Titel: Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb.
Autor: Hans A. Martens
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 513
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Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb. Von Regierungsbaumeister Hans A. Martens. (Fortsetzung von S. 489 d. Bd.) Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb. In mannigfacher Weise hat der Eisenbahnbetrieb, wie er sich auf den Stationen abspielt, die Hebezeuge nach Grösse und Gestalt beeinflusst. Teilweise ist das Hebezeug sogar zu einer Hilfsvorrichtung im Verschiebedienst geworden, um neben der Hubarbeit noch ähnlichen Zwecken, zu denen die Schiebebühnen, Drehscheiben und Weichen dienen, gerecht zu werden: Derartige Hebezeuge ersparen bei ungünstigen örtlichen Verhältnissen kostspielige Rampen mit Gleisentwicklungen, die vielfach sogar nicht einmal möglich sind. Zu diesen Hebezeugen gehören die fast ausschliesslich für Wagen ausgeführten Hubbühnen; sie finden sich vorzugsweise an Hafenanlagen und auf industriellen Werken. Der Betrieb gestaltet sich so, dass die Wagen durch Lokomotiven, Pferde oder Spills den Bühnen zu- und von ihnen abgeführt werden und einzeln oder zu zweien gehoben oder gesenkt werden. Der Antrieb ist mechanisch - zwangläufig. Die Hubhöhe meist gering, wischen 2 und 5 in schwankend. Textabbildung Bd. 319, S. 513 Fig. 14. Hydraulischer Eisenbahnwaggonaufzug der Peniger Maschinenfabrik und Eisengiesserei Aktiengesellschaft, Abteilung Unruh & Liebig, Leipzig. Ein Beispiel für ein hydraulisches Hebewerk für Wagen von 25000 kg Tragkraft und 3,6 m Hubhöhe ist in Fig. 14 dargestellt, welches von der Peniger Maschinenfabrik und Eisengiesserei, Abteilung Unruh& Liebig, Leipzig, für eine Leipziger Bierbrauerei entworfen worden ist. Bei der Anlage wird das Druckwasser nicht einer Zentrale entnommen, sondern eigens durch eine elektrisch angetriebene Druckpumpe erzeugt. Die Einrichtung einer Druckwasserkraftanlage ist zu bekannt, als dass sie hier näher beschrieben werden müsste. Die Hebebühne wird von einem einzigen Tauchkolben getragen. Die Bühne selbst wird aus Formquerträgern mit kräftigen Seitenschilden gebildet, die auch die Führung übernehmen. Zum Heranholen der Wagen dient ein Spill. Die Wagen laufen in derselben Richtung von der Bühne weiter, in der sie zugeführt wurden. C. Hoppe, Berlin, hat s. Z. eine Hebebühne gebaut, bei der während des Hebens gleichzeitig eine Drehung der Bühne um einen gewissen Winkel stattfand. Zu diesem Zweck lief ein an der Bühne angebrachter kräftiger Dorn in einem steilen Gewinde, wodurch die Drehung erzwungen wurde, so dass das nachträgliche Drehen auf einer Drehscheibe – und diese Selbst – erspart wurde. Zu dieser immerhin nicht einfachen, viel Kraft verbrauchenden Bauart wird man indessen in den wenigsten Fällen durch die Oertlichkeit gezwungen werden, da diese meist die beiden Zufahrtsgleise zur Bühne in einer Richtung zu legen gestatten wird. Textabbildung Bd. 319, S. 514 Fig. 15 u. 15a. Elektrischer Eisenbahnwaggonaufzug mit Schiebebühne der Peniger Maschinenfabrik und Eisengiesserei Aktiengesellschaft, Abteilung Unruh & Liebig, Leipzig. Steht elektrische Energie zur Verfügung, so wird die Bühne mit allen Vorteilen des elektrischen Betriebes nach dem System der Spindelaufzüge gebaut. In Fig. 15 und 15a ist eine elektrische Hebebühne, ebenfalls von Unruh & Liebig gebaut, von 20000 kg Tragkraft und 2,0 m Hubhöhe dargestellt. Sie wird von vier Schraubenspindeln getragen, deren Muttern an der Bühne befestigt sind. Die Spindeln sind sämtlich unter einander durch Wellen und konische Räder verbunden und werden mittels Vorgelege durch einen Motor von 7 PS angetrieben. Für richtiges Anhalten in den Endstellungen sorgt eine selbsttätige Ausrückung. Die Bühne ist in einfachster Weise aus Walzträgern zusammengebaut. Der Betrieb gestaltet sich sehr sicher infolge der selbsthemmenden Spindeln. In eine besondere Gruppe gehören die Hubvorrichtungen, welche beim Uebergang der Eisenbahnfahrzeuge vom Land aufs Wasser, bei den Anlegepunkten der Eisenbahnfähren, in Gebrauch sind, um den infolge des schwankenden Wasserstandes bestehenden Höhenunterschied zwischen diesen und dem Festland zu überwinden. Bei einigen Fähranlagen hatte sich eine Bauart eingebürgert, bei der eine im Hafengleis liegende Bühne von einem mechanisch angetriebenen Kran gehoben, geschwenkt und auf das Fährschiff abgesetzt wurde, auf dem dann der Wagen von der Bühne abgerollt wurde. Textabbildung Bd. 319, S. 515 Fig. 16. Spill der Benrather Maschinenfabrik. Diese Bauart und Hebebühnen sind aber wegen des zeitraubenden Betriebes und der Unmöglichkeit längere Wagen überzusetzen, verdrängt worden durch Uebergangsbrücken mit mechanischem Antrieb und Gegengewicht oder Uebergangswagen, Welche den Uebergang ganzer Züge in kurzer Zeit und mit grösserer Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Auf diese kann hier jedoch nicht näher eingegangen; obwohl sie Höhenunterschiede ausgleichen, so geschieht die Einstellung vorAuffahrt des Zuges auf dieselben, so dass also von einer Hebevorrichtung im eigentlichen Sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Im Anschluss hieran sollen die Spills der Besprechung unterworfen werden. Ursprünglich eine Hebevorrichtung, die namentlich im Schiffsbetrieb Verwendung findet, hat sie diesen Charakter im Eisenbahnbetriebe gänzlich verloren, wo das Spill als Ersatz für Lokomotiven, Pferde oder menschlische Kraft zum Verschieben von Wagen auf bestimmten Gleisen auf begrenzte Entfernung verwendet wird. Gleichzeitig dient es dann bei Hafenanlagen zum Verholen der Schie. Im Beginn seines Auftretens hydraulisch angetrieben, wird es in den letzten Jahren ebenfalls mit elektrischem Antrieb ausgerüstet. Ein von der Benrather Maschinenfabrik gebautes Spill zeigt folgende Ausführung (Fig. 16). Der Antrieb erfolgt durch Schneckengetriebe, dessen Schnecke a mit dem Motor b wie üblich gekuppelt ist. Die aufrechte Welle c des Schneckenrades ist nur durch Klauenkupplung d mit der Welle e der aufrechten Spilltrommel verbunden, sodass nach Lösen der Deckelbefestigungsschrauben der Deckel nebst Spilltrommel leicht abgehoben werden kann. Die Trommelwelle ist in Rotgussbüchsen gelagert. Die Trommel ist ebenfalls leicht von der Welle abziehbar und bei den Spills von 1000 kg Zugkraft und darüber zweihäuptig; das untere Haupt dient zur Aufnahme des Seils bei Regelgeschwindigkeit und Zugkraft, das obere ermöglicht bei kleinerem Durchmesser mit geringerer Zuggeschwindigkeit eine höhere Zugkraft. Grosser Wert ist auf die Ausbildung des Gehäuses g gelegt worden: Es ist aus einem Stück gegossen, starkwandig mit kräftigen Versteifungsrippen. Der sorgfältig aufgepasste, die Trommel tragende Deckel h ist mit Schrauben auf dem Gehäuse befestigt und mit Gummizwischenlagen wasserdicht abgedichtet; nur so ist vollkommene Sicherheit gegen Eindringen von Feuchtigkeitgewährleistet. Der geeignetste Motor ist der Gleichstrom = Hauptstrommotor infolge seiner hohen Anzugskraft und erhöhter Geschwindigkeit bei geringer Belastung; jedoch ist Drehstrom nicht ausgeschlossen und auch schon zur Anwendung gelangt. Je nach den örtlichen Verhältnissen werden bei den Regelausführungen der Spills die Steuerschalter mit Zubehör im Gehäuse selbst oder ausserhalb an passender Stelle in der Nähe angebracht. Bei innenliegender Steuerung ist die Welle i der Fahrschalterwalze mit einem Zapfen k gekuppelt, der im Deckel des Spillgehäuses mit Stopfbüchsen gedichtet ist und einen Vierkant-Ansatz hat. Auf diesen Ansatz passt ein Steckschlüssel, durch den der Schalter bedient wird. Die Anlasswiderstände befinden sich ebenfalls im Gehäuse, das nun mit allen zum Betriebe gehörenden Teilen und Apparaten ein vollständiges Ganzes bildet. Textabbildung Bd. 319, S. 516 Fig. 17. Spill mit aussenliegender Steuerung der Benrather Maschinenfabrik. Textabbildung Bd. 319, S. 516 Fig. 17a.Umkehrrolle. Für die Spills mit aussenliegender Steuerung (Fig. 17) wird Anlasswiderstand und Steuerschalter an beliebiger, geschützter Stelle angeordnet und mit dem Motor durch Kabel verbunden. Die Bedienung der Anlass- und Steuerapparateerfolgt durch Kurbel oder Hebel. Eine Verankerung des Spills ist wegen seines Eigengewichts nicht erforderlich; es wird in leichterem oder schwererem Grundgemäuer unmittelbar eingemauert. Das Werk baut die Spills mit einer Zugkraft von 300 bis 5000 kg bei einer Zuggeschwindigkeit von 60 bis 15 m in der Minute als Regelkonstruktionen mit kürzester Lieferzeit. Eine besondere Verwendung findet das Spill beim Heraufziehen von Wagen auf Schiebebühnen. Die Spilltrommel ist in diesem Fall durch ausrückbare Kupplung mit dem Fahrtriebwerk der Bühne verbunden. Um auch Fahrzeuge vom Spill weg mechanisch bewegen zu können, wird das Zugseil um eine Umkehrrolle (Fig. 17a) geführt, wobei dann die Seillänge gleich dem doppelten nutzbaren Weg sein muss. (Fortsetzung folgt.)