala, vor der der Zeiger spielt, prüfen. Diese Veränderlichkeit bewirkt auch, dass man bei peinlicher Verschiebung des Reiters doch nicht zu einer theoretisch genaueren Wägung gelangt als wenn man die Zehntelmilligramme aus dem Ausschlage schätzt. Im Gegenteil schadet man durch das öftere Arretieren der Wage und vergeudet Zeit. Textabbildung Bd. 319, S. 359 Fig. 23. Textabbildung Bd. 319, S. 359 Fig. 25. Textabbildung Bd. 319, S. 359 Fig. 26. Ist das Reiterlineal nur in 10 Teile geteilt, so wird der Anfänger gezwungen, nach der zweckmässigeren Methode zu wägen. Für gewöhnliche chemische Wägungen genügt es, zwei Ausschläge nach der einen und den dazwischen liegenden Ausschlag nach der entgegengesetzten Seite zu beobachten, um aus dem Unterschied, den das Mittel der beiden Ausschläge auf der einen mit dem Ausschlag auf der anderen Seite zeigt, die Zehntelmilligramme zu finden. Textabbildung Bd. 319, S. 360 Fig. 27. Die Schwingungsbeobachtungen werden durch ein kleines Gebläse sehr erleichtert, das Rueprecht unterhalb der Wageschale anbringt. Eine Metallhülse geht durch den Boden des Wagekastens und endigt unter der linken Wageschale in einer feinen Spitze; aussen ist die Hülse mit einem Gummigebläse verbunden, so dass beim Drücken auf den Gummiball ein feiner Luftstrahl die Schale trifft und die Wage, wenn sie ausgelöst ist, in Schwingungen versetzt. Durch Drücken bei entgegenschwingender Wageschale kann man zu grosse Schwingungen nach Belieben dämpfen. Die Verschiebung des Reiters wird bei geschlossenen Wagekasten von aussen durch eine: Stange mit Ausleger besorgt, der in ein Oehr oben am Reiter eingreift. Bei unvorsichtiger Handhabung kann der Reiter leicht herunterfallen, wodurch eine sehr unliebsame Störung beim Wägen entsteht. Rueprecht versieht deshalb die Reiterverschiebungmit einem Anschlag, der sie sicher in die Mitte des Reiteröhrs führt. Richter bringt eine Klaue an (Fig. 16), die den Reiter festhält, sich aber von selber hebt, wenn der Reiter auf der Teilung sitzt. Verbeek hat eine ganz ähnliche Einrichtung; Fig. 17 bis 19 zeigen sie in drei verschiedenen Augenblicken. Der senkrechte Strich rechts bedeutet die Rückwand des Wagekastens, an die ein Winkelhebel anstösst, sobald das Aufsetzen vollendet ist, so dass nun die festhaltende Klaue sich hebt und den Reiter freigibt. Wird der Reiter vom Wagebalken abgehoben, so legt sich gleich wieder die Klaue auf und hält ihn fest. Nemetz (Wien) hat eine noch verwickeltere Einrichtung zum gleichen Zwecke getroffen. An seiner mit Zahn und Trieb auch senkrecht zu bewegenden Reiterverschiebung hängt mit einem Fortsatz l (Fig. 20) ein Drahtdreieck f, das einen federnden Fortsatz k hat; auf diesen wird die längliche Oese des Reiters r gestreift, die sich beim Zurückfedern von k in den unteren Dreieckswinkel i einhängt. Beim Spiel der Wage bietet die lange Oese des Reiters dem Draht f genügenden Spielraum. Textabbildung Bd. 319, S. 360 Fig. 27a. In dem Bestreben, Gewichte bei geschlossenem Wagekasten aufzulegen, ist man weiter gegangen und hat Vorrichtungen angebracht, die gestatten, auch schwerere Gewichte von aussen her aufzulegen. Am einfachsten findet sich Sauter mit dieser Aufgabe ab, indem er Reiter bis zu 0,5 Gramm Gewicht benutzt, die auf einen Träger am rechten Gehänge aufgesetzt werden (vergl. Fig. 11 und 13). Die nicht gebrauchten Reiter lagern auf einem Drahtbogen neben diesem Träger (Fig. 21). Sartorius lässt durch Knöpfe, die sich an der Aussenseite des Gehäuses befinden je einen Arm, der ein Gewicht trägt, mittels Trieb bewegen. Die Schalen, auf die die Gewichte aufgelegt werden, sind so durchbrochen, dass die Arme frei hindurchgehen, während die Gewichte sich auf die Schalen legen. An den Knöpfen ist die Grösse der durch sie bewegten Gewichte abzulesen (Fig. 22). Bei Bunge werden die Gewichte in der Art aufgesetzt, dass ein mit dem Werte des Gewichtes bezeichneter Stift nach links bis zu einem Anschlag verschoben, dann eine Kurbel aus einer durch Federeingriff fühlbar gemachten in eine durch Anschlag begrenzte Lage gedreht und drittens der Stift bis zum Anschlag nach rechts zurückgezogen wird. Beim Abheben der Gewichte beobachtet man die umgekehrte Reihenfolge der Handlungen (Fig. 23). In hübscher Weise löst Rueprecht die Aufgabe, bei geschlossenem Gehäuse die Gewichte aufzulegen (Fig. 24, 25 und 26). Ueber der gewöhnlichen Wageschale ist an demselben Gehänge noch eine zweite Schale in Form einer durchlöcherten Platte angebracht. Durch die Löcher dieser Platte gehen Spiesse, auf denen Drahtgewichte von 0,5 bis 0,01 Gramm ruhen; die Form der Gewichte zeigt Fig. 25. Vorn am Wagekasten befindet sich eine Reihe von Knöpfen; ein leichter Druck auf einen solchen Knopf senkt mittels eines Hebelwerkes einen Spiess, der frei durch sein Loch in der Platte hindurchgeht, aber das von ihm getragene Gewicht auf ihr ablegt. Soll das Gewicht dort liegen bleiben, so wird durch denselben Fingerdruck eine Messingzwinge etwas gegen den Wagekasten verschoben, wodurch der Hebel in seiner tiefen Stellung festgehalten wird. Beim Abziehen der Zwinge steigt der Hebel von selber auf und hebt das Gewicht wieder von der Wageschale ab. Eine weitere Erleichterung des Wagens ist eine Vorrichtung, die die Empfindlichkeit der Wage rasch zu ändern erlaubt. Zu diesem Zwecke versieht Rueprecht die Zunge der Wage (Fig. 24) mit einer kegelförmigen Verdickung. Auf diese Verdickung können durch Drehung eines Schlüssels bei geschlossener Wageschale zwei rechteckige Messingplatten aufgelegt werden. Dadurch wird der Schwerpunkt des Wagebalkens beträchtlich tiefer gelegt und die Empfindlichkeit entsprechend vermindertund zwar derart, dass 1 g Uebergewicht an der Skala genau zehn Teilstriche Ausschlag gibt. Wird durch Rückwärtsdrehung des Schlüssels die obere der beiden Platten abgehoben, so ist die Empfindlichkeit verzehnfacht, so dass 0,1 g zehn Teilstriche Ausschlag gibt. Durch weitere Rückwärtsdrehung des Schlüssels wird auch die zweite Messingplatte von der Zunge abgehoben und die gewöhnliche Empfindlichkeit der Wage wiederhergestellt, bei der nun die Milligramme durch Verschiebung des Reiters bestimmt werden. Eine selbsttätig wirkende Sicherheitssperre verhindert die Bewegung der beschriebenen Vorrichtung bei schwingender Wage. Eine ähnliche Erleichterung des Wagens soll eine Vorrichtung sein, die Bunge an einer analytischen Wage anbringt, um das Gewicht einer auf die linke Wageschale gesetzten Substanz sofort in Grammen abzulesen. An der Rückwand des Gehäuses (Fig. 27) ist eine Skala angebracht, vor der ein langer Zeiger spielt, dessen kurzer Hebelarm mit einem Haken in eine Oese an der rechten Endschneide des Wagebalkens eingehakt werden kann. Ist so die Verbindung mit der Wage hergestellt, dann gibt dieser Zeiger an seiner Skala das betreffende Gewicht in ganzen Gramm durch einmaligen Ausschlag an. Nun hakt man den Zeiger aus, setzt die abgelesene Anzahl Gramm auf die rechte Schale und bestimmt in üblicher Weise die Bruchgramme. Eine ähnliche Einrichtung fertigt Bekel, auch Reimann hat kürzlich eine „chemische Schnell wage“ sich patentieren lassen, bei der übrigens der Wagebalken durch einen an der Deckplatte des Gehäuses befestigten Träger getragen wird, so dass die Wageschalen ganz nahe aneinander rücken können; ferner wird bei dieser Wage die Arretierung durch Heben oder Senken der Schiebetür betätigt (Fig. 27a). (Schluss folgt.)