Titel: Neuerungen auf dem Gebiete der Wellentelegraphie.
Autor: Adolf Prasch
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 380
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Neuerungen auf dem Gebiete der Wellentelegraphie. Von Ing. Adolf Prasch, Wien. Neuerungen auf dem Gebiete der Wellentelegraphie. Die Entwicklung der Wellentelegraphie ist nunmehr, nachdem die massgebenden Grundlagen durch die Arbeiten hervorragender Männer festgelegt erscheinen, in langsamere, dafür aber zielbewusstere Bahnen gelenkt worden. Es wird jetzt, fast ausschliesslich auf den durch Professor Braun gewiesenen Wegen, welche den Umschwung der Wellentelegraphie anbahnten, weiter gearbeitet und hierdurch eine Verbesserung der gegenseitigen Abstimmung zwischen Sender und Empfänger zu erreichen gesucht. Diesbezüglich sind die verschiedenen Arten von Wellenmessern, mit deren Hilfe es ermöglicht wird, die Längen der von einem bestimmten Sender ausgestrahlten Haupt- und Nebenwellen genau festzustellen, von hervorragender Bedeutung. Die Geheimhaltung der Nachrichten ist jedoch, wie bereits erwiesen, auf dem Wege der Abstimmung noch unmöglich, da eine Resonanzwirkung im genauen akustischen Sinne nur dann zu erreichen wäre, wenn der Sender ununterbrochene Züge ungedämpfter Wellen entsenden würde. Wiewohl nun diesbezügliche Anläufe vorliegen, so ist es z. Z. noch nicht gelungen, dem Endziele wesentlich näher zu rücken. Um jedoch eine vollkommene Geheimhaltung dennoch zu ermöglichen, wird das Augenmerk in neuerer Zeit vielfach der gerichteten Wellentelegraphie zugewendet, durch welche die entsendeten Wellen nur in eine bestimmte Richtung gelenkt werden und sich nicht, wie bisher, nach allen Richtungen im Raume verbreiten können. Der Ausgestaltung der einzelnen für die Wellentelegraphie benötigten Hilfsapparate wird die grösste Aufmerksamkeit gewidmet und getrachtet, dieselben nicht nur empfindlicher, sondern auch widerstandsfähiger zu machen. Insbesondere trifft dies für die Wellenanzeiger zu, deren ursprüngliche Form (Fritter) nunmehr ganz verlassen zu werden scheint, nachdem es gelungen ist, auf elektrolytischen und bolometrischen Wirkungen beruhende derartige Instrumente zu schaffen, deren Empfindlichkeit die der besten Fritter um ein vielfaches übersteigt. Trotz der sorgfältigsten Untersuchungen und Forschungen ist es bis heute noch nicht gelungen, über die Art und Weise der Fortpflanzung der elektrischen Wellen ein vollkommenes Bild zu gewinnen, was ja auch nicht wundernehmen kann, da hier der experimentelle Nachweis fast vollständig versagt. Insofern stimmen die Ansichten der Forscher überein, dass die Fortpflanzung der Wellen längs der Erdoberfläche erfolgt, dieselben sozusagen längs der Erdoberfläche gleiten, wie dies bei elektrischen Wellen längs der Drähte der Fall ist. Darüber sind aber die Ansichten noch geteilt, ob die Wellen sich stetig vergrössern oder ob sie in der Form und Grösse gleich bleiben. Im ersteren Falle würde deren Intensität mit zunehmender Entfernung im geometrischen, im letzteren Falle hingegen nur im einfachen arithmetischen Verhältnisse abnehmen. Erstere Ansicht wird von Fessenden, letztere hingegen von Taylor verfochten. Fessenden gelangt auf Grund seiner Versuche zur Ansicht, dass die nach seinem Systeme der drahtlosen Telegraphie erzeugten elektrischen Wellen sich von den elektrischen Wellen anderer Systeme unterscheiden und er bezeichnet daher diese Wellen als hallfreie Aetherwellen. Es dürfte daher nicht ohne Interesse sein, die Ansicht des bekannten Physikers und Elektrotechnikers Professor Blondel hier vorzuführen, welcher sich auf Grund seiner theoretischen Forschungen den Anschauungen Fessendens zuneigt aber nachweist, dass die Annahme solcher Wellen durchaus nicht notwendig ist und sich alle Erscheinungen auf Grundlage der von Hertz entwickelten Gesetze zwanglos erklären lassen. Ueber die praktischen Ausführungen wellentelegraphischer Einrichtungen wurde bisher äusserst wenig verlautbar und schien es daher von Wert, auch hierüber, soweit Material vorlag, einiges zu bringen. Die praktischen Winke für die Ausführung solcher Einrichtungen, wie solche von de Forest, einem der gründlichsten Kenner dieses Gebietes, gegeben wurden, dürften wohl auch einigen Nutzen bringen. Um eine gewisse Einteilung festzuhalten, gelangen hier vorerst die theoretischen Untersuchungen, sodann die Neuerungen an Wellenmessern und Wellenanzeigern zur Vorführung, worauf erst auf die verschiedenen Systeme der drahtlosen Telegraphie übergegangen und zum Schlusse der praktischen Winke für die Ausführung gedacht wird. Blondels Theorie über die Form und Fortpflanzung elektrischer Wellen. Nach Taylor wandern die elektrischen Wellen als halbe Ellipsen von stets gleicher Höhe längs der Erdoberfläche und nehmen nur im Durchmesser zu (Fig. 1). Diese Darstellung rührt nach Blondel nur von einer unvollständigen Auslegung der theoretischen Untersuchungsergebnisse von Hertz her. Er weist nun in einfacher Weise nach, dass die Darstellung des Feldes in der Nähe des Sendedrahtes mit den Ergebnissen der Hertzschen Forschungen übereinstimmt und sich in vollkommenem Einklänge mit der Entstehung weit wandernder sphärischer Wellen befindet. Textabbildung Bd. 320, S. 380 Fig. 1. Nach Blondel ist ein geerdeter Sendedraht einem Hertzschen Oszillator von der doppelten Länge des Luftdrahtes (AA' Fig. 1) gleichwertig. Die gedachte Verlängerung OA' des Luftdrahtes bildet das elektrostatische Spiegelbild in bezug auf die Erdoberfläche. Das in der Umgebung eines solchen geradlinigen Oszillators AA' (Fig. 2) entstehende Feld ist dem von Hertz festgestellten Felde vollkommen gleich. Textabbildung Bd. 320, S. 380 Dieses Feld bildet sich aus kleinen in sich geschlossenen Schlingen oder Schleifen, die sich später auflösen, mit ihren Enden senkrecht zu dem Drahte nach beiden Richtungen fortschreiten und sich hierbei immer weiter ausdehnen. Die Verwendung eines endlichen geradlinigen Erregers für den Oszillator ändert an der Erscheinung qualitativ nichts und muss man daher bei dem grösseren Erreger ebenfalls Schleifen erhalten, die den das Kraftfeld darstellenden Störungskreis bilden. Die Art und Weise, wie sich die Schleifen loslösen und als Wellen weiter wandern, kann, wie bereits Fleming gezeigt hat,D. p. J. 1904, Bd. 319, S. 380. aus den von Hertz gegebenen Figuren abgeleitet werden. Die positiven und negativen Ladungen oder Elektronen schreiten in entgegengesetzten Linien gegen die Enden des Erregers vor, bleiben hierbei jedoch durch Kraftlinien ebenso verbunden wie in dem Falle, in welchem eine gewisse Elektrizitätsmenge oder Masse in ihre Elektronen zerlegt wird. Diese elektrischen Kraftlinien bilden zu Beginn der Bewegung Schleifen von ansteigendem Umfange. Die nach auf- und abwärts wandernden Elektronen unterliegen aber an den Enden der Drähte einer Reflektion und bewegen sich in entgegengesetzter Richtung, wodurch sich die Schleifenenden wieder nähern (Fig. 2). Infolge der Trägheit überspringen die Elektronen den Gleichgewichtspunkt O, wodurch die Kraftlinien sich kreuzen (Fig. 3) und endlich vom Drahte loslösen und in sich geschlossen ihren Weg als freie Wellen fortsetzen (Fig. 3 und 4). Die Gegenwart der Erde gestattet aber nur die Aufrechterhaltung der oberen Hälfte dieser Schleifen. Die so gebildeten Schleifen schreiten hierbei aber nicht durch einfache Bewegungsübertragung fort und behalten ihre Form bei, wie dies Fig. 1 voraussetzt, sondern haben das Bestreben, sich nach allen Richtungen hin auszudehnen, und wachsen während der Fortpflanzung längs der Erde ununterbrochen in die Höhe, krümmen sich zu gleicher Zeit gegen die vertikale Achse des Luftdrahtes und nehmen endlich durch Vereinigung die halbkreisförmige Form an. Dieser Vorgang ist in Fig. 5 dargestellt. Die halbkreisförmige Form der Kraftlinien wird in Wirklichkeit jedoch nicht so rasch erreicht, wie dies in der Figur, welche keinerlei Ansprüche auf mathematische Genauigkeit macht, dargestellt ist. Textabbildung Bd. 320, S. 380 Fig. 5. Sobald sich die ausbreitenden Schleifen mit ihren Enden an der Achse vereinigen, um vollkommen halbkreisförmig zu werden, wird die Fortpflanzung rein transversal und erfolgt mit der Geschwindigkeit des Lichtes. Solange jedoch diese Linien nicht jene Entfernung erreicht haben, in welcher sie die sphärische Form annehmen., folgt das Kraftfeld weit komplizierteren Gesetzen, die Kraftlinien oszillieren, wie dies Hertz nachgewiesen hat, und bewegen sich nicht mit der Geschwindigkeit des Lichtes. Die hierbei auftretenden Erscheinungen sind auch schwer zu erklären, doch ist eine solche Erklärung auch nicht notwendig, da es sich hier nur darum handelt, eine Vorstellung über das zu gewinnen, was in grosser Entfernung vor sich geht, und genügt für diese Zwecke die gegebene schematische Darstellung vollkommen. Zum Zwecke der Klarlegung des Vorganges stellt Blondel eine einfache Hypothese über die in dem Luftdrahte auftretenden Oszillationen auf. Er nimmt an, dass diese Schwingungen ähnlich wie die Schwingungen in einer offenen Pfeife, die an der Basis erregt wird, als Funktion der Zeit sinoidal verlaufen. Hierzu ist er nach den Untersuchungen von Slaby berechtigt, welche ergeben, dass der erregte Luftdraht am Erdungspunkt stets einen Spannungsknoten und einen Strombauch und am freien Ende einen Spannungsbauch und einen Stromknoten aufweist (Fig. 6). Vernachlässigt man die an den reflektierenden Enden des Luftdrahtes auftretenden Störungen, was zulässig ist, da eine Aenderung der Form der Drahtenden oder das Hinzufügen von kleinen Kugeln, Scheiben oder verschiedener Arten von Spitzen eine Aenderung der Wellenlänge nicht hervorruft, und lässt man ferner die Aenderungen der Kapazität und der linearen Induktion des Leiters unberücksichtigt, so kann man die Stromgleichung einfach schreiben: J=J_o\,\mbox{cos}\,\frac{\pi^2}{2\,H}\,\mbox{sin}\,\pi\,\frac{V\,t}{2\,H'}, wobei J den Strom an dem Punkte z zur Zeit t, Jo die Amplitude von J, z die Höhe des betrachteten Punktes, H die Höhe des Luftdrahtes und V die Geschwindigkeit des Lichtes bezeichnet. Textabbildung Bd. 320, S. 381 Fig. 6. Auf Grund dieser Annahme hat Blondel eine annähernde Berechnung durchgeführt, welche die Verteilung der Energie in einer Welle grosser Entfernung erkennen lässt. Da die Weitläufigkeit dieser Berechnung eine vollständige Wiedergabe ausschliesst, seien hier nur die Schlussergebnisse dieser Berechnung vorgeführt. Nach denselben ist die Aenderung der Kräfte in dem Felde eine Funktion des Winkels Φo, d. i. des Winkels zwischen der Richtung eines Stromelementes und einem Vector, welcher senkrecht zu den elektrischen und magnetischen Kräften steht, was sich durch den Ausdruck \frac{\mbox{cos}\,\left(\frac{\pi}{2}\,\mbox{cos}\,\theta_o\right)}{\mbox{sin}\,\theta_o} . . . . . . . 1) darstellen lässt. Auf der andern ändert sich die Energie senkrecht zu dem radialen Vector von Poynting entsprechend dem Ausdrucke \frac{\mbox{cos}^2\,\left(\frac{\pi}{2}\,\mbox{cos}\,\theta_o\right)}{{J_o}^2\,\mbox{sin}^2\,\theta_o} . . . . . 2) Es ist nun leicht zu ersehen, dass die Stärke des Empfanges von der Energie abhängt, welche der Empfangsdraht aufnimmt. Dies steht für thermische oder analoge Wellenempfänger ausser Zweifel, trifft aber auch für alle Wellenanzeiger der Frittertype zu, welche nur für den elektrischen Stoss bei Ankunft eines Wellenzuges empfindlich sind. Das Entstehen der Frittung ist allerdings von einer bestimmten Spannung abhängig, aber es ist, da ein Zusammenschmelzen der einzelnen Metallteilchen (Brückenbildung) angenommen wird, hierfür unbedingt auch eine gewisse, wenn auch minimale Elektrizitätsmenge erforderlich. Das Fritten wird demnach durch das Produkt aus Spannung und Stromstärke bestimmt. Führt man zwei Luftdrähten von gleicher Höhe dieselbe elektromotorische Kraft zu, so wird der Draht mit grösserer Oberfläche auch die grössere Elektrizitätsmenge aufnehmen und auch, wie dies durch den Versuch nachgewiesen wurde, auf den Empfänger energischer einwirken als der andere Draht. Es ist demnach die vom dem Empfangsdraht in Form von magnetischen und elektrischen Kraftlinien aufgenommene Energie, welche den Empfang beeinflusst. Die Empfindlichkeit kann demnach dem radialen Vector als proportional angesehen werden, und ist der Ausdruck hierfür r = ro – z cos θo . . . . . 3) Hieraus ergibt sich auch mit aller Bestimmtheit, dass die Wirkung der Wellen im umgekehrten Verhältnis zum Quadrat der Entfernung und nicht, wie Taylor annimmt, im einfachen umgekehrten Verhältnis zur Entfernung abnimmt. Betrachtet man die dem Faktor 2) entsprechende Kurve als Funktion des Winkels Φo, so erhält man die relativen Werte durch die Vectoren der Fig. 7 dargestellt. Textabbildung Bd. 320, S. 381 Fig. 7. Man sieht aus dieser Kurve nebst den beigegebenen Zahlen, dass die Energie um so schneller abnimmt, je mehr man sich über den Horizont erhebt. Es stimmt sonach die gegebene Theorie mit den Beobachtungen verschiedener Forscher auch in dieser Beziehung überein. Besonders Ferrié, welcher Untersuchungen in einem Luftballon anstellte, konnte nachweisen, dass die Güte des Empfanges mit zunehmender Höhe beträchtlich sinkt. Es ist ferner ganz ausser Zweifel, dass die Verteilungskurve die gleiche Form in allen Entfernungen beibehält. Es ergibt sich hieraus weiteres, dass bei grosser Entfernung der Abstand des Empfängers von der Erde geringer sein muss, um wahrnehmbare Signale zu erhalten, und dies umsomehr, als die Energie in absoluten Werten abnimmt. Diese Theorie, bei welcher die Erde als absoluter Leiter angenommen wurde, ist für die Uebertragung über Wasser unmittelbar anwendbar. Sie ist aber in dem Falle der Fortpflanzung über schlecht leitende Erde, welche in diesem Falle als ein halbes Dielektrikum zu betrachten ist, nur annähernd richtig. Die Erdformation wirkt zwar auf die Fortpflanzung der Wellen bei grosser Entfernung ein, hindert aber die Fortpflanzung nicht, wie sich dies aus der Fortpflanzung elektrischer Wellen längs leitender Körper von selbst ergibt. Die Wellen drehen sich nur in einer solchen Weise, dass sie der Oberfläche folgen können, wie dies durch die Versuche von Sarrazin, de la Rioe, Blondlot u.a. erwiesen wurde. Es genügt nach vorstehendem, die einfache Benutzung der bekannten Eigenschaften der Hertzschen Wellen, um alle die beobachteten Erscheinungen in ausreichender Weise erklären zu können, ohne dass es notwendig ist, wie dies von anderer geschehen (Fessenden), diesen Wellen neue oder geheimnisvolle Eigenschaften zuzuschreiben. Es liess sich auf diese Weise, ungeachtet der sehr verschiedenen Bedingungen und ohne die komplizierteren Vorgänge in der Nähe des Luftdrahtes zu analysieren, der theoretische Nachweis dafür erbringen, dass auf sehr grosse Entfernung die Fortpflanzung der von einem Luftdrahte erzeugten Wellen jener von halbkreisförmigen Wellen entspricht. Da nun halbkreisförmige Wellen polarisierte Wellen: sind, so können sie auch die Energie in allen Winkelrichtungen nicht in der gleichen Weise fortpflanzen, sondern haben in der horizontalen Richtung die grösste, gegen den Zenith hingegen gar keine Wirkung. Der Multiplikationsstab als Wellenmesser. Die Wellenmesser gewinnen für die Funkentelegraphie eine immer grössere Bedeutung. Ein praktisch verwertbares Instrument muss folgenden Bedingungen entsprechen: 1. Die Wellenlänge ist so anzugeben, wie sie sich im freien Raume ausbildet. 2. Es muss eichfähig, handlich, leicht transportabel sein und 3. eine genaue Messung bis zu 1 v. H. zulassen. Der von Professor Slaby hergestellte Multiplikationsstab entspricht allen diesen Bedingungen. Er ist nichts weiteres als eine entsprechend ausgebildete Resonanzspule. Nach der interessanten theoretischen Entwicklung der Grundgesetze, der hier leider nicht gefolgt werden kann, lässt sich jedes beliebige, geerdete Drahtgebilde dann in maximale Eigenschwingungen versetzen, wenn es von freien Wellen getroffen wird, deren Frequenz dem Produkte aus Kapazität und Selbstinduktion dieses Drahtgebildes entspricht. Es ist sonach dieses Produkt, welches von Slaby mit dem Namen „Schwingungskapazität“ belegt wurde, allein für das Auftreten der Resonanz von bestimmendem Einfluss. Es schwingen sonach alle geerdeten Drahtgebilde, die mit einer bestimmten Frequenz elektrisch erregt werden, dann in Resonanz, wenn sie Schwingungskapazitäten besitzen, welche die Gleichung T = 2 π √CL erfüllen. Wenn nun auch der Wert von C sehr verschieden sein kann und die Energie der Eigenschwingung um so grösser wird, je grösser die Kapazität und je kleiner die Selbstinduktion des Schwingungskreises ist, muss man bei einem solchen Wellenmesser, um die Wirkungen sichtbar zu machen, die Kapazität so wählen, dass eine möglichst grosse Oberflächenspannung und damit verbundene starke Elektronenstrahlung entsteht, oder mit anderen Worten eine sehr kleine Kapazität mit grösser Selbsinduktion vereinigen. Dies wird in einfachster Weise durch Anordnung des Schwingungsleiters in Spulenform erreicht, wodurch allerdings auf eine magnetische Fernwirkung der Schwingungen verzichtet wird. Die diesbezüglich durchgeführten Versuche und Berechnungen ergaben, dass die Elektronenstrahlung einer solchen Spule hauptsächlich von der Ganghöhe der Windungen abhängt, welche möglichst klein sein soll. Will man daher den Multiplikationsstab als Messinstrument verwenden, so sind für denselben nur Drähte von sehr kleinem Durchmesser mit sehr dünner Isolierung zu verwenden. Mit Kupferdraht von 0,1 mm Dicke und einfacher Seidenumwicklung wurden ganz gute Ergebnisse erzielt, bessere aber mit dem gleichen Draht, dessen Isolation aus einem äusserst dünnen Ueberzug von Zellulose-Acetat bestand. Die Wirkung hängt aber auch von der Länge der Stäbe, sowie dem Material ab, auf welches der Draht gewickelt wird. Die Eigenschwingungen der Spule lassen sich annähernd berechnen und ist hierbei ein Koeffizient zu berücksichtigen, welcher von einer gewissen Länge des Stabes ab als eine Konstante des Stabes betrachtet werden kann und bei Verwendung gleichen Materials und konstanter Ganghöhe nur eine Funktion der Stabdicke ist. Ist demnach die Kurve dieses Koeffizienten einmal ermittelt, so lässt sich die Teilung des Stabes leicht durch Rechnung finden. Um nun die Wellenlänge eines Schwingungskreises mittels eines solchen Multiplikationsstabes messen zu können, ist es notwendig, dass dessen Schwingungskapazität so verändert werden kann, dass sie der aufgedrückten Frequenz entspricht, was durch Zu- und Ausschalten von Windungen, wie dies Fig. 8 zeigt, geschieht. Eine oberhalb befindliche Skala lässt sodann die Wellenlängen unmittelbar ablesen. Eine richtige Wellenmessung mit diesen Multiplikationsstäben ist jedoch nur dann möglich, wenn er in einer Viertelwelle schwingt. Es muss daher die Schwingungsenergie des zu messenden Kreises auf dem Multiplikationsstab unter Aufrechterhaltung dieser Bedingung übertragen werden. Ein unmittelbarer Draht-Anschluss ist unzulässig, weil dadurch eine Verzerrung der Welle eintritt und der Anschlusspunkt im allgemeinen kein Knotenpunkt ist. Textabbildung Bd. 320, S. 382 Fig. 8. Der Multiplikationsstab muss sich daher (Fig. 9) stets in einer solchen Entfernung vom Schwingungskreise befinden, dass er weder eine Rückwirkung auf diesen ausübt, noch dass dessen Kapazität vom Schwingungskreise beeinflusst werden kann. Textabbildung Bd. 320, S. 382 Fig. 9. Die Messung erfolgt in der Weise, dass man den einseitig in einer Metallfassung endigenden Stab an dieser mit der linken Hand hält und sodann den mit der Erde verbundenen Schuber solange verschiebt, bis erzürn Sprühen gelangt. Die freie Spitze des Stabes soll hierbei dem Schwingungskreise zugewendet werden. Man wählt zu diesem Zwecke am besten jene Stellen des Schwingungskreises, an welchem sich die stärksten Oberflächenspannungen ausbilden, also zwischen Kondensator und Spule. Befestigt man an dieser Stelle des zu messenden Kreises ein zugespitztes Drahtstückchen, welches nach Versuchen dessen Frequenz nicht ändert, so nimmt das Sprühen des Multiplikationsdrahtes zu und man kann sich mit ihm weiter vom Schwingungskreise entfernen. Der Schuber des Stabes ist durch einen Litzendraht mit einem Metallteller verbunden, welcher auf den Erdboden gelegt wird. An und für sich genügt schon die Erdung durch den Körper selbst, allein das Sprühen wird bei dieser Anordnung wesentlich verstärkt, und macht sich dies auch dann bemerklich, wenn der Teller auf Holzboden liegt. Zur sicheren Messung muss jedoch, wie bereits erwähnt, der Multiplikationsstab in einem gewissen Abstand, etwa ½–1 m vom Schwingungskreise gehalten werden. Die bei Eintreten der Resonanz auftretenden Sprühfunken sind sehr schwach und wegen ihrer blauvioletten Farbe kaum zu erkennen. Um die Wirkung zu verstärken, lässt man die violette Strahlung auf fluoreszierende Substanzen wirken. Zu diesem Zwecke werden kleine Plättchen mit Kristallen von Baryumplatinzyanür bedeckt und unier die Spitze des Stabes gebracht, wodurch ein intensiv hellgrüner Lichtpunkt erhalten wird, der auch im unmittelbaren Sonnenlicht erkennbar bleibt. Eine fackelartige Ausbreitung des Leuchtens wird dadurch erreicht, dass man Blattgold auf den fluoreszierenden Plättchen verreibt. Das Erscheinen einer blitzartig auftretenden Lichtfackel zeigt dann die erreichte Abstimmung an. Die Eichung der Stäbe unmittelbar auf Wellenlängen, wie sie sich im freien Raume ausbreiten, bot anfänglich viele Schwierigkeiten, da sowohl die Berechnung der Frequenz von Schwingungskreisen mit eingeschalteten Flaschenkapazitäten zu grossen Ungenauigkeiten führt und sich auch die Selbstinduktionen nicht einwandfrei berechnen lassen. An geradlinig gestreckten blanken Drähten erfolgt die Ausbreitung der Schwingungen mit der gleichen Geschwindigkeit wie im freien Raume; es konnte daher angenommen werden, dass die an ihnen gemessenen Wellenlängen mit jenen im freien Raume übereinstimmen. Um den Einfluss benachbarter Metallmassen zu beseitigen, wurde die Eichung im freien Rsume an langen 2 m über den Erdboden gespannten Drähten, die in der Mitte durch eine Funkenstrecke erregt wurden, vorgenommen. Die Einstellung der Multiplikationsstäbe erfolgte im Dunklen an den Drahtenden in einer solchen Entfernung, dass eine Kapazitätsänderung ausgeschlossen war. Für den praktischen Gebrauch werden drei Multiplikationsstäbe mit verschiedenem Messbereiche in einem leicht transportablen Etui untergebracht. Die Bezeichnung, Abmessungen und Messbereich dieser Stäbe zeigt nachstehende Tabelle. Für Messung grösserer Wellenlängen kann noch ein Stab mit etwas grösserem Durchmesser, dessen Messbereich bis zu \frac{\lambda}{4}=300\,m reicht, hinzugefügt werden. Bezeichnungder Stäbe Durchmesserin mm Länge in cm. Messbereich für λ/4in m. A 1 80   25–  50 B 2 80   50–100 C 4 80 100–200 Die Stäbe sind mit seideumsponnenem Kupferdraht von 0,1 mm Kupferseele gewickelt und haben eine durchschnittliche Ganghöhe von 0,2 mm. Bei Verwendung von Kupferdraht gleicher Dicke, der mit einer äusserst dünnen Schicht Zellulose-Ocetat überzogen ist und welcher eine Ganghöhe von 0,1 mm zulässt, können die Stäbe bei gleichem Messbereiche die Hälfte der angegebenen Länge haben. Zur Bestimmung der kleinsten einzuhaltenden Entfernung des Multiplikationsstabes vom Messkreise durchgeführte Versuche ergaben als solche: für den Stab A 20 cm, für B 35. cm und für C 40 cm. (Fortsetzung folgt.)