Titel: Ueber Quarzglas.
Autor: Wd.
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 316
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Ueber Quarzglas. Ueber Quarzglas. Im Jahre 1903 hielt W. C. Heraeus, Hanau, auf dem V. Internationalen Kongress für angewandte Chemie in Berlin einen Vortrag „Ueber Quarzglas“s. D. p. J. 1903, 319, S. 414. und lenkte damit zum ersten Male in Deutschland die Aufmerksamkeit auf ein Material, das ganz hervorragender technischer Verwendung fähig wäre, wenn nicht vorläufig seiner Bereitung und Bearbeitung in grösserem Masstabe erhebliche Schwierigkeiten entgegenständen. Heraeus legte einige in seinen Werkstätten hergestellte Quarzglasgeräte vor, besonders kleine Tiegel, und wies auf die Härte, absolute Unempfindlichkeit des Materials gegen schroffste Abkühlung, seinen hohen, über Platinschmelzhitze liegenden Schmelzpunkt und seine Durchlässigkeit für ultraviolettes Licht hin. Die Preise allerdings, welche für die vorgeführten Gegenstände verlauteten, mussten jeden Gedanken an eine Verwendung des Materials zu grösseren technischen Geräten bannen. Um so gespannter darf man allen Versuchen entgegen sehen, die auf Erschmelzung von Quarzglas in grösserem Masstabe hinzielen. Bevor wir über neuere Vorschläge dieser Art berichten, möge in Ergänzung des Vortrages von Heraeus aus den älteren Mitteilungen über die Eigenschaften und Bereitung des Quarzglases das wiederholt sein, was zum Verständnis jener neueren Vorschläge nötig ist. Unter Quarzglas ist zu verstehen die durch Schmelzen von Bergkristall oder anderen reinen Quarzarten entstehende durchsichtige, amorphe Substanz welche von denen des Quarzes wesentlich abweichende Eigenschaften aufweist. Obgleich schon durch sehr geringe Beimischungen die verglaste Kieselerde stark – und nicht günstig – in ihren Eigenschaften beeinflusst wird, wird man technisch auch sehr hochkieselsäurehaltige Gläser zum Quarzglas rechnen müssen, vorausgesetzt, dass ihr Schmelzpunkt erheblich höher als derjenige der bisher technisch verschmolzenen Gläser und Silikate liegt. Nachdem im Laufe des vorigen Jahrhunderts die verglaste Kieselerde, das Quarzglas, von drei unabhängig voneinander arbeitenden Gelehrten entdeckt und in kleinsten Mengen hergestellt worden war, unternahm Shenstone, der Verfasser der bekannten Anleitung zum Glasblasen, als erster planmässige Arbeiten zur Herstellung von Quarzglasgeräten.Nature 1901, Bd. 64, S. 65 u. f., im Auszug im Sprechsaal 1901, S. 1135. Die erste und sehr grosse Schwierigkeit, auf welche er bei seinen Versuchen stiess, Quarzstückchen durch Zusammenschmelzen vor der Knallgasgebläseflamme zu vereinigen, bestand darin, dass der Quarz hierbei in viele kleine Stückchen auseinanderspringt. Diese Schwierigkeit zu beheben gelang ihm, indem er vor dem Zusammenschmelzen den Quarz in kleinen Stückchen auf etwa 1000° C. erhitzte und danach in kaltes Wasser warf. Hierbei geht eine molekulare Umlagerung des Quarzes vor sich, die sich äusserlich darin zeigt, dass der Quarz emailleartig weiss und undurchsichtig wird, und die im übrigen zur Folge hat, dass die so behandelten Stücke nunmehr ohne zu zerspringen im heissesten Teil des Knallgasgebläses erhitzt werden können. Dieser Umstand hat nicht nur für die kleinen Versuche Shenstones Bedeutung, welcher lediglich Quarzstücke in der Gebläseflamme zusammenschmolz und formte, sondern auch für den Versuch, Quarzglas in etwas grösserem Masstabe in Schmelzgefässen zu verarbeiten. Schmilzt man nämlich Quarzstücke im Iridiumtiegel mit der Knallgasflamme, so sinken dieselben zu einer äusserst zähflüssigen Masse zusammen, die aber Blasen von der zwischen den Stücken enthaltenen Luft einschliesst. Da nun der Quarz im Iridiumtiegel nicht höher als etwa 2000° erhitzt und daher auch nicht annähernd leichtflüssig gemacht werden kann, so entweichen diese Blasen sehr schwer und vollständig überhaupt nicht. Kohletiegel und die Anwendung des Lichtbogens würden zwar höhere Erhitzung erlauben, aber ebenfalls eine Verunreinigung der Schmelze durch Bildung von Silicium und Siliciumcarbid verursachen. Versuche, solche Gaseinschlüsse in der Art der Läuterung des gewöhnlichen Glases, also durch Erhitzen der Schmelze bis zur Dünnflüssigkeit zu entfernen, stossen auf grundsätzliche Schwierigkeiten, da der Quarz, wie schon die Versuche von Moissan zeigen, bei den in Frage kommenden Temperaturen bereits stark verdampft. Es ist klar, dass das Quarzglas um so mehr Gaseinschlüsse aufweisen muss, je feiner der in das Schmelzgefäss eingebrachte Quarz verteilt ist oder je mehr er vor dem Schmelzen im Tiegel zersplittert. Da die Beobachtung von Shenstone dieses Zersplittern zu verhindern ermöglicht, würde sie auch für das technische Schmelzen des Bergkristalls in Tiegeln usw. von Bedeutung sein. Bei der Verarbeitung von nach Shenstone vorläufig erhitztem und wieder abgeschrecktem Bergkristall oder Quarz müssen blasenfreiere Schmelzen erhalten werden, als wenn man den Quarz unmittelbar in das Schmelzgefäss einbringt. Shenstone macht a. a. O. auch eingehende Mitteilungen über die technisch wichtigen Eigenschaften des Quarzglases, von denen wir einige schon eingangs kurz erwähnt haben. Die absolute Unempfindlichkeit des Quarzglases gegen schroffste Temperaturschwankungen hängt von seinem sehr geringen Ausdehnungskoeffizienten ab (0,00000059), der manche technische Verwendungsmöglichkeit eröffnet, z.B. in der Thermometrie, für Lampengläser, Wasserstandsgläser und Schaugläser. Weitere Verwendungsgebiete werden sich ergeben, wenn das Material erst zugänglicher geworden ist. Die Durchlässigkeit für ultraviolettes Licht lässt es für elektrische Lampen zur Erzeugung solchen Lichtes sehr geeignet erscheinen. Es ist beobachtet worden, dass in Quarzglasröhren Luft so hoch erhitzt werden kann, dass sich Stickstoff und Sauerstoff, ohne die Mitwirkung elektrischer Entladungen, zu Stickoxyden verbinden, und es ist darauf hingewiesen worden, dass dieser Umstand für die besonders in Nordamerika lebhaften Versuche von Einfluss werden kann, Salpetersäure synthetisch aus den Bestandteilen der Luft zu gewinnen.s. D. p. J. S. 254 d. Bd. Bei 1500° ist Quarzglas praktisch noch völlig starr. Hinderlich für technische Verwendung wird es allerdings sein, dass bei höheren Temperaturen das Quarzglas leicht durch alkalische Stoffe und in gewissem Grade durch Metalloxyde überhaupt angegriffen wird. Die Bemühungen, eine Herstellung von Quarzglasgegenständen in grossgewerblichem Masstabe ins Werk zu setzen, erstrecken sich nach verschiedenen Richtungen. Auf Verbilligung des Ausgangsmaterials zielt offenbar ein Vorschlag von Bredel in Höchst, statt Bergkristall und anstehenden Quarzes dessen Zertrümmerungsprodukte, also Quarzsande, zu benutzen, oder andere fein verteilte und reine Formen der Kieselsäure, wie reinen Kieselguhr. Das Verschmelzen dieses Materials würde, wie nach dem eingangs Gesagten ohne weiteres verständlich ist, zu einer Masse führen, die mit unzähligen Luftblasen durchsetzt ist, Deshalb frittet Bredel den Quarzsand zunächst zusammen, wobei er ein gröberes Korn erhält, zerschlägt die Fritte in kleine Stücke, welche nach Shenstone erhitzt und abgeschreckt werden – wir wollen diese Behandlung kurz „tempern“ nennen. Das Fritten und Tempern wird nötigenfalls wiederholt, bis beim endgültigen Schmelzen eine annähernd blasenfreie Masse entsteht. Shenstone sucht die Frage der Beschaffung von Schmelzgefässen aus wohlfeilerem Material zu lösen. Bisher ist im Grunde genommen, wie schon erwähnt, nur das Iridium für Schmelztiegel in Frage gekommen. Bei der Arbeit im grossen würde einmal der sehr hohe Preis dieser Gefässe im Wege stehen und dann auch der Umstand, dass der Schmelzpunkt des Iridiums nicht weit genug von dem des Quarzes entfernt ist, dass nicht mit Durchschmelzen der Tiegel gerechnet werden müsste. Shenstone baut daher einen Ofen aus Quarzziegeln auf. Ueber die Herstellung der Quarzziegeln werden nähere Angaben nicht gemacht, anscheinend ist beabsichtigt, Quarzsandformlinge bis zu genügender Festigkeit zu brennen. In dem aus den Ziegeln aufgebauten Ofen findet während des Betriebes die nötige Verglasung der inneren Oberflächen statt. Da als Wärmequellen Lichtbögen oder Knallgasflammen, also sehr konzentrierte Heizquellen benutzt werden, so wird schon in verhältnismässig geringer Entfernung davon die Ofensubstanz dauernd fest bleiben. Die besondere Einrichtung des Ofens ist z.B. so gedacht, dass die Beschickung in zwei Schmelzkanäle eingegeben wird, welche schräg abwärts in einen ungefähr ellipsoidischen Sammelraum führen. In den Kanälen sind abwechselnd Kohlenelektrodenpaare zur Erzeugung von Lichtbögen und Knallgasbrenner angeordnet. Die Brenner sollen mit einem geringen Ueberschuss an Sauerstoff betrieben werden, welcher von den Elektroden etwa in die Schmelze gelangende Kohlenpartikelchen unschädlich machen bezw. etwa entstandenes Silizium oder Karborundum oxydieren soll. Unter Umständen soll nur mit Lichtbögen geschmolzen und Sauerstoff zugeführt werden. Bei dieser Arbeitsweise liegt aber doch die Gefahr des Verbrennens der Elektroden sehr nahe. Das erschmolzene Quarzglas soll durch eine Arbeitsöffnung entnommen werden. Damit es an der Pfeife nach Art des gewöhnlichen Glases entnommen werden kann, muss deren unterer Teil aus Iridium bestehen. Wie schon früher erwähnt wurde, ist jede Berührung des Quarzglases mit basischen oder oxydischen Stoffen zu vermeiden, da sofort Silikate gebildet würden, die schädliche Verunreinigungen darstellen. Das Blasen des Quarzglases bietet, wie seinerzeit Heraeus betonte, ganz aussergewöhnliche Schwierigkeiten, weil es schwer ist, dabei die nötige Weichheit des Quarzglases aufrecht zu erhalten. Die schon im Ofen sehr zähe Schmelze wird natürlich äusserst rasch unformbar, so wie sie sich nur ein wenig abkühlt. Einige weitere Vorschläge gehen daher darauf aus, durch entsprechende Einrichtungen am Ofen die Formung unmittelbar im Ofen ausführbar zu machen. Hierher ist die Arbeitsweise zu rechnen, die Hutton im Kleinen in einer Sitzung der „American Electrochemical Society“ in Niagara Falls vorführte.Transactions of the A. E. S., Vol. II, S. 105 u. ff. Hutton stellte Quarzglasröhren mit Hilfe des elektrischen Lichtbogens her. In einer flach ausgehöhlten Rinne aus Graphit ordnete er einen Graphitstab so an, dass die Rinne die äussere Form und der Stab den inneren Formkern für das herzustellende Rohr abgab. Der Zwischenraum zwischen beiden Graphitstücken wurde mit „getemperten“ Quarzstückchen ausgefüllt, darauf längs beider Seiten der Rinne Graphitstäbe aufgelegt und auch der Zwischenraum zwischen diesen Stäben und dem Kern mit Quarzstückchen ausgefüllt. Weitere Quarzstückchen wurden so aufgelegt, dass der Formkern ganz bedeckt war. Die so beschickte Form von etwa 60 cm Länge wurde langsam unter dem Lichtbogen eines elektrischen Ofens nach Moissan hinweggeführt, aber so, dass der Lichtbogen stets in einiger Entfernung von dem Quarz blieb. Bei der Berührung würde nämlich ein starkes Verdampfen von Quarz und Reduktion zu Silizium und Karborundum stattfinden, die sich dem Auge durch eine Schwärzung der Quarzmasse kenntlich macht, aber wieder vergeht, so wie der Lichtbogen gehoben und für Luftzutritt an die geschwärzte Stelle gesorgt wird. Der verwendete Graphit muss ebenso wie die Elektroden von äusserster Reinheit sein, da schon Spuren von Kalk das Quarzglas seiner hervorragenden Eigenschaften berauben. Achesongraphit erwies sich als zweckentsprechend. Die Röhren lassen sich leicht von den Graphitformen ablösen. Auf die geschilderte Weise erhielt Hutton mehrere Rohre von 30–50 cm Länge, die aber den Fehler aufwiesen, dass sie zahlreiche Luftblasen in ihrer Masse eingeschlossen enthielten. Hutton scheint sich von der Anwendung stärkerer Lichtbögen ein besseres Ergebnis zu versprechen. Es ist aber schon oben angedeutet, dass und warum hiervon nicht viel zu erwarten ist. H. A. Kent in Middlesex benutzt das Schmelzgefäss aus Iridium in folgender Weise zum Formen der Schmelze zu Röhren oder Kugeln. Der Boden des Gefässes ist trichterförmig und mündet in einen zylindrischen Ansatz, in welchem sich die geschmolzene Masse sammelt. In der Mittelachse des Ansatzes liegt das Ende eines von oben durch die Wandung des Schmelzgefässes hindurchgeführten Iridiumrohres, durch welches Pressluft zugeführt wird. Lässt man nun die Schmelze aus dem ringförmigen Raum zwischen Ansatz und mittlerem Rohr nach unten austreten, so nimmt sie hohlzylindrische Form an. Durch die aus dem Rohr austretende Pressluft wird das Lichte des Rohres gekühlt und in seiner Form erhalten. Schliesst man den Quarzglashohlzylinder unten (etwa durch Stauchen), so wird er durch die Pressluft zu einer Kugel aufgeblasen. Das Austreten der zähen Schmelze aus dem zylindrischen Ansatz kann dadurch beschleunigt werden, dass man das Schmelzgefäss luftdicht abschliesst und in seinen oberen leeren Raum Druckluft einführt. Bredel in Höchst macht einen ähnlichen Vorschlag, der dahin geht, das Schmelzgefäss durch einen heizbaren Kanal mit der ebenfalls heizbaren Form zu verbinden und diese Räume luftleer zu machen. Wenn die Verbindung zwischen Schmelzgefäss und Kanal hergestellt wird, wird die Schmelze rasch durch den Kanal in die Form eingesaugt. Die Luftleere soll dabei offenbar das Einschliessen von Luftblasen in die Quarzglasmasse verhindern. Für Gegenstände von sehr gedrungener, wenig verwickelter Form, wie etwa optische Linsen, mag diese Einrichtung ganz brauchbar sein. Ein anderes, recht originelles Formverfahren schlägt Bredel in seiner französischen Patentschrift 344170 vor. Er will nämlich zunächst die Quarzglasschmelze zu Wolle zerblasen und aus dieser Wolle zunächst durch Pressen in einer Form einen dem herzustellenden Quarzglasgegenstande entsprechenden Formung herstellen. Dieser Formling wird dann durch Erhitzen „von unten her“ bis zum Erweichen verglast. Das Schmelzen „von unten her“ soll das Einschliessen von Luftblasen in der Masse vermeiden. Ueber die Art des Erhitzens besagt die Patentschrift nichts. Anscheinend ist aber daran gedacht, den Formung aus Quarzglaswolle nicht in der Form zu erhitzen, sondern unmittelbar der Flamme auszusetzen, was bei der grossen Schwierigkeit, geeignete Schmelzgefässe und genügende Temperaturen zu beschaffen, einen recht bemerkenswerten Vorzug dieser Arbeitsweise vorstellen würde. Auch lässt sich denken, dass die Schmelzung oder besser Verglasung des Formlings sich so leiten lässt, dass wenig Lufteinschlüsse entstehen. Denn die Erhitzung kann hierbei wirklich von unten nach oben fortschreiten, was das Entweichen von Luftblasen aus der Quarzglasmasse erleichtern muss. Eine solche streng von unten nach oben fortschreitende Erweichung ist bei keinem der anderen Schmelzverfahren möglich. Wd.