Titel: Versuche über die Formänderungen von rotierenden Rädern.
Autor: Wz.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 113
Download: XML
Versuche über die Formänderungen von rotierenden Rädern. Versuche über die Formänderungen von rotierenden Rädern. Rotierende Teile spielen in dem gesamten Maschinenbau eine sehr einflussreiche Rolle. In Form von Schwungrädern dienen sie als Arbeitsspeicher, indem sie die periodisch auftretenden Störungen in der Gleichförmigkeit des Ganges der Maschinen auf ein entsprechendes Mass zurückführen. Bei elektrischen Maschinen und besonders in dem jüngsten Zweig der Maschinentechnik, dem Dampfturbinenbau, bilden sie wichtige Konstruktionsteile mehr passiver Art, indem sie als Träger der Energieumwandler, der Wicklungen und Schaufeln, verwandt werden. Ein weiteres Gebiet für die Benutzung schnell rotierender Teile sind die Bearbeitungsmaschinen, und schliesslich sind noch die Riemenscheiben zu nennen. Die Forderung billiger Anschaffungskosten und Arbeit führte bei den Kraftmaschinen zu grossen Maschineneinheiten und hohen Tourenzahlen, also schweren Schwungmassen mit hohen Umfangsgeschwindigkeiten, während bei den Bearbeitungsmaschinen die bessere Ausnutzung der Zeit und die Eigenart der Arbeitsmethoden höhere Geschwindigkeiten verlangte. Mit der Steigerung dieser Faktoren wuchs aber auch das Bedürfnis nach der Kenntnis der Beanspruchung rotierender Teile im Hinblick auf die Sicherheit des Betriebes. Wenn man nun auch der rein theoretischen Forschung die Bedeutung zugestehen muss, dass sie die Grundlage zu einer zielbewussten Fortentwicklung der Technik bildet, so ist doch der Versuch zur Kritik der „vereinfachenden Annahmen“, die selbst bei den einfachsten theoretischen Spekulationen gemacht werden müssen, unumgänglich notwendig. Ueber rotierende Massen sind bisher wenig Versuche gemacht worden. BenjaminTrans. Am. Soc. Mech. Eng. Vol. XX, 209. führte im Jahre 1898 und später einige Reihen von Versuchen aus, die sich auf die Feststellung der zum Bruch führenden Tourenzahl bei kleinen Modellen von marktgängigen Schwungradtypen beschränken. Seine Versuche zeigten deutlich die Schwächen der einzelnen Bauarten, so z.B. den ausserordentlich ungünstigen Einfluss der Teilung der Räder innerhalb der Segmente. Für die Theorie war aber mit seinen Ergebnissen nicht viel gewonnen. Für sie können nur Versuche unter gleichzeitiger Feststellung der Formänderungen Wert haben. Die Schwierigkeit derartiger Formänderungsmessungen liegt auf der Hand. S. H. BarracloughProc. Inst. Civ. Eng. Vol. 150, Part IV. hat nun unter geschickter Benutzung des bekannten Martensschen Spiegelapparates einen sehr sinnreichen Apparat konstruiert, der durch zahlreiche Vorversuche auf eine Form gebracht wurde, die einwandsfreie Messungen verbürgt. Die Anordnung ist in Fig. 1 schematisch angegeben. In einem sehr kräftigen Maschinengestell, das auf starkem Fundament ruht, ist das Schwungrad auf senkrechter Welle derart gelagert, dass eine genaue wagerechte Einstellung möglich und jede andere Bewegung als die rotierende ausgeschlossen ist. In der Mitte des zu untersuchenden Rades, das sehr sauber bearbeitet und genau ausgeglichen sein muss, sitzt das Stahlprisma p des Martensschen Spiegelapparates, der hier in etwas veränderter Bauart (s. Fig. 1a) zur Anwendung gelangt. Ueber dieses Prisma ist die sogen. Messfeder f gelegt, die mit ihrem rechten, schneidenartigen Ende in einer feinen Strichmarke bei a fest auf dem Schwungrade aufliegt, während der Teil links vom Prisma p lediglich zur Gewichtsausgleichung der Feder dient, für die Messung an sich also nicht in Frage kommt, sondern lose über die Auflagefläche hinweggleitet. Um nun Prisma, Messfeder und Rad zu einem System zu verbinden, verwendet man zwei einfache Gummibänder b, die auch durch leichte Spiralfedern ersetzt werden können. Textabbildung Bd. 320, S. 113 Fig. 1. Textabbildung Bd. 320, S. 113 Fig. 1a. Die Feder f folgt der radialen Bewegung der Strichmarke a bei Formänderung des Rades. Hierbei kippt das Prisma p, der an letzterem befestigte Spiegel s (s. Fig. 1a) dreht sich und der vom Ablesefernrohr T ausgehende, vom Spiegel reflektierte Sehstrahl wandert längs der von hinten beleuchteten Glasskala G. Sein Weg zeigt also die Grösse der Relativbewegung der Marke a gegen den Stützpunkt des Prismas, d.h. die Formänderung des Schwungrades an, wobei das Verhältnis zwischen der veränderten Ablesung und der Formänderung von der Breite des Prismas und der Entfernung des Spiegels von der Skala abhängt. Nun dreht sich aber der Spiegel mit der Scheibe. Der Lichtreiz auf die Netzhaut im Auge des Beobachters besteht daher aus einer Reihe rasch folgender, kurzer Reizungen, die das Auge zwar zu einem kontinuierlichen Lichteindruck verbindet, nicht aber zu einem scharfen Bilde zusammensetzen kann. Man kann sich das an einem glimmenden Streichholz klar machen, das man schnell hin und her schwenkt. Eine genaue Ablesung des Wertes auf der Glasskala ist also ohne weiteres nicht möglich. Bringt man nun auf der Glasskala einen mit Feineinstellung versehenen Schieber S an, mit dem man dem wandernden Sehstrahl folgen kann, so wird im Gesichtsfelde ein heller, von hinten belichteter und ein dunkler, vom Schieber bedeckter Teil erscheinen, dessen Grenzlinie sich durchaus scharf kennzeichnet. Wegen der unvermeidlichen Unregelmässigkeiten in der Tourenzahl und infolge von Schwingungen des Systems wird es aber im Augenblik der Messung nicht möglich sein, diese Grenzlinie mit der Ablesemarke im Fernrohr zur Deckung zu bringen. Sie wird vielmehr zu weit oben oder unten liegen. Versieht man nun das Okular mit einer Teilung, deren Intervalle gleich gross erscheinen wie die der Glasskala, so hat man nur die Glasskalenwerte mit den am Okular abgelesenen Betrag zu korrigieren. Diese korrigierten Werte sind jedoch erst die Unterschiede zwischen den Dehnungen des Versuchsobjektes und denen der ebenfalls der Einwirkung der Zentrifugalkraft unterworfenen Messfeder. Die letzteren Deformationen sind aber rechnerisch einfach festzulegen, da es sich hier nur um einfache Formen handelt. Man hat nur die Materialkonstanten vorher zu ermitteln. Der Antrieb der Scheiben geschah durch scharf gedrehte Lederschnur unter Verwendung einiger Vorgelege; dadurch erreichte man neben erheblicher Geschwindigkeitsabstufung eine grosse Gleichförmigkeit und Sanftheit des Ganges. Die Untersuchungen wurden mit Geschwindigkeiten zwischen 0 und 1000 Umdrehungen i. d. Minute ausgeführt. Um die Umdrehungszahl des Rades im Augenblick der Formänderungsmessung zu ermitteln, wurden die Schwingungen einer elektrisch erregten Stimmgabel von bekannter Schwingungszahl, die als Unterbrecher eines Stromkreises arbeitete, auf eine Trommel aufgezeichnet, auf der zugleich jede Umdrehung des Rades elektrisch mittels eines einlamelligen Kommutators angemerkt wurde. So konnte man bequem die während einer Umdrehung erfolgten Schwingungen auszählen und dadurch die Tourenzahl genau ermitteln. Barraclough untersuchte auf diese Weise nur ein Rad, während Boyd folgende Versuche ausführte, auf deren Ergebnisse näher eingegangen werden soll. Untersucht wurden je ein drei-, vier- und sechsarmiges Rad mit geraden Armen, ein vierarmiges Rad mit gekrümmten Armen, ein vierarmiges Rad, in der Mitte des Segmentes geteilt, und ein vierarmiges Rad, in der Mitte der Arme geteilt. Die Abmessungen waren bei allen Rädern angenähert die folgenden: Mittlerer Raddurchmesser = 600 mm KranzdickeKranzbreite rechteckigerQuerschnitt =   14=   30 ArmdickeArmbreite rechteckiger Quer-schnitt mit Halbkreisen =   11=   40 Nabendurchmesser =   75 Nabenlänge =   51 ∾ Gewicht eines Rades =   10 kg Für die Arme wurden die durch Beobachtung und Berechnung gefundenen Formänderungen zu einem Schaubild aufgetragen; sie zeigen für das dreiarmige Rad leidliche Uebereinstimmung, während bei dem vier- und sechsarmigen Rad sich sehr erhebliche Unterschiede ergeben. Für 960 Umdrehungen i. d. Minnte sind z.B. die beobachteten Dehnungen um rund 20 v. H. grösser als die errechneten. Hier hat also die Theorie einzusetzen und durch genauere Rechnung eine grössere Anschmiegung an die durch wiederholte Nachprüfung zu bestätigenden Versuchsergebnisse zu erreichen. Die nach der jetzigen Theorie konstruierten Räder würden zu leicht gebaut sein. Die Beobachtungsreihen zeigen gute Gesetzmässigkeit, wenn auch einzelne Abweichungen vorkommen, die vorläufig nicht erklärt werden konnten. In Fig. 27 sind die Ergebnisse für die minutliche Umdrehungszahl von 840 übersichtlich dargestellt. Die beigeschriebenen Zahlen bedeuten die Formänderungen in mm. 10-4. Während das Rad in 1/20 natürlicher Grösse aufgezeichnet ist, sind die Formänderungen im hundertfachen Masstab eingetragen. Textabbildung Bd. 320, S. 114 Schematische Zusammenstellung der Versuchsergebnisse bei n = 840 min. Umdrehungen.Masstab des Rades; Masstab der Formänderungen Fig. 24 lassen deutlich den versteifenden Einfluss der Arme erkennen. Trägt man in einem Schaubilde zu der Armzahl als Abszissen die Formänderungen in der Mitte der Segmente als Ordinaten auf, so ergibt sich fast genau eine gerade Linie. Aus dieser Gesetzmässigkeit kann man einen gewissen Schluss auf den Genauigkeitsgrad der Messungen ziehen. Mit wachsender Armzahl rücken ferner die Wendepunkte der Formänderungslinie weiter nach den Armen zu. In Fig. 5 zeigt sich sehr schön der Einfluss gekrümmter Arme auf die Formänderung. Naturgemäss werden sich die Arme, die hier auf Zug und insbesondere auf Biegung beansprucht werden, stark aufbiegen, wodurch der rechts benachbarte Teil des Segmentes nach aussen gedrückt und der links liegende Teil nach innen gebogen wird, da, wie man mit hinreichender Annäherung annehmen kann, der Winkel zwischen Segment und Arm sich nicht ändert. Auf diese Weise kommt die Durchbiegung der Segmente nach innen zustande. Daraus folgt auch ferner, dass das Maximum der Formänderung rechts vom Arm – im vorliegenden Falle bei 11° ungefähr- liegt. Im Vergleich mit Rädern mit geraden Armen lässt also die Steifigkeit hier wesentlich nach. Am wichtigsten und interessantesten zugleich sind die Ergebnisse, die in Fig. 6 und 7 dargestellt sind. Der schwächende Einfluss einer Teilung längs der Arme ist kaum nennenswert. Bemerkt sei, dass dieses Rad bei der Messung Unregelmässigkeiten zeigte, die auf vorhergegangene Materialbeanspruchung wohl zurückzuführen sind. Anders aber liegen die Verhältnisse bei dem Rad (Fig. 7), bei dem die Verbindung in der Mitte der Segmente durch zwei Flanschen und einen ⅜ zölligen Bolzen im Gesamtgewicht von ungefähr 250 gr erfolgte. Diese an sich kleine Masse gab aber durch ihre konzentrierte Wirkung im Verein mit der an sich weichen, nachgiebigen Flanschenverbindung zu einer starken Verzerrung der Scheibe Anlass. Die Flanschenmasse zog das Segment nach aussen und drückte das Nachbarsegment um das Armende gewissermassen wie um einen Drehpunkt nach innen (Kurve I). Brachte man jetzt auch an den ungeteilten Segmenten ungefähr die gleichen Lasten an entsprechender Stelle an, so arbeiteten die Gewichte jetzt gegeneinander und man erhielt an der Flanschstelle eine erheblich geringere Ausbiegung, die man als ungefähres Mass dafür ansehen kann, um wieviel der Flansch als Konstruktionsmittel, abgesehen von seiner Massenwirkung, i die Steifigkeit des Rades beeinträchtigt (Kurve II). Da die Formänderungen des Nachbarsegmentes sehr klein ist und der rechte Winkel für den Armansatz fast ungeändert bleibt, so wäre Kurve II mehr ein Mass für die Schwächung eines als fest eingespannt zu betrachtenden Segmentes durch die zweifache Wirkung einer Flanschverbindung. Uebrigens fand Benjamin, dass die Lage der Flanschverbindung innerhalb des Segmentes auf die Bruchtourenzahl einen nennenswerten Einfluss nicht ausübt. Er stellte das an einem sechsarmigen Rade fest, dass einmal in der Mitte, dann aber in ¼ der Bogenlänge mittels Flansches verbunden war. Zum Schluss möge noch eine Versuchsreihe et wähnt sein, bei der ein dreiarmiges Rad ruhend durch radial ausgeübte Zugkräfte in der Mitte der Segmente belastet wurde. Als charakteristisch ergab sich hier eine Formänderungslinie, die in der Nähe der Arme eine Eindrückung, also negativ war, deren Maximum bei etwa 25°, von den Armen aus gemessen, lag. In der Mitte war natürlich das Rad nach aussen und mit schärferer Steigung als bei dem rotierenden Rade deformiert. Da die Formänderungslinien periodisch verlaufen, so kann man ihre Gleichung in Form einer Fourierschen Reihe darstellen. Wz.